Rosa Luxemburg Die Akkumulation des Kapitals Ein ... - Attac Berlin

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Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 16. Kapitel Rodbertus den ganzen Aufwand an sittlicher Entrüstung über die Entstehung und die ökonomischen Gesetze des Lohnsystems nicht etwa dazu verbraucht, um als die Konsequenz daraus die Abschaffung des schauderhaften Unrechts, des "törichten und unbeschreiblichen Widerspruchs" zu fordern. Bewahre! Er beruhigt wiederholt die Mitmenschheit, daß sein Gebrüll wider die Ausbeutung nicht gar zu tragisch gemeint sei, er sei kein Löwe, sondern bloß Schnock der Schreiner.(9) Die ethische Theorie des Lohngesetzes ist nur nötig, um daraus den weiteren Schluß zu ziehen: 3. Aus der Bestimmung des Lohnes durch die "Tauschwertgesetze" ergibt sich nämlich, daß mit dem Fortschritt der Produktivität der Arbeit der Anteil der Arbeiter am Produkt immer kleiner wird. Hier sind wir an dem archimedischen Punkt des Rodbertusschen "Systems" angelangt. Die "fallende Lohnquote" ist die wichtigste "eigene" Idee, die er seit seiner ersten sozialen Schrift (wahrscheinlich 1839) bis zu seinem Tode wiederholt und die er als sein Eigentum "in Anspruch nimmt". Zwar war diese "Idee" eine einfache Schlußfolgerung aus Ricardos Werttheorie, zwar ist sie implicite in der Lohnfondstheorie enthalten, die seit den Klassikern bis zum Erscheinen des Marxschen "Kapitals" die bürgerliche Nationalökonomie beherrschte. Trotzdem glaubt Rodbertus mit dieser "Entdek- kung" eine Art Galilei in der Nationalökonomie geworden zu sein, und er zieht seine "fallende Lohnquote" zur Erklärung aller Übel und Widersprüche der kapitalistischen Wirtschaft heran. Aus der fallenden Lohnquote leitet er also vor allem den Pauperismus ab, der bei ihm neben Krisen "die soziale Frage" ausmacht. Und es wäre angezeigt, der geneigten Aufmerksamkeit der modernen Marxtöter die Tatsache zu empfehlen, daß es zwar nicht Marx, wohl aber der ihnen viel näher stehende Rodbertus gewesen ist, der eine regelrechte Verelendungstheorie, und zwar in der gröbsten Form, aufgestellt und sie im Unterschied von Marx nicht zur Begleiterscheinung, sondern zum Zentralpunkt der "sozialen Frage" gemacht hat. Siehe z.B. seine Beweisführung der absoluten Verelendung der Arbeiterklasse im "Ersten socialen Brief an von Kirchmann". Sodann muß die "fallende Lohnquote" auch zur Erklärung der anderen grundlegenden Erscheinung der "sozialen Frage" herhalten: der Krisen, Hier tritt Rodbertus an das Problem des Gleichgewichts zwischen Konsumtion und Produktion heran und berührt den ganzen Komplex der damit verbundenen Streitfragen, die bereits zwischen Sismondi und der Ricardoschule ausgefochten wurden. Die Kenntnis der Krisen war bei Rodbertus natürlich auf ein viel reicheres Tatsachenmaterial gestützt als bei Sismondi. In seinem "Ersten socialen Brief" gibt er bereits eine eingehende Schilderung der vier Krisen: 1818; 1819, 1825, 1837-1839 und 1847. Dank der längeren Beobachtung konnte Rodbertus zum Teil einen tieferen Einblick in das Wesen der Krisen gewinnen, als dies seinen Vorläufern möglich war. So formuliert er bereits 1850 die Periodizität der Krisen, und zwar ihre Wiederkehr mit immer kürzeren Intervallen, dafür aber in immer zunehmender Schärfe: "Von Mal zu Mal, im Verhältnis der Zunahme des Reichtums hat sich die Furchtbarkeit dieser Krisen gesteigert, sind die Opfer, die sie verschlingen, größer geworden, Die Krisis von 1818/19, so sehr sie schon den Schrecken des Handels und die Bedenken der Wissenschaft erregte, war verhältnismäßig unbedeutend gegen die von 1825/26. Die letztere schlug dem Kapitalvermögen Englands solche Wunden, daß die berühmtesten Staatswirte die vollständige Ausheilung derselben bezweifelten, sie ward dennoch von der Krisis von 1836/37 übertroffen. Die Krisen von 1839/40 und 1846/47 richteten noch wieder stärkere Verheerungen an als die vorausgehenden." "Indessen nach der bisherigen Erfahrung kehren die- selben in immer kürzeren Intervallen wieder. Von der ersten bis zur dritten Krisis verflossen 18 Jahre, von der zweiten bis zur vierten 14 Jahre, von der dritten bis zur fünften 12 Jahre. Schon mehren sich die Anzeichen eines nahe bevorstehenden neuen Unglücks, file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR88.578/lu/lu05/lu05_196.htm (5 of 10) [19.07.2004 21:12:08]

Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 16. Kapitel obwohl unzweifelhaft das Jahr 1848 dessen Ausbruch aufgehalten hat."(10) Weiter macht Rodbertus die Beobachtung, daß der regelmäßige Vorläufer der Krisen ein außerordentlicher Aufschwung der Produktion, große technische Fortschritte der Industrie zu sein pflegen: "... jede einzelne derselben (der Krisen) ist auf eine hervorstechende Periode industrieller Blüte gefolgt."(11) Er schildert an der Hand der Geschichte der Krisen, daß "dieselben stets nur nach einer bedeutenden Steigerung der Produktivität eintreten"(12). Rodbertus bekämpft die vulgäre Ansicht, die Krisen nur zu Geld- und Kreditstörungen machen will, und kritisiert die ganze verfehlte Peelsche Banknotengesetzgebung, ausführlich begründet er seine Ansicht in dem Aufsatz "Die Handelskrisen und die Hypothekennoth" aus dem Jahre 1858, wo er u.a. sagt: "Man täuscht sich daher auch, wenn man die Handelskrisen nur als Geld-, Börsen- oder Kreditkrisen auffaßt. So erscheinen sie nur äußerlich bei ihrem ersten Auftreten."(13) Bemerkenswert ist auch der scharfe Blick Rodbertus' für die Bedeutung des auswärtigen Handels im Zusammenhang mit dem Problem der Krisen. Genau wie Sismondi konstatiert er die Notwendigkeit der Expansion für die kapitalistische Produktion, zugleich aber die Tatsache, daß damit nur die Dimensionen der periodischen Krisen wachsen müssen. "Der auswärtige Handel", sagt er in "Zur Beleuchtung der Socialen Frage", 2. Teil, 1. Heft, "verhält sich zu den Handelsstockungen nur wie die Wohltätigkeit zum Pauperismus - sie steigern sich zuletzt nur an demselben."(14) Und in dem zitierten Aufsatz "Handelskrisen und Hypothekennoth": "Was man zur Verhütung künftiger Ausbrüche 'der Krisen' anwenden kann, ist nur das zweischneidige Mittel einer Erweiterung des auswärtigen Marktes. Das heftige Streben nach solcher Erweiterung ist großenteils nichts als ein aus dem leidenden Organ entspringender krankhafter Reiz. Weil auf dem inneren Markt der eine Faktor, die Produktivität, ewig steigt und der andere, die Kaufkraft, für den größten Teil der Nation sich ewig gleichbleibt, muß der Handel eine gleiche Unbegrenztheit des letzteren auf auswärtigen Märkten zu supplieren suchen. Was diesen Reiz stillt, verzögert wenigstens den neuen Ausbruch des Übels. Jeder neue auswärtige Markt gleicht daher einer Vertagung der sozialen Frage. In derselben Weise wirken Kolonisationen in unangebauten Ländern. Europa erzieht sich einen Markt, wo sonst keiner war. Aber dieses Mittel kajoliert doch im Grunde nur das Übel. Wenn die neuen Märkte ausgefüllt sind - so ist die Frage nur wieder zu ihrem alten Ausgangspunkt zurückgekehrt, dem begrenzten Faktor der Kaufkraft gegenüber dem unbegrenzten Faktor der Produktivität, und der neue Ausbruch ward nur von dem kleineren Markte ferngehalten, um ihn auf dem größeren in noch weiteren Dimensionen und noch heftigeren Zufällen wieder auftreten zu lassen. Und da doch die Erde begrenzt ist und deshalb die Gewinnung neuer Märkte einmal aufhören muß, muß auch die bloße Vertagung der Frage einmal aufhören. Sie muß dereinst definitiv gelöst werden."(15) Er hat auch die Anarchie der kapitalistischen Privatproduktion als krisenbildenden Faktor ins Auge gefaßt, allein nur unter anderen Faktoren, nicht als die eigentliche Ursache der Krisen überhaupt, sondern als Quelle einer bestimmten Abart Krisen. So sagt er über den Ausbruch der "Krise" im v. Kirchmannschen "Ort": "Ich will nun nicht behaupten, daß diese Art der Absatzstockung nicht auch in der Wirklichkeit vorkäme. Der Markt ist heute groß, der Bedürfnisse und Produktionszweige sind viele, die Produktivität ist bedeutend, die Anzeichen des Begehrs sind dunkel und trügerisch, die Unternehmer ohne gegenseitige Kenntnis des Umfangs ihrer Produktion - es kann also auch leicht geschehen, daß diese sich in dem Maße eines bestimmten Warenbedarfs täuschen und den Markt damit überfüllen." Rodbertus spricht es auch rundweg heraus, daß diesen Krisen nur eine planmäßige Organisation der Wirtschaft, eine "vollständige Umkehrung" der heutigen Eigentumsverhältnisse. die Vereinigung aller Produktionsmittel "in der Hand einer einzigen gesellschaftlichen Behörde" abhelfen könnte. Er beeilt sich freilich auch hier gleich zur Beruhigung der Gemüter hinzuzufügen, daß er es dahingestellt sein lasse, ob ein file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR88.578/lu/lu05/lu05_196.htm (6 of 10) [19.07.2004 21:12:08]

