Zahnfehlstellungen bei Hund - Tierklinik Dr. Staudacher
Zahnfehlstellungen bei Hund - Tierklinik Dr. Staudacher
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Kieferorthopädie <strong>Hund</strong> VET<br />
AA AA CC HH EE NN<br />
Welches Alter ist optimal für die kieferorthopädische<br />
Behandlung <strong>bei</strong>m <strong>Hund</strong>?<br />
Gerhard <strong>Staudacher</strong><br />
Aus der Tierärztlichen Klinik <strong>Dr</strong>. <strong>Staudacher</strong>, Aachen<br />
Zusammenfassung<br />
An 45 <strong>Hund</strong>en wird mit 278 Röntgenbildern nachgewiesen, dass das Kopfwachstum<br />
<strong>bei</strong> kleinen Rassen bis zum Zahnwechsel schon zu 80% und <strong>bei</strong> großen Rassen zu<br />
65% abgelaufen ist. Die Ar<strong>bei</strong>t bestätigt klinisch für die basal-skelettale Klasse-2<br />
Malokklusion (Unterkieferverkürzung, Overjet) nach Auswertung der Behandlung von<br />
211 <strong>Hund</strong>en, dass ein Behandlungsbeginn schon vor dem Zahnwechsel erheblich<br />
bessere Behandlungsergebnisse ermöglicht. Durch Vergleich weiterer 231 KFO-<br />
Behandlungen der dento-alveolären Klasse 1-Grad II Fehlstellungen des<br />
Unterkieferkaninus (Eckzahnsteilstand) wird der deutlich spätere Zeitraum ab der 16.<br />
bis zur 25. Lebenswoche für die Behandlung empfohlen. Wird die Behandlung danach<br />
durchgeführt, ist wegen höherer Knochendichte mit längeren Behandlungen zu<br />
rechnen.<br />
Schlüsselwörter<br />
Kieferorthopädie, <strong>Hund</strong>, Malokklusion, Kopfwachstum, Unterkieferverkürzung, Rückbiss, Mikrognathie,<br />
Unterkiefereckzahnsteilstand, enge Mandibula, Aufbissschiene, orthodontischer magnetischer Apparat<br />
Summary<br />
What’s the best age for orthodontic treatment in the dog?<br />
Growth of 45 dogs was protocolled by 278 x-ray examinations. This proved that during primary dentition in small<br />
dog breeds 80% and in large breeds 65% of growth had happened. Study of 211 clinical cases of primary<br />
scelettal class 2-malocclusions (overjet) in dogs showed, that starting treatment in primary dentition improved<br />
outcome significantly. Examination of 231 further cases of class 1-grade II malocclusions of lower canine teeth<br />
proved better outcome treatment from 16 th to 25 th week of life. If treatment is performed later, caused by higher<br />
bone density it will last longer.<br />
Key words<br />
Orthodontics, dog, malocclusion, growth of skull, overjet, narrow based canines, narrow mandible, inclined plane,<br />
orthodontic magnetic aplliance<br />
Einleitung<br />
Zum optimalen Zeitpunkt einer kieferorthopädischen Behandlung gibt es in der<br />
veterinärmedizinischen Literatur keine greifbaren Hinweise, während zahlreiche Quellen sich<br />
mit einzelnen Behandlungsverfahren beschäftigen. Eickhoff (2005) stellt lediglich fest, dass<br />
die Behandlung früh, unter Umständen schon im Milchgebiss erfolgen sollte. Bislang<br />
beginnen KFO-Behandlungen im bleibenden Gebiss, zumal die Apparate an den Zähnen<br />
befestigt werden. Dies ist an Milchzähnen aufgrund der geringeren Oberfläche schwierig und<br />
wegen fortschreitender Wurzelresorption auch von fraglichem Wert. Eickhoff (2005) stellt<br />
fest, dass das Kopfwachstum bis in den 18. Lebensmonat anhält. Fahrenkrug (1988) nennt<br />
den 10. Lebensmonat als Zeitpunkt für die Beendigung des Kieferknochenwachstums.<br />
Über die Entwicklung der Kiefer und das Kopfwachstum finden sich nur sehr spärliche<br />
Angaben. Hennet und Harvey (1992) konnten zeigen, dass das appositionelle Wachstum der<br />
