Rosa Luxemburg Die Akkumulation des Kapitals Ein ... - Attac Berlin
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Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 16. Kapitel "Sollte der Wert nach der Arbeit, die das Produkt gekostet hat, konstituiert werden können, so läßt sich noch ein Geld vorstellen, das gleichsam aus den losgerissenen Blättern jenes allgemeinen Kontobuches, aus einer auf dem wohlfeilsten Stoff, auf Lumpen, geschriebenen Quittung bestehen würde, die jedermann über den von ihm produzierten Wert erhielte und die derselbe wieder als Anweisung auf ebensoviel Wert an dem zur Verteilung kommenden Nationalproduktteil realisierte ... Kann indessen der Wert aus irgendwelchen Gründen nicht oder noch nicht konstituiert werden, so muß das Geld denjenigen Wert, den es liquidieren soll, selbst schon als Gleichwert, als Pfand oder Bürgschaft mit sich herumschleppen, d.h. selbst schon aus einem wertvollen Gut, aus Gold oder Silber, bestehen."(3) Sobald jedoch die kapitalistische Warenproduktion da ist, wird alles auf den Kopf gestellt: "Die Konstituierung des Wertes muß aufhören, weil er nur noch Tauschwert sein kann."(4) Und "weil nicht der Wert konstituiert werden konnte, kann auch das Geld nicht bloß Geld sein, nicht vollständig seiner Idee entsprechen"(5). "Bei einer gerechten Vergeltung im Tausche (müßte) der Tauschwert der Produkte äqual sein der Arbeitsquantität, die sie gekostet haben, müßten in den Produkten immer gleiche Arbeitsquantitäten ausgetauscht werden." Aber selbst vorausgesetzt, daß jedermann gerade die Gebrauchswerte produziert, die ein anderer braucht, "müßte, da es sich hier um menschliche Erkenntnis und menschlichen Willen handelte, doch immer noch eine richtige Berechnung, Ausgleichung und Festsetzung der in den auszutauschenden Produkten enthaltenen Arbeitsquantitäten vorausgehen und ein Gesetz dieserhalb bestehen, dem sich die Tauschenden fügen."(6) Rodbertus betont bekanntlich mit Nachdruck seine Priorität vor Proudhon in der Entdeckung des "konstituierten Werts", was ihm gern zugestanden werden mag. Wie sehr diese "Idee" nur ein Gespenst war, das schon eine geraume Zeit vor Rodbertus in England theoretisch fruktifiziert und praktisch begraben worden war, und wie sehr diese "Idee" eine utopische Verballhornung der Ricardoschen Wertlehre war, haben Marx in seinem "Elend der Philosophie" wie Engels in seiner Vorrede dazu erschöpfend dargetan. Es erübrigt sich deshalb, auf diese "Zukunftsmusik auf der Kindertrompete" hier weiter einzugehen. 2. Aus dem "Tauschverkehr" ergab sich die "Degradation" der Arbeit zur Ware und der Arbeitslohn nach dem " Kostenwert" statt einer festen Quote des Anteils am Produkt. Rodbertus leitet sein Lohngesetz mit einem kühnen historischen Sprung direkt aus der Sklaverei her, wobei er die spezifischen Charaktere, die die kapitalistische Warenproduktion der Ausbeutung aufdrückt, nur als täuschende Lüge ansieht und vom moralischen Standpunkt verdonnert, "Solange die Produzenten selbst noch Eigentum der Nichtproduzenten waren, solange Sklaverei bestand, war es ausschließlich der Privatvorteil der 'Herren', der einseitig die Größe jenes Teils (des Anteils der Arbeitenden - R. L.) bestimmte. Seit die Produzenten die volle persönliche Freiheit, aber noch nichts weiter erreicht haben, vereinbaren sich beide Teile