Rosa Luxemburg Die Akkumulation des Kapitals Ein ... - Attac Berlin
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file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR73.500/lu/lu05/lu05_138.htm Überschuß in die Welt setzen. Sismondi schreckt aber vor der letzten Konsequenz zurück und rettet sich sofort "auf die mittlere Linie" durch eine wenig verständliche Ausflucht: "Wenn dieser Verlust gering ist und gut verteilt wird, so erträgt ihn jeder, ohne sich über sein Einkommen zu beklagen. Hierin gerade besteht die Wirtschaftlichkeit des Volkes, und die Reihe dieser kleinen Opfer vermehrt das Kapital und das Nationalvermögen." Wird hingegen die Akkumulation rücksichtslos betrieben, dann wächst sich der unabsetzbare Überschuß zur öffentlichen Kalamität aus, und wir haben die Krise. So bildet die kleinbürgerliche Ausflucht der Dämpfung der Akkumulation die Lösung Sismondis. Die Polemik gegen die klassische Schule, die die unumschränkte Entfaltung der Produktivkräfte und Erweiterung der Produktion befürwortete, ist ein ständiger Kehrreim Sismondis, und der Warnung vor den fatalen Folgen des unumschränkten Dranges zur Akkumulation ist sein ganzes Werk gewidmet. Die Darlegung Sismondis hat seine Unfähigkeit bewiesen, den Prozeß der Reproduktion als Ganzes zu begreifen. Von seinem mißlungenen Versuch abgesehen, die Kategorien Kapital und Einkommen gesellschaftlich auseinanderzuhalten, leidet seine Reproduktionstheorie an dem fundamentalen Irrtum, den er von Ad. Smith übernommen, nämlich an der Vorstellung, daß das jährliche Gesamtprodukt in persönlicher Konsum- tion restlos auf gehe, ohne für die Erneuerung des konstanten Kapitals der Gesellschaft einen Wertteil übrigzulassen, desgleichen, daß die Akkumulation nur in der Verwandlung des kapitalisierten Mehrwerts in zuschüssiges variables Kapital bestehe. Wenn jedoch spätere Kritiker Sismondis, wie z.B. der russische Marxist Iljin (6), mit dem Hinweis auf diesen fundamentalen Schnitzer in der Wertanalyse des Gesamtprodukts die ganze Akkumulationstheorie Sismondis als hinfällig, als "Unsinn" mit einem überlegenen Lächeln abtun zu können glaubten, so bewiesen sie dadurch nur, daß sie ihrerseits das eigentliche Problem gar nicht bemerkten, um das es sich bei Sismondi handelte. Daß durch die Beachtung des Wertteils im Gesamtprodukt, der dem konstanten Kapital entspricht, das Problem der Akkumulation noch bei weitem nicht gelöst ist, bewies am besten später die eigene Analyse von Marx, der als erster jenen groben Schnitzer Ad. Smith' aufgedeckt hatte. Noch drastischer bewies dies aber ein Umstand in den Schicksalen der Sismondischen Theorie selbst. Durch seine Auffassung ist Sismondi in die schärfste Kontroverse mit den Vertretern und Verflachern der klassischen Schule geraten: mit Ricardo, Say und MacCulloch. Die beiden Seiten vertraten hier zwei entgegengesetzte Standpunkte: Sismondi die Unmöglichkeit der Akkumulation, Ricardo, Say und MacCulloch hingegen deren schrankenlose Möglichkeit. Nun standen aber in bezug auf jenen Smithschen Schnitzer beide Seiten genau auf demselben Boden: Wie Sismondi, so sahen auch seine Widersacher von dem konstanten Kapital bei der Reproduktion ab, und niemand hat die Smithsche Konfusion in bezug auf die Auflösung des Gesamtprodukts in v + m in so pretentiöser Weise zu einem unerschütterlichen Dogma gestempelt wie gerade Say. Dieser erheiternde Umstand sollte eigentlich genügen, um zu beweisen, daß wir das Problem der Akkumulation des Kapitals noch lange nicht zu lösen imstande sind, wenn wir bloß dank Marx wissen, daß das gesellschaftliche Gesamtprodukt außer Lebensmitteln zur Konsumtion der Arbeiter und Kapitalisten (v + m) noch Produktionsmittel (c) zur Erneuerung des Verbrauchten enthalten muß und daß dementsprechend die Akkumulation nicht bloß in der Vergrößerung des variablen, sondern auch in der Vergrößerung des konstanten Kapitals besteht. Wir werden später sehen, zu welchem neuen Irrtum in bezug auf die Akkumulation diese nachdrückliche Betonung des konstanten Kapitalteils im Reproduktionsprozeß geführt hat. Hier jedoch mag die Konstatierung der Tatsache genügen, daß file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR73.500/lu/lu05/lu05_138.htm (12 of 14) [19.07.2004 21:09:38]