Maxilla aus den Wachstumsfugen zwischen der Schädelbasis und dem Os maxillare sowie<br />
dem Ossa maxillare und incisivum und das Wachstum der Mandibula ausschließlich durch<br />
enchondrale Ossifikation in der Kondylengegend erfolgt. Scott (1938) stellt fest, dass sich<br />
der Abstand zwischen dem For. mentale und dem vertikalen, cranialen Rand des Proc.<br />
coronoideus der Mandibula, d.h. die Länge des Corpus mandibulae, zwischen dem vierten<br />
und neunten Monat nicht vergrößert. Wijdeveld et al. (1987) stellen fest, dass <strong>bei</strong>m Beagle<br />
54% des Wachstums der hinteren Gaumennaht zwischen der 6. und 16. Lebenswoche (LW),<br />
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Kieferorthopädie <strong>Hund</strong> VET<br />
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35% zwischen der 16. und 25. Woche und nur noch 10% zwischen der 25. und 37.<br />
Lebenswoche erfolgt. Ähnliche Ergebnisse für Beagles erheben Losken et al. (1992) auch an<br />
der Mandibula für die 4., 10. und 32. LW.<br />
Hawthorne et al (2004) untersuchten die Gewichtsentwicklung verschiedener <strong>Hund</strong>erassen.<br />
Da<strong>bei</strong> stellten sie fest, dass z.B. der Papillon sein Endgewicht durchschnittlich in der 30. LW<br />
erreicht, der Bernhardiner dagegen erst in der 65. LW. Aus dieser Studie geht darüber<br />
hinaus hervor, dass 50% bzw. 80% der Entwicklung <strong>bei</strong>m Papillon in der 16. bzw. 22. LW,<br />
<strong>bei</strong>m Bernhardiner dagegen in der 26. bzw. 39. LW erreicht sind. Die Wachstumsgeschwindigkeiten<br />
<strong>bei</strong>der Rassen sind äußerst unterschiedlich. Dennoch sind 80% des Körpergewichts<br />
<strong>bei</strong> <strong>bei</strong>den Rassen deutlich unter einem Jahr erreicht, <strong>bei</strong>m Papillon in 73% der<br />
Entwicklungszeit (nach dem 5. Lebensmonat), <strong>bei</strong>m Bernhardiner nach 60% der<br />
Entwicklungszeit (nach dem 9. Lebensmonat). Über die Kopfentwicklung finden sich <strong>bei</strong><br />
Hawthorne et al (2004) allerdings keine Angaben.<br />
Nach Habermehl (1975) beginnt der Zahnwechsel mit 3,5 bis 4 Monaten und endet mit 5-6<br />
Monaten. Der Zahnwechsel kann sich <strong>bei</strong> einzelnen Individuen aller Rassen mit besonderer<br />
Häufung <strong>bei</strong> Zwergrassen, insbesondere <strong>bei</strong>m ChiHuaHua, bis zum 8. LM hinziehen. Bieniek<br />
(1993) gibt für den Wechsel der Incisiven und Canini den Zeitraum vom 3. – 7. LM an.<br />
Über die Beschaffenheit der Kopfknochen, insbesondere über die Knochendichte und<br />
–festigkeit, existieren nur extrem wenige Studien. Roffet (2005) studierte die Knochendichte<br />
verschiedener <strong>Hund</strong>erassen im Erwachsenenalter, Schmidt et al. (2006) maßen die<br />
Knochendichte ausgewachsener Katzen. Bourgoin (2005) stellte <strong>bei</strong> jungen Katzen eine<br />
niedrigere Knochendichte fest als <strong>bei</strong> ausgewachsenen. Da die Knochendichte vor allem<br />
vom Hydroxylapatit- und Calciumgehalt bestimmt wird, liegt mit zunehmender Knochendichte<br />
eine größere Festigkeit vor. Für Doggen maßen Lauten et al (2002) die Knochendichte vom<br />
2. bis 18. LM in Abhängigkeit von verschiedenen Fütterungsarten.<br />
Malokklusionen werden in basal-skelettale und dento-alveoläre Fehlstellungen differenziert<br />
(Eickhoff (2005), Fahrenkrug (1988) und Bieniek (1993)). Klasse 1-Fehlbildungen umfassen<br />
dento-alveoläre Fehlstellungen einzelner oder mehrerer Zähne <strong>bei</strong> korrekter knöcherner<br />
