„Diagnose: Rett-Syndrom“ – und dann? - bei föpäd.net

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30.12.2012 Aufrufe

Mit dem ‚angeborenen Rett-Syndrom’ (Congenital Rett syndrome) werden Mädchen beschrieben, bei denen sich die charakteristischen Merkmale schon in der Zeit vom 1. bis zum 16. Monat nach der Geburt ausprägen. Auch die umgekehrte Form, die im späten Kindesalter auftritt, ist bekannt (Late childhood regression). Hagberg berichtet von einem Mädchen, das einige Wörter und Sätze erlernt hatte und im Alter von sieben Jahren Sprache und feinmotorische Fähigkeiten verlor. Diese Frau konnte später über ‘eye-pointing boards’ kommunizieren (vgl. Hagberg/Gillberg 1993, 49). Es gibt nur wenig Syndrome, von denen ausschließlich Frauen betroffen sind. Das Rett-Syndrom scheint eines davon zu sein. Allerdings wurden schon des Öfteren Jungen in der Literatur beschrieben, die einige Symptome des Rett-Syndroms zeigen (vgl. Coleman 1990, Eeg-Olofsson et al. 1990). Zum Beispiel könnte es möglich sein, dass diese Variante des Rett-Syndroms in Verbindung mit dem Klinefelter- Syndrom 9 auftaucht (vgl. Hagberg/Gillberg 1993, 52). In diesen Fällen konnten jedoch nicht alle Kriterien eindeutig bewiesen werden, so dass bislang davon ausgegangen werden muss, dass, wenn es eine Variante des Syndroms bei Männern gibt, diese noch nicht nachgewiesen werden kann. Amir et al. konnten eine schlüssige Erklärung für die hohe Sterblichkeitsrate von männlichen Embryonen und Babys mit der Rett-Variante liefern. Gewöhnlich übernehmen Jungen das X-Chromosom der Mutter und das Y-Chromosom des Vaters (vgl. Amir et al. 1999, 187). Wenn dieses X-Chromosom mit einer Mutation versehen ist, dann wäre die Folge, dass durch den Zellteilungsprozess der Fehler auf jede neue Zelle übertragen würde. Letzten Endes kann dies bedeuten, dass die Entwicklung des Fötus so schwer geschädigt wird, dass der Säugling keine große Lebenserwartung hätte. 9 Anmerk. d. Verf.: Beim Klinefelter-Syndrom handelt es sich um eine gonosomale Abberation. Jungen mit diesem Syndrom sind nicht zwangsläufig geistig behindert. Es kommt nicht zum Pubertätswachstum der Geschlechtsorgane, und die Hormonproduktion ist ebenfalls beeinträchtigt. Dies ist das wesentliche Merkmal des Syndroms. „Als pyschopathologische Auffälligkeiten werden vor allem Antriebsstörungen und Zeichen der zerebralen Dysfunktion beobachtet...“ (Neuhäuser/Steinhausen 1999, 194). Auf eine ausführliche Darstellung dieses Syndroms wird in dieser Arbeit verzichtet (für weitere Information vgl. ebd.). www.foepaed.net 24

2 Wahrnehmung bei Menschen mit Rett-Syndrom Bevor wir die Besonderheiten in der Wahrnehmung bei Menschen mit dem Rett- Syndrom beschreiben, gehen wir auf einige allgemeine Aspekte der Wahrnehmung im Kleinkindalter ein. Wir möchten verständlich machen, wie sich Wahrnehmungsstörungen auf die Entwicklung des Kindes auswirken können. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, beziehen wir uns auf Merkmale, die für die Entwicklung von Kommunikation bedeutsam sind und die sich im Verlauf des Behinderungsbildes verändern. Ein Mädchen mit Rett-Syndrom scheint sich in den ersten Lebensmonaten ‚normal’ zu entwickeln. Wir nehmen an, dass auch ihre Wahrnehmung in den ersten Lebensmonaten ohne Auffälligkeiten verläuft. 2.1 Die frühkindliche Wahrnehmung Bei der Wahrnehmung handelt es sich um einen aktiven „Austauschprozess zwischen Informationssuche, Informationsaufnahme und deren Verarbeitung“ (Fröhlich 1999, 50). Schon im Mutterleib ist das Kind der Schwerkraft ausgesetzt und macht somit seine ersten Wahrnehmungserfahrungen im vestibulären Bereich. Von Anfang an wird das Vestibulärsystem des Kindes durch Bewegungen der Mutter stimuliert. Diese ersten Wahrnehmungserfahrungen bilden die Grundlage für die weitere Entwicklung (vgl. ebd., 51). Der Säugling ist bemüht, sämtliche Reize zunächst mit den Augen zu verfolgen. Schon hier beginnt die Augen-Hand-Koordination. Das Baby bewegt seinen Körper, seine Arme und Beine so lange, bis es einen Widerstand verspürt. Somit entsteht der erste Kontakt mit der Umwelt. „ ‚Kon’ verweist auf das Miteinander, ‚Takt’ auf das Feingefühl und das Spüren. ‚Mit-Spüren’! Wenn ich dich spüre und du mich, dann spüren wir ‚miteinander’, dann stehen wir in ‚Kon-Takt’“ (Affolter 1997, 19). Kinder sehen Gegenstände, greifen danach und erforschen sie mit all ihren Sinnen. Durch diesen Erkundungsprozess werden sie mit sich und der Umwelt immer vertrauter. Der Prozess des Ergreifens spielt dabei eine wichtige Rolle, weil über das Anfassen und Fühlen wichtige Reize gespürt werden. Für Affolter ist das Nehmen- Können eine Voraussetzung für die Wahrnehmung der Umwelt (vgl. Affolter 1997, 42). www.foepaed.net 25

