„Diagnose: Rett-Syndrom“ – und dann? - bei föpäd.net

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30.12.2012 Aufrufe

Die Ursachen der sprachlichen Beeinträchtigung werden in Kapitel 4.1.4 und 4.2.5 noch diskutiert. Das vierte Stadium beginnt in der Regel nach dem 10. Lebensjahr, bei einigen Mädchen aber auch erst gegen Ende der Pubertät. Die Mädchen bleiben im Körperwachstum zurück. Skoliose, die Steifheit der Gelenke und die zunehmende Apraxie hindern die Mädchen daran, mobil zu sein. Einige können selbstständig laufen, andere nur noch mit Unterstützung und einige sind auf den Rollstuhl angewiesen. Der körperliche Gesamtzustand verschlechtert sich und auch die Mimik wird zunehmend starr und ausdrucksarm (vgl. Dobslaff 1999, 25). Die Lebenserwartung der Mädchen und Frauen wird in der Literatur oftmals mit 40 bis 50 Jahren prognostiziert. Hagbergs Untersuchungen in Skandinavien ergaben, dass die meisten Frauen in einem Alter von ca. 35 Jahren starben. Häufig trat ein plötzlicher Tod nach Operationen ein (vgl. Hagberg 1993, 18). Die älteste Frau mit Rett-Syndrom in Skandinavien wurde 68 Jahre alt. Es muss davon ausgegangen werden, dass sich in vielen Einrichtungen Frauen mit Behinderungen unbekannter Genese befinden, die das Rett-Syndrom haben könnten, aber nicht mit diesem Syndrom diagnostiziert sind. Jacobsen et al. beschreibt in einer Fallstudie den Alterungsprozess bei einer Frau mit Rett-Syndrom, die mit 60 Jahren verstarb. Die Frau wurde erst im Alter von 52 Jahren mit dem Syndrom diagnostiziert (vgl. Jacobsen et al. 2001, 160). Bei zukünftigen Diagnosestellungen sollte unseres Erachtens nicht vergessen werden, dass es darum gehen muss, den Mädchen und Frauen eine selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und ein Altern in Würde zu ermöglichen. 1.3 Abgrenzung des Rett-Syndroms vom frühkindlichen Autismus und vom Angelman-Syndrom Das Rett-Syndrom wird in der Regel diagnostiziert, wenn die Mädchen sich im zweiten Entwicklungsstadium (vgl. Kap. 1.2) befinden. Diese Phase ist allgemein durch den inneren Rückzug gekennzeichnet. Wie lassen sich das Rett-Syndrom und der frühkindliche Autismus zu diesem Zeitpunkt unterscheiden? Dazu schreibt Sarimski: www.foepaed.net 20

„Ähnlichkeiten zwischen beiden Syndromen bestehen in den Stereotypien (Körperschaukeln), der Störung der kommunikativen Entwicklung und geringe Aufmerksamkeitsspanne. Autistische Kinder behalten jedoch ihre motorischen Fähigkeiten bei Verlust der Sprache und der interaktiven Kompetenzen“ (Sarimski 1997, 256). Samantha (3,0 Jahre), eines der Mädchen, das wir am DEAL Communication Centre kennen gelernt haben (vgl. Kap. 6.1; Anlage Nr. 2), hatte einen sehr aufmerksamen Ausdruck und suchte den Augenkontakt mit ihr vertrauten Personen. Eine Beobachtung, die sich auch bei allen anderen Klientinnen mit Rett- Syndrom am DEAL Communication Centre bestätigte. Dazu schreibt Lindberg: „Die Mädchen haben, anders als autistische Kinder, auch einen guten Augenkontakt. Manchmal können sie ihr Desinteresse durch Vermeidung des Augenkontakts demonstrieren. Es kann auch sein, dass sie sich an eine unbekannte Person erst durch kurze schnelle Blicke annähern müssen, aber wenn sie sich erst einmal angefreundet haben und der Kontakt hergestellt ist, blicken sie fest und ausdauernd in die Augen des anderen“ (Lindberg 2000, 57). Auf die Bedeutung des Blickkontaktes wird in den weiteren Kapiteln dieser Arbeit noch genauer eingegangen werden (vgl. Kap. 4.2.3). Am Ende dieses Abschnitts befindet sich eine Tabelle (T.2; S. 22), die eine genaue Merkmalsunterscheidung von Rett-Syndrom und frühkindlichem Autismus vornimmt. Das Angelman-Syndrom, das einen zweifelhaften Bekanntheitsgrad durch den diskriminierenden Namen ‘Happy-Puppet-Syndrome’ (dt.: Fröhliche Puppen) erlangte, wurde 1965 zum ersten Mal von Harry Angelman beschrieben. Ursache dieses Syndroms ist eine Deletion am Chromosom Nr. 15. Steinhausen beschreibt die Kinder wie folgt: „Nach ungestörtem Schwangerschaftsverlauf werden die Kinder im allgemeinen normal geboren. Im Säuglingsalter fällt eine verzögerte statomotorische Entwicklung auf, auch sind verschiedene andere Symptome entsprechend deutlich, so daß die Diagnose meist zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr zu stellen ist“ (Neuhäuser/Steinhausen 1999, 148). Die Bewegungen von Kindern mit Angelman-Syndrom bleiben auch im fortschreitenden Alter steif und ungelenk. Diese Entwicklung ist ebenfalls www.foepaed.net 21