Grundlage. Von diesen haben die Unterkiefereckzahnfehlstellungen die größte Bedeutung,<br />
die von Röcken t al. (1996) in vier Grade eingeteilt werden. In Klasse 2 werden<br />
Fehlbildungen zusammengefasst, die zu einer relativen Verlängerung des Oberkiefers in<br />
Verhältnis zum Unterkiefer führen (Prognathia superior, Brachygnathia inferior, Mikrognathia<br />
inferior). Sie werden symptomatisch als Lange Maxilla, Overjet (Johnston (2001)) oder<br />
Rückbiss bezeichnet. Klasse 3 umfasst die mesialen Bisslagen des Unterkiefers, <strong>bei</strong> denen<br />
er über die Oberkieferschneidezähne hinausreicht. Man spricht von Prognathia inferior,<br />
Brachygnathia superior, Vorbiss oder Underjet (Johnston (2001)).<br />
Während der kieferorthopädischen Ar<strong>bei</strong>t in unserer Klinik zeigte sich, dass die Ergebnisse<br />
kieferorthopädischer Korrekturen in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Malokklusion<br />
in verschiedenen Lebensaltern unterschiedlich erfolgreich und mit verschiedenen<br />
Rezidivraten verbunden waren. Ziel dieser Ar<strong>bei</strong>t war es, hierfür Gründe zu finden und<br />
Empfehlungen für den optimalen Therapiezeitpunkt zu erar<strong>bei</strong>ten.<br />
Material und Methoden<br />
Zur Feststellung des Kopfwachstums wurden 278 Röntgenbilder (jeweils im dorso-ventralen<br />
und latero-lateralen Strahlengang) von 45 <strong>Hund</strong>en unterschiedlicher Rassen (6 Dackel, 5<br />
Terrier-Mischlinge, 4 Deutsche Schäferhunde, 3 Rottweiler, 3 Tibet Terrier, 2 Belgische<br />
Schäferhunde, 2 Bearded Collies, 2 Cocker Spaniel, 2 Jack Russell Terrier, 2 Labrador<br />
Retriever, 2 Malteser, 2 Shelties, 2 Weimaraner, 1 Komfohrländer, 1 Bullterrier, 1<br />
ChiHuaHua, 1 Leonberger,1 Mini-Bullterrier, 1 Pyrenäen-Berghund, 2 mittelgroße<br />
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Mischlinge) bis zum Ende des Körperwachstums angefertigt. Alle 45 <strong>Hund</strong>e wiesen im 8.<br />
Lebensmonat ohne jede Behandlung ein orthodontes Gebiss auf. Außerdem wurden 86<br />
Röntgenbilder von tragenden Hündinnen ausgewertet, die in den Jahren 2003-2006<br />
spätestens fünf Tage nach der Untersuchung gesunde, lebende Welpen geworfen hatten.<br />
Aus den in den vergangenen 20 Jahren (1985 bis 2005) an unserer Klinik abgeschlossenen<br />
kieferorthopädischen Behandlungen an 2.676 Patienten wurden zwei Gruppen ausgewählt:<br />
- Bei 211 Patienten lagen symmetrische Mandibula-Distalbisse vor (Klasse 2-Malokklusion).<br />
Die Tiere gehörten Rassen an, <strong>bei</strong> denen eine orthodonte Okkulsion Rassestandard ist, und<br />
wiesen eine Unterkieferverkürzung auf, <strong>bei</strong> der im Röntgenbild <strong>bei</strong> Behandlungsbeginn der<br />
Abstand zwischen dem mesialen Alveolarrand des I1 und dem distalen Alveolarrand des M1<br />
im Unterkiefer um 10 – 20% (8 – 39 mm) gegenüber dem Abstand zwischen den<br />
entsprechenden Punkten im Oberkiefer an I1 und P4 reduziert war. Die Tiere wurden mit<br />
mesialisierenden, aktivierenden Aufbissschienen, Dehnschrauben oder magnetischen<br />
Apparaten behandelt (<strong>Staudacher</strong>, (2006)), um das Kieferwachstum anzuregen. 8 Tiere<br />
waren verstorben. Von den 211 Fällen konnten 198 nachverfolgt werden. 117 konnten nach<br />
dem 24. Lebensmonat klinisch untersucht werden. Von 64 wurde Gebissstatus nach dem 24.<br />
Lebensmonat fotografiert. Bie12 Tieren gaben die Tierhalter, <strong>bei</strong> 5 die überweisenden<br />
