Rosa Luxemburg Die Akkumulation des Kapitals Ein ... - Attac Berlin

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Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 20. Kapitel Kapitalisten gleichkommen, die durch jene Verschiebungen bedingt werden. Aus alledem ergibt sich, daß die Rolle der Arbeiterklasse als Käufer auf dem inneren Markte immer mehr verringert wird. Daneben vollzieht sich noch ein anderer Prozeß: Die kapitalistische Produktion bemächtigt sich Schritt für Schritt der Gewerbe, die bei der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine Nebenbeschäftigung waren, sie entzieht dem Bauerntum auf diese Weise eine Erwerbsquelle nach der anderen, wodurch auch die Kaufkraft der ländlichen Bevölkerung gegenüber den Erzeugnissen der Industrie immer mehr zurückgeht, so daß der innere Markt auch von dieser Seite immer mehr zusammenschrumpft. Wenden wir uns aber an den Anteil der Kapitalistenklasse, so vermag auch dieser nicht das ganze neuerzeugte Produkt zu realisieren, dies freilich aus umgekehrten Gründen. Wie groß auch die Konsumtionsbedürfnisse dieser Klasse sein mögen, sie kann doch nicht das ganze jährliche Mehrprodukt persönlich verzehren, erstens, weil ein Teil davon zur Erweiterung der Produktion, für technische Verbesserung aufgewendet werden muß, die jedem Einzelunternehmer durch den Konkurrenzkampf als Existenzbedingung aufgezwungen wird; zweitens, weil mit dem Wachstum der kapitalistischen Produktion auch jener Zweig wächst, der die Produktion von Produktionsmitteln besorgt, wie Bergbau, Maschinenindustrie usw., und dessen Produkt durch seine Gebrauchsgestalt von vornherein die persönliche Konsumtion ausschließt und die Funktion als Kapital bedingt; drittens endlich, weil die größere Produktivität der Arbeit und Kapitalersparnis, die bei der Massenproduktion billiger Waren erreicht werden kann, immer mehr die gesellschaftliche Produktion gerade auf solche Massenprodukte richtet, die nicht durch die Handvoll Kapitalisten verbraucht werden können. Obwohl nun der Mehrwert des einen Kapitalisten im Mehrprodukt anderer Kapitalisten realisiert werden kann und umgekehrt, so bezieht sich das doch nur auf Produkte eines bestimmten Zweiges, nämlich der Lebensmittelbranche. Aber das Hauptmotiv der kapitalistischen Produktion ist nicht Befriedigung der persönlichen Konsumtionsbedürfnisse. Das äußert sich auch darin, daß die Produktion von Lebensmitteln im ganzen immer mehr zurücktritt gegen die Produktion von Produktionsmitteln. "Auf diese Weise sehen wir, daß, wie das Produkt jeder Fabrik die Bedürfnisse der darin beschäftigten Arbeiter und des Unternehmers nach diesem Produkt weitaus übertrifft, ebenso das Gesamtprodukt einer kapitalistischen Nation weitaus die Bedürfnisse der gesamten beschäftigten Industriebevölkerung übertrifft, und zwar übertrifft sie sie gerade deshalb, weil die Nation eine kapitalistische ist, weil ihre gesellschaftliche Kräfteverteilung nicht auf die Befriedigung der wirklichen Bedürfnisse der Bevölkerung gerichtet ist, sondern bloß auf die Befriedigung zahlungsfähiger Bedürfnisse. Genauso wie ein Einzelfabrikant also auch nicht einen Tag existieren kann als Kapitalist, wenn sein Absatzmarkt nur durch die Bedürfnisse seiner Arbeiter und seine persönlichen Bedürfnisse beschränkt wäre, ebenso vermag sich auch eine entwickelte kapitalistische Nation nicht mit ihrem eigenen inneren Markt zu begnügen." So hat die kapitalistische Entwicklung die Tendenz, auf einer gewissen Höhe sich selbst Hindernisse zu bereiten. Diese Hindernisse kommen in letzter Linie daher, daß die fortschreitende Produktivität der Arbeit angesichts der Trennung der unmittelbaren Produzenten von den Produk- tionsmitteln nicht der ganzen Gesellschaft, sondern bloß einzelnen Unternehmern zugute kommt, während eine Masse Arbeitskräfte und Arbeitszeit durch diesen Prozeß "befreit", überflüssig werden und nicht bloß für die Gesellschaft verlorengehen, sondern ihr sogar zur Last fallen. Wirkliche Bedürfnisse der Volksmasse können nur in dem Maße besser befriedigt werden, als die "volkstümliche", auf der Vereinigung des Produzenten mit den Produktionsmitteln basierende Produktionsweise das Übergewicht bekommt. Der file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR92.062/lu/lu05/lu05_238.htm (2 of 7) [19.07.2004 21:12:44]

Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 20. Kapitel Kapitalismus hat aber das Bestreben, sich just dieser Produktionssphären zu bemächtigen und so den Hauptfaktor seiner eigenen Blüte zu vernichten. Waren doch z.B. die periodischen Hungersnöte in Indien, die alle zehn oder elf Jahre auftraten, eine der Ursachen der Periodizität der industriellen Krisen in England. In diesen Widerspruch gerät früher oder später jede Nation, die die Bahn der kapitalistischen Entwicklung betreten hat, denn er steckt in dieser Produktionsweise selbst. Je später aber eine Nation die Bahn des Kapitalismus betritt, um so schärfer macht sich der Widerspruch geltend, denn sie kann nach der Sättigung des inneren Marktes keinen Ersatz auf dem auswärtigen finden, da dieser schon von älteren konkurrierenden Ländern mit Beschlag belegt ist. Aus alledem folgt, daß die Schranken des Kapitalismus durch die steigende Armut gegeben sind, die seine eigene Entwicklung bedingt, durch die wachsende Zahl überzähliger Arbeiter, die gar keine Kaufkraft besitzen. Der zunehmenden Produktivität der Arbeit, die jedes zahlungsfähige Bedürfnis der Gesellschaft außerordentlich rasch befriedigt, entspricht eine zunehmende Unfähigkeit wachsender Volksmassen, ihre dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen, dem Überfluß unabsetzbarer Waren - der Mangel breiter Massen an dem Notwendigsten. Das sind die allgemeinen Ansichten Nikolai-ons.(1) Man sieht: Nikolai-on kennt seinen Marx und hat sich die beiden ersten Bände des "Kapitals" sehr wohl zunutze kommen lassen. Und doch ist seine ganze Argumentation echt sismondisch: Der Kapitalismus führt selbst zur Verkürzung des inneren Marktes durch die Verelendung der Massen, alles Unheil in der modernen Gesellschaft kommt von der Zerstörung der "volkstümlichen" Produktionsweise, d.h. des Kleinbetriebes - das sind seine Leitmotive. Das Lob des alleinseligmachenden Kleinbetriebes kommt sogar bei Nikolai-on als der Grundton seiner ganzen Kritik viel deutlicher und offener bei Sismondi zum Ausdruck.(2) Im Schlußresultat ist die Realisi- rung des kapitalistischen Gesamtprodukts im Innern der Gesellschaft unmöglich, sie kann nur dank den auswärtigen Märkten gelingen. Hier mündet Nikolai-on, trotz ganz verschiedener theoretischer Ausgangspunkte, mit Woronzow in den gleichen Schluß, dessen Moral, auf Rußland angewendet, die ökonomische Begründung der Skepsis im Verhältnis zum Kapitalismus bildet. In Rußland hat die kapitalistische Entwicklung, der auswärtige Märkte von vornherein abgeschnitten sind, nur Schattenseiten, nur Verelendung der Volksmassen ergeben, und deshalb war die Förderung des Kapitalismus in Rußland ein verhängnisvoller "Fehler". Hier angelangt, donnert Nikolai-on wie ein alttestamentarischer Prophet: "Anstatt uns an die jahrhundertealten Überlieferungen zu halten, anstatt das von uns ererbte Prinzip der festen Verbindung des unmittelbaren Produzenten mit den Produktionsmitteln zu entwickeln, anstatt die Errungenschaften der westeuropäischen Wissenschaft zu benutzen, um sie auf Produktionsformen anzuwenden, die auf dem Besitz der Produktionsmittel durch die Bauern beruhen, anstatt die Produktivität ihrer Arbeit durch die Konzentrierung der Produktionsmittel in ihren Händen zu erhöhen, anstatt uns nicht die westeuropäische Form der Produktion, wohl aber ihre Organisation zunutze kommen zu lassen, ihre starke Kooperation, ihre Arbeitsteilung, ihre Maschinen usw. usw., anstatt das Prinzip zu entwickeln, das dem bäuerlichen Grundbesitz zugrunde liegt, und es auf die bäuerliche Bodenbearbeitung anzuwenden, anstatt dem Bauerntum zu diesem Zwecke den Zutritt zur Wissenschaft und deren Anwendung weit zu öffnen: anstatt alles dessen haben wir den direkt entgegengesetzten Weg eingeschlagen. Wir haben nicht file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR92.062/lu/lu05/lu05_238.htm (3 of 7) [19.07.2004 21:12:44]

<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> - <strong>Die</strong> <strong>Akkumulation</strong> <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>, 20. Kapitel<br />

Kapitalisten gleichkommen, die durch jene Verschiebungen bedingt werden. Aus alledem ergibt sich,<br />

daß die Rolle der Arbeiterklasse als Käufer auf dem inneren Markte immer mehr verringert wird.<br />