über den Lohn im voraus. Der Lohn ist, wie es heute heißt, Gegenstand eines 'freien Vertrages', d.i. der Konkurrenz. Dadurch wird natürlich die Arbeit denselben Tauschwertgesetzen unterworfen, denen auch die Produkte unterliegen; sie erhält selbst Tauschwert; die Größe ihres Lohns hängt von den Wirkungen des Angebots und der Nachfrage ab." Nachdem er so die Dinge auf den Kopf gestellt und den Tauschwert der Arbeitskraft aus der Konkurrenz abgeleitet hat, leitet er gleich darauf natürlich ihren Wert aus ihrem Tauschwert ab: "Die Arbeit erhält unter der Herrschaft der Tauschwertgesetze gleich den Produkten eine Art 'Kostenwert' file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR88.578/lu/lu05/lu05_196.htm (3 of 10) [19.07.2004 21:12:08]
Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 16. Kapitel , der auf ihren Tauschwert, den Lohnbetrag, eine Anziehungskraft äußert." Dies ist derjenige Lohnbetrag, der nötig ist, um sie "instand zu erhalten", d.h. um ihr die Kraft zur eigenen Fortsetzung, wenn auch nur in ihrer Nachkommenschaft, zu gewähren, der sogenannte "notwendige Unterhalt". Dies ist aber für Rodbertus wieder- um nicht Feststellung objektiver ökonomischer Gesetze, sondern bloß Gegenstand sittlicher Entrüstung. Die Behauptung der klassischen Schule, "die Arbeit habe nicht mehr Wert, als sie Lohn bekomme", nennt Rodbertus "zynisch" und nimmt sich vor, "die Reihe von Irrtümern" aufzudecken, die zu diesem "krassen und unmoralischen Schlusse" geführt haben.(7) "Eine ebenso entehrende Vorstellung als die war, welche den Arbeitslohn nach dem notwendigen Unterhalt oder wie eine Maschinenreparatur schätzen ließ, hat auch bei der zur Tauschware gewordenen Arbeit, diesem Prinzip aller Güter, von einem 'natürlichen Preise' oder von 'Kosten' wie bei dem Produkt derselben gesprochen und diesen natürlichen Preis, diese Kosten der Arbeit in den Güterbetrag gesetzt, der nötig sei, um die Arbeit immer wieder auf den Markt zu bringen." Dieser Warencharakter und die entsprechende Wertbestimmung der Arbeitskraft sind indes nichts als boshafte Verirrung der Freihandelsschule, und statt wie die englischen Ricardoschüler auf den Widerspruch innerhalb der kapitalistischen Warenproduktion: zwischen der Wertbestimmung der Arbeit und der Wertbestimmung durch die Arbeit, hinzuweisen, zeiht Rodbertus als guter Preuße die kapitalistische Warenproduktion des Widerspruchs - mit dem geltenden Staatsrecht. "Welch ein törichter, unbeschreiblicher Widerspruch in der Auffassung derjenigen Nationalökonomen" ruft er, "welche die Arbeiter in ihrer rechtlichen Stellung über die Geschicke der Gesellschaft mitentscheiden und zugleich sie nationalökonomisch nur immer als Ware behandeln lassen wollen!"(8) Es fragt sich nur noch, weshalb sich die Arbeiter eine so törichte und schreiende Ungerechtigkeit gefallen lassen - ein Einwurf, der zum Beispiel von Hermann gegen die Ricardosche Werttheorie erhoben wurde. Darauf antwortet Rodbertus: "Was hätten die Arbeiter tun sollen, wenn sie sich nach ihrer Freilassung jene Vorschrift nicht hätten gefallen lassen wollen? Stellen Sie sich deren Lage vor! Die Arbeiter sind nackt oder in Lumpen freigelassen worden, mit nichts als ihrer Arbeitskraft. Auch war mit der Aufhebung der Sklaverei oder der Leibeigenschaft die moralische oder rechtliche Verpflichtung des Herrn, sie