Tierärzte ihre Einschätzung des Gebissstatus ab.<br />
- Von 296 <strong>bei</strong>dseitige Fehlstellungen der Unterkiefereckzähne Grad II (Klasse 1-<br />
Malocclusionen) wurden 231 durch eine Aufbissschiene mit schiefer Ebene (<strong>Staudacher</strong> et<br />
al. (1995)) kieferorthopädisch behandelt. Bei 195 dieser Tiere war eine vorausgegangene<br />
Zahnwechselstörung mit Persistenz eines (29) oder <strong>bei</strong>der (166) Milcheckzähne<br />
nachweisbar gewesen. 6 Tiere waren im Alter von 24 Lebensmonaten verstorben. 218 der<br />
231 durch Aufbissschiene behandelten Patienten konnten nachverfolgt werden (98 durch<br />
klinische Untersuchung, 89 durch Auswertung eines Fotos, 44 durch Ansprache des<br />
Haustierarztes, 17 durch Besitzeransprache).<br />
- Als Vergleichsgruppe zur Beurteilung der Behandlungsergebnisse wurden 39 Klasse 2-<br />
Malokklusionen und 21 Klasse 1-Malokklusionen Grad II nach den obigen Kriterien<br />
ausgewählt, deren Behandlung die Besitzer abgelehnt hatten.<br />
Ergebnisse<br />
1. Zur Behandlung der basal-skelettalen Veränderungen (Klasse 2-Malokklusionen):<br />
Zur Beurteilung des Kopfwachstums wurden die Umrisse der Schädel nachgezeichnet. Am<br />
Beispiel eines Komfohrländer-Welpen, der <strong>bei</strong> Abschluss seines Körperwachstums ein<br />
Gesamtgewicht von 12 kg hatte, kann die Kopfentwicklung gut dargestellt werden. Hierfür<br />
wurden die Kopfumrisse im linken Kiefergelenk zur Deckung gebracht, das in Abb. 1 als<br />
schwarzer Punkt dargestellt ist. Es ist der Ausgangspunkt der grünen Wachstumslinie A die<br />
mit einer Länge von 10,6 cm (83 %) zum Gesamtwachstum <strong>bei</strong>trägt. Weitere 0,8 cm<br />
(entsprechend 17 %) betrug das Wachstum seit Beginn des Zahnwechsels bis zum<br />
Erreichen der endgültigen Körpergröße (rote Linie B).<br />
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3
5 3<br />
6<br />
B<br />
4<br />
6<br />
4<br />
2<br />
A<br />
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3 1<br />
5<br />
1<br />
2<br />
1 2. Lebenswoche<br />
2 16. Lebenswoche<br />
Wachstum bis zum Beginn<br />
des Zahnwechsels<br />
A<br />
3 20. Lebenswoche<br />
4 22. Lebenswoche<br />
5 24. Lebenswoche<br />
Wachstum seit dem Beginn<br />
des Zahnwechsels B<br />
6 8. Lebensmonat<br />
Nachgezeichnete Röntgenaufnahmen<br />
einer Komfohrländer-<br />
Hündin, geb. 13.9.2005<br />
Abb. 1: Längenwachstum des Kopfes eines Komfohrländer-Welpen bis zum 8. Lebensmonat<br />
Der Abstand zwischen dem Kiefergelenk dieses <strong>Hund</strong>es und dem mesialen Alveolarrand<br />
seines I1 (A-Punkt) im Röntgenbild entwickelte sich entsprechend Abb. 2:<br />
Abstand Kiefergelenk A-Punkt<br />
1<br />
5<br />
9<br />
13<br />
Zahnwechsel<br />
17<br />
21<br />
Wochen<br />
25<br />
29<br />
33<br />
1<br />
3<br />
5<br />
7<br />
9<br />
11<br />
13<br />
Zahnwechsel<br />
15<br />
17<br />
19<br />
Wochen<br />
Abb. 2: Wachstumskurve eines Komfohrländers Abb. 3: Wachstumsgeschwindigkeit<br />
Hiermit ergibt sich die Kurve der Wachstumsgeschwindigkeit der Abb. 3, wie sie auch in der<br />
Humanmedizin verwendet wird. Mit Hilfe solch einer Kurve lässt sich während einer<br />
kieferorthopädischen Behandlung abschätzen, wie groß die Wachstumstendenz des<br />
Patienten bis zum Wachstumsende noch ist.<br />
Die Kopfmaße (vom A-Punkt am I1 bis zum Ansatz des Nackenbandes am Os interparietale)<br />
der intrauterin radiologisch untersuchten Welpen lagen ausnahmslos im Bereich zwischen<br />
1,9 und 4,2 cm. Die Variation war deutlich kleiner als <strong>bei</strong> den Maßen der ausgewachsenen<br />
