Das Prinzipien- und Parametermodell
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Theoretische Gr<strong>und</strong>lagen I<br />
Dr. Said Sahel<br />
<strong>Das</strong> <strong>Prinzipien</strong>- <strong>und</strong> <strong>Parametermodell</strong>
• Es können mehrere Entwicklungsstadien der generativen Grammatik<br />
unterschieden werden<br />
– Die Standardtheorie (1965),<br />
– die Rektions- <strong>und</strong> Bindungstheorie (1981, 1986) <strong>und</strong><br />
– das minimalistische Programm (1995)<br />
• Jedes dieser drei Entwicklungsstadien wird durch ein Grammatikmodell<br />
repräsentiert, das Aussagen über die grammatischen Komponenten <strong>und</strong> ihr<br />
Zusammenwirken enthält
<strong>Prinzipien</strong> <strong>und</strong> Parameter<br />
• Chomskys Generative Grammatik der achtziger <strong>und</strong> neunziger Jahre wird<br />
auch als <strong>Prinzipien</strong>- <strong>und</strong> <strong>Parametermodell</strong> bezeichnet<br />
• Diese Bezeichnung ist auf die Annahme Chomskys zurückzuführen, dass es<br />
eine Universalgrammatik (UG) gibt, die<br />
– aus universellen , für alle natürlichen Sprachen geltenden <strong>Prinzipien</strong> <strong>und</strong><br />
– aus sprachspezifischen Parametern besteht<br />
• Die UG ist die Charakterisierung eines spezifischen Systems mentaler<br />
Strukturen, das die Voraussetzung für den Spracherwerb bildet<br />
• Dieser Annahme zufolge kann Spracherwerb nur erfolgreich sein, wenn das<br />
Kind bei der Suche nach den seiner Muttersprache zugr<strong>und</strong>e liegenden<br />
Gesetzmäßigkeiten von bestimmten <strong>Prinzipien</strong> (UG) geleitet ist
<strong>Prinzipien</strong> <strong>und</strong> Parameter<br />
• UG-Prinzip: Wörter können durch Wörter ergänzt werden<br />
– <strong>Das</strong> Substantiv Himmel kann durch das Adjektiv blau ergänzt werden<br />
der blaue Himmel<br />
– <strong>Das</strong> Verb laufen kann durch das Adjektiv schnell ergänzt werden<br />
schnell laufen<br />
• Parameter: Die Ergänzung kann links- oder rechtsperipher stehen<br />
– Substantive werden links durch ein Adjektiv ergänzt<br />
dt.: der blaue Himmel<br />
– Substantive werden rechts durch ein Adjektiv ergänzt<br />
frz.: le ciel bleu
Rektions- <strong>und</strong> Bindungstheorie: das Modell
Komponenten des Modells<br />
• Nach dem Modell der Rektions- <strong>und</strong> Bindungstheorie (1981, 1986) weist<br />
die Grammatik die folgenden Komponenten auf:<br />
– ein Lexikon: enthält u.a. die morphologische <strong>und</strong> phonologische Struktur von Wörtern<br />
– eine kategoriale Komponente (X-bar-Theorie) beinhaltet die <strong>Prinzipien</strong>, nach denen<br />
Phrasen gebaut werden<br />
� Lexikon <strong>und</strong> X-bar-Theorie bilden gemeinsam die Basis<br />
– eine Tiefenstruktur (deep structure), die durch die Basis erzeugt wird<br />
– eine Transformationskomponente (move α), die die Tiefenstruktur in<br />
– eine Oberflächenstruktur (surface structure) überführt<br />
– eine phonologische Komponente (Phonetische Form)<br />
– eine logische Komponente (Logische Form)<br />
� D-Struktur, S-Struktur <strong>und</strong> Logische Form sind syntaktische Repräsentationsebenen
Subtheorien des Modells<br />
• Darüber hinaus werden in der Rektions- <strong>und</strong> Bindungstheorie (1981,<br />
1986) grammatische <strong>Prinzipien</strong> angenommen, die als Subtheorien des<br />
Modells angesehen werden können:<br />
– Kasustheorie<br />
– Rektionstheorie<br />
– Theta-Theorie<br />
– ….<br />
• Bei diesen grammatischen <strong>Prinzipien</strong> handelt es sich um Bedingungen für<br />
die Grammatikalität von Sätzen<br />
• Durch diese <strong>Prinzipien</strong> wird u.a. die Transformationskomponente bewege<br />
α beschränkt
Die zentralen Fragen des Textes<br />
• Welche Evidenz gibt es für die Annahme der D-Struktur?<br />
• Durch welche <strong>Prinzipien</strong> werden die D-Struktur <strong>und</strong> die S-Struktur<br />
miteinander verb<strong>und</strong>en?