zu füttern oder für ihre Notdurft zu sorgen, fortgefallen. Aber ihre Bedürfnisse waren geblieben; sie mußten leben. Wie sollten sie mit ihrer Arbeitskraft für dies Leben sorgen? Von dem in der Gesellschaft vorhandenen Kapital nehmen und damit ihren Unterhalt produzieren? Aber das Kapital in der Gesellschaft gehörte schon anderen als ihnen, und die Vollstrecker des 'Rechts' hätten es nicht gelitten." Was blieb also den Arbeitern übrig? "Nur eine Alternative: entweder das Recht der Gesellschaft umstürzen oder unter den ungefähren früheren wirtschaftlichen Bedingungen, wenn auch in veränderter rechtlicher Stellung, zu ihren früheren Herren, den Grund- und Kapitalbesitzern, zurückzukehren und als Lohn zu empfangen, was sie früher als Futter bekommen hatten!" Zum Glück für die Menschheit und den preußischen Rechtsstaat waren die Arbeiter "so weise", die Zivilisation "nicht aus ihrer Bahn zu werfen" und sich lieber heroisch den niederträchtigen Zumutungen ihrer "früheren Herren" zu fügen. So entstand das kapitalistische Lohnsystem und das Lohngesetz als "ungefähre Sklaverei", als ein Produkt des Gewaltmißbrauchs der Kapitalisten und der Zwangslage sowie der sanften Fügsamkeit der Proletarier, wenn man den bahnbrechenden theoretischen Erklärungen desselben Rodbertus Glauben schenken soll, der von Marx bekanntlich theoretisch "geplündert" worden ist. In bezug auf diese Lohntheorie ist jedenfalls die "Priorität" Rodbertus' unbestritten, denn die englischen Sozialisten und andere soziale Kritiker hatten das Lohnsystem viel weniger roh und primitiv analysiert. Das Originelle dabei ist, daß file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR88.578/lu/lu05/lu05_196.htm (4 of 10) [19.07.2004 21:12:08]
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<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> - <strong>Die</strong> <strong>Akkumulation</strong> <strong>des</strong> <strong>Kapitals</strong>, 16. Kapitel<br />
, der auf ihren Tauschwert, den Lohnbetrag, eine Anziehungskraft äußert." <strong>Die</strong>s ist derjenige Lohnbetrag,<br />
der nötig ist, um sie "instand zu erhalten", d.h. um ihr die Kraft zur eigenen Fortsetzung, wenn auch nur in<br />
ihrer Nachkommenschaft, zu gewähren, der sogenannte "notwendige Unterhalt". <strong>Die</strong>s ist aber für<br />
Rodbertus wieder- um nicht Feststellung objektiver ökonomischer Gesetze, sondern bloß<br />
Gegenstand sittlicher Entrüstung. <strong>Die</strong> Behauptung der klassischen Schule, "die Arbeit habe nicht mehr<br />
Wert, als sie Lohn bekomme", nennt Rodbertus "zynisch" und nimmt sich vor, "die Reihe von Irrtümern"<br />
aufzudecken, die zu diesem "krassen und unmoralischen Schlusse" geführt haben.(7) "<strong>Ein</strong>e ebenso<br />
entehrende Vorstellung als die war, welche den Arbeitslohn nach dem notwendigen Unterhalt oder wie<br />
eine Maschinenreparatur schätzen ließ, hat auch bei der zur Tauschware gewordenen Arbeit, diesem<br />
Prinzip aller Güter, von einem 'natürlichen Preise' oder von 'Kosten' wie bei dem Produkt derselben<br />
gesprochen und diesen natürlichen Preis, diese Kosten der Arbeit in den Güterbetrag gesetzt, der nötig sei,<br />
um die Arbeit immer wieder auf den Markt zu bringen." <strong>Die</strong>ser Warencharakter und die entsprechende<br />