Köpfe zwischen 9,2 bis 25 cm.<br />
Bei den 45 im Verlauf ihres Wachstums radiologisch beobachteten <strong>Hund</strong>en zeigten sind nur<br />
geringe Unterschiede zwischen den Rassen. Wesentlich größer waren die Unterschiede im<br />
Verhältnis zum Endgewicht. So wurden zur Auswertung 6 Gewichtsklassen ohne Rücksicht<br />
auf die Rassezugehörigkeit gebildet: bis 2 kg, 2,1 bis 4 kg, 4,1 bis 10 kg, 10,1 bis 20 kg, 20,1<br />
bis 35 kg und über 35,1 kg. Kriterium war das Körpergewicht am Ende des 8. Lebensmonats.<br />
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21<br />
23<br />
25<br />
27<br />
29<br />
31<br />
33<br />
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Damit werden für die verschiedenen Gewichtsklassen die Kurven der Abb. 4 für die Wachstumsgeschwindigkeiten<br />
errechnet.<br />
1<br />
4<br />
7<br />
10<br />
13<br />
Beginn des<br />
Zahnwechsels<br />
16<br />
19<br />
22<br />
Wochen<br />
25<br />
28<br />
31<br />
34<br />
37<br />
bis 2 kg<br />
2,1 bis 4<br />
4,1 bis 10<br />
10,1 bis 20<br />
20,1 bis 35<br />
über 35<br />
Abb. 4: Wachstumsgeschwindigkeiten<br />
verschiedener<br />
Gewichtsklassen von <strong>Hund</strong>en.<br />
Bis Anfang 2004 waren die Malokklusionen der Klasse 2 in unserer Klinik mit Hilfe von<br />
Aktivatoren und Dehnschrauben der Mandibula behandelt worden, die möglichst schnell<br />
nach dem Durchbruch der bleibenden Canini installiert wurden. Behandlungsbeginn war<br />
daher gelegentlich die 16., meistens aber erst die 18. – 20. Lebenswoche, <strong>bei</strong> großen<br />
Rassen konnte die 24. Lebenswoche erreicht werden. Seit Anfang 2004 erfolgte die<br />
Behandlung der Malokklusionen zunehmend schon vor den Zahnwechsel mit Hilfe<br />
magnetischer Apparate (<strong>Staudacher</strong> (2006)), die mit Hilfe von Cerclagen an Maxilla und<br />
Mandibula befestigt waren.<br />
Aufgrund der unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten erfolgt die Auswertung der<br />
Behandlungsergebnisse für die Klassen bis 20 kg und über 20 kg Erwachsenengewicht<br />
getrennt.<br />
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Tab. 1: Behandlungsergebnisse der Malokklusionen Klasse 2 in Abhängigkeit vom Zeitpunkt<br />
des Behandlungsbeginns<br />
<strong>Hund</strong>e<br />
Behandlungsbeginn<br />
Behandelt<br />
Anzahl<br />
Mit 8<br />
Monaten<br />
orthodont<br />
Nachverfolgt<br />
nach 24<br />
Monaten<br />
Davon<br />
orthodont<br />
Mit 8<br />
Monaten<br />
nicht<br />
orthodont<br />
Davon nach<br />
24 Monaten<br />
nachverfolgt<br />
und nicht<br />
orthodont<br />
vor dem Zahnwechsel 12 12 6 1 6 - -<br />
bis 20 kg (Gruppe 1) 9 9 4 1<br />
4 - -<br />
über 20 kg (Gruppe 2) 3 3 2 1<br />
2 - -<br />
nach dem Beginn des<br />
Zahnwechsel<br />
199 117 110 96 82 82<br />
bis 20 kg (Gruppe 3) 137 73 60 58 74 74<br />
über 20 kg (Gruppe 4) 62 44 44 42 18 18<br />
1<br />
Weitere 6 werden laufend nachuntersucht. Bisher sind alle Gebisse orthodont, es gab kein Rezidiv.<br />
Bei diesen <strong>Hund</strong>en wurden die 24 Monate aber noch nicht erreicht.<br />
Die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug in Gruppe 1 8 Wochen bis zum Erreichen<br />
eines orthodonten Caninusstandes, in Gruppe 1 13 Wochen, in Gruppe 3 16 Wochen und in<br />
Gruppe 4 18 Wochen. War in der 42. Lebenswoche noch kein orthodontes Gebiss<br />
vorhanden, wurde die Behandlung abgebrochen und durch Einzelzahnbewegungen ein<br />
funktionelles, nicht orthodontes Gebiss angestrebt.<br />
