Rosa Luxemburg Die Akkumulation des Kapitals Ein ... - Attac Berlin

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30.12.2012 Aufrufe

Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 19. Kapitel der Prozeß der Trennung der unmittelbaren Produzenten von den Produktionsmitteln sei in den russischen Verhältnissen wohl zu gewärtigen. Ja, Woronzow geht noch weiter. Er bestreitet gar nicht die Möglichkeit der Entwicklung kapitalistischer Produktionsformen in gewissen Zweigen der russischen Industrie, selbst der kapitalistischen Ausfuhr aus Rußland nach den auswärtigen Märkten. Sagt er doch in seinem Aufsatz "Der Überschuß bei der Versorgung des Marktes": "Die kapitalistische Produktion entwickelt sich in einigen Zweigen der Industrie sehr rasch (versteht sich: im russischen Sinne des Wortes)."(1) "Es ist sehr wahrscheinlich, daß Rußland, wie andere Länder, gewisse natürliche Vorteile hat, infolge deren es als Lieferant gewisser Arten Waren auf auswärtigen Märkten auftreten kann; es ist sehr möglich, daß sich das Kapital dies zunutze machen und die entsprechenden Produktionszweige in seine Hände ergreifen wird ..., d.h., die nationale Arbeitsteilung wird es unserem Kapitalismus erleichtern, in ge- wissen Zweigen Fuß zu fassen. Es handelt sich aber für uns nicht darum. Wir reden nicht von der zufälligen Teilnahme des Kapitals an der industriellen Organisation des Landes, sondern wir fragen, ob es wahrscheinlich sei, daß die gesamte Produktion Rußlands auf kapitalistische Basis gestellt werden könnte."(2) In dieser Form bekommt die Skepsis des Herrn Woronzow offenbar ein ziemlich anderes Gesicht, als man zuerst annehmen mochte. Er hegt Zweifel darüber, ob sich die kapitalistische Produktionsweise je der gesamten Produktion in Rußland wird bemächtigen können. Dieses Kunststück hat sie aber bis jetzt noch in keinem Lande der Welt, nicht einmal in England ganz fertiggebracht. Eine derartige Skepsis in bezug auf die Zukunft des russischen Kapitalismus dürfte also vorerst ganz international gefaßt werden Und in der Tat läuft hier die Theorie Woronzows auf ganz allgemeine Erwägungen über die Natur und die Lebensbedingungen des Kapitalismus hinaus, sie stützt sich auf allgemeine theoretische Ansichten über den Reproduktionsprozeß des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Woronzow formuliert in folgender deutlicher Weise den besonderen Zusammenhang der kapitalistischen Produktionsweise mit der Frage der Absatzmärkte: "Die nationale Arbeitsteilung, die Verteilung aller Industriezweige unter den am Welthandel beteiligten Ländern hat mit dem Kapitalismus gar nichts zu tun. Der Absatzmarkt, der sich auf diese Weise bildet, die Nachfrage nach den Produkten verschiedener Länder, die sich aus einer solchen Arbeitsteilung zwischen den Völkern ergibt, hat ihrem Charakter nach nichts gemein mit dem Absatzmarkt, den die kapitalistische Produktionsweise benötigt ... Die Produkte der kapitalistischen Industrie kommen auf den Markt zu einem anderen Zwecke: Sie berühren nicht die Frage, ob alle Bedürfnisse des Landes befriedigt sind; sie brauchen nicht unbedingt dem Unternehmer anstatt ihrer selbst ein anderes materielles Produkt zu liefern, das der Konsumtion dient. Ihr Hauptzweck ist: den in ihnen verborgenen Warenwert zu realisieren. Was ist das aber für ein Mehrwert, der den Kapitalisten um seiner selbst willen interessiert? Von dem Standpunkt, von dem aus wir die Frage betrachten, ist der erwähnte Mehrwert - der Überschuß der Produktion über die Konsumtion im Innern des Landes. Jeder Arbeiter produziert mehr, als er selbst konsumiert, und alle diese Überschüsse sammeln sich in wenigen Händen; die Besitzer dieser Überschüsse verzehren sie selbst, zu welchem Zwecke sie sie innerhalb des Landes sowie im Auslande gegen verschiedenste Lebensmittel und Gegenstände des Luxus austauschen; doch soviel sie auch essen, trinken und tanzen mögen - den ganzen Mehrwert zu verjubeln, bringen sie doch nicht fertig; es verbleibt noch ein bedeutender Rest, den sie nicht gegen ein anderes Produkt austauschen, sondern ganz einfach loswerden, zu Geld machen müssen, sonst wird er sowieso umkommen. Da niemand im Lande da ist, an den sie diesen Rest loswerden könnten, so muß er ins Ausland ausgeführt werden - und da haben wir die Ursache, weshalb Länder, die sich kapitalisieren, ohne file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR91.359/lu/lu05/lu05_231.htm (2 of 6) [19.07.2004 21:12:36]

Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 19. Kapitel auswärtige Absatzmärkte nicht auskommen können."(3) Die Leser haben in dem obigen Zitat, das wir wörtlich mit allen Eigentümlichkeiten der Woronzowschen Ausdrucksweise übersetzt haben, eine Stichprobe, die ihnen eine Ahnung von dem geistvollen russischen Theoretiker gehen kann, bei dessen Lektüre man die köstlichsten Augenblicke verlebt. Dieselben Ansichten hat Woronzow später in seinem Buche "Umrisse der theoretischen Nationalökonomie" 1895 zusammengefaßt, und hier wollen wir ihn hören. W. polemisiert gegen die Ansichten Say-Ricardos, namentlich auch gegen J. St. Mill, die die Möglichkeit einer allgemeinen Überproduktion bestritten. Dabei entdeckt er, was keiner vor ihm wußte: Er hat die Quelle aller Verirrungen der klassischen Schule in bezug auf die Krisen ausfindig gemacht. Diese Quelle liege in der irrtümlichen Theorie der Produktionskosten, der die bürgerliche Ökonomie fröne. Vom Standpunkte der Produktionskosten (die W. ohne Profit annimmt, was gleichfalls keiner vor ihm fertiggebracht hat) sei allerdings sowohl der Profit wie Krisen undenkbar und unerklärlich. Doch dieser originelle Denker will in seinen eigenen Worten genossen sein: "Nach der Lehre der bürgerlichen Nationalökonomie wird der Wert des Produkts durch die Arbeit bestimmt, die zu seiner Herstellung aufgewendet wurde. Nachdem sie aber diese Wertbestimmung gegeben hat, vergißt sie sie sofort, und bei den folgenden Erklärungen der Tauscherscheinungen stützt sie sich auf eine andere Theorie, in der die Arbeit durch Produktionskosten ersetzt ist. So werden zwei Produkte gegeneinander in solchen Quantitäten ausgetauscht, daß auf beiden Seiten gleiche Produktionskosten vorhanden sind. Bei einer solchen Auffassung des Austausches ist für einen Überschuß an Waren im Lande tatsächlich kein Platz. Irgendein Produkt der Jahresarbeit eines Arbeiters erscheint von diesem Standpunkt als Vertreter eines gewissen Quantums Stoff, aus dem es verfertigt ist, Werkzeuge, die dabei abgenutzt sind, und der Produkte, die zur Erhaltung des Arbeiters während der Produktionsperiode dienten. Bei seiner Erscheinung auf dem Markte hat es (wohl "das Produkt"! - R. L.) den Zweck, seine Gebrauchsform zu ändern, sich wieder in den Stoff zu verwandeln, in Produkte für den Arbeiter und in den Wert, der zur Erneuerung der Werkzeuge nötig ist, und nach diesem Prozeß seiner Zerstückelung in Bestandteile wird der Prozeß ihrer Wiedervereinigung, der Produktionsprozeß einsetzen, währenddessen alle aufgezählten Werte verzehrt werden, dafür aber ein neues Produkt entstehen wird, das ein Bindeglied zwischen der vergangenen Konsumtion und der künftigen darstellt." Aus diesem ganz eigenartigen Versuch, die gesellschaftliche Reproduktion als einen fortlaufenden Prozeß vom Standpunkte der Theorie der Produktionskosten darzustellen, folgt plötzlich, wie aus der Pistole geschossen, der folgende Schluß: "Wenn wir somit die Gesamtmasse der Produkte eines Landes betrachten, so werden wir gar keine überflüssige Ware vorfinden, die den Bedarf der Gesellschaft übersteigen würde; der unabsetzbare Überschuß ist daher vom Standpunkte der Werttheorie der bürgerlichen Nationalökonomie unmöglich." Nachdem Woronzow so durch eine höchst souveräne Mißhandlung der "bürgerlichen Werttheorie" aus den Produktionskosten den Kapitalprofit ausgeschaltet hat, macht er nun diese seine Unterlassung im nächsten Moment zu einer großartigen Entdeckung: "Aber die angeführte Analyse deckt noch einen anderen Zug in der bis vor kurzem herrschenden Werttheorie auf: Es stellt sich heraus, daß auf dem Boden dieser Theorie für den Kapitalprofit kein Platz da ist." Hier folgt eine in ihrer Kürze und Einfachheit verblüffende Beweisführung: "In der Tat, wenn mein Produkt, dessen Produktionskosten mit 5 Rubeln ausgedrückt sind, gegen ein anderes Produkt von gleichem Wert ausgetauscht wird, so wird das von mir Erhaltene nur ausreichen, um meine Auslagen zu decken, für meine Enthaltung aber (wörtlich so file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR91.359/lu/lu05/lu05_231.htm (3 of 6) [19.07.2004 21:12:36]

<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> - <strong>Die</strong> <strong>Akkumulation</strong> <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>, 19. Kapitel<br />

auswärtige Absatzmärkte nicht auskommen können."(3)<br />

<strong>Die</strong> Leser haben in dem obigen Zitat, das wir wörtlich mit allen Eigentümlichkeiten der Woronzowschen<br />

