Universität Hamburg - hannahdenker.de
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<strong>Universität</strong> <strong>Hamburg</strong><br />
Fachbereich: Klinische Psychologie<br />
Seminarleiter: Professor Berbalk<br />
Praxishalbjahr in <strong>de</strong>r Klinik Roseneck<br />
vorgelegt von:<br />
Hannah Uhle<br />
Wentorfer Straße 63<br />
21029 <strong>Hamburg</strong><br />
Tel. 040-72541592<br />
Email: Hannah-Uhle@gmx.<strong>de</strong>
Inhaltsverzeichnis<br />
1) Einleitung.............................................................................................................................<br />
3<br />
2) „Hallo, ich heiße Klinik Roseneck“ ..................................................................................... 3<br />
2.2 Behandlungsschwerpunkte.......................................................................................................3<br />
2.3 Patienten auf <strong>de</strong>r Station B1......................................................................................................4<br />
3) Behandlungsangebot und mein persönlicher Einsatzbereich.............................................<br />
4<br />
3.1 Einzelpsychotherapie................................................................................................................5<br />
3.2 Gruppenpsychotherapie............................................................................................................6<br />
3.3 Medizinische Behandlung.......................................................................................................34<br />
3.4 Sport- und Bewegungstherapie..............................................................................................35<br />
3.5 Gestaltungstherapie.................................................................................................................36<br />
3.6 Meine I<strong>de</strong>e: Kreatives Schreiben............................................................................................37<br />
3.7 Physikalische Therapie und Biofeedback..............................................................................38<br />
4) Therapeutische Behandlung von Essstörungen.................................................................<br />
38<br />
4.1 Essprotokolltisch, Gemeinschaftstisch und Familientisch.....................................................39<br />
4.2 Tischgruppen............................................................................................................................39<br />
4.3 Anti-Diät-Konzept....................................................................................................................41<br />
4.4 Behandlung <strong>de</strong>r Körperschemastörung („body-image“).......................................................45<br />
4.5 Zimmerkontrollen....................................................................................................................46<br />
5) Das therapeutische Team....................................................................................................<br />
47<br />
5.1 Teamsitzungen..........................................................................................................................47<br />
5.2 Visite und Kurvenvisite............................................................................................................47<br />
5.3 Supervisionen............................................................................................................................48<br />
5.4 Co-Therapie und ihre Aufgaben.............................................................................................49<br />
6) Konferenzen, Fortbildungen und Kongresse.....................................................................<br />
50<br />
7) Schlussbemerkungen..........................................................................................................<br />
51<br />
2
1) Einleitung<br />
Im Folgen<strong>de</strong>n möchte ich meine sechsmonatige Praktikumstätigkeit in <strong>de</strong>r Klinik<br />
Roseneck in Prien am Chiemsee vorstellen. Ich stelle die Klinik mit ihrem<br />
verhaltenstherapeutischen Behandlungskonzept und ihren Angebote einzeln dar. Dabei<br />
gehe ich bei <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>r einzelnen therapeutischen Angebote auf meine Rolle als<br />
Praktikantin ein und beschreibe meine Tätigkeit. Ich habe mich übersichtshalber dazu<br />
entschlossen, dies in die Arbeitsbeschreibungen zu integrieren. Da meine Abteilung<br />
während meines Praktikums von einer Allgemeinen Station in eine Essstörungsabteilung<br />
umgewan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>, beschreibe ich zuerst die Allgemeinstation (vom 1. September bis<br />
20. November) und in einem geson<strong>de</strong>rten Kapitel die therapeutischen Angebote, die<br />
speziell für Essstörungen angeboten wer<strong>de</strong>n (vom 20. November bis 29. Februar). Um die<br />
Lesefreundlichkeit <strong>de</strong>s Textes zu erhöhen, habe ich mich entschlossen, immer die<br />
männliche Form zu wählen, auch wenn es sich bei <strong>de</strong>n Essstörungspatienten nur um<br />
Frauen gehan<strong>de</strong>lt hat.<br />
2) „Hallo, ich heiße Klinik Roseneck“<br />
Die Medizinisch-psychosomatische Klinik Roseneck bietet Behandlungsplätze für 352<br />
Patienten. Sie besteht aus drei Gebäu<strong>de</strong>teilen: Haus C, das älteste <strong>de</strong>r Gebäu<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r<br />
Hauptrezeption, Haus A, das durch einen Gang mit <strong>de</strong>m Haus C verbun<strong>de</strong>n ist und Haus B,<br />
welches auf <strong>de</strong>r gegenüberliegen<strong>de</strong>n Straßenseite liegt und drei Abteilungen integriert. Im<br />
Haus B habe ich die meiste Zeit gearbeitet. Auf <strong>de</strong>r Station B1.<br />
2.1 Das Behandlungskonzept <strong>de</strong>r Klinik<br />
Das Behandlungskonzept <strong>de</strong>r Klinik Roseneck basiert auf <strong>de</strong>n Behandlungsmetho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Verhaltensmedizin. Dies umfasst mehrere Säulen, v.a. fundierter psychotherapeutischer<br />
Verfahren. Ausgehend von <strong>de</strong>m Vulnerabilitäts-Stress-Mo<strong>de</strong>ll wer<strong>de</strong>n hierbei sowohl<br />
medizinisch-biologische als auch psychosoziale Faktoren <strong>de</strong>r Erkrankung gleichermaßen<br />
berücksichtigt. Dieser Ansatz zielt hauptsächlich auf eine konkrete und pragmatische<br />
Verän<strong>de</strong>rung im Hier und Jetzt ab. Ziele und Vorgehen wer<strong>de</strong>n von Therapeuten und<br />
Patienten i<strong>de</strong>alerweise gemeinsam festgelegt, doch natürlich herrscht auch hier nicht immer<br />
Einigkeit.<br />
2.2 Behandlungsschwerpunkte<br />
Die Klinik hat einen psycho-somatischen Ansatz, d.h. es wird davon ausgegangen, dass sich<br />
Psyche und Körper gegenseitig beeinflussen. Chronische Schmerzen o<strong>de</strong>r Herzbeschwer<strong>de</strong>n<br />
können über eine Bearbeitung <strong>de</strong>r damit einhergehen<strong>de</strong>n seelischen Schwierigkeiten<br />
beeinflusst wer<strong>de</strong>n.<br />
Folgen<strong>de</strong> Behandlungsschwerpunkte wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Klinik Roseneck angeboten:<br />
3
� Essstörungen: Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, psychisch bedingtes Übergewicht<br />
� Chronischer Tinnitus<br />
� Angsterkrankungen: Panikstörung, generalisierte Angststörung, soziale Ängste,<br />
phobische Störungen<br />
� Zwangserkrankungen<br />
� Somatoforme Störungen: Konversionsstörungen, Hypochondrie<br />
� Depressionen<br />
� Chronische Schmerzerkrankungen: Kopfschmerz, Rückenschmerz, Migräne<br />
� Psychosomatische Erkrankungen <strong>de</strong>s Magen-Darm-Traktes: Reizdarmsyndrom,<br />
Morbus Crohn, Colitis ulcerosa<br />
� Psychosomatische Hauterkrankungen: Neuro<strong>de</strong>rmitis, Psoriasis<br />
� Persönlichkeitsstörungen<br />
� Schlafstörungen<br />
� Posttraumatische Störungen<br />
� Belastungsreaktionen<br />
2.3 Patienten auf <strong>de</strong>r Station B1<br />
Zu Beginn meines Praktikums war die Station B1 noch eine Allgemeinstation, d.h. hier waren<br />
vorwiegend Patienten mit Depressionen, aber auch mit Posttraumatischen<br />
Belastungsstörungen, Angststörungen, Somatoformen Störungen und Zwangserkrankungen.<br />
Die Patienten hatten alle gemeinsam, dass sie ein starkes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und<br />
Zuwendung hatten. (Aber haben wir das nicht alle?). Außer<strong>de</strong>m zeichneten sie sich durch eine<br />
heterogene Mischung bezüglich Geschlecht, Alter und Erfahrungsgeschichte aus.<br />
Gegen En<strong>de</strong> November bekamen wir dann Essstörungspatienten, weshalb die wenigen<br />
Männerzimmer aufgelöst wer<strong>de</strong>n mussten. Die Station wur<strong>de</strong> damit auch homogener. Es<br />
han<strong>de</strong>lte sich vorwiegend um junge Frauen im Alter von ca. 18 bis 28 Jahren. Wir hatten<br />
sowohl Patienten mit Bulimia nervosa, Anorexia nervosa sowie Essstörungen NNB. Daneben<br />
wur<strong>de</strong>n häufig Persönlichkeitsstörungsdiagnosen vergeben.<br />
3) Behandlungsangebot und mein persönlicher Einsatzbereich<br />
Das Behandlungsprogramm <strong>de</strong>r Klinik Roseneck umfasst ein breites Spektrum<br />
therapeutischer Metho<strong>de</strong>n, allerdings nur evi<strong>de</strong>nzbasierte. Ich wer<strong>de</strong> im Folgen<strong>de</strong>n alle<br />
Bereiche und meine persönlichen Arbeitsfel<strong>de</strong>r im jeweiligen Bereich beschreiben. Es war<br />
lei<strong>de</strong>r nicht möglich, alle Behandlungsangebote zu begleiten.<br />
4
3.1 Einzelpsychotherapie<br />
Bei <strong>de</strong>r Aufnahme wird je<strong>de</strong>m Patienten ein Bezugstherapeut (Arzt o<strong>de</strong>r Diplompsychologe)<br />
zugeteilt. Beim so genannten Aufnahmegespräch durfte ich mehrmals zuhören. Dabei wer<strong>de</strong>n<br />
die Symptome, die zur Wahl eines stationären Aufenthalts geführt haben, abgefragt. Auch die<br />
Therapiemotivation wird erfasst. Hier zeichnen sich bestimmte Patientengruppen (nur<br />
Allgemeinpatienten) bereits darin aus, dass sie einen expliziten o<strong>de</strong>r impliziten Rentenwunsch<br />
haben, was die Therapie massiv beeinträchtigen kann, da es <strong>de</strong>n Patienten nach <strong>de</strong>m<br />
Aufenthalt ja schließlich nicht besser gehen darf. Es zeigt sich außer<strong>de</strong>m häufig ein<br />
ausgeprägt medizinisches Krankheitsmo<strong>de</strong>ll: <strong>de</strong>r Therapeut soll die „Wun<strong>de</strong>rpille“ haben und<br />
<strong>de</strong>n Patienten „heilen“. Außer<strong>de</strong>m wird erwartet, dass etwas mit <strong>de</strong>m Patienten „gemacht<br />
wird“, und die eigene Verantwortung sowie die Möglichkeit seelischer Ursachen für die<br />
Störung muss erst langsam bearbeitet wer<strong>de</strong>n. Trotz dieser Widrigkeiten können viele<br />
Patienten von <strong>de</strong>m Aufenthalt <strong>de</strong>utlich profitieren.<br />
Im Erstgespräch wird entsprechend <strong>de</strong>m Krankheitsbild ein Therapieplan entworfen, d.h. die<br />
verschie<strong>de</strong>nen Indikativgruppen und Sportangebote wer<strong>de</strong>n koordiniert. Mit <strong>de</strong>m<br />
Bezugstherapeuten fin<strong>de</strong>n dann wöchentlich Einzeltherapiesitzungen statt, in <strong>de</strong>nen es um<br />
eine offene Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeitigen psychosomatischen Beschwer<strong>de</strong>n, eine<br />
Analyse von Konflikten und Problemsituationen, die Suche nach konstruktiven Lösungen und<br />
erfolgreichen Bewältigungsstrategien geht.<br />
Hier zeigt sich auch <strong>de</strong>utlich <strong>de</strong>r Selbstmanagement-Ansatz nach Kanfer et al. Anhand <strong>de</strong>s<br />
SORCK-Mo<strong>de</strong>lls wer<strong>de</strong>n die Konsequenzen und aufrechterhalten<strong>de</strong>n Bedingungen analysiert.<br />
Es gab auch einen Patienten, <strong>de</strong>r sich gegen das ständige Suchen nach Lösungsansätzen<br />
massiv gewehrt hat und lieber „einfach nur frei assoziiert“ hätte. Begrenzt wird auch solchen<br />
Wünschen nachgegeben, allerdings geht es in dieser Klinik schon vorwiegend um die Suche<br />
nach Lösungsstrategien. Bei <strong>de</strong>n Essstörungspatienten beschäftigen sich Therapeut und<br />
Patient sehr ausgiebig mit <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r Vorteile <strong>de</strong>r Essstörung. Dabei wer<strong>de</strong>n die Patienten<br />
5
eispielsweise gebeten, einen Brief an die „Freundin Essstörung & Feindin Essstörung“ zu<br />
schreiben, o<strong>de</strong>r es wird ein Vier-Fel<strong>de</strong>r-Schema mit Kurz- und langfristigen Folgen <strong>de</strong>r<br />
Essstörung erstellt. Nach einer <strong>de</strong>taillierten biographischen Anamnese geht es häufig an die<br />
kognitive Umstrukturierung dysfunktionaler Gedanken. Ich konnte nur einmal einer<br />
Einzeltherapie vollständig beiwohnen, da die meisten Patienten dies nicht wollten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
zeitliche Rahmen dies nicht zuließ. Die Patientin hatte abgesehen von <strong>de</strong>r Essstörung auch<br />
eine ausgeprägte PTSD sowie Ansätze einer Bor<strong>de</strong>rline-Persönlichkeitsstörung. Es war<br />
faszinierend ihre Entwicklung im Laufe <strong>de</strong>s Aufenthalts zu beobachten. Zu Beginn nahm sie<br />
zwar alles, was ihr hier erzählt wur<strong>de</strong>, wissbegierig auf, aber es erreichte sie nur kognitiv. Als<br />
dann die Behandlung <strong>de</strong>r PTSD begann kam sie auch an ihr Gefühl. Dabei wur<strong>de</strong>n viele<br />
„leere Stuhl“-Übungen und die Entwicklung eines phantasierten „sicheren Raumes“ gemacht.<br />
In meiner letzten Arbeitswoche durfte ich selbst ein Vertretungseinzel führen. Ich war sehr<br />
aufgeregt. Es han<strong>de</strong>lte sich aber um eine sehr dankbare Patientin. Sie hatte einen Brief an<br />
ihren Vater geschrieben, <strong>de</strong>r die Familie verlassen hatte, als sie noch sehr jung war. Er hatte<br />
geantwortet und sie hatte zum einen ein schlechtes Gewissen gegenüber <strong>de</strong>r Mutter, zum<br />
an<strong>de</strong>ren freute sie sich über seinen lieben Brief. Zunächst machten wir die „leere Stuhl-<br />
Übung“, wo sie die Verantwortung <strong>de</strong>r Mutter zurückgab, dann las sie mir <strong>de</strong>n Brief <strong>de</strong>s<br />
Vaters vor und weinte dabei. Eine Bemerkung <strong>de</strong>s Vaters diskutierten wir genauer und fan<strong>de</strong>n<br />
eines ihrer Lebensmottos („Ich muß immer perfekt sein.“) heraus. Dieser ließ sich sehr gut<br />
kognitiv umstrukturieren.<br />
3.2 Gruppenpsychotherapie<br />
Einen Schwerpunkt stellt in „Roseneck“ die Gruppentherapie dar, die meist von einem Arzt<br />
und einem Diplompsychologen geleitet wird. Hier durfte ich je<strong>de</strong>s Mal teilnehmen. Wenn<br />
eine <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Leiter Urlaub hatte o<strong>de</strong>r wegen zu hohen Arbeitsaufwands nicht an <strong>de</strong>r<br />
Gruppe teilnehmen konnte, dann durfte ich auch die Rolle einer Art Co-Therapeut<br />
übernehmen und habe mich aktiv an <strong>de</strong>n Diskussionen beteiligt.<br />
In <strong>de</strong>n Gruppensitzungen erfolgt gemeinsam mit allen Betroffenen eine Aussprache über die<br />
<strong>de</strong>rzeitigen Probleme und <strong>de</strong>ren Hintergrün<strong>de</strong>. Die Patienten wer<strong>de</strong>n dabei unterstützt, das<br />
eigene Selbstbewusstsein zu stärken und wie<strong>de</strong>r mehr Selbstsicherheit zu erlangen.<br />
Die Gruppen folgen bestimmten Regeln, die bei je<strong>de</strong>m neu angekommen Patient wie<strong>de</strong>rholt<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Regeln lauten:<br />
• Schweigepflicht<br />
• Störungen haben Vorrang<br />
• Es darf gelacht und geweint wer<strong>de</strong>n<br />
• Rausgehen nur mit Abmeldung<br />
• Keine Seitengespräche<br />
• Sprich in <strong>de</strong>r Ich-Form<br />
• Therapeuten sind keine Alleinunterhalter<br />
Wie man unschwer erkennen kann sind in diese Gruppenregeln sowohl pragmatische Ansätze<br />
eingeflochten (keine Seitengespräche) als auch Grundsätze aus <strong>de</strong>r Themenzentrierten<br />
Interaktion (Störungspostulat, Ich-Form). Die Schweigepflicht ist selbstverständlich wichtig,<br />
um Vertrauen in die Gruppe zu ermöglichen und Gruppenkohäsion zu för<strong>de</strong>rn.<br />
6
Zunächst fin<strong>de</strong>t immer ein kurzes „Blitzlicht“ statt, in<strong>de</strong>m die Patienten sagen sollen, wie sie<br />
sich fühlen. Dabei wird viel Wert darauf gelegt, dass sie nicht nur körperliche Symptome<br />
beschreiben o<strong>de</strong>r einfach sagen „gut“ o<strong>de</strong>r „schlecht“. Sie sollen lernen, ihre Gefühle<br />
wahrzunehmen und benennen zu können.<br />
Grundsätzlich sollen die Patienten selbst Themen einbringen. Dabei stellt ein Patient seinen<br />
Konflikt vor und dieser wird dann durch die Erfahrungen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren erweitert. Die<br />
Therapeuten haben eher Lenkungs- und Auffangfunktion. Manchmal wird jedoch auch von<br />
Seiten <strong>de</strong>r Therapeuten ein Thema vorgeschlagen, so zum Beispiel eine „Ent<strong>de</strong>ckungsreise“,<br />
in <strong>de</strong>r die Patienten sich einen Gegenstand aus <strong>de</strong>r Vergangenheit und einen für die Zukunft<br />
suchen sollen. Im Anschluss wer<strong>de</strong>n dann die damit verbun<strong>de</strong>nen Gefühle besprochen. Zu<strong>de</strong>m<br />
wer<strong>de</strong>n zu einem bestimmten Thema Übungen in Form von Rollenspielen gemacht. O<strong>de</strong>r es<br />
wird eine „Familienaufstellung“ nach <strong>de</strong>m Mo<strong>de</strong>ll von Bernd Hellinger angeregt.<br />
Gruppentherapie für soziale Kompetenz (GSK)<br />
Diese Gruppe stellt ein geson<strong>de</strong>rtes Angebot zur Verbesserung von Problemen und Ängsten<br />
im zwischenmenschlichen Bereich dar. Die Patienten erhalten zu <strong>de</strong>m Kurs Begleitmaterial.<br />
Die Patienten sollen lernen, ihr Verhalten besser kennen lernen und in kleinen Schritten<br />
selbstsicheres und sozial kompetentes Verhalten aufzubauen, zu erweitern und zu stärken. Es<br />
ist manualisiert und umfasst folgen<strong>de</strong> Themenschwerpunkte:<br />
• Selbstsicherheit: was ist das?<br />
• Unterschie<strong>de</strong>: Unsicheres, Selbstsicheres und Aggressives Verhalten<br />
• Persönliche Rechte<br />
• Annehmen von Lob<br />
• Wünsche und For<strong>de</strong>rungen<br />
• Nein-sagen<br />
• Was ist Kritik?<br />
• Abschlussrun<strong>de</strong><br />
7
Diesen Kurs durfte ich teilweise eigenverantwortlich übernehmen. Problematisch wur<strong>de</strong> dies<br />
jedoch, als wir einen Patienten mit psychogenen Anfällen bekamen, bei <strong>de</strong>m eine<br />
Krankenschwester in Notfällen sofort erreichbar sein musste.<br />
In <strong>de</strong>r ersten Stun<strong>de</strong> lernen die Patienten, was unter Selbstsicherheit zu verstehen ist.<br />
Grundlage ist die Definition von Ulrich <strong>de</strong> Mynck & Ulrich: „Mit <strong>de</strong>m Begriff<br />
Selbstsicherheit ist die Fähigkeit einer Person gemeint, in Bezug auf ihre soziale Umgebung<br />
eigene Ansprüche zu stellen und sie zu verwirklichen. Die umfasst 3 Schritte:<br />
1. sich zu erlauben, eigene Ansprüche zu haben<br />
2. sich zu trauen, sie zu äußern und<br />
3. die Fähigkeit zu besitzen, sie auch durchzusetzen“<br />
In <strong>de</strong>r ersten Sitzung wer<strong>de</strong>n außer<strong>de</strong>m organisatorische Punkte geklärt und <strong>de</strong>r Unterschied<br />
und die Be<strong>de</strong>utung von verbalem und nonverbalem Verhalten diskutiert.<br />
In <strong>de</strong>r zweiten Stun<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n - zumeist in Form von Gruppenarbeit - die Merkmale von<br />
unsicherem, aggressivem und selbstsicheren Verhalten an Flipcharts erarbeitet. Dabei wird<br />
darauf geachtet, dass sowohl verbale als auch nonverbale Signale beachtet wer<strong>de</strong>n und<br />
zwischen Gedanken und Verhalten unterschie<strong>de</strong>n wird. Im Anschluss wer<strong>de</strong>n die<br />
gesammelten Punkte in <strong>de</strong>r Gruppe besprochen. Dabei kommt es immer wie<strong>de</strong>r vor, dass<br />
selbstsicheres und aggressives Verhalten gleichgesetzt wird. Es ist wichtig, darauf zu achten,<br />
dass sich diese Verhaltensweisen <strong>de</strong>utlich unterschei<strong>de</strong>n. Einmal hatte ich einen sehr<br />
hartnäckigen (und latent aggressiven) Patienten, <strong>de</strong>r sich partout dagegen gewehrt hat, dass<br />
sich diese bei<strong>de</strong>n Arten unterschei<strong>de</strong>n. In solchen Fällen ist es hilfreich, Situationen mit <strong>de</strong>n<br />
Patienten durchzugehen und sie auf die drei verschie<strong>de</strong>nen Arten reagieren zu lassen. Dann<br />
wird sehr <strong>de</strong>utlich, dass man nicht aggressiv wer<strong>de</strong>n muss, um seine Bedürfnisse <strong>de</strong>utlich zu<br />
machen.<br />
In <strong>de</strong>r dritten Stun<strong>de</strong> geht es um das Anerkennen persönlicher Rechte. Hier kann man<br />
entwe<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r in Gruppenarbeit Flipcharts erstellen lassen (was manchmal sehr gut ist,<br />