Bei weiteren 8 Tieren wurde ab der 8. Lebenswoche eine Behandlung mit Hilfe eines<br />
orthodonten magnetischen Apparates begonnen. Da der 8. Lebensmonat <strong>bei</strong> diesen Tieren<br />
nicht erreicht ist, wurden sie in der Auswertung nicht berücksichtigt. Bei allen 8 Tieren ist<br />
jedoch schon im Behandlungsverlauf eine erhebliche Reduktion der Malokklusion sichtbar.<br />
Bei den meisten der inzwischen 20 mittels OMA behandelten Tiere war die Malokklusion 4-6<br />
Wochen nach Behandlungsbeginn beseitigt.<br />
Von den als Kontrollgruppe ausgewerteten 39 Klasse 2-Malokklusionen waren mit 8<br />
Monaten 6 und nach 24 Monaten 4 orthodont. 31 und nach 24 Monaten sogar 35 wiesen<br />
zum Teil so erhebliche Fehlstellungen auf, dass Zähne gezogen oder eingekürzt worden<br />
waren. <strong>Dr</strong>ei Tiere wurden wegen rezidivierender Mandibulaabszesse im weiteren Verlauf<br />
eingeschläfert.<br />
2. Zur Behandlung der dento-alveolären Veränderungen (Klasse 1, Grad II):<br />
Allen 231 behandelten Patienten mit Malokklusion Klasse 1, Grad II (steil stehende, in den<br />
Oberkiefer ein<strong>bei</strong>ßende Unterkiefereckzähne) konnte zu einer orthodonten Verzahnung<br />
verholfen werden. Das Behandlungsergebnis war weder vom Gewicht des Patienten noch<br />
nach dem Zahnwechsel vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginnes abhängig. Es gab aber<br />
große Unterschiede in der Behandlungsdauer. Hier<strong>bei</strong> war ein Einfluss des Körpergewichts<br />
zwar gegeben, er war jedoch gering. Sehr große <strong>Hund</strong>e, deren Behandlung spät begonnen<br />
hatte, benötigten bis zu 15% länger als kleine <strong>Hund</strong>e, deren Behandlung früh begonnen<br />
hatte. Der Unterschied war aber nicht signifikant.<br />
Die kieferorthopädische Behandlung wurde begonnen, sobald die bleibenden Eckzähne des<br />
Unterkiefers 3-4 mm lang waren, damit für die Wirkung der resultierenden lateralisierenden<br />
Kraft des Hebels der Aufbissschiene ein therapeutisch nutzbarer Kraftarm vorlag. Dies war<br />
frühestens in der 16. Lebenswoche der Fall. Bei sechs Tieren wurde die Behandlung erst<br />
nach dem 12. Lebensmonat, <strong>bei</strong> drei Tieren sogar erst nach dem 15. Lebensmonat<br />
begonnen. Abb. 5 gibt einen Überblick über die Behandlungszeiten.<br />
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6
Tage<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
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Behandlungsbeginn ab Lebenswoche<br />
16 21 25 29 33 37 41 45 49 52 63<br />
Abb. 5: Behandlungsdauer <strong>bei</strong> Behandlung eines Unterkiefer-<br />
Eckzahnengstandes Grad II in Tagen.<br />
50%<br />
80%<br />
100%<br />
Die Zeit bis zum Behandlungsabschluss der Hälfte der Patienten ist<br />
als blauer Balken, von 80% grün und aller Patienten rot dargestellt.<br />
Von den nicht behandelten 21 Klasse 1-Grad II-Malokklusionen wiesen mit 8 Monaten 16<br />
Oberkiefereinbisse auf. Bei 5 Tieren waren die Canini wegen des fortdauernden apikalen<br />
<strong>Dr</strong>uckes intrudiert. Im weiteren Verlauf wurden 15 Canini eingekürzt oder extrahiert.<br />
Diskussion<br />
Der größte Teil des Wachstums <strong>bei</strong>m <strong>Hund</strong> erfolgt vor dem Zahnwechsel (Hawthorne, 2004,<br />
Lauten, 2002). Dies gilt nach den Ergebnissen dieser Ar<strong>bei</strong>t in noch größerem Maße für das<br />
Kopfwachstum. Intrauterin und in den ersten Lebenstagen ist der Kopf im Verhältnis zum<br />