Die Ursachen der sprachlichen Beeinträchtigung werden in Kapitel 4.1.4 <strong>und</strong> 4.2.5<br />

noch diskutiert.<br />

Das vierte Stadium beginnt in der Regel nach dem 10. Lebensjahr, <strong>bei</strong> einigen<br />

Mädchen aber auch erst gegen Ende der Pubertät. Die Mädchen bleiben im<br />

Körperwachstum zurück. Skoliose, die Steifheit der Gelenke <strong>und</strong> die zunehmende<br />

Apraxie hindern die Mädchen daran, mobil zu sein. Einige können selbstständig<br />

laufen, andere nur noch mit Unterstützung <strong>und</strong> einige sind auf den Rollstuhl<br />

angewiesen. Der körperliche Gesamtzustand verschlechtert sich <strong>und</strong> auch die Mimik<br />

wird zunehmend starr <strong>und</strong> ausdrucksarm (vgl. Dobslaff 1999, 25).<br />

Die Lebenserwartung der Mädchen <strong>und</strong> Frauen wird in der Literatur oftmals mit 40<br />

bis 50 Jahren prognostiziert. Hagbergs Untersuchungen in Skandinavien ergaben,<br />

dass die meisten Frauen in einem Alter von ca. 35 Jahren starben. Häufig trat ein<br />

plötzlicher Tod nach Operationen ein (vgl. Hagberg 1993, 18). Die älteste Frau mit<br />

<strong>Rett</strong>-Syndrom in Skandinavien wurde 68 Jahre alt. Es muss davon ausgegangen<br />

werden, dass sich in vielen Einrichtungen Frauen mit Behinderungen unbekannter<br />

Genese befinden, die das <strong>Rett</strong>-Syndrom haben könnten, aber nicht mit diesem<br />

Syndrom diagnostiziert sind. Jacobsen et al. beschreibt in einer Fallstudie den<br />

Alterungsprozess <strong>bei</strong> einer Frau mit <strong>Rett</strong>-Syndrom, die mit 60 Jahren verstarb. Die<br />

Frau wurde erst im Alter von 52 Jahren mit dem Syndrom diagnostiziert (vgl.<br />

Jacobsen et al. 2001, 160).<br />

Bei zukünftigen Diagnosestellungen sollte unseres Erachtens nicht vergessen<br />

werden, dass es darum gehen muss, den Mädchen <strong>und</strong> Frauen eine selbstbestimmte<br />

Teilhabe am gesellschaftlichen Leben <strong>und</strong> ein Altern in Würde zu ermöglichen.<br />

1.3 Abgrenzung des <strong>Rett</strong>-Syndroms vom frühkindlichen Autismus <strong>und</strong><br />

vom Angelman-Syndrom<br />

Das <strong>Rett</strong>-Syndrom wird in der Regel diagnostiziert, wenn die Mädchen sich im<br />

zweiten Entwicklungsstadium (vgl. Kap. 1.2) befinden. Diese Phase ist allgemein<br />

durch den inneren Rückzug gekennzeich<strong>net</strong>. Wie lassen sich das <strong>Rett</strong>-Syndrom <strong>und</strong><br />

der frühkindliche Autismus zu diesem Zeitpunkt unterscheiden? Dazu schreibt<br />

Sarimski:<br />

www.foepaed.<strong>net</strong> 20

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