<strong>de</strong>nn die Patienten, die es sehr nötig haben, sich selbst Rechte zuzugestehen, können diese<br />
dann mitnehmen) o<strong>de</strong>r in Form von Diskussionen entwickeln lassen. Auch möglich ist eine<br />
kurze Phantasiereise, in <strong>de</strong>r die Patienten sich vorstellen müssen, was passieren wür<strong>de</strong>, wenn<br />
sie das Recht nicht haben o<strong>de</strong>r wenn sie es haben. Hierbei wird von Patienten gerne das<br />
„Recht auf Liebe“ genannt. Es fällt ihnen oft nicht leicht einzusehen, dass man dieses Recht<br />
nicht einfor<strong>de</strong>rn kann, und es somit kein persönliches Recht ist. Als Abschluss haben die<br />
Patienten dann die Chance, einmal ihr persönliches Recht laut und <strong>de</strong>utlich vor je<strong>de</strong>m<br />
Gruppenmitglied auszusprechen. Diese Übung ist für viele eine sehr wertvolle Erfahrung, es<br />
kommt häufig zu Tränen <strong>de</strong>r Ergriffenheit.<br />
In <strong>de</strong>r vierten Stun<strong>de</strong> geht es thematisch um Lob. Dabei wer<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>m „Blitzlicht“ die<br />
persönlichen Erfahrungen ausgetauscht. Vielen Patienten fällt es sehr leicht, Lob zu erteilen.<br />
Schwierigkeiten haben sie jedoch häufig damit, Lob anzunehmen. In dieser Sitzung gibt es<br />
einen so genannten „Heißen Stuhl“. Ein Patient setzt sich auf <strong>de</strong>n Stuhl und die an<strong>de</strong>ren<br />
dürfen ihn o<strong>de</strong>r sie loben. Der Patient auf <strong>de</strong>m „Heißen-Stuhl“ darf lediglich: „Danke“ sagen<br />
und nicht abwehren o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rsprechen. Diese Sitzung wird manchmal auch auf einen<br />
späteren Termin verlegt, wenn sich die Patienten noch nicht gut genug kennen. Auf diese<br />
Übungen kommt es zu sehr unterschiedlichen Reaktionen: einige weinen, an<strong>de</strong>re<br />
verschränken die Arme und behaupten sie hätten „kein Problem“ Lob anzunehmen, wie<strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>re sind einfach nur gerührt. Auch diese Stun<strong>de</strong> ist immer sehr intensiv.<br />
8
In <strong>de</strong>r fünften Stun<strong>de</strong> geht es um Wünsche und For<strong>de</strong>rungen. Viele Patienten haben verlernt,<br />
sich eigene Wünsche zuzugestehen. Es wird zunächst theoretisch erarbeitet, wie Wünsche<br />
formuliert wer<strong>de</strong>n sollten:<br />
• direkt ansprechen, nicht allgemein<br />
• positiv formulieren<br />
• sachlich argumentieren<br />
Nach <strong>de</strong>r Theorie kommt die Praxis. Häufig ist es so, dass <strong>de</strong>n Patienten zunächst keine<br />
eigenen Wünsche einfallen. Wenn dies <strong>de</strong>r Fall ist, dann ist es sinnvoll, zunächst Beispiele<br />
vorzugeben. Erfahrungsgemäß fallen <strong>de</strong>n Patienten dann nach und nach eigene Wünsche<br />
wie<strong>de</strong>r ein, die dann im Rollenspiel erprobt wer<strong>de</strong>n können. Etwas erstaunt war ich über die<br />
Art, wie Rollenspiele in <strong>de</strong>r Klinik strukturiert wer<strong>de</strong>n. In einem Uni-Seminar zu diesem<br />
Thema hatte ich gelernt, dass die Leute in die Rolle hineintreten müssen und wie<strong>de</strong>r hinaus,<br />
um <strong>de</strong>n „Spielcharakter“ <strong>de</strong>utlich zu machen und eine gewisse Distanz zu <strong>de</strong>r Rolle<br />
beizubehalten. Ich hatte auch gelernt, dass <strong>de</strong>r Aufbau <strong>de</strong>r Situation, d.h. die Umgebung sehr<br />
wichtig sei. In <strong>de</strong>r Klinik Roseneck wur<strong>de</strong> we<strong>de</strong>r das eine noch das an<strong>de</strong>re beson<strong>de</strong>rs<br />
beachtet, son<strong>de</strong>rn einfach losgespielt. Ich glaube, dass ich dies in meiner späteren<br />
Berufspraxis etwas an<strong>de</strong>rs handhaben wer<strong>de</strong>.<br />
In <strong>de</strong>r sechsten Stun<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n weitere Rollenspiele geübt. Diesmal allerdings zum Thema<br />
„Nein-sagen“. Dabei bekommen die Patienten zunächst folgen<strong>de</strong>s Gedicht:<br />
Das „Nein“, das ich sagen will,<br />
ist 100-mal überlegt<br />
ist 1000-mal gedacht<br />
ist 1000-mal geformt<br />
es brennt mir im Magen<br />
es nimmt mir <strong>de</strong>n Atem<br />
wird zwischen <strong>de</strong>n Zähnen zermalen<br />
und verlässt als freundliches<br />
„Ja“<br />
meinen Mund!<br />
9
Wenn dieses Gedicht vorgelesen wird, dann nicken viele Patienten wissend. Viele von ihnen<br />
machen diese Erfahrung immer wie<strong>de</strong>r. In dieser Stun<strong>de</strong>, die oft noch in <strong>de</strong>r nächsten<br />
fortgesetzt wird, sollen sie nun lernen, die langfristigen Konsequenzen eines solchen<br />
Verhaltens zu begreifen. Bevor sie dies in Rollenspielen üben, wer<strong>de</strong>n ihnen auch hier die<br />
Regeln erklärt:<br />
• klare Botschaft (Nein mit kurzer Begründung)<br />
• keine Ausre<strong>de</strong>n<br />
• keine o<strong>de</strong>r kurze Diskussion<br />
• „Schallplatte mit Sprung“<br />
• bei Nichtakzeptieren <strong>de</strong>s „Neins“ <strong>de</strong>n Ärger äußern<br />
In <strong>de</strong>r siebten Stun<strong>de</strong> geht es um Kritik. Dabei wer<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r Erfahrungen und <strong>de</strong>r bisherige<br />
Umgang besprochen. Im theoretischen Teil wird <strong>de</strong>utlich gemacht, dass Kritik nicht heißt,<br />
dass man die Person nicht mag und dass man, wenn man Kritik äußern will, wie<strong>de</strong>rum<br />
bestimmte Regeln und Formen wahren muss. Außer<strong>de</strong>m wird ergänzend <strong>de</strong>r eigene Umgang<br />
mit Kritik besprochen. Rollenspiele gibt es aber nur zum Äußern von Kritik. Die Regeln zum<br />
Äußern von Kritik wer<strong>de</strong>n dann präsentiert:<br />
• Ich-Botschaften<br />
• Konkret<br />
• Beschreibend<br />
• Ausgelöste Gefühle sagen<br />
In <strong>de</strong>r achten Stun<strong>de</strong> wird über Reste o<strong>de</strong>r weitere thematische Wünsche <strong>de</strong>r Patienten<br />
diskutiert und letzte Rollenübungen gemacht. Oft möchte ein Patient auch noch mal sein<br />
persönliches Recht aussprechen.<br />
Indikativgruppen<br />
In <strong>de</strong>r Klinik Roseneck wur<strong>de</strong>n spezielle, störungsspezifische Gruppentherapieangebote<br />
entwickelt.<br />
Die erste Gruppe, die ich besuchen durfte, war die so genannte<br />
Depressionsbewältigungsgruppe, kurz DBT genannt. Die DBT dient dazu, eigene<br />
Möglichkeiten zum Umgang mit <strong>de</strong>pressiven Stimmungseinbrüchen sowie zur langfristigen<br />
Bewältigung <strong>de</strong>r Depression zu erarbeiten. Es glie<strong>de</strong>rt sich auf in einen verhaltensbezogenen<br />
Teil, <strong>de</strong>r die ersten vier Sitzungen umfasst, und einen kognitiven Teil, <strong>de</strong>r die letzten vier<br />
Sitzungen einnimmt.<br />
Der Leiter <strong>de</strong>s Kurses, <strong>de</strong>n ich besuchte, begann je<strong>de</strong> Sitzung mit einer kleinen aktivieren<strong>de</strong>n<br />
Maßnahme wie beispielsweise kurzen Kennlernspielen o<strong>de</strong>r Umherlaufen und die an<strong>de</strong>ren<br />
Grüßen. Es zeigte sich, dass dies sehr gut war, um die Patienten etwas mehr zu motivieren.<br />
(Ich habe im Gespräch mit an<strong>de</strong>ren Praktikanten gehört, dass dies nicht immer geschieht.)<br />
Die erste Sitzung bestand aus organisatorischem und psychoedukativer<br />
Informationsvermittlung über die Ursachen von Depressionen. Diese wur<strong>de</strong>n in biologische<br />
Faktoren und psychologische Faktoren unterteilt. Das so genannte Depressionsdreieck wur<strong>de</strong><br />
10
dargestellt:<br />
Denken<br />
Fühlen<br />
Han<strong>de</strong>ln<br />
Dabei wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Patienten <strong>de</strong>utlich gemacht, dass man an <strong>de</strong>m Fühlen direkt nichts än<strong>de</strong>rn<br />
kann, aber an <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Punkten. Es wur<strong>de</strong> eine Spirale nach unten beschrieben:<br />
traurige Gefühl-Rückzug-Fehlen-positiver Erlebnisse, noch mehr Traurigkeit. Die Patienten<br />
sollten selbst auslösen<strong>de</strong> Ereignisse und ihren bisherigen Umgang damit beschreiben.<br />
Die zweite Sitzung befasste sich mit <strong>de</strong>r Einführung in <strong>de</strong>n Themenbereich „Ziele“. Dabei<br />
wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Patienten erklärt, dass es wichtig ist, sich konkrete Ziele zu setzen, also<br />
beispielsweise zweimal die Woche schwimmen zu gehen, sich die großen Ziele in Teilziele zu<br />
zerlegen, beispielsweise: Selbstsicherheit in das Teilziel; nein-sagen, wenn ich das möchte.<br />
Außer<strong>de</strong>m sollten die Ziele erreichbar sein, also nicht so etwas wie: „Ich darf keine Fehler<br />
machen“. Anhand von Arbeitsblättern sollten die Patienten dann „allgemeine und konkrete<br />
Ziele“ erarbeiten. Diese sollten sie als Hausaufgabe vervollständigen. Dann wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r<br />
klassischen „Wun<strong>de</strong>rfrage“ gearbeitet: „Angenommen, es wür<strong>de</strong> eines nachts, während Sie<br />
schlafen, ein Wun<strong>de</strong>r geschehen, und Ihre Depression wäre verschwun<strong>de</strong>n. Wie wür<strong>de</strong>n Sie<br />
das merken? Was wäre an<strong>de</strong>rs? Wie wür<strong>de</strong>n die an<strong>de</strong>ren davon erfahren, ohne dass Sie ein<br />
Wort darüber sagen?“ Die Ergebnisse wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Gruppe besprochen.<br />
Dann wur<strong>de</strong>n Patientenbeispiele zu allgemeinen und konkreten Zielen erarbeitet. Dabei trat in<br />
<strong>de</strong>r Gruppe Unmut über eine Teilnehmerin auf, die sich in endlosem entwe<strong>de</strong>r-o<strong>de</strong>r verlor.<br />
Als <strong>de</strong>r Leiter ihr sagte, das müsse sie wohl in <strong>de</strong>r Einzeltherapie noch mal besprechen, war<br />
die Teilnehmerin beleidigt. Sie verlangte später noch ein persönliches Gespräch, fühlte sich<br />
missachtet und benachteiligt. Sie verstand die nun unterschwellig vorhan<strong>de</strong>ne Ablehnung ihr<br />
gegenüber überhaupt nicht. Meiner Ansicht nach hätte man an dieser Stelle vom Manual<br />
abweichen müssen und – frei nach Ruth Cohn - <strong>de</strong>r Störung <strong>de</strong>n Vorrang geben müssen. Dies<br />
ist nicht geschehen. Hier zeigt sich ein Nachteil von streng manualisierten Kursen. Es wur<strong>de</strong><br />
unterschie<strong>de</strong>n zwischen hedonistischen Zielen und aufgaben- und problemzentrierten Zielen.<br />
Die meisten angeführten Beispiele aus <strong>de</strong>n Patientenreihen waren hedonistische Ziele, ganz<br />
so, als trauten sie sich nicht an ihre Probleme heran.<br />
Auch in <strong>de</strong>r dritten Sitzung ging es um die Erarbeitung konkreter Ziele und Teilziele für je<strong>de</strong>n<br />
Patienten.<br />
11
Patientenbeispiel:<br />
Hedonistisches Ziel: „Ich möchte Freu<strong>de</strong> am Leben und am Beruf haben.“<br />
Teilziele, die <strong>de</strong>m Patienten helfen, das Therapieziel zu erreichen:<br />
• Ich treibe 2 pro Woche Sport.<br />
• Ich wer<strong>de</strong> alte Freun<strong>de</strong> treffen und neue Freundschaften weiter aktivieren.<br />
• Ich wer<strong>de</strong> mich aktiv um eine Wohnung kümmern.<br />
• Ich wer<strong>de</strong> regelmäßig Entspannungsübungen machen.<br />
• Ich wer<strong>de</strong> mich über berufliche Möglichkeiten erkundigen.<br />
Die Hausaufgabe bestand nun darin, von <strong>de</strong>r Liste mit Teilzielen in <strong>de</strong>r Klinik schon einiges<br />
umzusetzen.<br />
In <strong>de</strong>r vierten Sitzung wur<strong>de</strong>n die Erfahrungen mit <strong>de</strong>n positiven Aktivitäten ausgetauscht.<br />
Die Patienten sollten das Spiralmo<strong>de</strong>ll an <strong>de</strong>n eigenen Erfahrungen validieren.<br />
Im Anschluss daran ging es um <strong>de</strong>n Umgang mit Erfolg. Die Patienten sollten beschreiben<br />
wie sie auf erste Erfolge reagierten. Dabei wur<strong>de</strong>n die Antworten unterteilt in<br />
Erfolgsver<strong>de</strong>rber und Erfolgsverstärker:<br />
� Erfolgsver<strong>de</strong>rber:<br />
• An<strong>de</strong>re schaffen mehr als ich!<br />
• Ich hätte das noch besser machen können!<br />
• Wie soll das weitergehen – es geht ja doch nicht gut!<br />
• Wahrscheinlich war das nur Zufall!<br />
• Ich bin viel zu blö<strong>de</strong>!<br />
• Die an<strong>de</strong>ren können das besser! Etc.<br />
☺Erfolgsverstärker:<br />
• Ich habe insbeson<strong>de</strong>re für meine Generation viel erreicht!<br />
• Toll, dass ich das geschafft habe!<br />
• Du hast dich doch getraut und das war gut!<br />
• Ich bin doch stärker als ich dachte!<br />
• Ich kann auch an<strong>de</strong>rs und das ist gut!<br />
• Auf mich kann man sich verlassen!<br />
• Die Anstrengung hat sich gelohnt!<br />
• Ich bin eine Powerfrau!<br />
• An<strong>de</strong>re hätten das nicht so gut gemacht! Etc.<br />
Des Weiteren wur<strong>de</strong> in dieser Stun<strong>de</strong> ein so genannter „Notfallkoffer“ zusammengestellt. Die<br />
Patienten sollten eine Liste erstellen, die ihnen in Krisensituationen hilft. Es ging vor allem<br />
darum, diese Liste für sich selbst zu vervollständigen und so konkret wie möglich zu<br />
gestalten, d.h. möglichst schon die Nummer <strong>de</strong>r Telefonseelsorge daneben schreiben o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
besten Freund vorwarnen, dass er im Notfall angerufen wird.<br />
Ab <strong>de</strong>r fünften Sitzung ging es um <strong>de</strong>n kognitiven Teil. Die Patienten wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Bereich<br />
<strong>de</strong>r automatischen Gedanken eingeführt. Es wur<strong>de</strong> ihnen erklärt, dass Depressive dazu neigen<br />
12
sehr viele negative Gedanken zu haben und diese oft nicht einmal mehr wahrnehmen wür<strong>de</strong>n.<br />
Um eine Verän<strong>de</strong>rung zu erreichen, sei es <strong>de</strong>shalb zunächst sehr wichtig, negative<br />
„automatische Gedanken“ zu erkennen. Am Flipchart wur<strong>de</strong>n zu diesem Zweck Situationen,<br />
Gedanken und Gefühle aufgeschrieben wie bei folgen<strong>de</strong>m Patientenbeispiel:<br />
Situation: Im Büro bleibt Arbeit liegen.<br />
Automatische Gedanken: Ich schaffe es nicht, ich bin unfähig.<br />
Gefühl: Nie<strong>de</strong>rgeschlagenheit, Trauer, Anspannung, Angst<br />
Dann wur<strong>de</strong> das Arbeitsblatt „Welche Gedanken führen zu welchen Gefühlen“ gemeinsam<br />
bearbeitet. Es stellt zwei Situationen dar. Die dazugehörigen Gedanken sind ausgelassen und<br />
die Gefühle wie<strong>de</strong>rum beschrieben: einmal eine Trauerreaktion und einmal eine entspannte<br />
Reaktion. Die Patienten sollen herausfin<strong>de</strong>n, welche Gedanken <strong>de</strong>r Reaktion vorausgegangen<br />
sind.<br />
Die Hausaufgabe für diese Stun<strong>de</strong> bestand nun darin, das Arbeitsblatt „Erkennen<br />
automatischer Gedanken“ auszufüllen, das nach <strong>de</strong>m oben gezeigten Schema aufgebaut ist.<br />
Die sechste Sitzung folgte <strong>de</strong>mselben Muster wie die fünfte. Es ging um die erarbeiteten<br />
Beispiele, die von <strong>de</strong>n Patienten in Heimarbeit erstellt wur<strong>de</strong>n. Allerdings wur<strong>de</strong> das obige<br />
Schema nun erweitert. Jetzt wur<strong>de</strong> ein konkreter dysfunktionaler Gedanke herausgegriffen<br />
und disputiert wie in folgen<strong>de</strong>m Patientenbeispiel:<br />
Situation: Gruppe nimmt mich nicht zum Ausflug mit.<br />
Gedanke: Ich bin nicht lustig genug.<br />
Subjektive Überzeugung: 70%<br />
Gefühle: Enttäuschung, Traurigkeit, Verletzung<br />
Argumente dafür:<br />
• Nehmen mich nicht mit.<br />
• Mir fehlt die „Leichtigkeit <strong>de</strong>s Seins.“<br />
• Ich kann selten von Herzen lachen.<br />
Argumente dagegen:<br />
• Ich kann witzig sein.<br />
• Ich habe Humor.<br />
• An<strong>de</strong>re verstehen meinen Humor nicht.<br />
• An<strong>de</strong>re können nicht immer folgen.<br />
• Man braucht nicht über je<strong>de</strong>n „Mist“ zu lachen.<br />
• Platter Humor ist nicht mein Ding.<br />
• Ich kann auch über mich selbst lachen.<br />
• Es gibt unterschiedliche Arten von Humor.<br />
• Unter „Lachzwang“ klappt es nicht.<br />
• Häufig ist mir einfach nicht zum Lachen.<br />
13
Alternativer Gedanke:<br />
• Ich habe meinen eigenen Humor.<br />
• Ich habe an<strong>de</strong>re Stärken.<br />
Glaube an alten Gedanken: 50%<br />
Nach vielen weiteren Patientenbeispielen, die in dieser Art erfolgten, wur<strong>de</strong> das<br />
Informationsblatt für Patienten gemeinsam gelesen. Darin geht es um Hilfsfragen zur<br />
Überprüfung dysfunktionaler Gedanken: z.B. Welche Beweise gibt es? Was wür<strong>de</strong> ich einem<br />
guten Freund in dieser Situation raten? Kann ich ein an<strong>de</strong>res Verhalten ausprobieren? Als<br />
Hausaufgabe sollten die Patienten weitere automatische Gedanken nach <strong>de</strong>m erweiterten<br />
Schema disputieren.<br />
Die siebte Sitzung war eigentlich eine Wie<strong>de</strong>rholung <strong>de</strong>r sechsten. Es ging darum, die<br />
kognitive Überprüfung spezifischer Gedanken weiter einzuüben. Es fiel <strong>de</strong>n Patienten<br />
zusehends schwerer, sich zu konzentrieren. Einige hatten Schwierigkeiten, das Schema zu<br />
verstehen, wie<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren hätte ein Beispiel gereicht. Die Patienten meuterten in dieser<br />
Sitzung leicht und verlangten nach einer Stun<strong>de</strong> eine 10 Minuten-Pause. Als Hausaufgabe<br />
sollten sie weitere Gedanken überprüfen und das Informationsblatt „Einige Einstellungen und<br />
Annahmen, die ihr Leben ruinieren können“ durchlesen. Sie sollten sich einige Annahmen<br />
heraussuchen, die sie selbst hatten. Dies sollte eine Vorübung sein zum Thema in <strong>de</strong>r<br />
nächsten Sitzung, wo es um übergeordnete Gedanken gehen sollte. Auf <strong>de</strong>m Informationsblatt<br />
waren Sätze zu fin<strong>de</strong>n wie: „Wenn ich nicht alles perfekt mache, bin ich ein Versager.“ O<strong>de</strong>r<br />
„Ich muss unbedingt von allen Menschen, die mir etwas be<strong>de</strong>uten, geliebt und akzeptiert<br />
wer<strong>de</strong>n.“<br />
In <strong>de</strong>r letzten Sitzung wur<strong>de</strong>n dann die übergeordneten Gedanken <strong>de</strong>r Patienten besprochen.<br />
Diese Gedanken wur<strong>de</strong>n in Kategorien eingeteilt:<br />
1) Alles-o<strong>de</strong>r-nichts-Denken<br />
2) Willkürliche o<strong>de</strong>r voreilige Schlussfolgerungen<br />
3) Übertriebene Verallgemeinerung<br />
Dann wur<strong>de</strong>n einzelne übergeordnete Annahmen am Flipchart disputiert. Die zentrale Frage<br />
dabei war, welche Vorteile und welche Nachteile hat eine entsprechen<strong>de</strong> Lebenseinstellung?<br />
Patientenbeispiel:<br />
„Wenn ich nichts leiste, bin ich nichts wert.“<br />
Vorteile Nachteile<br />
Überprüfbares Außenkriterium Selbstwertgefühl ist abhängig von<br />
Leistungen<br />
Kontrolle Verbissenheit<br />
Anerkennung Überfor<strong>de</strong>rung<br />
Gesteigertes Selbstwertgefühl Anspannung<br />
Ansporn Lebensqualität lei<strong>de</strong>t<br />
Bewahrt vor Trägheit Kontakte lei<strong>de</strong>n (Einsamkeit)<br />
Schützt vor Introspektion Selbstentfremdung durch fehlen<strong>de</strong><br />
14
Introspektion<br />
Abhängigkeit von Urteilen an<strong>de</strong>rer<br />
Krankheit<br />
Alternatives Motto: Als Mensch bin ich etwas Wert!<br />
Die Patienten bekommen <strong>de</strong>s Weiteren die Aufgabe, in „Heimarbeit“ <strong>de</strong>n Zettel<br />
„Verän<strong>de</strong>rung automatischer Gedanken“ auszufüllen. Es wird zwar nicht mehr besprochen,<br />
sei aber sehr wichtig, um eine langfristige Verbesserung zu erreichen. Dann wird gemeinsam<br />
das Informationsblatt „Techniken zur Gedankenkontrolle“ gelesen, in <strong>de</strong>m Techniken <strong>de</strong>s<br />
„Gedanken-Stopps“, Gummiband-Technik“ und „Rot-Punkte-Technik“ beschrieben wer<strong>de</strong>n.<br />
Als endgültiger Abschluss fin<strong>de</strong>t eine etwas längere Patienten-Rückmeldungsrun<strong>de</strong> statt.<br />
Dabei wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Patienten die folgen<strong>de</strong>n Fragen gestellt: War die Gruppe hilfreich? Welche<br />
Sitzungen haben mir beson<strong>de</strong>rs geholfen? Kritik? Verbesserungsvorschläge? Hierbei<br />
beklagten viele Patienten die Langatmigkeit und das „Abreißen von Themen“.<br />
Die zweite Gruppe, die ich begleiten durfte war die so genannte „Soziale-Phobie-Gruppe“.<br />
Die Gruppe erstrecken sich über neun Sitzungen und zwei Expositionshalbtage. Sie setzen<br />
sich aus verschie<strong>de</strong>nen Bausteinen zusammen: Die ersten Sitzungen befassen sich mit <strong>de</strong>m<br />
theoretischen Hintergrund zu „Sozialen Phobien“ und die späteren Sitzungen sind zunächst<br />
mit Expositionen innerhalb <strong>de</strong>r Gruppe beschäftigt. Schließlich fin<strong>de</strong>n die Expositionen in <strong>de</strong>r<br />
etwas größeren Nachbarstadt Rosenheim statt.<br />
In <strong>de</strong>r ersten Gruppensitzung fand zunächst ein Vorstellspiel statt. Die Teilnehmer mussten<br />