Rumpf deutlich größer („Kindchenschema“, das im Muttertier als Schlüsselreiz das<br />
Fürsorgeverhalten auslöst). Er wächst in den ersten Lebenswochen auch noch stark.<br />
Danach nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit ab. Bei größeren Rassen hält das Wachstum<br />
etwas länger an, dennoch sind <strong>bei</strong> Kleinhunden 80% und <strong>bei</strong>m Bernhardiner 65% des<br />
Wachstums bereits zum Zeitpunkt des Zahnwechsels erfolgt.<br />
Bei basal-skelettalen Veränderungen muss die kieferorthopädische Behandlung, die das<br />
natürliche Wachstum des Patienten nutzen möchte, deshalb möglichst schon vor dem<br />
Zahnwechsel erfolgen. Da zu diesem Zeitpunkt zur Befestigung der Apparate noch keine zur<br />
Verankerung geeigneten Zähne zur Verfügung stehen, muss die Befestigung direkt am<br />
Knochen erfolgen. Hierzu eignen sich Cerclagen. Da sie das Wachstum nicht behindern<br />
sollen, werden sie nicht allzu stark angezogen. Wegen der damit möglichen kleinen<br />
Bewegungen kann es zu leichten Entzündungen kommen, die in den beobachteten Fällen<br />
sofort nach Entfernung der Apparate komplikationslos abheilten. In drei Fällen entstand eine<br />
Periostreaktion, die sich insbesondere an der Mandibula noch über einige Wochen als ein<br />
angedeutetes Kinn äußerte. Alle vor dem Zahnwechsel behandelten Patienten erzielten ein<br />
orthodontes, orthognathes Gebiss. Es kam nicht zu Rezidiven.<br />
Funktionelle orthodonte magnetische Apparate wie der in dieser Ar<strong>bei</strong>t genutzte,<br />
entsprechend den gemessenen Magnetkräften dimensionierte OMA III (<strong>Staudacher</strong> (2006))<br />
können zwischen den Kiefern Zugkräfte von mehreren Newton ausüben. Damit stehen sie<br />
auch für die Behandlung großer <strong>Hund</strong>erassen zur Verfügung. Durch einen Luftspalt oder die<br />
konstruktive Überdeckung der Magnete kann ein direkter Kontakt verhindert werden, durch<br />
den die Kräfte exponentiell steigen würden.<br />
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Kieferorthopädie <strong>Hund</strong> VET<br />
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Demgegenüber erreichten die nach dem Zahnwechsel behandelte Tiere mit Klasse II-<br />
Malokklusion nur zu 71% in der Gewichtsklasse über und zu 53% in der Gewichtsklasse<br />
unter 20 kg mit 8 Lebensmonaten ein orthodontes, orthognathes Gebiss. War einmal die<br />
Einordnung des Unterkiefereckzahnes zwischen den Oberkiefercaninus und den äußeren<br />
Schneidezahn erfolgt, traten keine Rezidive mehr auf. Der größere Behandlungserfolg (71%<br />
gegenüber 53%) der Spätbehandelten mit einem Körpergewicht über 20 kg ergibt sich aus<br />
deren zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen größeren Wachstumspotenzial.<br />
Dem entspricht auch die erheblich längere Behandlungszeit der Gruppe 3 und 4 von 16 bzw.<br />
18 Wochen gegenüber 8 und 13 Wochen in Gruppe 1 und 2 bis zum Erreichen eines<br />
orthodonten Gebisses.<br />
Auch <strong>bei</strong> Klasse 1-Malokklusionen, die nur durch die Einzelnzahnbewegung des<br />
fehlgestellten Caninus behandelt wurden, zahlte sich direkt nach dem Zahnwechsel ein<br />
früher Behandlungsbeginn aus. Behandlungen im Milchgebiss fanden nicht statt. Sobald der<br />
bleibende Unterkiefereckzahn eine Länge von 3-5 mm aufwies, konnte mit der Behandlung<br />
begonnen werden. Bei Behandlungen zwischen der 16. und 25. Lebenswoche (4.-6. Monat)<br />
ergaben sich keine signifikant unterschiedlichen Behandlungszeiten. Mit Zunahme der<br />
