„Diagnose: Rett-Syndrom“ – und dann? - bei föpäd.net
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An dieser Stelle soll die Kommunikation in verbale und nonverbale Aspekte unterteilt werden. Watzlawick nennt die beiden Formen der zwischenmenschlichen Kommunikation die digitale und analoge. 3.3.1 Die verbale Kommunikation Werden Objekte auf digitale Weise Gegenstand der Kommunikation, ist die Bedeutung der sprachlichen Zeichen unabhängig von dem bezeichneten Inhalt. Die Schriftsprache beispielsweise hat keine Beziehung zu dem Gegenstand, den sie bezeichnet (vgl. Watzlawick 1974, 62). Es bedienen sich ausschließlich Menschen der digitalen Kommunikationsform. So ist es dem Menschen durch Sprache möglich, sich in der Umwelt zu orientieren und zu denken. Mittels Lautsprache kann man Raum und Zeit überwinden, da man in einem kurzen Zeitraum vielfältige Informationen auch über eine große Distanz hinweg austauschen kann. Vor allem ist Sprache aber ein Mittel der Kommunikation, das durch Sprechmelodie und Sprachdynamik die subjektiven Einstellungen des Sprechers zum Inhalt seiner Mitteilung deutlich werden lässt (vgl. Böhm-Besim 1993, 9f). Hinzuzufügen ist, dass die Verbalsprache nicht nur das Sprechen, sondern auch Geschriebenes und für Buchstaben stehende Gesten einschließt (vgl. Argyle 1979, 17). Eine ausschließliche Beschränkung auf die Lautsprache stellt eine Diskriminierung der Kommunikationssysteme nichtsprechender Menschen dar. Diese werden so zusätzlich behindert (vgl. Eichel 1996, 37). Auch Gangkofer, der in seinem Artikel über menschliche Kommunikation das „orale Dogma“ kritisiert, welches die Annahme vertritt, „daß nur die Lautsprache eine vollwertige Sprache sei, alle anderen Systeme dagegen nur rudimentäre und relativ wertlose Ersatzstücke“, stellt fest, dass die menschliche Sprache nicht nur Lautsprache ist (Gangkofer 1992, 244). Er weist auf die Verständigung mit Hilfe alternativer Kommunikationsformen hin, die nicht auf die Übertragung von Informationen mittels Schallwellen angewiesen sind. Durch diese Aussagen soll jedoch nicht die Relevanz von Lautsprache missachtet werden, weil diese wie vorher beschrieben Qualitäten besitzt, die sie anderen www.foepaed.net 44
Kommunikationssystemen voraus hat. Aus diesem Grund existieren auch Kommunikationshilfen mit einer Sprachausgabe. Um jedoch nichtsprechenden Menschen gerecht zu werden und weil sich vieles nicht verbal ausdrücken lässt (vgl. Argyle 1979, 14) wird im folgenden Abschnitt die nonverbale Kommunikation angesprochen. 3.3.2 Die nonverbale Kommunikation Ein großer Teil interpersonaler Kommunikation verläuft nicht-verbal (vgl. Speck 1980, 82). Bei der analogen Kommunikation stellen die den Gegenstand bezeichnenden Symbole einen direkten Bezug zum Objekt her. Die zur nonverbalen Kommunikation benutzten Zeichen werden von einem anderen Organismus wahrgenommen und beeinflussen dessen Verhalten (vgl. Argyle 1979, 14). Zu unterscheiden sind unbewusste und bewusste Signale. Sendet ein Sender bewusst eine Mitteilung an einen Empfänger, indem er einen für den Empfänger verständlichen Code benutzt, ist das eine Mitteilung im engeren Sinne. Erst wenn die Empfänger den verwendeten Code verstehen und der Sender sich dessen bewusst ist, handelt es sich nach Argyle um einen Kommunikationsvorgang. Unbewusste Zeichen hingegen sind nicht unbedingt dazu bestimmt etwas mitzuteilen. Sie sind außerdem häufig nicht so einfach kontrollierbar (vgl. ebd., 15). Einige Beispiele hierzu