Daneben vollzieht sich noch ein anderer Prozeß: <strong>Die</strong> kapitalistische Produktion bemächtigt sich Schritt<br />

für Schritt der Gewerbe, die bei der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine Nebenbeschäftigung waren,<br />

sie entzieht dem Bauerntum auf diese Weise eine Erwerbsquelle nach der anderen, wodurch auch die<br />

Kaufkraft der ländlichen Bevölkerung gegenüber den Erzeugnissen der Industrie immer mehr<br />

zurückgeht, so daß der innere Markt auch von dieser Seite immer mehr zusammenschrumpft. Wenden<br />

wir uns aber an den Anteil der Kapitalistenklasse, so vermag auch dieser nicht das ganze neuerzeugte<br />

Produkt zu realisieren, dies freilich aus umgekehrten Gründen. Wie groß auch die<br />

Konsumtionsbedürfnisse dieser Klasse sein mögen, sie kann doch nicht das ganze jährliche Mehrprodukt<br />

persönlich verzehren, erstens, weil ein Teil davon zur Erweiterung der Produktion, für technische<br />

Verbesserung aufgewendet werden muß, die jedem <strong>Ein</strong>zelunternehmer durch den Konkurrenzkampf als<br />

Existenzbedingung aufgezwungen wird; zweitens, weil mit dem Wachstum der kapitalistischen<br />

Produktion auch jener Zweig wächst, der die Produktion von Produktionsmitteln besorgt, wie Bergbau,<br />

Maschinenindustrie usw., und <strong>des</strong>sen Produkt durch seine Gebrauchsgestalt von vornherein die<br />

persönliche Konsumtion ausschließt und die Funktion als Kapital bedingt; drittens endlich, weil die<br />

größere Produktivität der Arbeit und Kapitalersparnis, die bei der Massenproduktion billiger Waren<br />

erreicht werden kann, immer mehr die gesellschaftliche Produktion gerade auf solche Massenprodukte<br />

richtet, die nicht durch die Handvoll Kapitalisten verbraucht werden können.<br />

Obwohl nun der Mehrwert <strong>des</strong> einen Kapitalisten im Mehrprodukt anderer Kapitalisten realisiert werden<br />

kann und umgekehrt, so bezieht sich das doch nur auf Produkte eines bestimmten Zweiges, nämlich der<br />

Lebensmittelbranche. Aber das Hauptmotiv der kapitalistischen Produktion ist nicht Befriedigung der<br />

persönlichen Konsumtionsbedürfnisse. Das äußert sich auch darin, daß die Produktion von Lebensmitteln<br />

im ganzen immer mehr zurücktritt gegen die Produktion von Produktionsmitteln. "Auf diese Weise sehen<br />

wir, daß, wie das Produkt jeder Fabrik die Bedürfnisse der darin beschäftigten Arbeiter und <strong>des</strong><br />

Unternehmers nach diesem Produkt weitaus übertrifft, ebenso das Gesamtprodukt einer kapitalistischen<br />

Nation weitaus die Bedürfnisse der gesamten beschäftigten Industriebevölkerung übertrifft, und zwar<br />

übertrifft sie sie gerade <strong>des</strong>halb, weil die Nation eine kapitalistische ist, weil ihre gesellschaftliche<br />

Kräfteverteilung nicht auf die Befriedigung der wirklichen Bedürfnisse der Bevölkerung gerichtet ist,<br />

sondern bloß auf die Befriedigung zahlungsfähiger Bedürfnisse. Genauso wie ein <strong>Ein</strong>zelfabrikant also<br />

auch nicht einen Tag existieren kann als Kapitalist, wenn sein Absatzmarkt nur durch die Bedürfnisse<br />

seiner Arbeiter und seine persönlichen Bedürfnisse beschränkt wäre, ebenso vermag sich auch eine<br />

entwickelte kapitalistische Nation nicht mit ihrem eigenen inneren Markt zu begnügen."<br />

So hat die kapitalistische Entwicklung die Tendenz, auf einer gewissen Höhe sich selbst Hindernisse zu<br />

bereiten. <strong>Die</strong>se Hindernisse kommen in letzter Linie daher, daß die fortschreitende Produktivität der<br />

Arbeit angesichts der Trennung der unmittelbaren Produzenten von den Produk- tionsmitteln<br />

nicht der ganzen Gesellschaft, sondern bloß einzelnen Unternehmern zugute kommt, während eine Masse<br />

Arbeitskräfte und Arbeitszeit durch diesen Prozeß "befreit", überflüssig werden und nicht bloß für die<br />

Gesellschaft verlorengehen, sondern ihr sogar zur Last fallen. Wirkliche Bedürfnisse der Volksmasse<br />

können nur in dem Maße besser befriedigt werden, als die "volkstümliche", auf der Vereinigung <strong>des</strong><br />

Produzenten mit den Produktionsmitteln basierende Produktionsweise das Übergewicht bekommt. Der<br />

file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR92.062/lu/lu05/lu05_238.htm (2 of 7) [19.07.2004 21:12:44]

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