Knochendichte nahmen sie danach aber schnell zu. Mit mehr als einem Jahr waren<br />
Einzelzahnbewegungen durchaus noch möglich, sie dauerten aber erheblich länger. Die<br />
längeren Behandlungszeiten lassen sich gut mit der zunehmenden Knochendichte erklären,<br />
die sich mit Abnahme der Wachstumsgeschwindigkeit durch die fortschreitende Verkalkung<br />
der Knochen ergibt (Roffet, 2005, Bourgoin, 2005, Schmidt et al, 2006).<br />
Die Anwendung einer Aufbissschiene führt <strong>bei</strong> Grad II-Caninusfehlstand vor allem zu einer<br />
Rotation des Zahnes um die Zahnachse in seiner Alveole nach labial. Da<strong>bei</strong> verursacht der<br />
Zahn, der einen ovalen Querschnitt aufweist, in viel geringerem Umfang Resorptions- und<br />
Appositionsvorgänge als <strong>bei</strong> einer Translokation, <strong>bei</strong> der die gesamte Alveole durch den<br />
Knochen bewegt werden muss. Je umfangreicher die Umbauprozesse sind, desto größeren<br />
Einfluss hat die Beschaffenheit des Knochens auf die Behandlungsdauer (Reitan, 1989). Für<br />
solche Behandlungen ist daher der frühzeitige Beginn noch bedeutsamer.<br />
Der kieferorthopädisch ar<strong>bei</strong>tende Tierarzt wird insbesondere von Züchtern häufig mit der<br />
Behauptung konfrontiert, dass sich die Fehlstellung von alleine auswachsen dürfte. Diese<br />
verständliche Behauptung wird durch die Auswertung der Entwicklung der Kontrolltiere<br />
eindeutig widerlegt. Ober- und Unterkiefer wachsen nicht synchron, sodass es durchaus<br />
zeitweise zum Eindruck einer Malokklusion kommen kann. Diese Wachstumsunterschiede<br />
sollten aber unerheblich sein. In der Regel dürften sie über 2-3 mm nicht hinausgehen und<br />
sollten sich – insbesondere vor dem Zahnwechsel – innerhalb einiger Tage regulieren.<br />
Sobald über 2-3 mm hinausgehende Längenunterschiede im Wachstum der <strong>bei</strong>den Kiefer<br />
vorliegen, können sie im weiteren Verlauf des Kopfwachstums zwar teilweise aufgeholt<br />
werden. Nur in den seltensten Fällen wird dann aber noch eine orthodonte, orthognathe<br />
Situation erreicht. Die nachverfolgten, nicht behandelten Patienten zeigen, dass es durchaus<br />
gefährlich sein kann, den Gebissfehler nicht zu behandeln. Das Warten auf eine eventuelle<br />
Selbstheilung birgt das Risiko, den optimalen Behandlungsbeginn zu verpassen und das<br />
therapeutisch nutzbare Wachstumspotenzial zu verschenken.<br />
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Tierärztliche Klinik <strong>Dr</strong>. <strong>Staudacher</strong> – Trierer Str. 652-658 – D-52078 Aachen<br />
Tel. 0241/092866-0 Fax 0241-92866-47 eMail info@tgz-aachen.de<br />
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Danksagung<br />
Gudrun Schnock und Maike Thiel fertigten zahlreiche Röntgenbilder an und vermaßen viele<br />
<strong>Hund</strong>e. Außerdem danke ich Ihnen für die Unterstützung <strong>bei</strong> der Auswertung des umfangreichen<br />
Datenmaterials und die Mitar<strong>bei</strong>t <strong>bei</strong> einem großen Teil der kieferorthopädischen<br />
Behandlungen.<br />
<strong>Dr</strong>. Gerhard <strong>Staudacher</strong>, Fachtierarzt für Kleintiere, Zahnheilkunde<br />
Tierärztliche Klinik <strong>Dr</strong>. <strong>Staudacher</strong><br />
Trierer Straße 652-658<br />
D-52078 Aachen<br />
Tel. 0241-92866-0<br />
Fax 0241-92866-47<br />
eMail: g.staudacher@tgz-aachen.de<br />
Tierärztliche Klinik <strong>Dr</strong>. <strong>Staudacher</strong> – Trierer Str. 652-658 – D-52078 Aachen<br />
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