sich nach Namen, Herkunftsort und Geburtsdatum sortieren. Dann sollten sich die Patienten<br />
nochmals mündlich vorstellen und dabei ihre beson<strong>de</strong>ren Probleme in sozialen Situationen<br />
beschreiben. Schwierig gestaltete sich die Verteilung <strong>de</strong>s Protokolls, da <strong>de</strong>r mündliche Vortag<br />
in <strong>de</strong>r nächsten Sitzung für viele bereits eine kleine Exposition darstellen wür<strong>de</strong>.<br />
Die Einstiegsfrage war, wie es Menschen ohne soziale Phobie geht. Dabei wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich,<br />
dass viele Patienten fälschlich annahmen, dass Menschen ohne soziale Phobie vollständig<br />
angstfrei seien. Die leiten<strong>de</strong> Therapeutin erklärte ihnen, dass es völlige Angstfreiheit kaum<br />
gebe, aber durch beständiges Üben ließe sich die Angst gut reduzieren. Daran schloss sie<br />
gleich <strong>de</strong>n Appell an, selbst so viele persönliche Expos wie möglich zu machen. Dann sollten<br />
die Teilnehmer in Gruppenarbeit die Symptome <strong>de</strong>r körperlichen- , gedanklichen- und<br />
Verhaltensebene auf Flipcharts zusammentragen. Dann sollten die Patienten einen<br />
Fragebogen ausfüllen und ihre Angst zu vorgestellten sozialen Situation auf einer Skala von 0<br />
(keine Angst) bis 3 (panische Angst) bewerten. Diese Liste diente <strong>de</strong>r Therapeutin zur<br />
Vorbereitung <strong>de</strong>r Expos und sollte später mit <strong>de</strong>mselben Bogen <strong>de</strong>n Patienten ihre<br />
persönlichen Verbesserungen nochmals vor Augen führen. Auch hier wur<strong>de</strong> wie im DBT-<br />
Kurs über das Sinnvolle setzen von Zielen gesprochen. Zu<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n die Patienten darauf<br />
hingewiesen sich konkrete, positiv formulierte und erreichbare Ziele zu setzen. Des Weiteren<br />
sollten sie als Hausaufgabe eine Liste mit ihren größten sozialen Ängsten und ihren Zielen<br />
ausfüllen.<br />
Die nächste Stun<strong>de</strong> begann mit <strong>de</strong>m Vortrag über das Protokoll. Dabei wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Protokollant<br />
zwischendurch immer wie<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitigen Anspannung befragt. Dann stellten die<br />
Kursteilnehmer ihre Hausaufgaben vor. Dabei berichteten einige von Ängsten vor Vorträgen,<br />
aber auch davor, Frauen anzusprechen o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit zu trinken o<strong>de</strong>r essen.<br />
15
Anschließend fand eine kleine Übung statt: nacheinan<strong>de</strong>r müssten die Patienten sich drei<br />
verschie<strong>de</strong>ne Partner suchen, <strong>de</strong>nen sie jeweils drei Minuten lang wortlos in die Augen<br />
schauen müssten. Die Aufgabe bestand darin, die Aufmerksamkeit von <strong>de</strong>r eigenen<br />
Unsicherheit wegzuleiten und sich auf <strong>de</strong>n An<strong>de</strong>ren zu konzentrieren. Nach Beendigung <strong>de</strong>r<br />
Übung berichteten die Patienten von ihren begleiten<strong>de</strong>n Emotionen und Gedanken während<br />
<strong>de</strong>s Blickkontakts. Als Hausaufgabe bekamen die Teilnehmer auf, in <strong>de</strong>r Klinik immer wie<strong>de</strong>r<br />
Blickkontakt zu <strong>de</strong>n Leuten aufzunehmen und <strong>de</strong>ren Reaktionen zu beobachten.<br />
Es wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Gruppe gesammelt, welche Erlebnisse in <strong>de</strong>r Kindheit für die Entwicklung<br />
einer sozialen Phobie eine Rolle spielen könnten. Dabei wur<strong>de</strong>n zum Beispiel folgen<strong>de</strong><br />
Punkte aufgezählt:<br />
• Hänseleien in <strong>de</strong>r Kindheit<br />
• schwere Krankheit mit Son<strong>de</strong>rrolle und Unverständnis<br />
• Gewalt, Missbrauch<br />
• Erziehung mit Verboten, Strafe, mangeln<strong>de</strong>r Anerkennung<br />
• Kritik an Kleidung und Geschmack<br />
• Schule (autoritäre Lehrer, Bloßstellung)<br />
Die dritte Gruppensitzung begann wie nun alle folgen<strong>de</strong>n: mit <strong>de</strong>m Vorlesen <strong>de</strong>s Protokolls<br />
und <strong>de</strong>r Besprechung <strong>de</strong>s Sinkens <strong>de</strong>r Anspannung sowie <strong>de</strong>r Besprechung <strong>de</strong>r impliziten<br />
Ziele, zum Beispiel <strong>de</strong>r Aufgabe, die Formulierungen beson<strong>de</strong>rs gut, witzig, locker etc.<br />
rüberzubringen. Diese anspruchsvollen Nebenziele wur<strong>de</strong>n diskutiert und möglichst<br />
ausgeräumt (je<strong>de</strong> Stun<strong>de</strong> von neuem!). Es wur<strong>de</strong> dann die Hausaufgabe besprochen: wie<br />
erging es <strong>de</strong>n Patienten mit <strong>de</strong>m Halten <strong>de</strong>s Blickkontaktes? Viele stellten überrascht fest,<br />
dass beson<strong>de</strong>rs die Therapeuten <strong>de</strong>r Klinik immer wegschauten.<br />
Die Therapeut stellte nun ein Mo<strong>de</strong>ll zur Entstehung und Aufrechterhaltung sozialer Ängste<br />
vor. Es basiert darauf, dass negative Erfahrung in <strong>de</strong>r Kindheit und Jugend zu Ängsten in<br />
sozialen Situationen geführt haben. Die Reaktion darauf war eine Vermeidung ähnlicher<br />
Situationen, daraus resultiert wie<strong>de</strong>rum ein Mangel an Fertigkeiten in solchen Situationen, so<br />
dass die Ängste schließlich auf viele Bereiche ausgeweitet wer<strong>de</strong>n. Deshalb wird in <strong>de</strong>r<br />
Therapie darauf geachtet, dass die Patienten von <strong>de</strong>n angenommenen Beurteilungen durch<br />
An<strong>de</strong>re unabhängiger wer<strong>de</strong>n, das heißt: das eigene Han<strong>de</strong>ln nicht durch die vermeintliche<br />
Abwertung An<strong>de</strong>rer bestimmen lassen, son<strong>de</strong>rn zu lernen, die Situation selbst<br />
mitzubestimmen. Das be<strong>de</strong>utet, aktiv zu han<strong>de</strong>ln, die Reaktionen <strong>de</strong>r An<strong>de</strong>ren genau zu<br />
beobachten und neue Verhaltensweisen zu erproben (siehe oben stehen<strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>ll).<br />
16
Negative<br />
Erfahrungen<br />
in Kindheit<br />
Kurzfristige<br />
Konsequenz:<br />
- Angstanfall<br />
Langfristige<br />
Konsequenz:<br />
Wichtige<br />
soziale<br />
Fertigkeiten<br />
wer<strong>de</strong>n nicht<br />
gelernt<br />
Generalisierung <strong>de</strong>r Angst<br />
Sozialer Rückzug<br />
Soziale Vereinsamung<br />
Angst in<br />
ähnlichen<br />
sozialen<br />
Situationen<br />
Dann wur<strong>de</strong> typisches Sicherheitsverhalten <strong>de</strong>r Patienten gesammelt, zum Beispiel sich<br />
irgendwo festzuhalten, sich in einer Ecke zu verstecken, mit <strong>de</strong>m Handy rumzuspielen, nichts<br />
von sich zu erzählen o<strong>de</strong>r Blickkontakt zu vermei<strong>de</strong>n. In einer Partnerübung musste sich dann<br />
einer von bei<strong>de</strong>n möglichst interessant darstellen, einmal mit Sicherheitsverhalten und einmal<br />
ohne, <strong>de</strong>r An<strong>de</strong>re sollte nur zuhören. Dann wur<strong>de</strong> jeweils die Anspannung <strong>de</strong>s Redners<br />
erhoben sowie eine Selbst- und eine Frem<strong>de</strong>inschätzung. Die Ergebnisse waren, dass die<br />
Anspannung beim zweiten Mal <strong>de</strong>utlich sank, dass sowohl die Selbsteinschätzung als auch die<br />
Frem<strong>de</strong>inschätzung ohne Sicherheitsverhalten gestiegen war. Fazit <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong> war also, dass<br />
<strong>de</strong>r Teufelskreis zur Aufrechterhaltung sozialer Ängste durchbrochen wer<strong>de</strong>n kann, wenn man<br />
<strong>de</strong>r Angst kein Sicherheitsverhalten folgen lässt. Die Hausaufgabe bestand nun darin, die<br />
vorgegebene Liste mit seinem individuellen Sicherheitsverhalten zu ergänzen und das oben<br />
17
gezeichnete Mo<strong>de</strong>ll zur Aufrechterhaltung sozialer Ängste mit einem eigenen Beispiel<br />
durchzuspielen.<br />
In <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Stun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n die Hausaufgaben besprochen. Ich gebe ein Beispiel aus <strong>de</strong>r<br />
Gruppe:<br />
Situation: Auf eine Gruppe zugehen<br />
Grundannahme: Ich bin unwillkommen!<br />
Aktueller Gedanke: Ich kann das nicht!<br />
Körperliche Reaktion: Arme verschränken, Schweißausbrüche<br />
Sicherheitsverhalten: Kaugummikauen, mit <strong>de</strong>m Handy spielen<br />
→ keine neue Erfahrung<br />
Um <strong>de</strong>n Theorieteil etwas aufzulockern, wur<strong>de</strong> eine kleine Übung gemacht. Die Patienten<br />
sollten einen Kreis bil<strong>de</strong>n. Die Therapeutin ging um <strong>de</strong>n Kreis herum und zählte angeblich bis<br />
20, um dann <strong>de</strong>r Person, vor <strong>de</strong>r sie stehen bleiben wür<strong>de</strong>, eine peinliche Frage zu stellen. Die<br />
Spannung stieg und die Frage blieb aus. Die Patienten sollten im Anschluss erzählen, welche<br />
Gedanken ihnen durch <strong>de</strong>n Kopf gegangen waren. Je nach <strong>de</strong>n Kognitionen fielen auch die<br />
körperlichen Reaktionen unterschiedlich stark aus.<br />
Auch in <strong>de</strong>r Sozialen-Phobie-Gruppe geht es um „automatische Gedanken“. Anhand<br />
folgen<strong>de</strong>n Beispiels wur<strong>de</strong> das so genannte ABC-Mo<strong>de</strong>ll von Ellis erklärt:<br />
A (auslösen<strong>de</strong>s Ereignis): Ihre Freun<strong>de</strong> feiern eine Party und Sie sind nicht eingela<strong>de</strong>n.<br />
B (Bewertungen): „Die haben mich vergessen.“ „Die wollen mich nicht dabei haben.“<br />
C (Konsequenzen):<br />
Gefühle: beleidigt, wütend, enttäuscht, hilflos<br />
Verhalten: Passiv: grübelnd in <strong>de</strong>r Ecke sitzen, Rückzug<br />
Aktiv: Freun<strong>de</strong> ansprechen<br />
Die Hausaufgabe bestand nun darin, nach <strong>de</strong>m ABC-Mo<strong>de</strong>ll eine individuelle Situation zu<br />
beschreiben.<br />
In <strong>de</strong>r fünften Sitzung wur<strong>de</strong>n typische Situationen vorgestellt. Dabei wur<strong>de</strong>n die<br />
begleiten<strong>de</strong>n Gedanken auf einer Flipchart gesammelt, um sie anschließend mit <strong>de</strong>m<br />
Informationsblatt: „Die zehn typischen Denkfehler“ zu vergleichen. Diese Denkfehler sind<br />
<strong>de</strong>nen Depressiver sehr ähnlich, <strong>de</strong>shalb führe ich sie nicht noch mal auf. Nun wur<strong>de</strong> das<br />
ABC-Mo<strong>de</strong>ll um <strong>de</strong>n Punkt D: realistische, hilfreiche Gedanken, erweitert. Die Hausaufgabe<br />
bestand darin, dieses erweiterte Mo<strong>de</strong>ll auf das eigene Beispiel anzuwen<strong>de</strong>n. Die Patienten<br />
sollten zum Abschluss noch soziale Situationen mit Angsteinschätzungen ausfüllen. Diese<br />
Zettel bil<strong>de</strong>ten die Grundlage für die Expos. Sie beinhalteten Übungen wie:<br />
• Ein Vorstellungsgespräch üben (in Klinik)<br />
• Aufgabe <strong>de</strong>s Stationssprechers übernehmen<br />
• In <strong>de</strong>r Gruppe laut singen<br />
• Blickkontakt halten auf <strong>de</strong>r Straße mit Passanten<br />
• Kurzes Ansprechen von Passanten nach Uhrzeit, Wegstrecken usw.<br />
• Eine frem<strong>de</strong> Person dazu bringen, eine Skizze eines Weges anzufertigen<br />
• Passanten um Wechselgeld fragen für die Parkuhr<br />
18
• Interview mit Passanten führen, zum Beispiel, was sie über Personen <strong>de</strong>nken, die<br />
leicht rot wer<strong>de</strong>n<br />
• Sich etwas sehr Buntes anziehen und damit herumlaufen<br />
• Mit Regenschirm durch die Straßen laufen, obwohl es nicht regnet<br />
• Am frequentierten Platz laut aus <strong>de</strong>r Zeitung vorlesen<br />
• Etwas bewirken: zum Beispiel jeman<strong>de</strong>n dazu bringen, dass er ihnen auf <strong>de</strong>r Straße<br />
zeigt, wie man Walzer tanzt<br />
• Sich in größeren Geschäften laut etwas zurufen<br />
• Persönliche Stellungnahme <strong>de</strong>s Verkäufers erfragen zu einem Artikel<br />
• Sich im Geschäft beraten lassen ohne Kauf<br />
• An Kasse wegen Geldmangel etwas zurückgehen lassen<br />
• Im Lebensmittelgeschäft <strong>de</strong>r zweiten Person zurufen, sie solle das fehlen<strong>de</strong> Stück<br />
holen (während die Kassiererin wartet)<br />
• Sich im Lokal zu jeman<strong>de</strong>m setzten, kein Gespräch beginnen<br />
• Sich im Lokal zu jeman<strong>de</strong>m setzen, ein Gespräch beginnen<br />
Bei <strong>de</strong>r Besprechung <strong>de</strong>r Hausaufgabe in <strong>de</strong>r nächsten Stun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> beson<strong>de</strong>rs betont, dass<br />
die hilfreichen Gedanken noch ungewohnt sind und daher die negativen erst langsam ersetzen<br />
müssen. Ab jetzt begannen die Expos vor und in <strong>de</strong>r Gruppe. Die erste bestand darin, dass<br />
eine Patienten, die es ganz furchtbar fand, vor Gruppen vorzulesen, aus „Der kleine Prinz“<br />
vorgelesen hat. Dieses Beispiel wer<strong>de</strong> ich noch mal ausführlich darstellen. Die folgen<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong> ich nur noch thematisch vorstellen:<br />
A Vorlesen vor <strong>de</strong>r Gruppe<br />
B<br />
• Ich könnte zu laut/ zu leise o<strong>de</strong>r un<strong>de</strong>utlich lesen<br />
• Ich schaffe es nicht!<br />
• Ich könnte versagen!<br />
• Die An<strong>de</strong>ren könnten <strong>de</strong>nken: “Ich hätte es besser gemacht“<br />
C Angst, Bauchschmerzen<br />
D<br />
• Ich hab’s schon mal gemacht und es war gut.<br />
• Fehler stehen mir zu!<br />
• Wie<strong>de</strong>r eine Übung, nach <strong>de</strong>r du dich besser fühlst<br />
• Sobald ich anfange, sinkt meine Angst!<br />
Übungsziel: 10 min. lesen, die an<strong>de</strong>ren sollen es akustisch verstehen, ab und zu in die Run<strong>de</strong><br />
schauen<br />
Mögliches Sicherheitsverhalten: leiser wer<strong>de</strong>n, Blickkontakt mei<strong>de</strong>n<br />
19
Angsteinschätzung:<br />
Angst<br />
Die Anspannung ging schon sehr schnell <strong>de</strong>utlich runter und die Rückmeldung durch die<br />
Gruppe war durchgehend positiv.<br />
In <strong>de</strong>n nächsten Sitzungen wur<strong>de</strong>n noch folgen<strong>de</strong> Gruppenexpositionen gemacht:<br />
• Über sich selbst positiv berichten<br />
• Vortrag über das Wetter halten<br />
• Rollenspiel: Kontaktaufnahme im Zugabteil<br />
X<br />
X<br />
X<br />
Dann begannen die zwei Exponachmittage in Rosenheim. Zunächst mussten die Patienten<br />
sich gegenseitig bei Karstadt zurufen und überschwänglich begrüßen. Die meisten fan<strong>de</strong>n es<br />
im Nachhinein sogar lustig. Die Anspannung war bei allen sehr schnell gefallen. Dann<br />
mussten sie mit erhobenen Armen und im Abstand von etwa 15 Metern durch die<br />
Fußgängerzone gehen. Ich musste voranschreiten. Etwas murmelig war mir zunächst schon,<br />
schließlich macht man das ja nicht alle Tage. Aber die Reaktion <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Stadtbummler<br />
war sehr lustig: einige hoben ebenfalls die Arme, einer klatschte ab und wie<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
fragten, ob wir eine Sekte seien.<br />
Dann mussten die Patienten die Übungen, die ich oben aufgezählt hatte, alleine machen.<br />
Allerdings wagte sich keiner daran, jeman<strong>de</strong>m zum Walzer aufzufor<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r laut aus <strong>de</strong>r<br />
Zeitung vorzulesen. Von diesem Therapeuten wur<strong>de</strong> von keinem etwas verlangt, was er auf<br />
gar keinen Fall tun wollte. (Ich war allerdings später noch mal als Expobegleitung dabei und<br />
da hat eine Patient tatsächlich die Männer in <strong>de</strong>r Fußgängerzone gefragt, ob sie ihr Walzer<br />
beibringen wür<strong>de</strong>. Und tatsächlich erklärte sich <strong>de</strong>r dritte Befragte bereits bereit.) Die<br />
Nachbesprechungen waren durchweg positiv. Bei <strong>de</strong>r zweiten Expo lief es ähnlich. Diesmal<br />
mussten sie sich zu Anfang in <strong>de</strong>r Fußgängerzone verteilen und min<strong>de</strong>stens 10 min winken,<br />
dann mussten sie wie<strong>de</strong>r Leute interviewen, Passanten nach <strong>de</strong>m Weg fragen o<strong>de</strong>r sich<br />
beraten lassen. Auch dieser Tag war insgesamt sehr erfolgreich.<br />
In <strong>de</strong>r letzten Gruppensitzung sollten die Teilnehmer noch einmal <strong>de</strong>n oben genannten<br />
Fragebogen ausfüllen. Sie durften ihn dann mit <strong>de</strong>m alten vergleichen. Alle Teilnehmer hatten<br />
sich <strong>de</strong>utlich verbessert. Dann sollten sie noch mal Rückmeldung zu <strong>de</strong>m Kurs geben. Trotz<br />
<strong>de</strong>s hohen Anteils an aktiven Übungen war es <strong>de</strong>n Patienten immer noch zuviel Theorie.<br />
Innerlich musste ich sehr schmunzeln. Das war mir von <strong>de</strong>r Uni nicht unbekannt. Aber<br />
insgesamt wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kurs sehr positiv bewertet und alle füllten am En<strong>de</strong> noch artig das Blatt<br />
„Übungsblatt für geplante Expositionen in Eigenregie“ aus.<br />
x<br />
Zeit<br />
20
Mein nächster Kurs war Stressbewältigung am Arbeitsplatz, kurz SBA. In <strong>de</strong>r SBA geht es<br />
darum, zu i<strong>de</strong>ntifizieren, wo berufliche Schwierigkeiten bestehen, um diese gemeinsam in <strong>de</strong>r<br />
Gruppe unter Anleitung zu bearbeiten. Zu Beginn <strong>de</strong>r ersten Sitzung betonte <strong>de</strong>r<br />
Seminarleiter, dass dieser Kurs nicht für Patienten mit Rentenbegehren sei. Dann stellte je<strong>de</strong>r<br />
Teilnehmer sich und sein Arbeitsfeld vor. Der Leiter machte <strong>de</strong>utlich, dass dieser Kurs von<br />
<strong>de</strong>n Erfahrungen je<strong>de</strong>s einzelnen abhänge und dass die Teilnehmer die eigentlichen<br />
„Experten“ seien. Dann wur<strong>de</strong>n die Kursteilnehmer gebeten, die Ursachen für ihre beruflichen<br />
Schwierigkeiten zusammenzutragen. Diese Ursachen (z.B. Lärm, Arbeitsstun<strong>de</strong>n,<br />
Unterfor<strong>de</strong>rung) wur<strong>de</strong>n anschließend entsprechend ihrer Beeinflussbarkeit sortiert. Der<br />
Leiter machte <strong>de</strong>utlich, dass nicht alle beruflichen Schwierigkeiten verän<strong>de</strong>rbar sind, so zum<br />
Beispiel Unternehmensstrukturen o<strong>de</strong>r auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Es wur<strong>de</strong><br />
betont, dass man Einfluss darauf hat, in welcher Art und Weise man mit Belastungen <strong>de</strong>s<br />
Alltagslebens umgeht.<br />
Anschließend ging es um die Frage, welche Be<strong>de</strong>utung Arbeit im Leben je<strong>de</strong>s Einzelnen<br />
hatte. Viele betonten <strong>de</strong>n finanziellen Hintergrund, bei weiterem Nachfragen kamen aber auch<br />
an<strong>de</strong>re Argumente wie Erwerb von Fähigkeiten, Kompetenzerleben, Selbstentfaltung, soziale<br />
Kontakte, Sinnstiftung, Zeitstrukturierung und gesellschaftliche Anerkennung. Als<br />
Hausaufgabe sollten die Patienten sich damit beschäftigen, wie wichtig für sie persönlich die<br />
einzelnen möglichen Funktionen <strong>de</strong>r Arbeitstätigkeit sind. Außer<strong>de</strong>m sollten sie anhand eines<br />
Arbeitsblattes die aktuelle Tätigkeit mit <strong>de</strong>r gewünschten Tätigkeit vergleichen.<br />
In <strong>de</strong>r zweiten Sitzung wur<strong>de</strong> folgen<strong>de</strong>r Belastungskreislauf dargestellt (rote Bereiche sind<br />
verän<strong>de</strong>rbar):<br />
(1) Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
Arbeitsumwelt anregen<br />
(ungünstige)<br />
Bewältigungs-<br />
Verhalten<br />
(vermehrte<br />
Anstrengung od.<br />
Vermeidung)<br />
(5) Verän<strong>de</strong>rtes<br />
Gesundheitsverhalten<br />
(Tabak, Kaffee, Bewegung)<br />
Probleme im Beruf:<br />
Abweichung ihrer bestehen<strong>de</strong>n<br />
Situation von Erwartung<br />
(4) Verbesserung eigener<br />
Bewältigungsfertigkeiten<br />
Beschwer<strong>de</strong>bildung<br />
Muskuläre Anspannung<br />
Psychische Anspannung<br />
Chronifizierte vegetative<br />
Symptome<br />
(3) Wie<strong>de</strong>r ent<strong>de</strong>cken<br />
eigener<br />
Erholungsmöglichkeiten<br />
(2) Überprüfung <strong>de</strong>r<br />
persönlichen<br />
Anspruchshaltung<br />
Gefühls-<br />
Reaktionen<br />
(z.B.<br />
Enttäuschung,<br />
Selbstzweifel,<br />
Angst)<br />
Der Belastungskreislauf soll dazu dienen, verständlich zu machen, wie es zu Problemen<br />
kommen kann und wie sich berufliche Probleme stabilisieren und verschlimmern können. Der<br />
Belastungskreislauf soll Anregung bieten, wo mit Verän<strong>de</strong>rungen angesetzt wer<strong>de</strong>n kann, wo<br />
Möglichkeiten bestehen, <strong>de</strong>n „Kreislauf“ zu durchbrechen.<br />
21
Der oben gezeichnete Belastungskreislauf besteht aus vier Elementen. Berufliche Probleme<br />
können allgemein verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n als „Knackpunkte“, in <strong>de</strong>nen die Arbeitsstelle nicht <strong>de</strong>n<br />
gewünschten Erwartungen entspricht. In <strong>de</strong>r Regel bleibt das Gefühlsleben davon nicht<br />
unberührt. Bleibt das Problem ungelöst, so können Beschwer<strong>de</strong>n entwickelt wer<strong>de</strong>n.<br />