Ausdrucksweise übersetzt haben, eine Stichprobe, die ihnen eine Ahnung von dem geistvollen russischen<br />

Theoretiker gehen kann, bei <strong>des</strong>sen Lektüre man die köstlichsten Augenblicke verlebt.<br />

<strong>Die</strong>selben Ansichten hat Woronzow später in seinem Buche "Umrisse der theoretischen<br />

Nationalökonomie" 1895 zusammengefaßt, und hier wollen wir ihn hören. W. polemisiert gegen die<br />

Ansichten Say-Ricardos, namentlich auch gegen J. St. Mill, die die Möglichkeit einer allgemeinen<br />

Überproduktion bestritten. Dabei entdeckt er, was keiner vor ihm wußte: Er hat die Quelle aller<br />

Verirrungen der klassischen Schule in bezug auf die Krisen ausfindig gemacht. <strong>Die</strong>se Quelle liege in der<br />

irrtümlichen Theorie der Produktionskosten, der die bürgerliche Ökonomie fröne. Vom Standpunkte der<br />

Produktionskosten (die W. ohne Profit annimmt, was gleichfalls keiner vor ihm fertiggebracht hat) sei<br />

allerdings sowohl der Profit wie Krisen undenkbar und unerklärlich. Doch dieser originelle Denker will<br />

in seinen eigenen Worten genossen sein: "Nach der Lehre der bürgerlichen Nationalökonomie wird der<br />

Wert <strong>des</strong> Produkts durch die Arbeit bestimmt, die zu seiner Herstellung aufgewendet wurde. Nachdem<br />

sie aber diese Wertbestimmung gegeben hat, vergißt sie sie sofort, und bei den folgenden Erklärungen<br />

der Tauscherscheinungen stützt sie sich auf eine andere Theorie, in der die Arbeit durch<br />

Produktionskosten ersetzt ist. So werden zwei Produkte gegeneinander in solchen Quantitäten<br />

ausgetauscht, daß auf beiden Seiten gleiche Produktionskosten vorhanden sind. Bei einer solchen<br />

Auffassung <strong>des</strong> Austausches ist für einen Überschuß an Waren im Lande tatsächlich kein Platz.<br />

Irgendein Produkt der Jahresarbeit eines Arbeiters erscheint von diesem Standpunkt als Vertreter eines<br />

gewissen Quantums Stoff, aus dem es verfertigt ist, Werkzeuge, die dabei abgenutzt sind, und der<br />

Produkte, die zur Erhaltung <strong>des</strong> Arbeiters während der Produktionsperiode dienten. Bei seiner<br />

Erscheinung auf dem Markte hat es (wohl "das Produkt"! - R. L.) den Zweck, seine<br />

Gebrauchsform zu ändern, sich wieder in den Stoff zu verwandeln, in Produkte für den Arbeiter und in<br />

den Wert, der zur Erneuerung der Werkzeuge nötig ist, und nach diesem Prozeß seiner Zerstückelung in<br />

Bestandteile wird der Prozeß ihrer Wiedervereinigung, der Produktionsprozeß einsetzen, während<strong>des</strong>sen<br />

alle aufgezählten Werte verzehrt werden, dafür aber ein neues Produkt entstehen wird, das ein Bindeglied<br />

zwischen der vergangenen Konsumtion und der künftigen darstellt." Aus diesem ganz eigenartigen<br />

Versuch, die gesellschaftliche Reproduktion als einen fortlaufenden Prozeß vom Standpunkte der<br />

Theorie der Produktionskosten darzustellen, folgt plötzlich, wie aus der Pistole geschossen, der folgende<br />

Schluß: "Wenn wir somit die Gesamtmasse der Produkte eines Lan<strong>des</strong> betrachten, so werden wir gar<br />

keine überflüssige Ware vorfinden, die den Bedarf der Gesellschaft übersteigen würde; der unabsetzbare<br />

Überschuß ist daher vom Standpunkte der Werttheorie der bürgerlichen Nationalökonomie unmöglich."<br />

Nachdem Woronzow so durch eine höchst souveräne Mißhandlung der "bürgerlichen Werttheorie" aus<br />

den Produktionskosten den Kapitalprofit ausgeschaltet hat, macht er nun diese seine Unterlassung im<br />

nächsten Moment zu einer großartigen Entdeckung: "Aber die angeführte Analyse deckt noch einen<br />

anderen Zug in der bis vor kurzem herrschenden Werttheorie auf: Es stellt sich heraus, daß auf dem<br />

Boden dieser Theorie für den Kapitalprofit kein Platz da ist." Hier folgt eine in ihrer Kürze und<br />

<strong>Ein</strong>fachheit verblüffende Beweisführung: "In der Tat, wenn mein Produkt, <strong>des</strong>sen Produktionskosten mit<br />

5 Rubeln ausgedrückt sind, gegen ein anderes Produkt von gleichem Wert ausgetauscht wird, so wird das<br />

von mir Erhaltene nur ausreichen, um meine Auslagen zu decken, für meine Enthaltung aber (wörtlich so<br />

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