„Diagnose: Rett-Syndrom“ – und dann? - bei föpäd.net
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Es bestehen bisher keine nachgewiesenen Begründungen dafür, dass Kinder mit <strong>Rett</strong>-<br />
Syndrom die genannten Voraussetzungen nicht erfüllen können.<br />
Die sogenannte sensorische Integration, die auch bedeutsam ist für die Entwicklung<br />
des Sprachverständnisses, scheint zwar <strong>bei</strong> Kindern mit <strong>Rett</strong>-Syndrom besonders in<br />
den ersten Lebensjahren gestört zu sein, anscheinend lernen die Kinder aber, damit<br />
umzugehen. Ältere Mädchen mit dieser Behinderung scheinen Reize besser<br />
einordnen zu können als jüngere. Das erklärt auch die Aussage der Mutter eines 18-<br />
jährigen Mädchens mit <strong>Rett</strong>-Syndrom, dass das Sprachverständnis mit den Jahren<br />
immer besser geworden sei 11 . Eine gestörte sensorische Integration hat zur Folge,<br />
dass eine gewisse Zeit zur Dekodierung der Sprache benötigt wird (vgl. Kap. 2.2).<br />
Die Erkenntnis, dass Menschen ohne Lautsprache ein Sprachverständnis entwickeln,<br />
beweist die mögliche Sprachperzeption auf alternativem Weg. Es werden im<br />
Folgenden einige Theorien aus der Forschung zum Spracherwerb dargelegt, die<br />
erklären, dass sich die innere Sprache <strong>und</strong> die Sprachproduktion auf unterschiedliche<br />
Weise entwickeln (vgl. Kap. 4.3). Diese Erkenntnisse können unseres Erachtens nach<br />
auch auf Mädchen <strong>und</strong> Frauen mit dem <strong>Rett</strong>-Syndrom bezogen werden.<br />
Das Sprachverständnis „geht in der kindlichen Entwicklung dem Sprechen voraus<br />
<strong>und</strong> beruht [...] mehr oder weniger stark auf nonverbalen, also mimischen <strong>und</strong><br />
gestischen Bedeutungsstützen“ (Speck 1980, 81). Anscheinend speichern Kinder<br />
sowohl Wörter aus der Erwachsenensprache als auch aus ihrer individuellen<br />
Kindersprache. Bei den entstehenden inneren Repräsentationen bestimmt die<br />
Erwachsenensprache die Perzeption <strong>und</strong> die Kindersprache die Produktion (vgl.<br />
Dannenbauer <strong>und</strong> Kotten-Sederquist 1987 in Füssenich 1999, 82). In späteren<br />
Lebensabschnitten gleichen sich die <strong>bei</strong>den Strukturen immer mehr an. Dannenbauer<br />
<strong>und</strong> Kotten-Sederquist gehen außerdem davon aus, dass sich die Sprachperzeption<br />
aus auditiv-perzeptuellen Merkmalen entwickelt. Die auditive Wahrnehmung ist <strong>bei</strong><br />
Menschen mit <strong>Rett</strong>-Syndrom in der Regel unbeeinträchtigt (vgl. Kap. 2.2.2). Beim<br />
Verstehen werden Inhaltswörter aus ganzen Äußerungen herausgegriffen <strong>und</strong> mit<br />
vorhandenem Vorwissen verknüpft. Die Produktion der Sprache hingegen wird<br />
11 Anmerk. d. Verf.: Diese Information stammt von einer Mutter. Die Email vom 12.10.01 liegt den<br />
Verfassern vor.<br />
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