Argumentstruktur<br />
• Verben unterscheiden sich darin, wie viele <strong>und</strong> welche Argumente sie selegieren<br />
• Jedes Verb hat seine Selektionseigenschaften oder eine Argumentstruktur<br />
• Die Argumentstruktur eines Verbs enthält Informationen über<br />
– die semantische Rollen (Agens, Patiens …) der vom Verb selegierten Ausdrücke haben,<br />
– die kategoriale Realisierung dieser Ausdrücke (NP, PP, S),<br />
– die syntaktische Funktion dieser Ausdrücke (Subjekt, direktes Objekt, indirektes Objekt)<br />
• <strong>Das</strong> Verb schenken zum Beispiel selegiert drei Argumente<br />
Peter schenkt seiner Fre<strong>und</strong>in Blumen<br />
Peter: Agens, NP NOM, Subjekt<br />
seiner Fre<strong>und</strong>in: Ziel, NP DAT, indirektes Objekt<br />
Blumen: Patiens, NP AKK ,direktes Objekt<br />
• Die Information über die Argumentstruktur eines Verbs steht im Lexikon; man<br />
spricht vom Subkategorisierungsrahmen eines Verbs
Subjekte vs. Objekte<br />
• Objekte erhalten immer eine thematische (semantische) Rolle vom Verb; sie sind<br />
immer semantisch gefüllt<br />
• Subjekte erhalten hingegen nur dann eine thematische (semantische) Rolle vom<br />
Verb, wenn sie semantisch leer sind<br />
• Die so genannten Witterungsverben regnen, schneien, blitzen… haben eine<br />
semantisch leere Subjektposition<br />
es regnet/schneit/blitzt<br />
• <strong>Das</strong> Expletivum es ist semantisch leer, da es keine Referenz hat<br />
• Auch das so genannte Anhebungsverb scheinen hat eine semantisch leere Position<br />
• <strong>Das</strong> Verb scheinen selegiert syntaktisch ein Subjekt <strong>und</strong> ein Objekt, vergibt aber<br />
eine thematische Rolle nur an das Objekt, an das Subjekt aber nicht
Anhebungsverb scheinen<br />
(1) [ S Max scheint] [ S‘ zu gewinnen]<br />
(2) [ S Es scheint], [ S‘ dass Max gewinnt]<br />
• <strong>Das</strong> Verb scheinen selegiert syntaktisch eine NP im Nominativ als Subjekt <strong>und</strong><br />
einen Nebensatz als Objekt<br />
• <strong>Das</strong> Verb scheinen vergibt aber nur eine thematische Rolle, nämlich an sein Objekt<br />
• Die Subjektposition erhält hingegen keine thematische Rolle; sie ist semantisch<br />
leer<br />
� Denn Max scheint nicht, sondern Max gewinnt
• Im Satz (1‘)<br />
Anhebungsverb scheinen<br />
(1‘) [ S Max scheint] [ S‘ zu gewinnen]<br />
steht aber die NP Max, die ein Referenzausdruck ist, in der Subjektposition von<br />
scheinen, das an die Subjektposition keine thematische Rolle vergibt<br />
• Ausgehend von der Argumentstruktur des Verbs scheinen ist anzunehmen, dass<br />
die Subjekt-NP Max an der ‚falschen‘ Position steht<br />
• Dennoch ist der Satz in (1‘) grammatisch<br />
• Grammatisch ist auch der Satz in (2‘)<br />
(2‘) [ S Es scheint], [ S‘ dass Max gewinnt]<br />
• In (2‘) steht die Subjekt-NP Max an der richtigen Position, nämlich in der<br />
Subjektposition des Verbs gewinnen, das – im Gegensatz zu scheinen - an sein<br />
Subjekt eine thematische Rolle vergibt<br />
• Trotz der strukturellen Unterscheide zwischen (1‘) <strong>und</strong> (2‘) sind die beiden Sätze<br />
bedeutungsgleich, d.h. die Verb-Argument-Relation ist identisch
D-Struktur<br />
• Es liegt nahe anzunehmen, dass (1‘) <strong>und</strong> (2‘) auf ein <strong>und</strong> dieselbe syntaktische<br />
Struktur zurückzuführen sind, auf der die Verb-Argument-Struktur repräsentiert ist<br />
• Es wird angenommen, dass es neben einer oberflächennahen syntaktischen<br />
Repräsentationsebene (S-Struktur) eine tiefe Repräsentationsebene (D-Struktur)<br />
gibt<br />