sind das Schwitzen bei Aufregung oder Zittern. Diese nonverbalen Signale werden über verschiedene Kommunikationskanäle gesendet und empfangen. Es besteht ein auditiver, ein visueller, ein taktiler, ein olfaktorischer und ein thermaler Kommunikationskanal. Die häufigsten nonverbalen Botschaften werden über den visuellen Kanal, wie z. B. Gesichtsausdruck, Blicke, Gestik etc., über den auditiven Kanal bei der Betonung und Stimmhöhe oder über den taktilen Kanal gesendet, über den beispielsweise Berührungen wahrgenommen werden (vgl. ebd., 201 ff.). Mädchen und Frauen mit Rett-Syndrom senden viele nonverbale Signale. Darauf wird in Kapitel 4.2 noch ausführlicher eingegangen. Oft sind nonverbale Mitteilungen mit der Sprache verbunden oder verdeutlichen diese. Das äußert sich beispielsweise, wenn Menschen das Sprechen mit Gesten begleiten. Prosodische Signale sind sogar eng mit der Sprache verknüpft. Stimmhöhe und Betonung sagen oft mehr über die Bedeutung eines Satzes aus als der Inhalt www.foepaed.net 45
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unterteilt werden. Watzlawick nennt die <strong>bei</strong>den Formen der zwischenmenschlichen<br />
Kommunikation die digitale <strong>und</strong> analoge.<br />
3.3.1 Die verbale Kommunikation<br />
Werden Objekte auf digitale Weise Gegenstand der Kommunikation, ist die<br />
Bedeutung der sprachlichen Zeichen unabhängig von dem bezeich<strong>net</strong>en Inhalt. Die<br />
Schriftsprache <strong>bei</strong>spielsweise hat keine Beziehung zu dem Gegenstand, den sie<br />
bezeich<strong>net</strong> (vgl. Watzlawick 1974, 62).<br />
Es bedienen sich ausschließlich Menschen der digitalen Kommunikationsform. So ist<br />
es dem Menschen durch Sprache möglich, sich in der Umwelt zu orientieren <strong>und</strong> zu<br />
denken. Mittels Lautsprache kann man Raum <strong>und</strong> Zeit überwinden, da man in einem<br />
kurzen Zeitraum vielfältige Informationen auch über eine große Distanz hinweg<br />
austauschen kann. Vor allem ist Sprache aber ein Mittel der Kommunikation, das<br />
durch Sprechmelodie <strong>und</strong> Sprachdynamik die subjektiven Einstellungen des<br />
Sprechers zum Inhalt seiner Mitteilung deutlich werden lässt (vgl. Böhm-Besim<br />
1993, 9f). Hinzuzufügen ist, dass die Verbalsprache nicht nur das Sprechen, sondern<br />
auch Geschriebenes <strong>und</strong> für Buchstaben stehende Gesten einschließt (vgl. Argyle<br />
1979, 17).<br />
Eine ausschließliche Beschränkung auf die Lautsprache stellt eine Diskriminierung<br />
der Kommunikationssysteme nichtsprechender Menschen dar. Diese werden so<br />
zusätzlich behindert (vgl. Eichel 1996, 37).<br />
Auch Gangkofer, der in seinem Artikel über menschliche Kommunikation das „orale<br />
Dogma“ kritisiert, welches die Annahme vertritt, „daß nur die Lautsprache eine<br />
vollwertige Sprache sei, alle anderen Systeme dagegen nur rudimentäre <strong>und</strong> relativ<br />
wertlose Ersatzstücke“, stellt fest, dass die menschliche Sprache nicht nur<br />
Lautsprache ist (Gangkofer 1992, 244). Er weist auf die Verständigung mit Hilfe<br />
alternativer Kommunikationsformen hin, die nicht auf die Übertragung von<br />
Informationen mittels Schallwellen angewiesen sind.<br />
Durch diese Aussagen soll jedoch nicht die Relevanz von Lautsprache missachtet<br />
werden, weil diese wie vorher beschrieben Qualitäten besitzt, die sie anderen<br />
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