<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> - <strong>Die</strong> <strong>Akkumulation</strong> <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>, 16. Kapitel<br />

Rodbertus den ganzen Aufwand an sittlicher Entrüstung über die Entstehung und die ökonomischen<br />

Gesetze <strong>des</strong> Lohnsystems nicht etwa dazu verbraucht, um als die Konsequenz daraus die Abschaffung <strong>des</strong><br />

schauderhaften Unrechts, <strong>des</strong> "törichten und unbeschreiblichen Widerspruchs" zu fordern. Bewahre! Er<br />

beruhigt wiederholt die Mitmenschheit, daß sein Gebrüll wider die Ausbeutung nicht gar zu tragisch<br />

gemeint sei, er sei kein Löwe, sondern bloß Schnock der Schreiner.(9) <strong>Die</strong> ethische Theorie <strong>des</strong><br />

Lohngesetzes ist nur nötig, um daraus den weiteren Schluß zu ziehen:<br />

3. Aus der Bestimmung <strong>des</strong> Lohnes durch die "Tauschwertgesetze" ergibt sich nämlich, daß mit dem<br />

Fortschritt der Produktivität der Arbeit der Anteil der Arbeiter am Produkt immer kleiner wird. Hier sind<br />

wir an dem archimedischen Punkt <strong>des</strong> Rodbertusschen "Systems" angelangt. <strong>Die</strong> "fallende Lohnquote" ist<br />

die wichtigste "eigene" Idee, die er seit seiner ersten sozialen Schrift (wahrscheinlich 1839) bis zu seinem<br />

Tode wiederholt und die er als sein Eigentum "in Anspruch nimmt". Zwar war diese "Idee" eine einfache<br />