Im Anschluss wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Belastungskreislauf an einem individuellen Beispiel durchgespielt.<br />
Bei diesem Beispiel trat <strong>de</strong>utlich hervor, dass <strong>de</strong>r Patient die Ebene <strong>de</strong>r Gefühle komplett<br />
ignorierte und gleich zu somatisieren anfing. Er begann gera<strong>de</strong> erst in <strong>de</strong>r Klinik die<br />
begleiten<strong>de</strong>n Gefühle überhaupt einmal wahrzunehmen. Für die folgen<strong>de</strong> Sitzung sollten die<br />
Patienten anhand eines Arbeitsblattes ihren individuellen Belastungskreislauf schreiben und<br />
Verän<strong>de</strong>rungsziele <strong>de</strong>finieren.<br />
In <strong>de</strong>r dritten Sitzung wur<strong>de</strong>n zunächst ein paar Patientenbeispiele durchgespielt.<br />
Anschließend sollte es thematisch um <strong>de</strong>n Umgang mit Kollegen gehen. Dabei wur<strong>de</strong>n<br />
Elemente aus <strong>de</strong>m oben beschriebenen GSK angewandt. Die Teilnehmer sollten verschie<strong>de</strong>ne<br />
Formen sozialen Verhaltens kennen lernen und erfahren, wie selbstsicheres Verhalten am<br />
Arbeitsplatz aussehen könnte. Es wur<strong>de</strong> zunächst gesammelt, was aggressives, unsicheres und<br />
selbstsicheres Verhalten ausmacht, dann wur<strong>de</strong>n diese Situationen im Rollenspiel geübt. (Ich<br />
durfte einmal <strong>de</strong>n aggressiven Kollegen spielen, was mir enorm viel Spaß gemacht hat!)<br />
Abschließend wur<strong>de</strong> für die nächste Stun<strong>de</strong> die Aufgabe vergeben zu überlegen, in welchen<br />
sozialen Situationen Probleme auftreten und wie sich zukünftig zu verhalten wäre. Bei <strong>de</strong>n<br />
Überlegungen zu neuen Verhaltensweisen sollte auf die in <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong> entwickelten Lösungen<br />
zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n.<br />
In <strong>de</strong>r vierten Sitzung wur<strong>de</strong>n akute Konflikte mit Kollegen und Vorgesetzten besprochen,<br />
dabei wur<strong>de</strong>n sie danach eingeordnet, wie lösbar sie sind und woran man ihre Lösbarkeit<br />
festmachen kann. Außer<strong>de</strong>m sollten die Fertigkeiten je<strong>de</strong>s Einzelnen zum<br />
Konfliktmanagement verbessert wer<strong>de</strong>n. Es wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Patienten erklärt, dass nicht je<strong>de</strong>r<br />
Lösungsversuch für je<strong>de</strong>n Konflikt angemessen ist. Bei kleineren Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten<br />
und möglichen Missverständnissen sei eine direkte Ansprache <strong>de</strong>s Problems oft ein gutes<br />
Vorgehen. Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n Tipps für Konfliktgespräche gegeben:<br />
Sprecher- und Zuhörer-Regeln in Konfliktgesprächen<br />
Zuhörer Sprecher<br />
1. Hören Sie sich die Kritik in Ruhe an und<br />
nutzen Sie die Gelegenheit, die Position <strong>de</strong>s<br />
Gegenübers auch wirklich zu verstehen.<br />
2. Signalisieren Sie, dass Sie das Gesagte<br />
verstan<strong>de</strong>n haben, und danken Sie ggf. für<br />
die Rückmeldung.<br />
3. Fassen Sie kurz die Position <strong>de</strong>s An<strong>de</strong>ren<br />
mit eigenen Worten zusammen. („Wenn ich<br />
dich richtig verstan<strong>de</strong>n habe, möchtest du….)<br />
4. Verzichten Sie auf überflüssige<br />
Rechtfertigungen.<br />
5. Teilen Sie Ihrem Gegenüber mit; was Sie<br />
1. Beschreiben Sie <strong>de</strong>n Sachverhalt und<br />
erinnern Sie ggf. an frühere Absprachen.<br />
Dabei geht es Ihnen um <strong>de</strong>n Sachverhalt,<br />
ohne dass die an<strong>de</strong>re Person abgewertet<br />
wer<strong>de</strong>n soll.<br />
2. Sprechen Sie in <strong>de</strong>r Ich-Form und drücken<br />
Sie das eigene negative Gefühl aus.<br />
3. Beschränken Sie ihre Kritik auf eine<br />
konkrete Situation und ein bestimmtes<br />
Verhalten ihres Gegenübers.<br />
4. Machen Sie einen realisierbaren<br />
Än<strong>de</strong>rungsvorschlag und signalisieren Sie<br />
damit Ihre wertschätzen<strong>de</strong> und konstruktive<br />
Grundhaltung.<br />
22
zu tun beabsichtigen und was nicht. Zeigen<br />
Sie Bereitschaft zu einer gemeinsamen<br />
Absprache.<br />
Es wur<strong>de</strong> daraufhin gewiesen, dass im Falle eines anhalten<strong>de</strong>n Konflikts eine externe<br />
Vermittlung in Form eines Vorgesetzten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Betriebsrates vonnöten sein kann.<br />
Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Patienten erklärt, dass die Reflexion eigener Erwartungen und <strong>de</strong>r<br />
Motive <strong>de</strong>s An<strong>de</strong>ren hilfreich sein können. Zur Gestaltung <strong>de</strong>r Lösung von Problemen wur<strong>de</strong>n<br />
ein paar Tipps zur Strukturierung gegeben:<br />
• Problem<strong>de</strong>finition<br />
• Ziel<strong>de</strong>finition<br />
• Zusammentragen von Lösungsmöglichkeiten („Brainstorming“)<br />
• Bewertung <strong>de</strong>r Lösungsmöglichkeiten<br />
• Entscheidung für eine Lösung<br />
• Umsetzung <strong>de</strong>r Lösung mit möglichen Hin<strong>de</strong>rnissen<br />
Die genannten Strukturierungspunkte zur Konfliktlösung sollten von <strong>de</strong>n Patienten zur<br />
nächsten Stun<strong>de</strong> an einem persönlichen Beispiel durchgespielt wer<strong>de</strong>n. Eine Patientin spielte<br />
das „leere Stuhl-Spiel“. Sie musste zwei Stühle aufstellen und sich dahinter stellen: zunächst<br />
ihre eigenen Gedanken beschreiben, dann die ihres schwierigen Kollegen. Dabei wur<strong>de</strong> ihr<br />
klar, dass er auch ehr unter Stress steht und viele Konflikte daraus resultieren.<br />
In <strong>de</strong>r fünften Sitzung ging es um <strong>de</strong>n Themenkomplex „Stressbewältigung“. Es wur<strong>de</strong> in<br />
einer Run<strong>de</strong> besprochen, welche Bedingungen bei <strong>de</strong>n einzelnen zu Stressreaktionen führen<br />
und wie sich diese auswirken. In Stresssituationen traten bei <strong>de</strong>n meisten typische Gedanken<br />
(„Wie soll ich das nur schaffen?“), typische Gefühle (Verunsicherung, Angst), typische<br />
körperliche Reaktionen (Schwitzen, weiche Knie) und typische Verhaltensweisen (weniger<br />
Pausen machen, länger arbeiten) auf. Die Patienten sollten ein Arbeitsbogen zu<br />
stressauslösen<strong>de</strong> Arbeitsbedingungen ausfüllen, um die eigenen Belastungsbedingungen zu<br />
konkretisieren. Dann wur<strong>de</strong>n gemeinsam Lösungsstrategien entwickelt. Dabei wur<strong>de</strong><br />
unterschie<strong>de</strong>n zwischen kurzfristigen Maßnahmen: wie zum Beispiel sich kurz ablenken, sich<br />
abreagieren, progressive Muskelentspannung machen o<strong>de</strong>r positiv <strong>de</strong>nken, und langfristigen<br />
Maßnahmen wie die Pflege zwischenmenschlicher Kontakte und eine ausgeglichene<br />
Freizeitgestaltung. Schließlich wur<strong>de</strong> die eigene Arbeitseinstellung thematisiert. Auch hier<br />
bekamen die Teilnehmer einen Fragebogen zu ihren beruflichen Ansprüchen, um sich<br />
schriftlich vor Augen zu führen, was sie erwarten.<br />
Die sechste Sitzung behan<strong>de</strong>lte thematisch immer noch die Belastungsreduktion. Es wur<strong>de</strong><br />
nun <strong>de</strong>r Fragebogen zu beruflicher Anspruchshaltung aus <strong>de</strong>r letzten Sitzung besprochen.<br />
Bestimmte Grundsätze wur<strong>de</strong>n thematisiert: „Ich darf keine Fehler machen.“ wur<strong>de</strong> relativiert<br />
zu „Bei Tätigkeit A sollte ich mir wirklich keine Fehler erlauben. Dafür ist es bei Tätigkeit B<br />
weniger schlimm.“<br />
Weiterhin wur<strong>de</strong> das Thema „Zufrie<strong>de</strong>nheitserlebnisse“ besprochen. Es wur<strong>de</strong> angeregt, sich<br />
angenehme Erlebnisse durch einfache Mittel zu verschaffen, zum Beispiel ein kurzes<br />
Gespräch mit einem befreun<strong>de</strong>ten Kollegen führen. Den Patienten wur<strong>de</strong>n die so genannten<br />
Genussregeln vorgelesen (sollte man selbst auch öfter mal durchlesen!):<br />
23
� Genuss braucht Zeit<br />
� Genuss muss erlaubt sein.<br />
� Genuss geht nicht nebenbei.<br />
� Weniger ist mehr.<br />
� Genuss be<strong>de</strong>utet: Aussuchen, was mir gut tut.<br />
� Genuss kann man nicht erzwingen.<br />
� Ohne Sinneserfahrung kein Genuss.<br />
� Genuss ist je<strong>de</strong>n Tag möglich.<br />
Am Flipchart wur<strong>de</strong>n dann Beispiele für angenehme Aktivitäten (Wan<strong>de</strong>rn, Radfahren,<br />
Lachen) zusammengetragen.<br />
Abschließend wur<strong>de</strong> darüber gesprochen, welchen Einfluss die Art und Weise haben kann, in<br />
<strong>de</strong>r man in Stresssituationen mit sich selbst kommuniziert. Sagt man unter Zeitdruck zu sich<br />
selbst: „Wie soll ich das schaffen?“, dann verstärkt dies natürlich die bestehen<strong>de</strong>n<br />
Belastungen. Ein Gedanke wie: „Jetzt mach’ erst mal eins nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren, dann schauen<br />
wir weiter“ geht mit einem erheblich entspannteren Befin<strong>de</strong>n einher. Es wur<strong>de</strong> dazu angeregt,<br />
sich zu bemühen, in stressigen Arbeitssituationen einmal solche hilfreichen Gedanken<br />
einzusetzen, und Beispiele für folgen<strong>de</strong> Strategien gegeben:<br />
� Gezielte Umbewertung („Das hab’ ich doch früher schon geschafft.“)<br />
� Selbstinstruktion („Nicht ablenken lassen. Es kommt jetzt darauf an, dass ich…)<br />
� Selbstermunterung („Du schaffst das.“)<br />
Zur nächsten Sitzung wur<strong>de</strong> die Aufgabe gegeben, min<strong>de</strong>stens drei angenehme Pausen zu<br />
machen und dabei die Genussregeln zu beachten. (Die Klinik bietet dafür kein schlechtes<br />
Übungsfeld, da die Stun<strong>de</strong>npläne hier zum Teil sehr eng strukturiert sind.)<br />
In <strong>de</strong>r siebten Sitzung wur<strong>de</strong> zunächst die Hausaufgabe <strong>de</strong>r letzten Sitzung besprochen. Die<br />
Patienten hatten sich überwiegend sehr schwer getan, die Genussregeln zu befolgen.<br />
Beson<strong>de</strong>rs hin<strong>de</strong>rlich waren die „inneren Antreiber“ – so will ich sie mal nennen – das<br />
Gefühl, immer produktiv sein zu müssen. Es wur<strong>de</strong> darüber diskutiert, was bei <strong>de</strong>r Schaffung<br />
angenehmer Alltagsbedingungen noch schwer fällt und was je<strong>de</strong>r Einzelne dagegen tun kann.<br />
Dann wur<strong>de</strong>n die Patienten dazu aufgefor<strong>de</strong>rt, sich zu überlegen, welche Eigenschaften ihre<br />
Tätigkeit erfor<strong>de</strong>rt und was sie zur erfolgreichen Erfüllung ihrer beruflichen Aufgaben<br />
mitbringen. Sie sollten sich eigene Stärken auf einem vorstrukturierten Zettel notieren. Die<br />
Ergebnisse wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Gruppe vorgetragen wie bei einer Bewerbungssituation vor <strong>de</strong>n<br />
Personalchefs. Im Anschluss bekam je<strong>de</strong>r eine Rückmeldung durch das Plenum. Das Ziel<br />
dieser Übung war zweierlei: Erstens sollten Eigenschaften gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, an die die<br />
Patienten zukünftig bei <strong>de</strong>r Bewältigung <strong>de</strong>s beruflichen Alltags anknüpfen können. Zum<br />
an<strong>de</strong>ren sollte es eine Übung zur Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche sein.<br />
Die letzte Stun<strong>de</strong> befasste sich mit Bewerbungen. In einer Phasenbeschreibung wur<strong>de</strong><br />
durchgegangen, was bei einer Bewerbung zu beachten ist:<br />
• Phase 1: Die Vorüberlegungen<br />
• Phase 2: Die Entscheidung<br />
• Phase 3: Die Stellensuche<br />
• Phase 4: Das Vorhab-Telefonat<br />
• Phase 5: Die Bewerbungsmappe<br />
24
• Phase 6: Das Vorstellungsgespräch<br />
• Phase 7: Die Einstellung<br />
Dann wur<strong>de</strong> besprochen, was nötig ist, um sich erfolgreich präsentieren zu können. Dann<br />
wur<strong>de</strong>n Tipps zur Stellensuche gegeben (zum Beispiel: Arbeitsamt, klassische<br />
Stellenanzeigen, Initiativbewerbungen, interne Ausschreibungen, Internet, Kontaktmessen,<br />
private Arbeitsvermittler, Fachzeitschriften <strong>de</strong>s Berufsverban<strong>de</strong>s, etc.). Zu<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong><br />
gemeinsam erarbeitet, was eine Bewerbungsmappe alles beinhalten sollte. Es wur<strong>de</strong> ein<br />
Vorstellungsgespräch im Rollenspiel geübt. Mit welchen Fragen ist zu rechnen? Welches<br />
Verhalten ist angemessen? Dann wur<strong>de</strong> über <strong>de</strong>n Umgang mit „problematischen Themen“<br />
(wie <strong>de</strong>r eigenen Krankheit) gesprochen.<br />
Zum Abschluss mussten die Teilnehmer eine Rückmeldung zu diesem Kurs geben. Diese fiel<br />
ambivalent aus: einige sagten von sich, sie hätten einen großen Nutzen aus <strong>de</strong>n Sitzungen<br />
ziehen können, einige waren überzeugt, dass das alles auf ihre persönliche Arbeitssituation<br />
nicht passen wür<strong>de</strong>.<br />
Die nächste Indikativgruppe, die ich besuchen durfte, war die Angstbewältigungs-Therapie,<br />
kurz ABT. Auch hier gibt es ungefähr acht Sitzungen, davon zwei Expo-Tage. Die Leiterin<br />
erklärte zunächst, das Angst einen hohen Überlebenswert hat, also durchaus eine Funktion.<br />
Sie erklärte, dass wenn die Angst jedoch ein gewisses Ausmaß überschreitet, dass sie dann<br />
mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringe. Überstarke Angst schränke unser Denken und<br />
unser Verhalten stark ein und verringere die Konzentrationsfähigkeit. Aus diesem Grund<br />
könne eine zu große Angst auch zur Selbstgefährdung führen: die Person verliere <strong>de</strong>n<br />
Überblick und „rette“ sich mit einer unüberlegten, panischen Kurzschlussreaktion. Sie führte<br />
das Beispiel einer Baustelle auf <strong>de</strong>r Autobahn an, an <strong>de</strong>m man mit extrem hoher<br />
Geschwindigkeit „vorbeibrettere“, damit man schnell aus <strong>de</strong>r Situation heraus sei. In <strong>de</strong>r<br />
ersten Sitzung wur<strong>de</strong>n dann die Themen <strong>de</strong>r Folgetermine vorgestellt:<br />
• Entstehung von Angstattacken<br />
• Komponenten <strong>de</strong>r Angst<br />
• Körperliche Merkmale<br />
• Umgang mit körperlichen Komponenten<br />
• Verhalten bei Angst und Panikattacken<br />
• Katastrophengedanken<br />
• Reale Angstsituationen<br />
Dann sollten die Gruppenmitglie<strong>de</strong>r sich mit folgen<strong>de</strong>n drei Fragen gegenseitig interviewen<br />
und dies anschließend <strong>de</strong>r Gruppe vorstellen:<br />
• In welchen Situationen trat die erste Angstattacke / überwertige Angst auf?<br />
Häufige Antworten waren: Angst in Menschenmengen, vor <strong>de</strong>m Fahrstuhl, beim<br />
Zugfahren, beim Autofahren, vor <strong>de</strong>m Einkaufen, vor Brücken<br />
• Wie waren meine damaligen Lebensumstän<strong>de</strong>?<br />
Es wur<strong>de</strong> häufig Stress bei <strong>de</strong>r Arbeit und Überbelastung angeführt.<br />
• Gab es beson<strong>de</strong>re Ereignisse o<strong>de</strong>r Belastungen in <strong>de</strong>r Zeit vor <strong>de</strong>r ersten<br />
Angstattacke / überwertigen Angst?<br />
Dabei wur<strong>de</strong> vor allem <strong>de</strong>r Zwang, immer funktionieren zu müssen, genannt.<br />
Allerdings konnten die meisten Patienten diese Frage nicht sehr gut beantworten. Oft<br />
wussten sie keine beson<strong>de</strong>ren Ereignisse, die <strong>de</strong>r Angstattacke vorausgegangen waren.<br />
25
Anschließend wur<strong>de</strong>n Punkte zu auslösen<strong>de</strong>n Faktoren <strong>de</strong>r Angstattacken am Flipchart<br />
gesammelt:<br />
� Angst unangenehm aufzufallen<br />
� Angst vor Kontrollverlust<br />
� Angst zu sterben<br />
� Angst vor <strong>de</strong>m Leben<br />
� Angst nicht funktionieren zu können<br />
� Stress<br />
� Ungelöste Beziehungskonflikte<br />
In <strong>de</strong>r zweiten Sitzung sollten die Patienten sich einen „Angstkuchen“ backen, <strong>de</strong>r schließlich<br />
ungefähr wie folgt aussah:<br />
Im Anschluss wur<strong>de</strong>n die Stichworte systematisiert. Ich gebe nur einen kurzen Ausschnitt, um<br />
die Glie<strong>de</strong>rung darzustellen:<br />
Körperliche<br />
Symptome<br />
Angst zu sterben<br />
Herzklopfen<br />
Schweißausbrüche Zittern<br />
Tunnelblick<br />
Gedanken/ Bil<strong>de</strong>r Verhalten Gefühle<br />
Schwin<strong>de</strong>l Ich falle um. Weglaufen Traurigkeit<br />
Schweißausbrüche Ich sterbe. Telefonieren Min<strong>de</strong>rwertigkeitsgefühl<br />
Herzklopfen Du blö<strong>de</strong> Angst, geh’<br />
weg!<br />
Kontrollverlust<br />
Angst verrückt zu<br />
wer<strong>de</strong>n<br />
Min<strong>de</strong>rwertigkeitsgefühle<br />
Atemnot Bo<strong>de</strong>nverlust<br />
Gänsehaut Hilflosigkeit<br />
Medikamente Wut<br />
26
Hyperventilation Ich muss raus! festklammern Hilflosigkeit<br />
Abschließend wur<strong>de</strong> festgestellt, dass zu einer Angstattacke immer körperliche Symptome,<br />
bestimmte Gedanken und Verhalten gehören. Gefühle – außer <strong>de</strong>r Angst – können sein,<br />
müssen aber nicht. Die Patienten sollten systematisch eine Situation anhand dieser Bereiche<br />
darstellen. Die meisten wählten das Autofahren.<br />
Ein Patientenbeispiel:<br />
Eine bestimmte Situation (Ort, beteiligte Personen, weitere wichtige Merkmale):<br />
Autofahrt zum Einkaufen, es geht durch einen Tunnel.<br />
Welche körperlichen Empfindungen habe ich?<br />
Herzklopfen<br />
Schwin<strong>de</strong>l<br />
Tunnelblick<br />
Die Strasse verschwimmt vor <strong>de</strong>n Augen<br />
Welche Gedanken gehen mir durch <strong>de</strong>n Kopf?<br />
Ich muss sofort anhalten!<br />
Ich rase gegen die Tunnelwand!<br />
Ich wer<strong>de</strong> eine Massenkarambulage verursachen!<br />
Wie verhalte ich mich in dieser Situation?<br />
Fahre an <strong>de</strong>n Straßenrand und rufe meinen Freund an.<br />
Welche Gefühle sind außer <strong>de</strong>r Angst vorhan<strong>de</strong>n?<br />
Erleichterung durch das Telefonat.<br />
Als Hausaufgabe bekamen die Patienten auf, ihre allgemeinen Ziele (wie zum Beispiel:<br />
selbständig zu wer<strong>de</strong>n) in konkrete Ziele aufzuschlüsseln (zum Beispiel: alleine in <strong>de</strong>n<br />
Supermarkt zu gehen, alleine Zug zu fahren, ohne Begleitung in die Stadt zu gehen etc.)<br />
In <strong>de</strong>r dritten Sitzung wur<strong>de</strong> die „Ziel-Liste“ besprochen. Einige allgemeine Ziele waren:<br />
� Eigene Entscheidungen treffen<br />
� Tun-und-lassen, was ich will<br />
� Angst vor <strong>de</strong>r Angst verlieren<br />
� Gelassenheit<br />
� Selbstsicherheit<br />
� Selbstbewusstsein<br />
� Selbstvertrauen<br />
Konkrete Ziele <strong>de</strong>r Teilnehmerinnen waren:<br />
� Alleine im Supermarkt einkaufen<br />
� Alleine Zug fahren<br />
� Ohne Begleitung in die Stadt gehen<br />
� Autofahren<br />
� An Familienfeiern teilnehmen<br />
27
� An geschäftliche Besprechungen teilnehmen<br />
� Essengehen, Konzerte besuchen, Kinobesuch<br />
� Gon<strong>de</strong>lfahren<br />
� Alleine im Wald spazieren gehen<br />
� Auf Türme steigen<br />
� Fliegen<br />
� Es in Menschenmengen aushalten<br />
An einem Patientenbeispiel wur<strong>de</strong> das typische Verhalten (und die damit<br />
zusammenhängen<strong>de</strong>n Katastrophengedanken) besprochen:<br />
Angstsituation:<br />
Kaufhaus an <strong>de</strong>r Kasse (Schlange) � Enge in <strong>de</strong>r Brust, schnelle Atmung� Wie lange dauert das noch?<br />
� noch nervöser, Verlust <strong>de</strong>s Bo<strong>de</strong>ns unter <strong>de</strong>n Füßen � Ich will raus! Ich kippe um. Ich sterbe!<br />
1) � Abhauen an die frische Luft, nach 5-10 Minuten normalisiert sich die Atmung, alle Symptome<br />
wer<strong>de</strong>n besser<br />
2) � auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n setzen, peinlich � umfallen � sterben<br />
Im Anschluss wur<strong>de</strong> darüber diskutiert, was an dieser Reaktion auffallend ist. Die Patienten<br />
stellten fest, dass die negative Bewertung stark hervorsticht. Die Seminarleiterin erklärte, dass<br />
sich die Angstattacke durch Gedanken ankündigt. Die Patienten nehmen körperliche<br />
Symptome war und diese wer<strong>de</strong>n gleichgesetzt mit Gefahr. Es han<strong>de</strong>lt sich um einen<br />
spiralförmigen Prozess, <strong>de</strong>r sich dann zur Panikattacke ausweitet.<br />
Anhand eines Schaubil<strong>de</strong>s wur<strong>de</strong>n nun die physiologischen Grundlagen einer Angstattacke<br />
erklärt. Es wur<strong>de</strong> betont, dass <strong>de</strong>r Unterschied zu normalen, schnellen Reaktionen – wie<br />
beispielsweise beim Bremsen – vor allem in <strong>de</strong>r Bewertung <strong>de</strong>r körperlichen Symptome<br />
bestün<strong>de</strong>.<br />
Es wur<strong>de</strong> ein typischer Angstkreislauf beschrieben. Ich möchte ihn nicht aufzeichnen, da er<br />
<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Sozialen Phobie ähnelt. Er hat dieselben Eckpunkte:<br />
� Auslöser<br />
� Wahrnehmung<br />
� Gedanken<br />
� Bewertung<br />
� Angst<br />
� Flucht/ Vermeidung<br />
� Körperliche Beschwer<strong>de</strong>n<br />
Zu diesem Kreislauf bekamen die Patienten die Aufgabe zu beschreiben, was ihrer Meinung<br />