Mit dem ‚angeborenen <strong>Rett</strong>-Syndrom’ (Congenital <strong>Rett</strong> syndrome) werden Mädchen<br />

beschrieben, <strong>bei</strong> denen sich die charakteristischen Merkmale schon in der Zeit vom<br />

1. bis zum 16. Monat nach der Geburt ausprägen.<br />

Auch die umgekehrte Form, die im späten Kindesalter auftritt, ist bekannt (Late<br />

childhood regression). Hagberg berichtet von einem Mädchen, das einige Wörter<br />

<strong>und</strong> Sätze erlernt hatte <strong>und</strong> im Alter von sieben Jahren Sprache <strong>und</strong> feinmotorische<br />

Fähigkeiten verlor. Diese Frau konnte später über ‘eye-pointing boards’<br />

kommunizieren (vgl. Hagberg/Gillberg 1993, 49).<br />

Es gibt nur wenig Syndrome, von denen ausschließlich Frauen betroffen sind. Das<br />

<strong>Rett</strong>-Syndrom scheint eines davon zu sein. Allerdings wurden schon des Öfteren<br />

Jungen in der Literatur beschrieben, die einige Symptome des <strong>Rett</strong>-Syndroms zeigen<br />

(vgl. Coleman 1990, Eeg-Olofsson et al. 1990). Zum Beispiel könnte es möglich<br />

sein, dass diese Variante des <strong>Rett</strong>-Syndroms in Verbindung mit dem Klinefelter-<br />

Syndrom 9 auftaucht (vgl. Hagberg/Gillberg 1993, 52).<br />

In diesen Fällen konnten jedoch nicht alle Kriterien eindeutig bewiesen werden, so<br />

dass bislang davon ausgegangen werden muss, dass, wenn es eine Variante des<br />

Syndroms <strong>bei</strong> Männern gibt, diese noch nicht nachgewiesen werden kann.<br />

Amir et al. konnten eine schlüssige Erklärung für die hohe Sterblichkeitsrate von<br />

männlichen Embryonen <strong>und</strong> Babys mit der <strong>Rett</strong>-Variante liefern. Gewöhnlich<br />

übernehmen Jungen das X-Chromosom der Mutter <strong>und</strong> das Y-Chromosom des<br />

Vaters (vgl. Amir et al. 1999, 187). Wenn dieses X-Chromosom mit einer Mutation<br />

versehen ist, <strong>dann</strong> wäre die Folge, dass durch den Zellteilungsprozess der Fehler auf<br />

jede neue Zelle übertragen würde. Letzten Endes kann dies bedeuten, dass die<br />

Entwicklung des Fötus so schwer geschädigt wird, dass der Säugling keine große<br />

Lebenserwartung hätte.<br />

9 Anmerk. d. Verf.: Beim Klinefelter-Syndrom handelt es sich um eine gonosomale Abberation.<br />

Jungen mit diesem Syndrom sind nicht zwangsläufig geistig behindert. Es kommt nicht zum<br />

Pubertätswachstum der Geschlechtsorgane, <strong>und</strong> die Hormonproduktion ist ebenfalls beeinträchtigt.<br />

Dies ist das wesentliche Merkmal des Syndroms. „Als pyschopathologische Auffälligkeiten werden<br />

vor allem Antriebsstörungen <strong>und</strong> Zeichen der zerebralen Dysfunktion beobachtet...“<br />

(Neuhäuser/Steinhausen 1999, 194). Auf eine ausführliche Darstellung dieses Syndroms wird in<br />

dieser Ar<strong>bei</strong>t verzichtet (für weitere Information vgl. ebd.).<br />

www.foepaed.<strong>net</strong> 24

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