file:///C|/DOKUME~1/peter1/LOKALE~1/Temp/Rar$DR73.500/lu/lu05/lu05_138.htm der Smithsche Irrtum in bezug auf die Reproduktion des Gesamtkapitals nicht etwa eine spezielle Schwäche in der Position Sismondis darstellte, sondern vielmehr den gemeinsamen Boden, auf dem die erste Kontroverse um das Problem der Akkumulation ausgefochten wurde. Daraus folgt nur, daß die bürgerliche Ökonomie sich an das verwickelte Problem der Akkumulation heranwagte, ohne mit dem elementaren Problem der einfachen Reproduktion fertig geworden zu sein, wie denn die wissenschaftliche Forschung nicht bloß auf diesem Gebiete in seltsamen Zickzacklinien schreitet und häufig gleichsam die obersten Stockwerke des Gebäudes in Angriff nimmt, bevor das Fundament noch zu Ende ausgeführt ist. Es zeugt jedenfalls dafür, eine wie harte Nuß Sismondi mit seiner Kritik der Akkumulation der bürgerlichen Ökonomie zum Knacken aufgegeben hat, wenn sie trotz all der durchsichtigen Schwächen und Unbeholfenheiten seiner Deduktion mit ihm doch nicht fertig zu werden vermochte. Fußnoten von Rosa Luxemburg (1) Der Auszug aus diesem interessanten Dokument befindet sich in einer Besprechung der Schrift: Observations on the Injurious Consequences of the Restrictions upon Foreign Commerce. By a Member of the late Parliament, London 1820. Dieser freihändlerische Aufsatz malt überhaupt die Lage der Arbeiter in England in den düstersten Farben. Er führt unter anderem folgende Tatsachen an: "The manufacturing classes in Great Britain - have been suddenly reduced from affluence and prosperity to the extreme of poverty and misery. In one of the debates in the late Session of Parliament, it was stated, that the wages of weavers of Glasgow and its vicinity, which, when higher, had averaged about 25 s. or 27 s. a week, had been reduced in 1816 to 10 s.; and in 1819 to the wretched pittance of 5 s. 6 d. or 6 s. They have not since been materially augmented." In Lancashire schwankten die Wochenlöhne der Weber nach demselben Zeugnis zwischen 6 und 12 Schilling bei 15stündiger Arbeitszeit, während "halbverhungerte Kinder" für 2 oder 3 Shilling die Woche 12 bis 16 Stunden täglich arbeiteten. das Elend in Yorkshire war womöglich noch größer. In bezug auf die Adresse der Nottinghamer Strumpfwirker sagt der Verfasser, daß er die Verhältnisse selbst untersucht hätte und zu dem Schlusse gelangt wäre, daß die Erklärungen der Arbeiter nicht im geringsten übertrieben waren. (The Edinburgh Review, Mai 1820, S. 331 ff.)
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der Smithsche Irrtum in bezug auf die Reproduktion <strong>des</strong> Gesamtkapitals nicht etwa eine spezielle<br />
Schwäche in der Position Sismondis darstellte, sondern vielmehr den gemeinsamen Boden, auf dem die<br />
erste Kontroverse um das Problem der <strong>Akkumulation</strong> ausgefochten wurde. Daraus folgt nur, daß die<br />
bürgerliche Ökonomie sich an das verwickelte Problem der <strong>Akkumulation</strong> heranwagte, ohne mit dem<br />
elementaren Problem der einfachen Reproduktion fertig geworden zu sein, wie denn die<br />
wissenschaftliche Forschung nicht bloß auf diesem Gebiete in seltsamen Zickzacklinien schreitet und<br />
häufig gleichsam die obersten Stockwerke <strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> in Angriff nimmt, bevor das Fundament noch<br />
zu Ende ausgeführt ist. Es zeugt jedenfalls dafür, eine wie harte Nuß Sismondi mit seiner Kritik der<br />
<strong>Akkumulation</strong> der bürgerlichen Ökonomie zum Knacken aufgegeben hat, wenn sie trotz all der<br />
durchsichtigen Schwächen und Unbeholfenheiten seiner Deduktion mit ihm doch nicht fertig zu werden<br />
vermochte.<br />
Fußnoten von <strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong><br />
(1) Der Auszug aus diesem interessanten Dokument befindet sich in einer Besprechung der Schrift:<br />
Observations on the Injurious Consequences of the Restrictions upon Foreign Commerce. By a Member<br />
of the late Parliament, London 1820. <strong>Die</strong>ser freihändlerische Aufsatz malt überhaupt die Lage der<br />
Arbeiter in England in den düstersten Farben. Er führt unter anderem folgende Tatsachen an: "The<br />
manufacturing classes in Great Britain - have been suddenly reduced from affluence and prosperity to the<br />
extreme of poverty and misery. In one of the debates in the late Session of Parliament, it was stated, that<br />
the wages of weavers of Glasgow and its vicinity, which, when higher, had averaged about 25 s. or 27 s.<br />
a week, had been reduced in 1816 to 10 s.; and in 1819 to the wretched pittance of 5 s. 6 d. or 6 s. They<br />
have not since been materially augmented." In Lancashire schwankten die Wochenlöhne der Weber nach<br />
demselben Zeugnis zwischen 6 und 12 Schilling bei 15stündiger Arbeitszeit, während "halbverhungerte<br />
Kinder" für 2 oder 3 Shilling die Woche 12 bis 16 Stunden täglich arbeiteten. das Elend in Yorkshire war<br />
womöglich noch größer. In bezug auf die Adresse der Nottinghamer Strumpfwirker sagt der Verfasser,<br />
daß er die Verhältnisse selbst untersucht hätte und zu dem Schlusse gelangt wäre, daß die Erklärungen<br />
der Arbeiter nicht im geringsten übertrieben waren. (The Edinburgh Review, Mai 1820, S. 331 ff.)