nach passieren wür<strong>de</strong>, wenn sie auf das Vermeidungsverhalten verzichten wür<strong>de</strong>n. Sie sollten<br />
also ihren persönlichen Teufelskreis darstellen.<br />
Dann fand ein thematischer Wechsel statt. Es wur<strong>de</strong> das Thema „Stress“ behan<strong>de</strong>lt. Es wur<strong>de</strong><br />
erklärt, dass das Ausgangsniveau, d.h. die Grundanspannung, bei <strong>de</strong>r Entstehung einer<br />
Angstattacke eine Rolle spielt. Dabei beschrieben alle Patienten ihre Grundanspannung als<br />
enorm hoch (60-80%). (Meine eigene Anspannung in dieser Stun<strong>de</strong> lag bei unter 10%, ich<br />
war – ehrlich gesagt – eher sehr mü<strong>de</strong>. Nur so, zum Vergleich!) Die Patienten sollten in <strong>de</strong>r<br />
Folgezeit immer mal wie<strong>de</strong>r überlegen, wie hoch ihre eigene Grundanspannung so ist. Als<br />
28
Grundlage für die anstehen<strong>de</strong>n Expos sollten die Patienten einen Fragebogen mit<br />
Angstauslösen<strong>de</strong>n Situation auf einer Skala von 0 (gar nicht) bis 4 (extreme Angst) ausfüllen.<br />
In <strong>de</strong>r vierten Sitzung wur<strong>de</strong>n Patientenbeispiele zu <strong>de</strong>n persönlichen Teufelskreisen<br />
besprochen und alternative Handlungsmöglichkeiten durchgespielt.<br />
Patientenbeispiel:<br />
Aben<strong>de</strong>ssen mit Freun<strong>de</strong>n � nervös, zappelig, Schwin<strong>de</strong>l � Was wer<strong>de</strong>n die an<strong>de</strong>ren Denken?<br />
Reaktion 1. � Flucht<br />
Reaktion 2. � Kontrollverlust (verrückt wer<strong>de</strong>n)<br />
Nach <strong>de</strong>r Besprechung <strong>de</strong>r Teufelskreise wur<strong>de</strong> das Thema: „Körperliche Beschwer<strong>de</strong>n“<br />
besprochen. Die Patienten mussten ihre körperlichen Symptome in einer Angstattacke auf<br />
einer Skala von 0 (unbe<strong>de</strong>nklich) bis 6 (sehr bedrohlich) bewerten. Der Summenscore wur<strong>de</strong><br />
am Flipchart aufgeschrieben.<br />
Anschließend wur<strong>de</strong> eine praktische Übung gemacht: Hyperventilation. Dann wur<strong>de</strong>n kurz<br />
die körperlichen Folgen einer Hyperventilation dargestellt. Die Patienten wur<strong>de</strong>n dann<br />
aufgefor<strong>de</strong>rt, 30 Kniebeugen zu machen und dann Kopf und Arme schnell auf und ab zu<br />
bewegen. Sie sollten nun die begleiten<strong>de</strong>n körperlichen Beschwer<strong>de</strong>n auf ihre Be<strong>de</strong>nklichkeit<br />
nach obigem Muster beurteilen. Der Summenscore hatte sich bei allen stark reduziert (zum<br />
Teil um die Hälfte). Dadurch sollte <strong>de</strong>n Patienten plastisch vor Augen geführt wer<strong>de</strong>n, dass<br />
<strong>de</strong>r Unterschied in <strong>de</strong>r Bewertung <strong>de</strong>r Symptome liegt. Als Hausaufgabe sollten die Patienten<br />
zur nächsten Sitzung min<strong>de</strong>stens dreimal eine Hyperventilationsübung machen. Außer<strong>de</strong>m<br />
sollten sie sich sportlich betätigen, um zu sehen, dass dabei ähnliche (harmlose) Symptome<br />
entstehen können.<br />
In <strong>de</strong>r fünften Sitzung ging es um Sicherheitsverhalten. Anhand einer kleinen Anekdote<br />
wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Patienten klargemacht, dass ihr Sicherheitsverhalten ihnen zwar vorgaukelt, dass<br />
die Angst besser zu ertragen sei, die Angst dadurch aber nur verlängert wür<strong>de</strong>. Es wur<strong>de</strong><br />
typisches Sicherheitsverhalten <strong>de</strong>r Gruppe gesammelt (z.B. Handy haben, sprechen,<br />
bewusstes Atmen, Fluchtwege offen halten, etc.). Es wur<strong>de</strong> betont, wie wichtig es sei, dass<br />
eigene Sicherheits- und Vermeidungsverhalten zu kennen, um es dann bewusst zu unterlassen.<br />
Anhand einer Graphik wur<strong>de</strong> dargestellt wie die Angstbewältigungstherapie wirken kann und<br />
welche Leistung die Patienten dabei zeigen müssen.<br />
29
100<br />
0<br />
Die rot gestrichelte Linie symbolisiert die Befürchtungen <strong>de</strong>r Patienten, dass es zum Kollaps<br />
kommt (Herzinfarkt, Tod, etc.). Die Leiterin machte <strong>de</strong>utlich, dass es dieses über 100 % nicht<br />
geben wür<strong>de</strong>. Die blaue Linie zeigt das Resultat, wenn man sich <strong>de</strong>r Angst ohne<br />
Sicherheitsverhalten aussetzten wür<strong>de</strong>. Kurzfristig wür<strong>de</strong>n massive Ängste entstehen, dann<br />
aber schnell abfallen. Genau dies wür<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Expositionen auch gemacht. Die Patienten<br />
fragten dann, wie es sein könne, dass die Angst bei ihnen so lange anhalten wür<strong>de</strong>. Die grüne<br />
Linie zeigt, wie das Vermeidungsverhalten dazu führt, das die Anspannung auf einem hohen<br />
Niveau bestehen bleibt.<br />
Der „neue Weg durch die Angst“ wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Patienten am Flipchart vorgestellt:<br />
drin bleiben Konsequenzen<br />
nicht vermei<strong>de</strong>n kurzfristig negativ -<br />
aushalten langfristig positiv +<br />
alles zulassen<br />
alles akzeptieren<br />
Danach wur<strong>de</strong> gemeinsam die „Kurzanleitung für die Teilnahme an en Expositionen“ gelesen,<br />
die folgen<strong>de</strong> Punkte enthält:<br />
• Lassen Sie alle aufkommen<strong>de</strong>n Ängste und Gefühle zu.<br />
• Beobachten und beschreiben Sie sich selbst die Wirklichkeit. Was nehmen Sie in <strong>de</strong>r<br />
Umgebung wahr, was nehmen Sie körperlich wahr?<br />
• Versuchen Sie nicht, Ihre Angst zu unterdrücken o<strong>de</strong>r zu vermei<strong>de</strong>n.<br />
30
• Wenn die Situation Ihnen unerträglich scheint, so geben Sie sich noch weitere 10<br />
Sekun<strong>de</strong>n, um in <strong>de</strong>r Situation zu bleiben. Fahren Sie mit <strong>de</strong>r Beschreibung <strong>de</strong>r<br />
äußeren und inneren Wirklichkeit fort.<br />
• Bleiben Sie solange in <strong>de</strong>r Situation, bis Sie spüren, dass die Angst <strong>de</strong>utlich<br />
nachgelassen hat.<br />
Schließlich wur<strong>de</strong>n die Patienten nochmals eindringlich darauf hingewiesen, dass dies die<br />
einzige Metho<strong>de</strong> sei, die Angst zu verlieren, dass es aber auch seien könne, dass die Krankheit<br />
zum jetzigen Zeitpunkt noch zu viele Vorteile mit sich bringen wür<strong>de</strong>. Die Patienten sollten<br />
nun entschei<strong>de</strong>n, ob sie an <strong>de</strong>n zwei Expositionstagen teilnehmen wollen o<strong>de</strong>r nicht. Ein<br />
Patient war sich <strong>de</strong>ssen nicht mehr sicher, alle an<strong>de</strong>ren waren ängstlich-motiviert, ihre Angst<br />
zu verlieren.<br />
Zwei volle Tage waren jeweils geplant für die Expositionen. Am ersten Expotag fuhren wir<br />
nach München. Schon die Zugfahrt stellte für einige Patienten eine Herausfor<strong>de</strong>rung da. Je<strong>de</strong>r<br />
sollte sich allein in ein Abteilung setzten, je nach <strong>de</strong>m, was schwieriger war, in ein überfülltes<br />
Abteil o<strong>de</strong>r ein leeres. Die Patienten waren alle sehr angespannt, da ihnen bewusst nicht<br />
mitgeteilt wur<strong>de</strong>, wie genau die Tage ablaufen wür<strong>de</strong>n. Während <strong>de</strong>r Fahrt kritisierte die<br />
Leiterin mich massiv. Sie sagte, sie sei erstaunt, dass ich so wenig Fragen gestellt habe. Ich<br />
war sehr <strong>de</strong>primiert und kam mir vor, als sei ich eine schlechte Praktikantin. Der Grund,<br />
warum ich wirklich wenig Fragen gestellt hatte, war, dass die Leiterin von einer Patientin, die<br />
sie mit Fragen gelöchert hatte, so genervt war. Ich wollte nicht noch eine zusätzliche<br />
Belastung sein. Ihre Kritik belastet mich so stark, dass ich mich am Abend hinsetzte und das<br />
in DBT Gelernte anwandte und <strong>de</strong>n Gedanken, ich sei eine schlechte Praktikantin, pro und<br />
contra abwog, um schließlich <strong>de</strong>n alternativen Gedanken zu formulieren, dass ich vielleicht in<br />
ABT eine eher schlechte Praktikantin war, aber über das halbe Jahr verteilt sehr fleißig war.<br />
Am Hauptbahnhof angekommen wur<strong>de</strong>n die Patienten nach ihrer Anspannung gefragt, auf<br />
einer Skala von 0 % bis 100 % erreichten fast alle etwa 80 %. Schließlich fuhren wir mit <strong>de</strong>r<br />
U-Bahn zum Marienplatz. Die Enge <strong>de</strong>r Abteile und die Unmöglichkeit einer Flucht ließ die<br />
allgemeine Anspannung noch hochschnellen. Die erste Übung bestand in <strong>de</strong>r Besteigung <strong>de</strong>s<br />
„Alten Peters“, eines Turmes, <strong>de</strong>r etwa 300 Stufen hat. Die Patienten wur<strong>de</strong>n jeweils allein<br />
hoch geschickt. Zuvor wur<strong>de</strong> die Angst noch angestachelt. Die Patienten sollten eine<br />
Panikattacke erleben, um zu sehen, dass, wenn sie diese ohne Sicherheitsverhalten<br />
durchstehen, die Angst langsam abflacht. Alle Teilnehmer stellten sich ihrer Angst. Oben<br />
angelangt mussten sie eine ganze Weile in die Tiefe schauen. Alle Patienten waren – wie<strong>de</strong>r<br />
auf sicherem Bo<strong>de</strong>n angekommen – stolz auf sich.<br />
Die anschließen<strong>de</strong> Mittagspause hatten sich die mü<strong>de</strong>n Patienten verdient. Einige waren nach<br />
<strong>de</strong>m ersten Erfolgserlebnis so motiviert, dass sie ihre nächsten Aufgaben selbst bestimmten.<br />
Eine Patient mit Schlangenphobie wollte in <strong>de</strong>n Münchner Zoo gehen und sich dort an die<br />
Schlangenfenster lehnen, ein an<strong>de</strong>rer Patient, <strong>de</strong>r schreckliche Angst vor <strong>de</strong>m U-Bahn fahren<br />
hatte, wollte allein durch München fahren und anschließend in ein Kaufhaus gehen – was er<br />
ebenfalls seit Jahren nicht getan hatte. Ich begleitete eine Patientin, die schreckliche Angst<br />
davor hatte, durch eine Ohnmacht blamiert zu wer<strong>de</strong>n, und musste ihr laut zurufen. Sie selbst<br />
stellte aber bald fest, dass ihr dies keine Angst machen wür<strong>de</strong>. Deshalb gingen wir zur<br />
Hyperventilationsübung in Menschenmassen über, da sie diese bereits als sehr unangenehm<br />
erlebt hatte. Dann sollte sie sich eine Stun<strong>de</strong> allein in ein Kaffee setzten. Nach einer<br />
Dreiviertelstun<strong>de</strong> kam ich zu ihr zurück und befragte sie zu ihrer Angst. Dabei stellte sie fest,<br />
dass die Angst nicht allzu groß sei, da sie wusste, dass sie die Möglichkeit hatte, je<strong>de</strong>rzeit zu<br />
gehen. An<strong>de</strong>rerseits kamen sehr viele Trauergefühle bei ihr hoch. Im Gespräch wur<strong>de</strong><br />
31
<strong>de</strong>utlich, dass, wenn die Angst geht, unerträgliche Trauer hochkommt und dass sie diese nicht<br />
zulassen kann. Sie hat durch ihren Vater immer gelernt Gefühle zu unterdrücken. Außer<strong>de</strong>m<br />
hat sie ja gar kein Recht traurig zu sein. Diese Gefühle passten absolut nicht in ihr<br />
„Selbstkonzept“ (um einmal einen gesprächstherapeutischen Ausdruck zu verwen<strong>de</strong>n). Ich<br />
habe mich bemüht, sie darin zu bestärken, dass diese Gefühle sein dürfen und dass es sich<br />
dabei nicht um eine „Schwäche“ han<strong>de</strong>lt, wie sie immer wie<strong>de</strong>r betonte. Anschließend<br />
wur<strong>de</strong>n die Erfahrungen <strong>de</strong>r Teilnehmer gemeinsam besprochen. Fast alle waren sehr stolz<br />
auf ihre Leistungen. Dann durfte je<strong>de</strong>r noch eine Stun<strong>de</strong> in München umherbummeln und<br />
schließlich fuhren wir gemeinsam zurück.<br />
Die nächste Exposition begann mit einer 1 ½ stündigen Autofahrt zur „Lambrechtshöhle“.<br />
Meine Erwartungen wur<strong>de</strong>n allerdings enttäuscht. Ich hatte eine sehr enge und dunkle Höhle<br />
erwartet. Diese war in<strong>de</strong>s sehr groß (und auch sehr ästhetisch) und hatte wie<strong>de</strong>r viele Stufen,<br />
mit <strong>de</strong>nen man eine beträchtliche Höhe erreichte. Den vorangegangenen Sätzen <strong>de</strong>r Patienten<br />
zufolge hatte ich eigentlich nicht erwartet, dass diese Exposition jeman<strong>de</strong>n in die Angst<br />
treiben wür<strong>de</strong>. Die meisten begannen mit einer Anspannung von 40 %. Eine Patientin<br />
erreichte jedoch eine enorme Anspannung, als sie an <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>r Höhle stand. Die<br />
Patienten mussten dann <strong>de</strong>n Weg aus <strong>de</strong>r Höhle allein wie<strong>de</strong>r zurückgehen, um dann noch<br />
einmal allein hineinzugehen. Auch hier berichteten alle von sinken<strong>de</strong>r Anspannung. Dann<br />
fuhren wir noch zu einer Brücke, wo die Patienten sich ihrer Höhenangst abermals stellen<br />
mussten. Jetzt schien es wirklich kaum noch jeman<strong>de</strong>m etwas auszumachen. Insgesamt<br />
bewerteten fast alle Patienten die Expositionen als Erfolg. Eine Ausnahme stellte die Patient<br />
dar, die ich begleitet hatte. Sie sagte, dass sie gar nicht bis zur großen Panik gekommen sei<br />
und dass sie nicht stolz auf sich sein könne, son<strong>de</strong>rn nur traurig sei. Sie weinte.<br />
In <strong>de</strong>r sechsten Sitzung wur<strong>de</strong>n die Expositionen nachbesprochen: Was war das Wichtigste<br />
bei <strong>de</strong>n Expos? Wur<strong>de</strong>n noch weitere Vermeidungsstrategien ent<strong>de</strong>ckt? Die meisten<br />
Teilnehmer fühlten sich gelöst, einige sprachen sogar davon, dass sie sich „frei fühlen“<br />
wür<strong>de</strong>n. Es wur<strong>de</strong> nochmals graphisch <strong>de</strong>utlich gemacht, wie die Angst nachlässt. Außer<strong>de</strong>m<br />
wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Patienten erzählt, dass dadurch, dass man sich <strong>de</strong>r Angst aussetzt, auch die<br />
Grundanspannung insgesamt nachlassen wür<strong>de</strong>, was wie<strong>de</strong>rum dazu führt, dass Panikattacken<br />
nicht mehr so häufig auftreten wür<strong>de</strong>n. Ähnlich wie in DBT wur<strong>de</strong> kurz auf <strong>de</strong>m Umgang mit<br />
Erfolg eingegangen. Es wur<strong>de</strong>n Erfolgsverstärker und –ver<strong>de</strong>rber i<strong>de</strong>ntifiziert und<br />
besprochen. Dann wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich angesagt, dass es jetzt darum geht, auf <strong>de</strong>m<br />
eingeschlagenen Weg weiterzugehen und so viele Expositionen selbst zu machen wie<br />
möglich. Die Patienten sollten auf einen Zielebogen ihre nächsten Expositionen aufschreiben,<br />
d.h. mit Tag und Zeit, und sich damit selbst in die Pflicht nehmen.<br />
In <strong>de</strong>r letzten Sitzung ging es noch einmal um Katastrophengedanken. Den Patienten wur<strong>de</strong><br />
vor Augen geführt, wie sich die Katastrophengedanken im Zuge <strong>de</strong>r Expositionserfahrung<br />
verän<strong>de</strong>rt haben. Dann wur<strong>de</strong> anhand eines Patientenbeispiels durchgegangen, wie sich solche<br />
Gedanken umstrukturieren lassen. Dabei wur<strong>de</strong>n dieselbe Metho<strong>de</strong> wie in <strong>de</strong>r DBT<br />
angewandt, weshalb ich sie hier nicht noch einmal beschreiben möchte. Die Patienten<br />
bekamen Blätter zum Thema „Wie geht es weiter?“, auf <strong>de</strong>nen ein weiteres Mal darauf<br />
hingewiesen wur<strong>de</strong>, wie wichtig das ständige Üben ist. Dann wur<strong>de</strong>n die allgemeinen Ziele<br />
anhand eines Flipcharts nochmals ver<strong>de</strong>utlicht:<br />
� Stellen Sie sich Ihren Ängsten und nehmen Sie die körperlichen und seelischen<br />
Reaktionen an.<br />
� Arbeiten Sie nicht gegen die Angst, son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>r Angst!<br />
32
� Sie haben erlebt, dass die körperlichen Reaktionen nachlassen, wenn Sie sich <strong>de</strong>r<br />
Angstsituation aussetzten.<br />
� Wer<strong>de</strong>n Sie Meister in <strong>de</strong>r Bewältigung Ihrer Angst!<br />
Ein Patient lächelte über diese Regeln und sagte, dass er dies in <strong>de</strong>r Theorie durchaus auch<br />
vorher gewusst habe, aber die Erfahrungen <strong>de</strong>r Expositionen seien eine Grundvoraussetzung,<br />
um diese Regeln annehmen zu können. Er war zutiefst zufrie<strong>de</strong>n und blickte sehr positiv in<br />
die Zukunft.<br />
Die letzte Gruppe, die ich in meiner Zeit in <strong>de</strong>r Klinik Roseneck besuchen durfte, war die sog.<br />
ZBT-Gruppe, die Zwangsbewältigungsgruppe. Auch diese Gruppe beruht auf <strong>de</strong>r<br />
kognitiven Verhaltenstherapie und hat aufgrund <strong>de</strong>ssen Überschneidungen mit an<strong>de</strong>ren<br />
Gruppen, weshalb ich bestimmte Bereiche verhältnismäßig kurz abhan<strong>de</strong>ln möchte. Auch das<br />
Verlesen <strong>de</strong>s Protokolls wer<strong>de</strong> ich im Folgen<strong>de</strong>n nicht mehr erwähnen. In <strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n<br />
Sitzungen wur<strong>de</strong>n die Zwänge <strong>de</strong>r Teilnehmer besprochen, Gemeinsamkeiten gesucht und<br />
gefun<strong>de</strong>n und das <strong>de</strong>rzeitige Wissen über Zwangserkrankungen verlesen. Die beschriebenen<br />
Zwänge waren klassisch: Kontrollzwang, Waschzwang und Planungszwang. Eine Patientin<br />
hatte einen, ich will es mal, „Einprägungszwang“ nennen, sie musste immer wissen, wie alles<br />
aussah, was sie vergessen hatte, was dazu führte, dass sie Gebäu<strong>de</strong> und Fenster stun<strong>de</strong>nlang<br />
beobachten musste. Am Wichtigsten erschien mir in diesen Stun<strong>de</strong>n das Prozessmo<strong>de</strong>ll für<br />
Zwangserkrankungen, dass – ähnlich wie in Sozphop und ABT – die auslösen<strong>de</strong> Situation, die<br />
Gedanken, die Bewertung, die Angst/Anspannung, <strong>de</strong>n Drang und dann die Entstehung <strong>de</strong>r<br />
Zwangsgedanken und – handlungen beschreibt. Als Hausaufgabe sollten die Patienten<br />
Protokolle über ihre Zwänge führen, auf <strong>de</strong>ren Grundlage später auch die Hierarchie erstellt<br />
wer<strong>de</strong>n sollte.<br />
Die Zwangsprotokolle wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r dritten Sitzung in Vierer-Gruppen besprochen. Dabei<br />
wur<strong>de</strong> das Augenmerk auf die Bewertung gelegt und sichergestellt, dass alle ihre Zwänge in<br />
dieses Schema einfügen konnten. Es wur<strong>de</strong> gesammelt, welche Vorteile Zwänge haben und<br />
betont, dass diese ersetzt wer<strong>de</strong>n müssen (z.B. Beschäftigung, Zuwendung, Vermeidung), um<br />
wirklich die Zwänge verlassen zu können. Als Hausaufgabe sollten sich die Patienten<br />
Gedanken dazu machen, was sie statt<strong>de</strong>ssen tun wollen. Außer<strong>de</strong>m sollten sie das Papier<br />
„Funktionsblatt Zwänge“ ausfüllen, um sich über ihre persönlichen Vorteile noch einmal klar<br />
zu wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r vierten Sitzung wur<strong>de</strong> das Arbeitsblatt diskutiert. Zu<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> die<br />
Grundlage <strong>de</strong>r Exposition erklärt, mit <strong>de</strong>r gleichen „Spannungskurve“ wie im ABT-Kurs.<br />
Anschließend ging es um die klassischen Vermeidungsstrategien (zeitliche/ räumliche<br />
Verschiebung, Reiz vermei<strong>de</strong>n/ ignorieren, Ablenkung, Verantwortung abgeben,<br />
Gedankenablenkung, Absicherung bei an<strong>de</strong>ren). Es wur<strong>de</strong> darauf hingewiesen, dass diese<br />
Strategien <strong>de</strong>m Erfolg <strong>de</strong>r „Reizkonfrontation“ entgegenstehen. Als Hausaufgabe sollten sie<br />
eine Symptomhierarchie aufstellen, auf <strong>de</strong>ren Grundlage die späteren Expositionen stattfin<strong>de</strong>n<br />
sollten. In <strong>de</strong>r fünften Sitzung wur<strong>de</strong>n die Hierarchien in Vierer-Gruppen besprochen. Ich<br />
gebe ein Patientenbeispiel:<br />
100 % :<br />
• Geldbeutel o<strong>de</strong>r Schlüssel verlieren<br />
• Türen, Fenster, Lichtschalter kontrollieren<br />
• Haarshampoo, Deo wie<strong>de</strong>rholt lesen, kontrollieren<br />
• Ordnungszwang<br />
Mit <strong>de</strong>m Patienten wird folgen<strong>de</strong> Expo gemacht: Er muss sich duschen und darf sein<br />
Shampoo nicht lesen. Anschließend wur<strong>de</strong> im großen Plenum noch mal darauf hingewiesen,<br />
33
dass <strong>de</strong>r Zwang ab <strong>de</strong>m Expo-Tag nie wie<strong>de</strong>r ausgeführt wird und dass man in Eigenregie die<br />
nächsten Expos planen muss, wenn die Anspannung <strong>de</strong>r ersten nachlässt. In <strong>de</strong>r sechsten und<br />
letzten theoretischen Sitzung wur<strong>de</strong>n die zwei Strategien zur Behandlung von<br />
Zwangserkrankungen in <strong>de</strong>r Verhaltenstherapie besprochen:<br />
• Kognitive Umstrukturierung: Dabei geht es darum, die Wahrscheinlichkeit auf das<br />
richtige Maß zu bringen, da Zwangspatienten die Wahrscheinlichkeit von zum<br />
Beispiel Brandgefahr <strong>de</strong>utlich überschätzen<br />
• Expositions-Strategie: Das durchaus vorhan<strong>de</strong>ne Restrisiko und die damit<br />
einhergehen<strong>de</strong>n Gefühle wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Exposition ausgehalten.<br />
Die Exposition fan<strong>de</strong>n ausschließlich in <strong>de</strong>r Klinik Roseneck statt, wobei je<strong>de</strong>r Patient einzeln<br />
betreut wur<strong>de</strong>. Eine sehr zwanghafte Patientin musste erstmals ihre Bücher „verkehrt herum“<br />