Wertbestimmung der Arbeitskraft sind in<strong>des</strong> nichts als boshafte Verirrung der Freihandelsschule, und statt<br />
wie die englischen Ricardoschüler auf den Widerspruch innerhalb der kapitalistischen Warenproduktion:<br />
zwischen der Wertbestimmung der Arbeit und der Wertbestimmung durch die Arbeit, hinzuweisen, zeiht<br />
Rodbertus als guter Preuße die kapitalistische Warenproduktion <strong>des</strong> Widerspruchs - mit dem geltenden<br />
Staatsrecht. "Welch ein törichter, unbeschreiblicher Widerspruch in der Auffassung derjenigen<br />
Nationalökonomen" ruft er, "welche die Arbeiter in ihrer rechtlichen Stellung über die Geschicke der<br />
Gesellschaft mitentscheiden und zugleich sie nationalökonomisch nur immer als Ware behandeln lassen<br />
wollen!"(8)<br />
Es fragt sich nur noch, weshalb sich die Arbeiter eine so törichte und schreiende Ungerechtigkeit gefallen<br />
lassen - ein <strong>Ein</strong>wurf, der zum Beispiel von Hermann gegen die Ricardosche Werttheorie erhoben wurde.<br />
Darauf antwortet Rodbertus: "Was hätten die Arbeiter tun sollen, wenn sie sich nach ihrer Freilassung<br />
jene Vorschrift nicht hätten gefallen lassen wollen? Stellen Sie sich deren Lage vor! <strong>Die</strong> Arbeiter sind<br />
nackt oder in Lumpen freigelassen worden, mit nichts als ihrer Arbeitskraft. Auch war mit der Aufhebung<br />
der Sklaverei oder der Leibeigenschaft die moralische oder rechtliche Verpflichtung <strong>des</strong> Herrn, sie zu<br />
füttern oder für ihre Notdurft zu sorgen, fortgefallen. Aber ihre Bedürfnisse waren geblieben; sie mußten<br />
leben. Wie sollten sie mit ihrer Arbeitskraft für dies Leben sorgen? Von dem in der Gesellschaft<br />
vorhandenen Kapital nehmen und damit ihren Unterhalt produzieren? Aber das Kapital in der<br />
Gesellschaft gehörte schon anderen als ihnen, und die Vollstrecker <strong>des</strong> 'Rechts' hätten es nicht<br />
gelitten." Was blieb also den Arbeitern übrig? "Nur eine Alternative: entweder das Recht der Gesellschaft<br />
umstürzen oder unter den ungefähren früheren wirtschaftlichen Bedingungen, wenn auch in veränderter<br />
rechtlicher Stellung, zu ihren früheren Herren, den Grund- und Kapitalbesitzern, zurückzukehren und als<br />
Lohn zu empfangen, was sie früher als Futter bekommen hatten!" Zum Glück für die Menschheit und den<br />
preußischen Rechtsstaat waren die Arbeiter "so weise", die Zivilisation "nicht aus ihrer Bahn zu werfen"<br />
und sich lieber heroisch den niederträchtigen Zumutungen ihrer "früheren Herren" zu fügen. So entstand<br />
das kapitalistische Lohnsystem und das Lohngesetz als "ungefähre Sklaverei", als ein Produkt <strong>des</strong><br />
Gewaltmißbrauchs der Kapitalisten und der Zwangslage sowie der sanften Fügsamkeit der Proletarier,<br />
wenn man den bahnbrechenden theoretischen Erklärungen <strong>des</strong>selben Rodbertus Glauben schenken soll,<br />
der von Marx bekanntlich theoretisch "geplündert" worden ist. In bezug auf diese Lohntheorie ist<br />
jedenfalls die "Priorität" Rodbertus' unbestritten, denn die englischen Sozialisten und andere soziale<br />
Kritiker hatten das Lohnsystem viel weniger roh und primitiv analysiert. Das Originelle dabei ist, daß<br />
file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR88.578/lu/lu05/lu05_196.htm (4 of 10) [19.07.2004 21:12:08]