Schlußfolgerung aus Ricardos Werttheorie, zwar ist sie implicite in der Lohnfondstheorie enthalten, die<br />

seit den Klassikern bis zum Erscheinen <strong>des</strong> Marxschen "<strong>Kapitals</strong>" die bürgerliche Nationalökonomie<br />

beherrschte. Trotzdem glaubt Rodbertus mit dieser "Entdek- kung" eine Art Galilei in der<br />

Nationalökonomie geworden zu sein, und er zieht seine "fallende Lohnquote" zur Erklärung aller Übel<br />

und Widersprüche der kapitalistischen Wirtschaft heran. Aus der fallenden Lohnquote leitet er also vor<br />

allem den Pauperismus ab, der bei ihm neben Krisen "die soziale Frage" ausmacht. Und es wäre<br />

angezeigt, der geneigten Aufmerksamkeit der modernen Marxtöter die Tatsache zu empfehlen, daß es<br />

zwar nicht Marx, wohl aber der ihnen viel näher stehende Rodbertus gewesen ist, der eine regelrechte<br />

Verelendungstheorie, und zwar in der gröbsten Form, aufgestellt und sie im Unterschied von Marx nicht<br />

zur Begleiterscheinung, sondern zum Zentralpunkt der "sozialen Frage" gemacht hat. Siehe z.B. seine<br />

Beweisführung der absoluten Verelendung der Arbeiterklasse im "Ersten socialen Brief an von<br />

Kirchmann". Sodann muß die "fallende Lohnquote" auch zur Erklärung der anderen grundlegenden<br />

Erscheinung der "sozialen Frage" herhalten: der Krisen, Hier tritt Rodbertus an das Problem <strong>des</strong><br />

Gleichgewichts zwischen Konsumtion und Produktion heran und berührt den ganzen Komplex der damit<br />

verbundenen Streitfragen, die bereits zwischen Sismondi und der Ricardoschule ausgefochten wurden.<br />

<strong>Die</strong> Kenntnis der Krisen war bei Rodbertus natürlich auf ein viel reicheres Tatsachenmaterial gestützt als<br />

bei Sismondi. In seinem "Ersten socialen Brief" gibt er bereits eine eingehende Schilderung der vier<br />

Krisen: 1818; 1819, 1825, 1837-1839 und 1847. Dank der längeren Beobachtung konnte Rodbertus zum<br />

Teil einen tieferen <strong>Ein</strong>blick in das Wesen der Krisen gewinnen, als dies seinen Vorläufern möglich war.<br />

So formuliert er bereits 1850 die Periodizität der Krisen, und zwar ihre Wiederkehr mit immer kürzeren<br />

Intervallen, dafür aber in immer zunehmender Schärfe: "Von Mal zu Mal, im Verhältnis der Zunahme <strong>des</strong><br />

Reichtums hat sich die Furchtbarkeit dieser Krisen gesteigert, sind die Opfer, die sie verschlingen, größer<br />

geworden, <strong>Die</strong> Krisis von 1818/19, so sehr sie schon den Schrecken <strong>des</strong> Handels und die Bedenken der<br />

Wissenschaft erregte, war verhältnismäßig unbedeutend gegen die von 1825/26. <strong>Die</strong> letztere schlug dem<br />

Kapitalvermögen Englands solche Wunden, daß die berühmtesten Staatswirte die vollständige Ausheilung<br />

derselben bezweifelten, sie ward dennoch von der Krisis von 1836/37 übertroffen. <strong>Die</strong> Krisen von<br />

1839/40 und 1846/47 richteten noch wieder stärkere Verheerungen an als die vorausgehenden." "In<strong>des</strong>sen<br />

nach der bisherigen Erfahrung kehren die- selben in immer kürzeren Intervallen wieder. Von der<br />

ersten bis zur dritten Krisis verflossen 18 Jahre, von der zweiten bis zur vierten 14 Jahre, von der dritten<br />

bis zur fünften 12 Jahre. Schon mehren sich die Anzeichen eines nahe bevorstehenden neuen Unglücks,<br />

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