hinstellen, eine an<strong>de</strong>re musste die öffentlichen Toiletten <strong>de</strong>r Klinik benutzen und eine weitere<br />
Patientin musste die Zeitungsüberschriften lesen und sie anschließend wegwerfen und nicht<br />
sammeln. Es wur<strong>de</strong> darauf geachtet, dass die Anspannung ihr Maximum erreichen wür<strong>de</strong>.<br />
Insgesamt waren die meisten Expositionen begrenzt erfolgreich. Das exponierte Verhalten<br />
wur<strong>de</strong> verän<strong>de</strong>rt. Fraglich bleibt, ob die Patienten das Verhalten auf weitere problematische<br />
Bereiche generalisieren können und wer<strong>de</strong>n.<br />
3.3 Medizinische Behandlung<br />
In <strong>de</strong>r Klinik Roseneck ist eine 24-Stun<strong>de</strong>n-Betreuung durch erfahrene Ärzte mit<br />
Fachqualifikationen auf <strong>de</strong>n Gebieten <strong>de</strong>r Neurologie, Psychiatrie/ Psychotherapie,<br />
Psychosomatischen Medizin, Inneren Medizin, Dermatologie und Allgemeinmedizin<br />
gegeben. Darüber hinaus erfolgen zusätzliche diagnostische und therapeutische Maßnahmen<br />
durch Konsiliarärzte aller medizinischen Fachgebiete bei entsprechen<strong>de</strong>r medizinischer<br />
Notwendigkeit. Die Medizinische Zentrale, genannt MZ, habe ich vor allem durch das Hin-<br />
und Hertransportieren von Akten kennen gelernt. Hier wer<strong>de</strong>n die medizinischen Akten<br />
gelagert, die die Bedarfsmedikationen enthalten. Ten<strong>de</strong>nziell gilt die Klinik Roseneck nicht<br />
als eine Klinik, die viele Medikamente verschreibt, aber zum Teil fin<strong>de</strong>t eine therapeutische<br />
Unterstützung bei Depressionen o<strong>de</strong>r Zwangserkrankungen mit Selektiven Serotonin<br />
Reuptake Inhibitoren (SSRI) statt.<br />
34
3.4 Sport- und Bewegungstherapie<br />
Die Sport- und Bewegungstherapie soll die körperlichen Fähigkeiten wie Kraft, Ausdauer,<br />
Beweglichkeit und Koordination för<strong>de</strong>rn, um wie<strong>de</strong>r Vertrauen in die eigene<br />
Leistungsfähigkeit zu erwerben. Die Übungen zielen darauf ab, Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Bewegung und<br />
am eigenen Körper (wie<strong>de</strong>r-) zu ent<strong>de</strong>cken. Zum Angebot gehören zum Beispiel Frühsport,<br />
verschie<strong>de</strong>ne Gymnastiken (u.a. Wirbelsäulengymnastik, Hockergymnastik,<br />
Beckenbo<strong>de</strong>ngymnastik, Wassergymnastik). Diese Bereiche waren allerdings eher <strong>de</strong>n<br />
Sportpraktikanten vorbehalten. An diesem Angebot habe ich nicht teilgenommen.<br />
Bei <strong>de</strong>n körpererfahrungsorientierten Gruppen wer<strong>de</strong>n Bewegungstherapie sowie<br />
Atemtherapie angeboten. Diese Therapieansätze nutzen <strong>de</strong>n Körper und die Bewegung als<br />
Ausgangspunkt und Medium für eine ganzheitliche Therapie. An diesen Gruppen habe ich –<br />
wenn es die Zeit zuließ – teilgenommen. Es wur<strong>de</strong>n Übungen wie zum Beispiel<br />
Umgebungswahrnehmungen gemacht (<strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n zu spüren, die Gerüche im Wald<br />
wahrnehmen, etc.). Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> u.a. das Vertrauen und Fallenlassen geübt. So mussten<br />
die Patienten einmal die Augen schließen und sich von einem Partner führen lassen. Dabei<br />
wur<strong>de</strong>n sie angehalten, Bäume zu berühren, an Moos zu riechen, Steine und Stöcke<br />
35
anzufassen und bei geschlossenen Augen die Welt an<strong>de</strong>rs zu erfahren. In einer an<strong>de</strong>rn Sitzung<br />
mussten sie beispielsweise gymnastische Streckübungen machen. Der Leiter erklärte mir, dass<br />
sich das Angebot je nach Patientengruppen richten wür<strong>de</strong>. Bei Essgestörten müsste man ein<br />
an<strong>de</strong>res Programm absolvieren als zum Beispiel bei Depressiven. So ging es bei Essgestörten<br />
stärker um Körperwahrnehmung und Körperakzeptanz.<br />
3.5 Gestaltungstherapie<br />
In dieser Therapie soll die eigene Kreativität als ein wichtiges Potential neu erlebt wer<strong>de</strong>n.<br />
Durch kreatives Arbeiten mit verschie<strong>de</strong>nen Materialien (z.B. Acrylfarben, Krei<strong>de</strong>,<br />
Fingerfarbe o<strong>de</strong>r Plastizierton) kann <strong>de</strong>r Ausdruck von Gefühlen geübt und erfahren wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Werkbesprechung bietet dann die Möglichkeit, die zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n seelischen<br />
Konflikte bewusst zu machen und zu bearbeiten. Es wird <strong>de</strong>n Patienten keine Interpretation<br />
aufgezwungen! Die Gestaltungstherapie för<strong>de</strong>rt die Fähigkeit <strong>de</strong>r Patienten, ihre Probleme<br />
kennen zu lernen und trägt dazu bei, problemlösen<strong>de</strong> Entwicklungsmöglichkeiten<br />
aufzuzeigen. Künstlerische Fähigkeiten wer<strong>de</strong>n nicht vorausgesetzt und ästhetische Maßstäbe<br />
sind <strong>de</strong>r therapeutischen Arbeit untergeordnet, allerdings kommt es recht häufig zu wirklich<br />
schönen Kunstwerken, die dann auch in <strong>de</strong>r Klinik ausgestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Eine erste Übung für die Patienten ist häufig, das Malen eines „Lebensbaumes“, eines<br />
Baumes, <strong>de</strong>r die eigene Entwicklung darstellt. Dann wird daran häufig weitergearbeitet, ein<br />
Patient hat seinen Baum durch die obige Blattbegrenzung zum Beispiel sehr eingegrenzt. Er<br />
wur<strong>de</strong> aufgefor<strong>de</strong>rt „sich Raum zu schaffen“, in<strong>de</strong>m er einfach ein weiteres Blatt anklebt und<br />
seinen Baum noch wachsen lässt. Ein an<strong>de</strong>rer Patient konnte seinen Lebensbaum nicht<br />
getrennt von seinem kleinen „Sohnbaum“ malen. Er wur<strong>de</strong> aufgefor<strong>de</strong>rt zu malen, was<br />
passiert, wenn bei<strong>de</strong> ganz einzelne Bäume darstellen. Patienten wer<strong>de</strong>n auch häufig<br />
aufgefor<strong>de</strong>rt, ihre gewünschte Entwicklung darzustellen zum Beispiel in Comic-Form. Bei<br />
Essstörungen wer<strong>de</strong>n häufig Körperbil<strong>de</strong>r gemalt, d.h. <strong>de</strong>r Patient muss ihre angenommenen<br />
Körperformen in Echtgröße malen. Anschließend legt sie sich auf das Papier und ihre wahren<br />
Proportionen wer<strong>de</strong>n dargestellt. Diese Übung soll <strong>de</strong>r Körperschemastörung („Body-Image-<br />
Disturbence“) <strong>de</strong>r Patienten entgegenwirken.<br />
36
3.6 Meine I<strong>de</strong>e: Kreatives Schreiben<br />
Ich habe während meiner gesamten Schulzeit Kreative Schreibkurse besucht. Da ich gerne<br />
schreibe und weiß, dass in verfrem<strong>de</strong>ten Geschichten eine ungefährlichere Verarbeitung<br />
persönlicher Erfahrungen möglich ist, habe ich unserem Chefpsychologen Jörg Heuser<br />
vorgeschlagen, auf unserer Station eine AG Kreatives Schreiben anzubieten. Da ich nur<br />
Praktikantin bin, musste ich betonen, dass dies keine therapeutische Veranstaltung sei. Ich bin<br />
jedoch sehr wohl <strong>de</strong>r Meinung, dass die schriftliche Gestaltung von Kurzgeschichten und<br />
Gedichten einen therapeutischen Effekt haben kann. Lei<strong>de</strong>r konnte ich aufgrund <strong>de</strong>r<br />
Umstrukturierungsmaßnahmen zur Essstörungsabteilung erst in <strong>de</strong>n letzten zwei Monaten<br />
meines Praktikums mit <strong>de</strong>m Kurs beginnen. Ich habe im Anschluss ein Manual für sechs<br />
solcher Veranstaltungen geschrieben und es <strong>de</strong>r Klinik in <strong>de</strong>r Hoffnung, sie wer<strong>de</strong>n die I<strong>de</strong>e<br />
vielleicht übernehmen, überlassen. Aus Platzgrün<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong> ich nur ein Beispiel für eine<br />
Kreative Schreibübung mit einer Patientengruppe geben:<br />
Aufgabe:<br />
Erste Stun<strong>de</strong>: Kreatives Schreiben<br />
1) Notieren Sie auf einem Blatt einen männlichen o<strong>de</strong>r weiblichen Vornamen, <strong>de</strong>r Ihnen beson<strong>de</strong>rs gut<br />
gefällt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Sie vielleicht selbst gerne gehabt hätten. (In Klammern dahinter <strong>de</strong>n eigenen<br />
Namen.)<br />
2) Beschreiben Sie unter Punkt 2 nun eine Person, <strong>de</strong>r Sie gern einmal begegnen wür<strong>de</strong>n. Das kann<br />
eine Person sein, die Sie persönlich kennen o<strong>de</strong>r aus Film und Fernsehen. Aber auch aus <strong>de</strong>r<br />
Vergangenheit o<strong>de</strong>r einem Buch o<strong>de</strong>r eine komplett selbst erfun<strong>de</strong>ne Person. Sie müssen nur darauf<br />
achten, dass die an<strong>de</strong>ren Gruppenmitglie<strong>de</strong>r sich Ihre Person vorstellen können.<br />
3) Nun geben Sie Ihren Namen mit <strong>de</strong>r Beschreibung an ihren Nachbarn weiter. Dieser notiert unter<br />
Punkt 3 ein ungewöhnliches Ereignis, durch das ein Treffen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Personen<br />
(Namen/Personenbeschreibung) erschwert wird.<br />
4) Das Blatt wird gefaltet und wird dann in <strong>de</strong>r Gruppe verlost.<br />
5) Sie schreiben jetzt eine Geschichte mit <strong>de</strong>m Titel „Zwei Stun<strong>de</strong>n im Leben <strong>de</strong>s… o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r… Dabei<br />
setzt du <strong>de</strong>n oben genannten Namen ein. Du musst dabei die Angaben auf <strong>de</strong>m erlosten Blatt<br />
unbedingt verwen<strong>de</strong>n.<br />
6) Im Anschluss wer<strong>de</strong>n die Geschichten vorgelesen. Der Namensgeber sollte dann einen kleinen<br />
Kommentar zu folgen<strong>de</strong>n Fragen abgeben:<br />
� Das hätte erstaunlich gut zu mir gepasst, weil…<br />
� Das hätte ich nicht von mir erwartet, weil…<br />
� Das hätte ich bestimmt nie getan o<strong>de</strong>r gedacht, weil…<br />
Es han<strong>de</strong>lte sich meist um 5 bis 7 Patienten, die <strong>de</strong>utlich Freu<strong>de</strong> am Verfassen von Texten<br />
hatten.<br />
37
3.7 Physikalische Therapie und Biofeedback<br />
In <strong>de</strong>r Klinik Roseneck steht eine eigene physiotherapeutische Abteilung zur Verfügung. Zu<br />
ihr hatte ich während meines Praktikums keinen Zugang. Allerdings haben die Patienten<br />
oftmals von <strong>de</strong>m Angebot berichtet. Hier wer<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>ren Aussagen Bä<strong>de</strong>r,<br />
Elektrotherapien, Massagen, Fango-Anwendungen u.a. angeboten.<br />
In einem eigenen Biofeedback-Labor können Zusammenhänge zwischen körperlichen und<br />
psychischen Vorgängen überprüft wer<strong>de</strong>n. Beispielsweise können mit Hilfe von Elektro<strong>de</strong>n<br />
Muskelverspannungen gezielt am Bildschirm eines PC sichtbar gemacht wer<strong>de</strong>n. Hier sollen<br />
Patienten lernen, durch Training die Verspannungen bestimmter Muskelgruppen zu<br />
verringern. Dies gilt beson<strong>de</strong>rs für Schmerzpatienten, da Muskelverspannung und Schmerzen<br />
oft eng zusammenhängen. Am häufigsten wird Biofeedback bei Kopfschmerzen und Migräne<br />
eingesetzt, daneben kann es aber auch bei Angststörungen und Tinnitus sinnvoll eingesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n. Hier durfte ich auch mal zugucken.<br />
4) Therapeutische Behandlung von Essstörungen<br />
In <strong>de</strong>r Klinik Roseneck stehen für die Behandlung von Patienten mit Essstörungen insgesamt<br />
ca. 100 Plätze zur Verfügung. Das therapeutische Angebot für Patienten mit Essstörungen ist<br />
hier beson<strong>de</strong>rs ausgeweitet wor<strong>de</strong>n und stellt einen Schwerpunkt im Behandlungsprogramm<br />
<strong>de</strong>s Hauses dar. Essgestörte Patienten haben oft ausgeprägte Gefühle eigener<br />
Unzulänglichkeit und sind dadurch anfälliger für belasten<strong>de</strong> Ereignisse und chronische<br />
Schwierigkeiten. Häufig besteht auch ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Kontrolle sowie eine<br />
Störung <strong>de</strong>r Wahrnehmung von Körperempfindungen und Gefühlen. Die Entwicklung einer<br />
Essstörung kann unter an<strong>de</strong>rem als ein Versuch gesehen wer<strong>de</strong>n, aufkommen<strong>de</strong> Gefühle zu<br />
„harmonisieren“ und auf diese Weise Spannungen künstlich abzubauen. Ein zentraler<br />
Bestandteil <strong>de</strong>r Therapie ist daher <strong>de</strong>r Ausbau von Fertigkeiten, die es ermöglichen,<br />
belasten<strong>de</strong> Situationen und chronische Schwierigkeiten besser zu bewältigen. In <strong>de</strong>r Therapie<br />
sollen durch verschie<strong>de</strong>nen Anwendungen und Kurse, die ich einzelnd beschreiben wer<strong>de</strong>,<br />
unter an<strong>de</strong>rem folgen<strong>de</strong> Ziele erreicht wer<strong>de</strong>n:<br />
• Verbesserung <strong>de</strong>r Wahrnehmung eigener Körpersignale<br />
• Aufbau von Selbstsicherheit und Entkopplung <strong>de</strong>s Selbstwertgefühls von Figur und<br />
Gewicht<br />
• Verbesserter Umgang mit negativen Gefühlen und Steigerung <strong>de</strong>r angemessenen<br />
emotionalen Ausdruckskraft<br />
• Normalisierung <strong>de</strong>s Essverhaltens<br />
• Erweiterung <strong>de</strong>r Problemlösefähigkeit und Verbesserung <strong>de</strong>r Interaktion und<br />
Kommunikation im sozialen Umfeld<br />
• Erhöhung <strong>de</strong>r Freizeitaktivitäten und Aktivieren von Eigenverantwortlichkeit<br />
38
4.1 Essprotokolltisch, Gemeinschaftstisch und Familientisch<br />
In <strong>de</strong>r Klinik wird zunächst schwerpunktmäßig an <strong>de</strong>r Normalisierung <strong>de</strong>s Essverhaltens<br />
gearbeitet. Es han<strong>de</strong>lt sich um eine Kombination aus einem möglichst hohen Maß an<br />
Eigenverantwortlichkeit, was durch ein unbegleitetes Frühstück und Aben<strong>de</strong>ssen<br />
gewährleistet wird, und einem ausreichen<strong>de</strong>n Maß an Fremdkontrolle an<strong>de</strong>rerseits. Zunächst<br />
kommt je<strong>de</strong>r Patient an <strong>de</strong>n sog. Essprotokolltisch. Dieser ist durch folgen<strong>de</strong> Regeln<br />
gekennzeichnet:<br />
• Es sollen 100 % gegessen wer<strong>de</strong>n.<br />
• Es gibt ein Blitzlicht zu Beginn und am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Mahlzeiten. Die Patienten sollen<br />
angeben, was sie sich für das Essen vornehmen (50%, 75%, 100% o<strong>de</strong>r 150%) und<br />
wie sie sich gera<strong>de</strong> fühlen.<br />
• Anschließend darf man sich Salat und ein Glas Wasser holen.<br />
• Auflage ist es alle Nahrungsmittel zu probieren.<br />
• Negative Äußerungen über das Essen sind nicht gestattet.<br />
Der Gemeinschaftstisch unterschei<strong>de</strong>t sich nur darin, dass er freie Zeiten innerhalb <strong>de</strong>r<br />
Essensausgabe hat und damit kein gemeinsames Blitzlicht. Er wird aber genau wie <strong>de</strong>r<br />
Essprotokolltisch therapeutisch begleitet, wenn es institutionell möglich ist von Therapeuten<br />
und nicht von Co-Therapeuten.<br />
Der Familientisch beinhaltet ein Essen, das in Töpfen serviert wird. Die Patienten sollen hier<br />
lernen ihr Essen frei zu portionieren, um eine möglichst alltagsnahe Erprobung zu<br />
ermöglichen.<br />
Generell sind die Ziele <strong>de</strong>s gemeinschaftlichen Essens, dass die Patienten das eigene<br />
Essverhalten durch Selbstbeobachtung kennen lernen sollen. Sie sollen (wie<strong>de</strong>r) lernen in<br />
Gemeinschaft zu essen und eine regelmäßige Mahlzeitenstruktur einzuhalten. Das<br />
Essverhalten soll schließlich angemessen, ausgewogen und genussvoll sein. Die<br />
Essensmengen sollen an die individuellen Bedürfnisse und Notwendigkeiten angepasst<br />
wer<strong>de</strong>n. Auch die Essgeschwindigkeit soll sich normalisieren. Essverbote („Schwarze<br />
Listen“) sollen abgebaut wer<strong>de</strong>n. Es soll wie<strong>de</strong>r ein Gefühl für Hunger, Appetit und Sättigung<br />
erlernt wer<strong>de</strong>n. Gedanken und Gefühle über das Essen sollen wahrgenommen und besprochen<br />
wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m soll sich die Gruppe gegenseitig unterstützen und Rückmeldungen geben.<br />
Ich begleitete <strong>de</strong>n Essprotokolltisch ein- bis zweimal die Woche. Es ist ein sehr anstrengen<strong>de</strong>s<br />
Mittagessen. Die Atmosphäre ist gereizt und gespannt. Meistens halten sich die Patienten an<br />
die Regeln, aber es kommt immer wie<strong>de</strong>r zu Krisen, Ausbrüchen und Beschwer<strong>de</strong>n. Sehr oft<br />
ist im Anschluss ein Krisengespräch notwendig.<br />
4.2 Tischgruppen<br />
Einmal wöchentlich fin<strong>de</strong>t die so genannte Essprotokollgruppe statt. Die Patienten müssen<br />
täglich Protokolle über ihr Essverhalten führen. Diese sind wie folgt aufgebaut:<br />
Zeit Situation vor <strong>de</strong>m Essen:<br />
Tätigkeit, Gefühle,<br />
Gedanken<br />
Bedürfnisse,<br />
Lust auf?<br />
Hunger<br />
(in %)<br />
Was, wie viel und<br />
wie gegessen?<br />
Satt<br />
(%)<br />
Abführmittel, Erbrechen,<br />
Bewegung<br />
Situation nach<br />
<strong>de</strong>m Essen:<br />
Tätigkeit,<br />
Gefühle<br />
39
In dieser Gruppe geht es darum, sich über Mengen und die Ziele bezüglich <strong>de</strong>s Essverhaltens<br />
auszutauschen. Dabei sollen die Impulse nicht einzig und allein vom Therapeuten ausgehen,<br />
son<strong>de</strong>rn die Patienten sollen sich gegenseitig Rückmeldung geben. Die kurzfristigen Ziele <strong>de</strong>s<br />
Essprotokolls sowie <strong>de</strong>r Gruppe besteht in <strong>de</strong>r Erfassung von Nahrungsmengen,<br />
Nahrungsstruktur und Nahrungszusammensetzung. Zu<strong>de</strong>m sollen Zusammenhänge zwischen<br />
inneren und äußeren Auslösern sowie aufrechterhalten<strong>de</strong> Bedingungen (horizontale und<br />
vertikale Verhaltensanalyse) erkannt wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m sollen die Patienten hier lernen, ihre<br />
Gefühle vom Essen zu trennen. Die längerfristigen Ziele bestehen darin, typische<br />
Problemsituationen zu i<strong>de</strong>ntifizieren und eine schrittweise Planung und Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />
Essverhaltens, z.B. mit <strong>de</strong>m Abbau <strong>de</strong>r „verbotenen Nahrungsmittel“. Oft wird in dieser<br />
Gruppe aber auch über Tischkonflikte diskutiert. Außer<strong>de</strong>m wird hier die Set-Point-Theorie<br />
vorgestellt. Diese Gruppe durfte ich nach ein wenig Einarbeitung teilweise selbst leiten.<br />
In <strong>de</strong>r Gemeinschaftstischgruppe sind die Patienten dazu angehalten, ihr Essverhalten in <strong>de</strong>r<br />
letzten Woche aufzuschreiben. Je<strong>de</strong>r Einzelne trägt dann sein Essverhalten vor, dabei wird auf<br />
kritische Punkte hingewiesen. Oft erkennen die Patienten selbst, wo ihre Schwachpunkte<br />
liegen.<br />
Patientenbeispiel:<br />
Frühstück: 2 x Müslistangen + 2x 20g Butter<br />
2 x Schälchen Marmela<strong>de</strong><br />
3 x Esslöffel Rosinen<br />
Therapeutische Kritik: Rosinen dienen lediglich <strong>de</strong>r Abführung und sind kein normales Essverhalten zum<br />
Frühstück.<br />
Mittagessen: 100% Hauptgericht + Salat<br />
3 x pro Woche Nachtisch (einschließlich Puddings)<br />
Aben<strong>de</strong>ssen: 2 x Brote + 1 x 20g Butter<br />
Senf<br />
3 x Scheiben Wurst o<strong>de</strong>r Käse<br />
Zwischenmahlzeit: 100g Schokola<strong>de</strong> + Salzstangen<br />
Therapeutische Kritik: Senf als Geschmacksverstärker verdirbt die natürliche Geschmacksempfindung und<br />
sollte abgebaut wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Patienten sollen dann aus <strong>de</strong>n therapeutischen Kritikpunkten ein o<strong>de</strong>r zwei Ziele bis zur<br />
nächsten Sitzung formulieren. Die oben genannte Patientin nahm sich vor, regelmäßige<br />
Zwischenmahlzeiten einzunehmen und einmal in <strong>de</strong>r Woche ganz auf <strong>de</strong>n Senf zu verzichten.<br />
In <strong>de</strong>r Familientischgruppe geht es zunächst oft darum, ob es Konflikte am Tisch gibt. Und<br />
diese treten bei Essgestörten immer wie<strong>de</strong>r auf, da die Patienten sehr häufig das Gefühl<br />
haben, die An<strong>de</strong>ren wür<strong>de</strong>n sich in ihr Essverhalten einmischen. Auch hier wer<strong>de</strong>n Probleme<br />
mit <strong>de</strong>m Essen und <strong>de</strong>n „verbotenen Nahrungsmitteln“ besprochen, allerdings in etwas freier<br />
Form, d.h. die Patienten sollen selbst ihre kritischen Punkte benennen und müssen nicht alles<br />
einzeln vortragen.<br />
40
4.3 Anti-Diät-Konzept<br />
Zu Beginn je<strong>de</strong>r Anti-Diät-Gruppe gibt es – wie in fast allen Gruppen – ein „Blitzlicht“,<br />
in<strong>de</strong>m die Patienten kurz über ihr Befin<strong>de</strong>n und vor allem ihre Gefühle berichten.<br />
In <strong>de</strong>r ersten Sitzung wur<strong>de</strong> das Organisatorische geklärt. Anschließend stellten sich die<br />
Teilnehmer kurz vor. Dann sollten sich die Patienten gegenseitig zu folgen<strong>de</strong>n Fragen<br />
interviewen:<br />
• Was war <strong>de</strong>r Auslöser <strong>de</strong>iner Essstörung?<br />
• Welche Erfahrungen hast du mit Diäten, Appetitzüglern, Abführmitteln, u.a. gemacht?<br />
• Wie ist <strong>de</strong>ine Essstörung bis heute verlaufen?<br />
• Wie ist <strong>de</strong>in problematisches Essverhalten im Augenblick?<br />
Dann berichtete <strong>de</strong>r Interviewer als Stellvertreter und wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Partner ergänzt. Das<br />
Partnerinterview soll <strong>de</strong>n Kontakt untereinan<strong>de</strong>r vertiefen und soll dazu dienen, dass die<br />
Patienten aus <strong>de</strong>r Heimlichkeit ihres Essverhaltens herauskommen. Außer<strong>de</strong>m soll eine<br />
Konfrontation mit <strong>de</strong>r persönlichen Essstörungskarriere erfolgen und damit eine realistische<br />
Sichtweise erworben wer<strong>de</strong>n.<br />
Im Anschluss wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong> Überblick über die folgen<strong>de</strong>n Gruppensitzungen gegeben:<br />
Theorie und Praxis<br />
Ziel<br />
• Einführung in das Konzept<br />
• Persönliche Ziele zum Essverhalten<br />
• Konsequenzen <strong>de</strong>r Essstörung<br />
• Informationen über <strong>de</strong>n Zusammenhang zwischen Gedanken, Gefühlen, persönlichen<br />
Einstellungen und <strong>de</strong>m Essverhalten<br />
• Das problematische Essverhalten verstehen und verän<strong>de</strong>rn<br />
• Die ungünstigen Gedanken und Einstellungen bemerken und verän<strong>de</strong>rn<br />
• Abbau von „verbotenen“ Nahrungsmitteln<br />
• Informationen über körperliche Schä<strong>de</strong>n durch die Essstörung<br />
• Informationen über eine ausgewogenes Essverhalten<br />
• Informationen über die Gewichtsregulation <strong>de</strong>s Körpers<br />
• Rückfallprophylaxe<br />
• Abbau alter und Aufbau neuer Gewohnheiten = konkrete Verhaltensän<strong>de</strong>rung<br />
• Strukturiertes, ausreichen<strong>de</strong>s, angemessenes, vielfältiges und lustvolles Essen<br />
• Sie wer<strong>de</strong>n zum Experten in eigener (Ess-)Sache und nehmen etwas mit, auf das Sie<br />
dauerhaft zurückgreifen können.<br />
Anschließend sollten die Patienten anhand eines Arbeitsblattes „Ziele für mein neues<br />
Essverhalten“ sammeln. Dabei wur<strong>de</strong> unterschie<strong>de</strong>n zwischen kurzfristigen Zielen (In <strong>de</strong>r<br />
nächsten Stun<strong>de</strong>/ bis morgen früh/… will ich… machen), mittelfristigen Zielen (Bis zum<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Anti-Diät Gruppe/ bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Therapie/… will ich…. erreichen.) und<br />
langfristigeren Zielen (In einem Jahr/in <strong>de</strong>n nächsten Jahren/möchte ich….). Diese Übung soll<br />
dazu dienen, konkrete Ziele zu explorieren und eine Verhaltensän<strong>de</strong>rung in kleinen Schritten<br />
mit Hilfe <strong>de</strong>r kurzfristigen Ziele zu erreichen. Außer<strong>de</strong>m soll es die Patienten zur Arbeit an<br />
ihrer Störung motivieren.<br />
41
In <strong>de</strong>r zweiten Stun<strong>de</strong> ging es vor allem um persönliche Ziele bezogen auf das Essverhalten.<br />
Zunächst wur<strong>de</strong>n die persönlichen Ziele, die in <strong>de</strong>r vorangegangenen Sitzung<br />
zusammengetragen wur<strong>de</strong>n, besprochen. Die Ziele wur<strong>de</strong>n zum Teil konkretisiert o<strong>de</strong>r<br />
ergänzt. Anhand einer kleinen Geschichte wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich gemacht, was <strong>de</strong>r Unterschied<br />
zwischen großen und kleinen Zielen ist:<br />
Als Ziel habe ich, quasi visionär, <strong>de</strong>n Berggipfel vor Augen (ein langfristiges, großes Ziel) –<br />
aber wer<strong>de</strong> ich ihn jemals besteigen können? Doch, ich will es! Ich mache mich auf <strong>de</strong>n Weg,<br />
Schritt für Schritt (kurzfristige Ziele). Ich habe die richtige Richtung eingeschlagen. Und<br />
immer wie<strong>de</strong>r suche ich einen neuen Standort zum Sichern, mache Pausen und freue mich<br />
über die schöne Aussicht und über die Strecke, die ich schon bewältigt habe (mittelfristige<br />
Ziele). Das Ganze ist eine lohnen<strong>de</strong> Herausfor<strong>de</strong>rung, ist aber schweißtreibend, erfor<strong>de</strong>rt<br />
Mut und Durchhaltevermögen und, an schwierigen Passagen, Unterstützung.<br />
Als nächstes ging es um eine konkrete Verhaltensanalyse. Den Patienten wur<strong>de</strong> erklärt, dass<br />
das problematische Essverhalten zur Gewohnheit gewor<strong>de</strong>n ist und sich schließlich im<br />
Teufelskreis <strong>de</strong>r Essstörung verselbständigt hat. Als Vorbereitung auf eine genaue<br />
Verhaltensanalyse wur<strong>de</strong>n die Patienten gebeten zur nächsten Stun<strong>de</strong> fünf konkrete<br />
Situationen aufzuschreiben, in <strong>de</strong>nen Sie mit problematischem Essverhalten (z.B. Fressanfall,<br />
Erbrechen o<strong>de</strong>r Nicht-Essen) reagieren.<br />
Patientenbeispiel:<br />
1. Streit mit <strong>de</strong>m Freund<br />
2. Ärger mit <strong>de</strong>n Eltern<br />
3. Konflikte mit Arbeitskollegen<br />
4. Durchblättern einer Frauenzeitschrift mit Mo<strong>de</strong>ls<br />
5. Mo<strong>de</strong>geschäft mit Klei<strong>de</strong>rgröße 34<br />
In <strong>de</strong>r fünften Sitzung wur<strong>de</strong> das SORK-Schema (situative Verhaltensanalyse) anhand eines<br />
Patientenbeispiels erklärt:<br />
Patientenbeispiel:<br />
Stimulus Organismus Reaktion Konsequenz<br />
Auslösen<strong>de</strong> Situation:<br />
Streit mit <strong>de</strong>m Freund<br />
Innere Situation:<br />
Gedanken: Er liebt mich<br />
nicht mehr!<br />
Gefühle: Verlassenheit,<br />
Einsamkeit<br />
Äußerliche Reaktionen:<br />
Heißhungeranfall,<br />
Erbrechen<br />
Innerliche Reaktionen:<br />
Gedanken: Jetzt ist eh<br />
alles egal!<br />
Gefühle:<br />
Angst vor <strong>de</strong>r Waage,<br />
Spannung, Enttäuschung<br />
Körperreaktionen:<br />
Hunger, Heißhunger,<br />
Völlegefühl, Übelkeit<br />
42
Die Patienten sollten nun eigene auslösen<strong>de</strong> Situationen nach <strong>de</strong>m bisher beschriebenen<br />
Mo<strong>de</strong>ll durchgehen. Die Organismusvariablen sowie die Konsequenzen sollten erst in <strong>de</strong>r<br />
nächsten Stun<strong>de</strong> besprochen wer<strong>de</strong>n. Zuvor erscheint es <strong>de</strong>r Klinik Roseneck sinnvoll, dass<br />
sich die Patienten mit <strong>de</strong>r Frage auseinan<strong>de</strong>rsetzen, was die Vor- und Nachteile <strong>de</strong>r<br />
Essstörung sind. Dazu bekamen die Patienten ein Arbeitsblatt: „Belasten<strong>de</strong> und entlasten<strong>de</strong><br />
Funktionen (Vor- und Nachteile) meiner Essstörung“ mit folgen<strong>de</strong>n Fragen:<br />
• Inwieweit schädige ich mich durch meine Essstörung im<br />
körperlichen, seelischen und sozialen Bereich?<br />
• Was habe ich von meiner Essstörung? Welche Entlastung bietet<br />
sie mir?<br />
• Was wür<strong>de</strong> ich tun, wenn ich keine Essstörung mehr hätte?<br />
Die Patienten diskutierten im großen Plenum die Punkte, die sich in Einzelarbeit<br />
zusammengetragen hatten.<br />
In <strong>de</strong>r vierten Stun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> die Verhaltensanalyse auf die Makroebene erweitert und die<br />
überdauern<strong>de</strong>n Faktoren mit einbezogen.<br />
Stimulus Organismus Reaktion Konsequenz<br />
Körperliche<br />
Verfassung:<br />
Kurzfristig<br />
Mangelernährung,<br />
Dauerstress mit <strong>de</strong>m<br />
Positiv<br />
Freund,<br />
Erleichterung,<br />
Grun<strong>de</strong>instellung: Ich<br />
Spannungsmuss<br />
perfekt sein!“<br />
Reduktion,<br />
Kein<br />
Verlassenheitsgefüh<br />
l<br />
Regeln & Pläne:<br />
„Vermei<strong>de</strong> <strong>de</strong>ine eigene<br />
Meinung zu sagen. Sie<br />
ist unerwünscht.“<br />
„Zeige keine Fehler<br />
und Schwächen“<br />
„Vermei<strong>de</strong> es, allein zu<br />
sein!“<br />
„Versuche die<br />
Wünsche an<strong>de</strong>rer zu<br />
spüren und zu<br />
erfüllen“<br />
Negativ<br />
Ekel, Mattigkeit,<br />
Erschöpfung,<br />
Schuld-Gefühle<br />
Langfristig<br />
Negativ<br />
Körperliche<br />
Schä<strong>de</strong>n,<br />
Gedankliche<br />
Fixierung<br />
um Essen<br />
und<br />
Gewicht,<br />
Depression,<br />
Interessen-<br />
Verlust,<br />
Isolation,<br />
Leere<br />
Positiv:<br />
????????<br />
Für das Zusammentragen <strong>de</strong>r Konsequenzen nahmen die Patienten ihr Blatt zu <strong>de</strong>n Vor- und<br />
Nachteilen <strong>de</strong>r Essstörung zur Hilfe.<br />
Die Patienten bekamen dann ein Infoblatt zu <strong>de</strong>n „Körperlichen Schä<strong>de</strong>n als Folge <strong>de</strong>r<br />
Essstörung“, in <strong>de</strong>m über die subjektiven Beschwer<strong>de</strong>n, die Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />
Hormonhaushaltes und <strong>de</strong>s Stoffwechsels, die langfristige Organschä<strong>de</strong>n, die Folgen von<br />
Erbrechen und Abführmitteln berichtet wird. Als Hausaufgabe sollen sie sich diesen<br />
durchlesen.<br />
43
In <strong>de</strong>r fünften Stun<strong>de</strong> sollten die Patienten in Kleingruppen das SORK-Schema eigenständig<br />
üben und auf ihre individuellen Probleme anwen<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>r bekam dann die Möglichkeit, sein<br />
eigenständig entwickeltes Schema vorzustellen. Dabei war interessant zu sehen, dass die<br />
Probleme <strong>de</strong>r Patienten zum Großteil sehr ähnlich gelagert sind. Es ging vorwiegend um die<br />
Vermeidung davon, Konflikte auszutragen. Als Hausaufgabe sollten die Patienten Punkte zu<br />
ihren bisherigen Än<strong>de</strong>rungsstrategien sammeln.<br />
In <strong>de</strong>r sechsten Stun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> eine kurze Zwischenbilanz gezogen. Dazu wur<strong>de</strong>n die aus <strong>de</strong>r<br />
ersten Stun<strong>de</strong> gesammelten kurzfristigen Ziele in Kleingruppen besprochen. Die bereits<br />
angewandten Än<strong>de</strong>rungsstrategien wur<strong>de</strong>n in die entsprechen<strong>de</strong>n Spalten <strong>de</strong>s SORK-Schemas<br />
eingeordnet, wobei die Organismus-Variable ausgelassen wur<strong>de</strong> und auf die Einzel- und<br />
Gruppenangebote <strong>de</strong>r Klinik verwiesen wur<strong>de</strong>, da diese <strong>de</strong>n Rahmen dieses Kurses sprengen<br />
wür<strong>de</strong>.<br />
Dann ging es um die naheliegendsten Verän<strong>de</strong>rungsmöglichkeiten auf <strong>de</strong>r Verhaltensebene.<br />
Die I<strong>de</strong>en <strong>de</strong>r Patienten wur<strong>de</strong>n auf einem Flipchart gesammelt und durch das Infoblatt<br />
„Strategien zur Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Problemverhaltens“ ergänzt. Als Hausaufgabe bekamen die<br />
Patienten Infoblätter über die ernährungsphysiologischen Grundlagen zum Körpergewicht.<br />
In <strong>de</strong>r siebten Stun<strong>de</strong> ging es vornehmlich um Verän<strong>de</strong>rungsstrategien. Dazu wur<strong>de</strong> das<br />
Arbeitsblatt „Strategien zur Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Problemverhaltens“ besprochen. Es wur<strong>de</strong> dann<br />
über einen neuen Umgang mit <strong>de</strong>m Stimulus diskutiert. Dabei wur<strong>de</strong>n zwei Strategien<br />
vorgestellt: Vermeidung und Verän<strong>de</strong>rung. Von <strong>de</strong>n Teilnehmern wur<strong>de</strong> sehr gut erkannt,<br />
dass die letzte Variante die langfristig bessere Lösung ist. Dann wur<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n Konsequenzen<br />
gearbeitet. Es wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, dass die negative Verstärkung durch <strong>de</strong>n Wegfall <strong>de</strong>r langfristig<br />
negativen Konsequenzen bei einem neuen Umgang mit <strong>de</strong>n Stimuli entsteht. Dann wur<strong>de</strong> auf<br />
die positive Verstärkung eingegangen. Dabei wur<strong>de</strong>n die Patienten auf sich selbst<br />
zurückgeworfen. Es wur<strong>de</strong> ihnen klar gemacht, dass sie sich selbst belohnen müssen und dass<br />
dies eine ausgezeichnete Möglichkeit sei, ein neues Verhalten in kleinen Schritten<br />
aufzubauen. Den Patienten wur<strong>de</strong> gezeigt, dass die Ziele sehr konkret sein müssen und die<br />
Belohnung vorher auch klar formuliert sein sollte. Die Patienten sollten dann mögliche<br />
Belohnungen für sich sammeln. Dabei wur<strong>de</strong> darauf verwiesen, dass dies nicht nur materiell<br />
sein müsse, son<strong>de</strong>rn auch positive Aktivitäten beinhalten könnte.<br />
In <strong>de</strong>r achten Stun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n die Selbstbelohnungspunkte im Plenum besprochen.<br />
Anschließend wur<strong>de</strong> die Einheit: kognitive Umstrukturierung automatischer negativer<br />
Gedanken begonnen. Dabei gab es eine theoretische Einführung, die <strong>de</strong>r in DBT stark ähnelt,<br />
wobei die Beispiele etwas an<strong>de</strong>rs gelagert sind. Ich verweise aus Platzgrün<strong>de</strong>n auf die<br />
theoretischen Ausführungen <strong>de</strong>r Indikativgruppe DBT. Im Anschluss an die Übungen zur<br />
Umstrukturierung automatischer Gedanken bekamen die Patienten noch zwei Arbeitsblätter<br />
als Hausaufgabe zur Vorbereitung auf die nächste Sitzung: „Anregungen zur Tagesplanung“<br />
und „Mein Tagesplan für einen typischen Tag nach Roseneck“, in <strong>de</strong>nen es darum ging, die<br />
Zeit nach <strong>de</strong>m Klinikaufenthalt zu planen. Dabei wur<strong>de</strong> darauf verwiesen, dass sich Aufgaben<br />
und Pflichten mit Dingen, die Spaß machen, abwechseln sollten.<br />
In <strong>de</strong>r letzten Sitzung ging es dann um die Tagesstrukturierung und Rückfallprophylaxe.<br />
Zunächst wur<strong>de</strong> die Hausaufgabe besprochen. Das Ziel bestand darin, dass die Patienten<br />
regelmäßige Mahlzeiten einplanen, ausgewogene Tagesabläufe haben. Es zeigte sich, dass<br />
Essgestörte perfektionistische Ten<strong>de</strong>nzen haben und wenig Begabung für eine ausgewogene<br />
Freizeitgestaltung ohne Arbeit, Pflichterfüllung und Leistung. Im zweiten Teil ging es dann<br />
um die Rückfallprophylaxe. Je<strong>de</strong>r Patient nannte eine Situation, die für ihn kritisch wer<strong>de</strong>n<br />
könnte. Gemeinsam mit <strong>de</strong>r Gruppe wur<strong>de</strong>n dann Strategien überlegt, mit <strong>de</strong>nen sie entwe<strong>de</strong>r<br />
44
die Situation vermei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r adäquat bewältigen können. Den Patienten wur<strong>de</strong> dann nahe<br />
gelegt, im Falle eines Rückfalls die erlernten kognitiven Metho<strong>de</strong>n anzuwen<strong>de</strong>n, um<br />
übermäßige Selbstvorwürfe zu vermei<strong>de</strong>n. Als Aufgabe und „Spickzettel für Notsituationen“<br />
machte sich dann je<strong>de</strong> Patient eine „Erinnerungs-Karte“, auf die sie schreiben sollten, was bei<br />
einem drohen<strong>de</strong>n Rückfall zu tun ist. Die Leiterin machte dann Vorschläge zur Teilnahme an<br />
Selbsthilfegruppen im heimischen Umfeld. Abschließend gab es eine Feedbackrun<strong>de</strong>.<br />
Ich durfte diesen Kurs mehrmals begleiten (wie <strong>de</strong>n GSK-Kurs) und durfte immer mal wie<strong>de</strong>r<br />
Teile davon übernehmen.<br />
4.4 Behandlung <strong>de</strong>r Körperschemastörung („body-image“)<br />
Der Bodyanalyser ist eine mo<strong>de</strong>rne Waage, die nicht nur das Gewicht angibt, son<strong>de</strong>rn auch<br />
die Muskelmasse, Fettmasse sowie die Wasserverteilung in Armen und Beinen. Das Gerät zu<br />
bedienen erfor<strong>de</strong>rt nicht eben viel Wissen, so dass ich diese Aufgabe <strong>de</strong>s Öfteren<br />
übernommen habe. Die Patienten sollen lernen, auch Muskeln und Wasser als Bestandteile<br />
<strong>de</strong>s Gewichtes wahrzunehmen.<br />
Des Weiteren wer<strong>de</strong>n sog. Körpervi<strong>de</strong>os gemacht. Anlässlich <strong>de</strong>r Umstrukturierung zur<br />
Essstörungsabteilung bekam die B1 eine sehr mo<strong>de</strong>rne, kleine, handliche Camera. Es war cotherapeutische<br />
Aufgabe, die Körpervi<strong>de</strong>os zu drehen. Besprochen wur<strong>de</strong>n sie in <strong>de</strong>r<br />
Einzeltherapie. Da aber nur eine Therapeut Erfahrung in <strong>de</strong>r Besprechung solcher Vi<strong>de</strong>os<br />
hatte, bekamen wir eine Art Kurzfortbildung in einer unserer Teamsitzungen. Die Aufnahmen<br />
konnte ich nach einmaligem Zuschauen auch übernehmen. Im Grun<strong>de</strong> musste ich nur die<br />
Patienten einmal mit Kleidung von oben bis unten, seitlich und im Vollbild filmen.<br />
Anschließend dasselbe in Unterwäsche. Zusätzlich noch im Sitzen. Dabei war darauf zu<br />
achten, die hervorstechen<strong>de</strong>n Knochen beson<strong>de</strong>rs aufzunehmen. Die Körpervi<strong>de</strong>os wer<strong>de</strong>n,<br />
wegen <strong>de</strong>r erhöhten Distanz zu sich selbst, vor <strong>de</strong>n Spiegelkonfrontationen gemacht, laufen<br />
aber ähnlich ab. Es wird nur ergänzend mit anatomischen Lehrbuchbil<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r<br />
Patientenkörper mit einem „normalen“ Körper verglichen. Bei starken<br />
Körperschemastörungen wird zum Teil auch nachgemessen.<br />
Darüber hinaus wur<strong>de</strong>n dann die so genannte „Spiegelübung“ erprobt und angewandt. Sie<br />
wer<strong>de</strong>n von erfahrenen Therapeuten geleitet und ich durfte lediglich zuschauen. Sie dienen<br />
<strong>de</strong>m Ziel, ein emotionales „priming“ zu för<strong>de</strong>rn, um die körperrelevanten Gedanken zu<br />
aktualisieren. Kognitive Techniken erlauben es, dabei auftreten<strong>de</strong> Ängste und dysfunktionale<br />
Gedanken realitätsadäquat zu korrigieren.<br />
Durchführung<br />
Der Patient steht in Unterwäsche vor <strong>de</strong>m Spiegel. Zu Beginn <strong>de</strong>r Spiegelübung soll <strong>de</strong>r<br />
Patient sein Gesicht in Frontalansicht beschreiben, ohne <strong>de</strong>n Körper vorher zu betrachten.<br />
Dabei wer<strong>de</strong>n u.a. folgen<strong>de</strong> Fragen gestellt:<br />
• Wirkt Ihr Blick ernst o<strong>de</strong>r fröhlich?<br />
• Ist Ihr Blick offen o<strong>de</strong>r verschlossen?<br />
• Wie nehmen Sie zum jetzigen Zeitpunkt Ihren Gesichtsausdruck wahr?<br />
• Was mögen Sie an Ihrem Gesicht?<br />
45
Dann geht <strong>de</strong>r Therapeut mit <strong>de</strong>m Patienten <strong>de</strong>n Körper mit ebensolchen Fragen hinab. Bei<br />
einer <strong>de</strong>utlichen Körperschemastörung wird <strong>de</strong>r Patient nach einer Einschätzung seiner<br />
Proportionen gefragt und anschließend mit einem Maßband nachgemessen. Probleme mit <strong>de</strong>r<br />
Weiblichkeit treten meist bei <strong>de</strong>r Bearbeitung <strong>de</strong>r Brust hervor. Der Patient wird dann<br />
ermutigt, dies in <strong>de</strong>r Einzeltherapie weiter zu bearbeiten. Der Bauch ist die Problemzone <strong>de</strong>r<br />
meisten Patienten. Hier wird oft darauf hingewiesen, dass die Gewichtszunahme meist<br />
zunächst am Bau stattfin<strong>de</strong>t und es sich im Zuge <strong>de</strong>r weiteren Gewichtszunahme verteilen<br />
wird. Zur stärkeren Akzeptanz <strong>de</strong>s Bauches wird manchmal auch danach gefragt, welche<br />
Organe sich im Bauch befin<strong>de</strong>n und wie groß diese wohl seien. Bei <strong>de</strong>r Betrachtung <strong>de</strong>s<br />
Bauches kommt es oft zu Ekelgefühlen und teilweise auch zu Selbsthass. Die Patienten<br />
wer<strong>de</strong>n dann ermutigt, sich positive Gedanken zu <strong>de</strong>n Problemzonen zu überlegen, z.B. „Ich<br />
mag meinen Bauch, er ist ein Teil von mir“ o<strong>de</strong>r „Der Bauch ist meine Energiequelle“.<br />
Im zweiten Schritt wird <strong>de</strong>r Körper in <strong>de</strong>r Seitenansicht betrachtet. Auch bei dieser Übung<br />
lässt man <strong>de</strong>n Patienten die einzelnen Körperteile von oben nach unten beschreiben. Oft ist<br />
die Wahrnehmung in <strong>de</strong>r Seitenansicht weniger gestört. Bei <strong>de</strong>r Brust kommen jedoch oft<br />
starke Emotionen hoch, da die Weiblichkeit hier noch <strong>de</strong>utlich sichtbarer wird. Bei <strong>de</strong>r<br />
Konfrontation mit <strong>de</strong>m Bauch wollen viele Patienten ausweichen. Der Therapeut macht sie<br />
darauf aufmerksam und besteht auf <strong>de</strong>r Konfrontation. Häufig wirkt <strong>de</strong>r Bauch auch dadurch<br />
größer, dass die Patienten ein Hohlkreuz bil<strong>de</strong>n. Sie wer<strong>de</strong>n gebeten, sich aufrechter<br />
hinzustellen, was indirekt eine Steigerung <strong>de</strong>s Selbstwertes zur Folge hat. Im Verlauf <strong>de</strong>r<br />
Übung wer<strong>de</strong>n die Patienten, je nach Stabilität, auch dazu aufgefor<strong>de</strong>rt, ihren Bauch zu<br />
berühren.<br />
Ich habe die Therapeuten bei dieser Übung immer als sehr sensibel erlebt. Einerseits waren<br />
sie annehmend und unterstützend, an<strong>de</strong>rerseits haben sie die Patienten auch immer wie<strong>de</strong>r ihr<br />
Vermeidungsverhalten aufgezeigt und sie konfrontiert.<br />
4.5 Zimmerkontrollen<br />
Die Zimmerkontrollen fan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Zeiten <strong>de</strong>r allgemeinen Gruppe statt, d. h. die Patienten<br />
kamen ahnungslos in die Gruppe. Ihnen wur<strong>de</strong>n ihre Zimmerschlüssel abgenommen. Dann<br />
wur<strong>de</strong> kurz kontrolliert, ob alle Zimmer verschlossen waren. Die Patienten mussten vor ihrem<br />
jeweiligen Zimmer auf die Therapeuten warten. Aus juristischen Grün<strong>de</strong>n unterschreiben die<br />
Patienten bei ihrer Ankunft, dass sie mit solchen Maßnahmen einverstan<strong>de</strong>n sind. Außer<strong>de</strong>m<br />
wer<strong>de</strong>n die Zimmer immer zu zweit kontrolliert. Dann wer<strong>de</strong>n die Patienten gebeten, alle<br />
Nahrungsmittel und Medikamente, die sie auf <strong>de</strong>m Zimmer haben, auf <strong>de</strong>n Schreibtisch zu<br />
legen. Anschließend durchsuchen die Therapeuten (und ich) die Zimmer nach versteckten<br />
Nahrungsmitteln, Medikamenten o<strong>de</strong>r selbstverletzen<strong>de</strong>n Gegenstän<strong>de</strong>n. Anschließend wird<br />
das Gefun<strong>de</strong>ne zusammengetragen und besprochen, was davon auf <strong>de</strong>m Zimmer bleiben darf<br />
und was nicht. Schließlich trifft man sich wie<strong>de</strong>r im Gruppenraum und die überschüssigen<br />
Nahrungsmittel wer<strong>de</strong>n gemeinsam mit <strong>de</strong>r Gruppe entsorgt.<br />
Der Hintergrund solcher Maßnahmen ist die Tatsache, dass Anorektikerinnen die Ten<strong>de</strong>nz<br />
haben, verbotene Nahrungsmittel zu horten, Bulimieker diese für zukünftige Fressanfälle zu<br />
sammeln. Die Kontrolle ist also im Sinne <strong>de</strong>r Bekämpfung <strong>de</strong>r Essstörung.<br />
Trotz dieses „humanistischen“ Hintergrun<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Zimmerkontrollen sehe ich diese<br />
Maßnahme äußerst kritisch. Sie ist für mich ein zu massiver Eingriff in die Privatsphäre <strong>de</strong>r<br />
46
Patienten. Als ich an <strong>de</strong>n Zimmerkontrollen teilnehmen musste, kam ich mir vor wie ein<br />
Stasi-Spitzel. Diese Aktionen brachten mich in einen moralischen Konflikt: einerseits wollte<br />
ich die Aufgaben als Praktikantin gewissenhaft erfüllen und hatte mich mit <strong>de</strong>r Unterschrift<br />
unter <strong>de</strong>n Vertrag zu allen Praktikantentätigkeiten verpflichtet. An<strong>de</strong>rerseits konnte ich diese<br />
Maßnahme ethisch nicht vertreten. Ich bin nicht in <strong>de</strong>r Lage, dies mit meinem Gewissen in<br />
Einklang zu bringen.<br />
5) Das therapeutische Team<br />
Das therapeutische Team besteht aus zwei Psychologinnen, Dr. Alexan<strong>de</strong>r Rott und Bärbel<br />
Bloemer, die gera<strong>de</strong> die verhaltenstherapeutische Zusatzausbildung machen, zwei Ärzten, Dr.<br />
Sandra Elze und Lars Gautier, die ebenfalls die Therapeutenausbildung machen, allerdings<br />
verkürzt. Darüber hinaus gibt es zwei Co-Therapeuten, Ewa Plenk und Monika Herbach, die<br />
eine Krankenschwesterausbildung haben und eine therapeutische Zusatzausbildung machen.<br />
Es han<strong>de</strong>lt sich um eine Co-therapeutische Vollstelle und eine 0,75 Stelle. Der leiten<strong>de</strong><br />
Psychologe war Dr. Jörg Heuser, für die medizinischen Fragen war <strong>de</strong>r Psychiater Dr. Dr.<br />
Andreas Hillert zuständig.<br />
5.1 Teamsitzungen<br />
Die Teamsitzungen fan<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>n Montagmorgen statt. Mein Team hat dafür gesorgt, dass sie<br />
nicht so ungemütlich-technisch waren. Je<strong>de</strong>r im Team brachte einmal das Frühstück mit und<br />
so wur<strong>de</strong> während <strong>de</strong>r Besprechung gemütlich gegessen. Thematisch ging es um die Planung<br />
<strong>de</strong>r nächsten Wochen:<br />
• Wer kommt in die Bewegungstherapie?<br />
• Wer geht in die Konferenzen?<br />
• Fragen zu Abschlussberichten und Anträgen.<br />
• Kritische Patienten<br />
• Urlaubsvertretung<br />
• Visite<br />
5.2 Visite und Kurvenvisite<br />
Die Visite fand einmal in <strong>de</strong>r Woche statt. Grundsätzlich waren darin die neu angekommenen<br />
Patienten und die, die die Klinik im Laufe <strong>de</strong>r nächsten Tage verlassen sollten. Von Zeit zu<br />
Zeit wur<strong>de</strong>n problematische Patienten auch noch gesehen. Problematisch heißt akut suizidal<br />
o<strong>de</strong>r solche, die sich beschweren wollen.<br />
Der Ablauf war meistens recht ähnlich. Zunächst wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Chefpsychologe, Dr. Jörg Heuser,<br />
kurz von <strong>de</strong>n Bezugstherapeuten über die Patienten aufgeklärt, dann betrat das gesamte Team<br />
das Patienten Zimmer. Es wur<strong>de</strong> gefragt, welche Ziele die Patienten für <strong>de</strong>n Aufenthalt hier<br />
haben und was sie erwarten. Dann wur<strong>de</strong>n die Fragen etwas spezieller, je nach Störungsbild.<br />
Bei ehemals Alkoholkranken (die <strong>de</strong>rzeit eine Depression haben) wur<strong>de</strong> erklärt, dass sie einen<br />
Alkoholvertrag unterschreiben müssen und dass es Zimmerkontrollen geben wird. Bei<br />
An<strong>de</strong>ren wur<strong>de</strong> diskutiert, welche Indikativgruppe angemessen sei. Abschließend kam immer<br />
47
die Frage: „Jetzt haben wir Ihnen eine Menge Fragen gestellt, gibt es Fragen an uns?“<br />
Meistens waren die Patienten durch die Anwesenheit von so viel „Weißkitteln“ jedoch eher zu<br />
eingeschüchtert, um Fragen zu stellen. Bei Abreisen<strong>de</strong>n war die Abschlussfrage immer: „Gibt<br />
es Dinge, die wir aus Ihrer Sicht, besser machen sollten?“.<br />
Die Kurvenvisite war nur eine halbe Stun<strong>de</strong>. Sie war eine Besprechung <strong>de</strong>r Ärzte und <strong>de</strong>s<br />
Psychiaters Dr. Dr. Andreas Hillert. Dabei ging es ausschließlich um die Medikation und eine<br />
möglichen Umstellung. Es war interessant zu sehen, dass Ärzte auch nicht alle Medikamente<br />
im Kopf haben und zwischenzeitlich immer mal wie<strong>de</strong>r nachschlagen mussten.<br />
5.3 Supervisionen<br />
Einmal wöchentlich gab es eine Teamsupervision. Ehrlich gesagt, war ich von <strong>de</strong>n<br />
Supervisionen sehr enttäuscht. Ich war es von <strong>de</strong>r Telefonseelsorge gewöhnt, dass man nicht<br />
immer nur sagt: „Der gestörte Anrufer.“, son<strong>de</strong>rn auch eigene Anteile an <strong>de</strong>r<br />
Beziehungsgestaltung berücksichtigt. Die Supervisionen in <strong>de</strong>r Klinik Roseneck wur<strong>de</strong>n von<br />
Jörg Heuser geleitet, dabei ging es immer eher peripher um die Patienten, meist ging es auch<br />
hier eher um das Organisatorische:<br />
• „Darf <strong>de</strong>r Patient Wochenendurlaub haben?“<br />
• „Wie arbeitsfähig ist er, was schreiben wir <strong>de</strong>r BfA?“<br />
• „Wie lange soll ich <strong>de</strong>n Patienten verlängern?“<br />
Ich dachte eigentlich, dass solche Fragen eben in die Teambesprechung gehören wür<strong>de</strong>n.<br />
Außer<strong>de</strong>m hat mich unangenehm überrascht, dass die Verlängerung eines Patienten nur zu<br />
einem geringen Teil vom Krankheitsverlauf abhängt. Vielmehr ging es bei uns im Oktober/<br />
November vor allem darum, alle Männerzimmer simultan aufzulösen und möglichst en<strong>de</strong><br />
November mehrer Entlassungen gleichzeitig hatten, um eine Kohorte von Essgestörten<br />
gleichzeitig aufnehmen zu können.<br />
Ab und zu ging es dann auch mal um die Patienten, allerdings eigentlich prinzipiell darum,<br />
dass alle Patienten manipulieren wür<strong>de</strong>n. Ein beliebter Spruch war auch, dass die Patienten<br />
„gewaschen wer<strong>de</strong>n wollen, aber sich dabei nicht nass machen wollen“. Ich fin<strong>de</strong> diesen<br />
Spruch unangemessen. Mir wird <strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>nsdruck <strong>de</strong>r Patienten viel zu wenig berücksichtigt.<br />
Wenn es kaum o<strong>de</strong>r keinen Therapieerfolg gibt, dann konnte <strong>de</strong>r Patient „dieses Setting nicht<br />
nutzen“. Es wur<strong>de</strong> nicht einmal in Erwägung gezogen, dass <strong>de</strong>r Patient vielleicht etwas<br />
An<strong>de</strong>res gebraucht hätte. Wenn ein Patient sich gegen irgen<strong>de</strong>ine Behandlung zur Wehr setzte<br />
o<strong>de</strong>r sich beschwerte, dann wur<strong>de</strong> nicht eine Minute überlegt, ob er vielleicht wirklich<br />
vernachlässigt wur<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn: er ist zu anspruchsvoll o<strong>de</strong>r die Institution kann und will (!)<br />
das nicht leisten.<br />
Insgesamt muss ich also sagen, dass ich die Supervisionen sehr enttäuschend fand und wenn<br />
ich einmal wirklich ein Problem mit einem Patienten hätte, dann wäre dies wohl kaum <strong>de</strong>r Ort<br />
gewesen, an <strong>de</strong>m ich darüber hätte sprechen wollen.<br />
Über die Supervisionen hinaus hatten wir vier Son<strong>de</strong>rsitzungen bezüglich <strong>de</strong>r Umwandlung<br />
zu einer Essstörungsstation. Dabei ging es um die Raumregelungen für die zusätzlichen<br />
Seminare, um die Regeln, die auf unserer Station gelten sollten, und die Sammlung von<br />
Fortbildungsmaterialien für die Therapeuten, da die meisten noch keine Erfahrung mit <strong>de</strong>r<br />
Behandlung von Essstörungen hatten. Wir haben beson<strong>de</strong>res Augenmerk auf die<br />
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Fortbildungen im Rahmen <strong>de</strong> Klinik zu diesem Thema gelegt. Darüber hinaus haben wir das<br />
Manual einer an<strong>de</strong>ren Station gelesen und zwei Artikel von Böse und Geissner sowie Brandl<br />
gelesen. Zu<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> uns nahe gelegt, das Buch „Kognitive Therapie <strong>de</strong>r Anorexia nervosa<br />
und Bulimia nervosa“ von Jacobi, Thiel und Paul zu kaufen. (Ich musste dann einige<br />
Grundlagenkapitel für alle kopieren.)<br />
Außer<strong>de</strong>m hatten wir eine Besprechung mit <strong>de</strong>r Lehrküche. Es gestaltete sich recht schwierig,<br />
die zusätzlichen Patienten im Rahmen <strong>de</strong>r personellen und räumlichen Möglichkeiten<br />
unterzubringen. Dabei zeigte sich das organisatorische Talent unseres Chefpsychologen, Dr.<br />
Jörg Heuser.<br />
5.4 Co-Therapie und ihre Aufgaben<br />
Mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Co-Therapeuten habe ich mich sehr gut verstan<strong>de</strong>n. Sie hatten die Aufgabe<br />
rund um die Uhr als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Die sog. „Kanzel“, das<br />
Stationszimmer, war <strong>de</strong>r Hauptaufenthaltsort. Wenn sie hier wegen Kursen o<strong>de</strong>r Gesprächen<br />
nicht anzutreffen waren, dann hatten die Patienten die Möglichkeit, sie über die Rezeption<br />
anpiepsen zu lassen. (Manchmal saßen wir aber auch in <strong>de</strong>r Cafeteria.)<br />
Die Co-Therapeuten führen „Krisengespräche“. Ich durfte nach und nach auch<br />
Krisengespräche übernehmen. Die Themen in solchen Gesprächen sind sehr vielfältig, aber<br />
meistens wissen die Patienten selbst am besten, was sie tun müssen. Es geht nur darum, sie zu<br />
unterstürzen. Ich war zunächst überrascht, wie wenig Angst ich vor und während solcher<br />
Gespräche hatte. Aber durch die Arbeit in <strong>de</strong>r Telefonseelsorge war ich in<br />
Gesprächsführungen geschult. Ich muss wirklich sagen, dass mir das sehr geholfen hat. Es ist<br />
ein interessantes Phänomen, dass bei einem stationären Aufenthalt bei <strong>de</strong>n Patienten immer so<br />
viel passiert und ungeahnte Gefühle hochkommen. Meine Hypothese ist, dass sie hier einen<br />
sicheren Ort haben, an <strong>de</strong>m diese Gefühle erstmals erlaubt und erwünscht sind.<br />
Die Co-Therapie ist zu<strong>de</strong>m für die erste Aufnahme <strong>de</strong>r Patienten zuständig, d.h. sie holen sie<br />
an <strong>de</strong>r Rezeption ab, zeigen ihnen das Zimmer, machen ein Foto für die Patientenleinwand,<br />
testen die Notrufanlage, machen die ersten Termine mit <strong>de</strong>m Arzt und/o<strong>de</strong>r Therapeuten ab<br />
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und erklären <strong>de</strong>n Patienten die ersten Veranstaltungen. Diese Aufgabe habe ich bereits seit<br />
meiner ersten Woche mit übernommen.<br />
Darüber hinaus leitet die Co-therapie bestimmte Kurse wie zum Beispiel die Progressive<br />
Muskelentspannung nach Jacobsen. Auch dies durfte ich von <strong>de</strong>r zweiten Woche an<br />
übernehmen.<br />
6) Konferenzen, Fortbildungen und Kongresse<br />
Je<strong>de</strong>n Tag fin<strong>de</strong>t eine Konferenz statt, an <strong>de</strong>r jeweils ein Vertreter je<strong>de</strong>r Abteilung teilnimmt<br />
und die neu angekommenen Patienten, kurzen Lebenslauf und Diagnosen sowie Suizidalität,<br />
vorstellt. Ich durfte nur daran teilnehmen, wenn wir keine Aufnahmen hatten.<br />
Dienstags fin<strong>de</strong>t immer eine große Konferenz statt, bei <strong>de</strong>r das gesamte Klinikpersonal<br />
angehalten ist, teilzunehmen. Hier muss je<strong>de</strong>r Bereich seine Wartezeiten vorstellen und die<br />
Urlaubsvertretungen ankündigen. Außer<strong>de</strong>m fin<strong>de</strong>n Begrüßungen von neuen Arbeitnehmern<br />
und Verabschiedungen statt. Im Anschluss fin<strong>de</strong>t immer ein Kurzvortag statt. Themen waren<br />
u.a.:<br />
� Burnout-Syndrom<br />
� Selbst- und Fremdwahrnehumg<br />
� Siamesische Zwillinge<br />
� Kognitive Therapie bei Schizophrenie<br />
� Ernährungsschulung bei Adipositas<br />
� Anti-Diät-Konzept für Adipöse<br />
� Selbstbehauptungstrainig als neue Indikativgruppe<br />
� Organisation von betreutem wohnen<br />
� Akupunktur bei Schmerzpatienten<br />
� Depression als Virenerkrankung<br />
Je<strong>de</strong>n Mittwochabend gibt es eine Fortbildung, an <strong>de</strong>r das Klinikpersonal teilnehmen darf<br />
und zum Teil – im Rahmen <strong>de</strong>r Therapeutenausbildung – auch muss. Lei<strong>de</strong>r konnte ich wegen<br />
<strong>de</strong>m PME-Kurs nicht je<strong>de</strong>s Mal teilnehmen. Aber an folgen Themen habe ich teilgenommen:<br />
� BfA-Fortbildung zu manualierter Gesundheitsberatung<br />
� Soziapsychiatrischer Dienst: Integrationsfachdienst/ Berufsbegleiten<strong>de</strong>r Dienst<br />
� Kognitive Therapie bei Anorexie und Bulimie (zusätzlicher Termin am Samstag)<br />
� Selbsthilfegruppen Online<br />
� Zur Persönlichkeitsstruktur und Psychodynamik von anorektischen Patienten<br />
� „Bewegungszwang“ und „Sportbulimie“ Fallvorstellungen und ein interdisziplinärere<br />
Ansatz <strong>de</strong>r Behandlung<br />
� Biofeedback & Beckenbo<strong>de</strong>ngymnastik bei Harninkontinenz<br />
� Chronische Rückenschmerzen – Störungstheorie & Behandlung<br />
� Spiegelübungen im Rahmen <strong>de</strong>r Behandlung von Anorexie und Bulimie<br />
� Projekt: Time Base<br />
� Erfahrungen mit <strong>de</strong>r Langzeittherapie schwerst magersüchtiger Patientinnen im<br />
Rahmen eines psychiatrischen Behandlungssetthings (Prof. G. Laakmann)<br />
Vom 6.-8. November 2003 fand <strong>de</strong>r „Kongress Zwangserkrankungen“ statt. Zum einem<br />
nahm ich bereits vorher teil, in<strong>de</strong>m ich Einladungen eintüten musste, zum an<strong>de</strong>ren war ich<br />
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eim Kongress technische Saalassistenz. Das hatte <strong>de</strong>n großen Vorteil, dass ich ein<br />
Schildchen „Organisation“ hatte und damit in meiner freien Zeit an bestimmten<br />
Veranstaltungen teilnehmen durfte. Ich konnte es zeitlich einrichten, folgen<strong>de</strong><br />
Veranstaltungen zu besuchen:<br />
� „Neurobiologische Forschung und Grundlagen <strong>de</strong>r Pharmakotherapie bei<br />
Zwangserkrankungen“ mit folgen<strong>de</strong>n Vorträgen: „Analyse <strong>de</strong>r Manumotorik bei<br />
Patienten mit Zwangsstörungen – eine Bewegungsstörung?“ (Mergl, R.),<br />
„Bildgeben<strong>de</strong> Untersuchungen bei Patienten mit Zwangsstörungen – Implikationen für<br />
Psycho-und Pharmakotherapie?“ (Pogarell, O.), „Anmerkungen zur Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
serotonergen Systems“ (Moll, G.), „Neurobiologische Grundlagen bei Patienten mit<br />
Zwangsstörungen“ (Hegerl, U.)<br />
� Vortragsgruppe „Psychotherapie“ mit <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Vorträgen: „Effektivität<br />
stationärer Verhaltenstherapie bei schweren Zwangsstörungen“ (Peikert, G.), „Die<br />
Rolle <strong>de</strong>r Körpertherapie bei <strong>de</strong>r Behandlung von Zwangsstörungen“ (Hauke, W.)<br />
� „Seminar für Angehörige von Zwangserkrankten“<br />
� „Einsatzmöglichkeiten technischer Medien in <strong>de</strong>r Therapie von Zwangsstörungen“<br />
(Wölk, C.)<br />
Ich hätte gern mehr Veranstaltungen besucht, aber ich musste am Freitag schließlich normal<br />
arbeiten und am Samstag war ich mit <strong>de</strong>r technischen Saalassistenz an bestimmte<br />
Veranstaltungen gebun<strong>de</strong>n.<br />
Vom 6.12 - 7.12 war <strong>de</strong>r Biofeedback-Kongress, an <strong>de</strong>m ich ebenfalls als Helferin teilnahm.<br />
7) Schlussbemerkungen<br />
Ein halbes Jahr insgesamt zu bewerten, fällt mir schwer. Ich hatte auf je<strong>de</strong>n Fall die<br />
Möglichkeit, viele therapeutische Bereiche kennen zu lernen und zu sehen, dass überall nur<br />
mit Wasser gekocht wird, wie man so umgangssprachlich zu sagen pflegt. Etwas scha<strong>de</strong> fand<br />
ich die fehlen<strong>de</strong> Integration von Praktikanten in das therapeutische Angebot. Aber mit <strong>de</strong>r<br />
Erlaubnis <strong>de</strong>n Kurs „Kreatives Schreiben“ zu geben, hatte ich zumin<strong>de</strong>st ein wenig die<br />
Möglichkeit, mich in das Klinikprogramm einzubin<strong>de</strong>n. Manchmal hätte ich mir gewünscht,<br />
etwas mehr Aufgaben zu bekommen und hatte <strong>de</strong>n Eindruck, dass man Praktikanten relativ<br />
wenig zutraut und damit auch viel Potential ungenutzt lässt. Durch Gespräche mit an<strong>de</strong>ren<br />
Praktikanten konnte ich mich jedoch versichern, dass dies nicht nur bei mir so war. Es lag<br />
also nicht speziell an meinen fehlen<strong>de</strong>n Kenntnissen.<br />
Ich weiß, dass die Klinik annimmt, dass es ihrem Ruf scha<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, wenn Praktikanten<br />
therapeutische Aufgaben übernehmen wür<strong>de</strong>n. Aber ich hätte es beispielsweise für sinnvoll<br />
gehalten, geson<strong>de</strong>rte Angebote, die auch als praktikantengeleitet ausgeschrieben sind,<br />
anzubieten. So war ich ein wenig enttäuscht. Generell wür<strong>de</strong> ich sagen, dass ein<br />
dreimonatiges Praktikum auch ausgereicht hätte, um die Erfahrungen, die ich natürlich<br />
gesammelt habe, zu machen.<br />
Die Indikativgruppen machten mir vor allem <strong>de</strong>n kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz<br />
<strong>de</strong>r Klinik <strong>de</strong>utlich. Die ersten Indikativgruppen waren unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt: „Wie wird<br />
kognitiv-verhaltenstherapeutisch gearbeitet?“ sehr interessant. Aber nach <strong>de</strong>r dritten Gruppe<br />
stellte ich doch fest, dass sich bestimmte Grundlagen stark wie<strong>de</strong>rholen. Es schien mir<br />
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mitunter, dass einige Gruppen nur eine an<strong>de</strong>re Zusammensetzung <strong>de</strong>r gleichen Lehrbausteine<br />
darstellten.<br />
Beson<strong>de</strong>rs kritisch sehe ich im psychosomatischem Alltag die Vergabe von Diagnosen,<br />
insbeson<strong>de</strong>re von Persönlichkeitsstörungen. Ich konnte mich <strong>de</strong>s Eindrucks nicht erwehren,<br />
dass, wenn ein Therapeut persönlich mit einem Patienten überfor<strong>de</strong>rt war, dass er dann<br />
schnell mal sagte: „Na ja, <strong>de</strong>r ist auch sehr bor<strong>de</strong>rlinig, histrionisch o<strong>de</strong>r narzisstisch.“ Man<br />
muss zwar einschränken, dass bei <strong>de</strong>n Befundberichten dann nur noch „Verdacht auf“<br />
geschrieben wur<strong>de</strong>, aber ich halte die Entschuldigungshaltung („Ich hätte <strong>de</strong>m Patienten ja<br />
geholfen, aber seine Persönlichkeitsstörung macht einen Erfolg unwahrscheinlich.“) nicht für<br />
korrekt. Darüber hinaus fin<strong>de</strong> ich es „unsportlich“, so über Patienten zu re<strong>de</strong>n. Diese haben<br />
nie die Gelegenheit sich dagegen zu wehren. Ich bin <strong>de</strong>r Meinung, solche gravieren<strong>de</strong>n<br />
Diagnosen sollten nur dann vergeben wer<strong>de</strong>n, wenn ein SKID II Interview geführt wor<strong>de</strong>n ist.<br />
Es ist in meinen Augen fragwürdig <strong>de</strong>n Patienten <strong>de</strong>n SKID II Fragebogen vorzulegen (wenn<br />
überhaupt) und dann erstaunt festzustellen: „Der hat ja alle Persönlichkeitsstörungen!“. Die<br />
Testkonstrukteure weisen explizit darauf hin, dass <strong>de</strong>r Fragebögen bestenfalls als eine Art<br />
Screening genutzt wer<strong>de</strong>n sollte. Außer<strong>de</strong>m kann ich mich nicht mit <strong>de</strong>n Zimmerkontrollen<br />
anfreun<strong>de</strong>n. Ich halte dies nach wie vor für einen zu massiven Eingriff in die Privatsphäre –<br />
wie ich oben bereits ausgeführt habe.<br />
Das Team <strong>de</strong>r B1 war aber uneingeschränkt freundlich, hilfsbereit und kollegial, sowohl<br />
zueinan<strong>de</strong>r als auch zu mir. Sie waren immer bereit, meine Fragen zu beantworten und haben<br />
sich Zeit für mich genommen. Ich wünsche je<strong>de</strong>m zukünftigen Praktikanten ein so nettes<br />
Team.<br />
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