• Dieser Annahme zufolge ist der Satz<br />
(1‘‘) [ S Max scheint] [ S‘ zu gewinnen]<br />
die Oberflächenrealisierung der zugr<strong>und</strong>e liegenden Repräsentation<br />
(3) [ S e scheint] [ S‘ Max zu gewinnen], ‚[e]mpty‘= leer<br />
• In (3) ist die Argumentstruktur des Verbs scheinen richtig abgebildet:<br />
– Die Subjektposition von scheinen ist leer,<br />
– Max steht in der Subjektposition von gewinnen – dem Verb, von dem Max eine<br />
thematische Rolle erhält
-Θ<br />
•Lexikon<br />
•PS-Regeln bzw. X-bar-Theorie<br />
Θ 1<br />
Max<br />
Max i<br />
Θ1 ti Max
• Rechtfertigung für die D-Struktur:<br />
D-Struktur<br />
„Die D-Struktur stellt die Konfiguration zur Verfügung, die für jedes Prädikat seine<br />
Argumente zu lokalisieren gestattet.“ (Stechow/Sternefeld 1988: 62)<br />
• „Die S-Struktur ist dagegen ‚oberflächennah‘. Sie bildet den Input für die<br />
phonologischen Regeln.“(Stechow/Sternefeld 1988: 62)<br />
� Wie werden die beiden Repräsentationsebenen miteinander verb<strong>und</strong>en bzw.<br />
aufeinander bezogen?<br />
Denn es muss gewährleistet sein, dass die Informationen, die auf der D-Struktur<br />
vorhanden sind, auch auf der S-Struktur zur Verfügung stehen
Zwei <strong>Prinzipien</strong><br />
• Die Verbindung zwischen der D-Struktur <strong>und</strong> der S-Struktur soll u.a. durch die zwei<br />
folgenden <strong>Prinzipien</strong> geleistet werden:<br />
1. das Projektionsprinzip <strong>und</strong><br />
2. bewege α<br />
Projektionsprinzip<br />
Subkategorisierte Positionen <strong>und</strong> die Subjektposition erscheinen auf allen<br />
grammatischen Ebenen<br />
� Die Verb-Argument-Relation muss sowohl auf der D- als auch auf der S-Struktur<br />
repräsentiert sein
<strong>Das</strong> Projektionsprinzip<br />
D-Struktur [ S e [-θ] scheint] [ S‘ Max [+θ] zu gewinnen], ‚[e]mpty‘= leer<br />
S-Struktur [ S Max i [-θ] scheint] [ S‘ t i [+θ] zu gewinnen]<br />
• Auf der D-Struktur erscheinen die Subjektpositionen wie folgt:<br />
– e [-θ] : semantisch leere Subjektposition von scheinen, d.h. eine Subjektposition ohne<br />
thematische Rolle<br />
– Max [+θ] : die Subjektposition von gewinnen ist eine thematische Position; sie erhält eine<br />
thematische Rolle<br />
• Auf der S-Struktur erscheinen die Subjektpositionen wie folgt:<br />
– [-θ]: die Subjektposition von scheinen erscheint wie auf der D-Struktur als semantisch<br />
leere Position<br />
– Max i erscheint zwar in der Subjektposition von scheinen, ist aber mit der d-strukturellen<br />
Subjektposition von gewinnen indiziert
<strong>Das</strong> Projektionsprinzip<br />
� <strong>Das</strong> Projektionsprinzip verlangt, dass die Information darüber, dass das Verb<br />
gewinnen seiner Subjektposition eine thematische Rolle zuweist, das Verb<br />
scheinen aber nicht, nicht nur auf der D-Struktur, sondern auch auf der S-Struktur<br />
erhalten bleibt
Bewege α<br />
• Bewege α ist die wichtigste Regel, die die syntaktischen Repräsentationsebenen D-<br />
Struktur <strong>und</strong> S-Struktur verbindet<br />
• Bewege α: Bewege irgendeine Konstituente irgendwohin<br />
• Bewege α wird durch das Zusammenspiel mehrerer grammatischer <strong>Prinzipien</strong><br />
beschränkt<br />
• Durch die Regel bewege α werden Konstituenten von ihrer d-strukturellen Position<br />
in ihre s-strukturelle Position verschoben<br />
• Die bewegte Konstituente hinterlässt in ihrer d-strukturellen Position eine Spur t<br />
(=trace)<br />
• Die Spur t erscheint auf der S-Struktur <strong>und</strong> ist mit der bewegten Konstituente<br />
koindiziert<br />
S-Struktur [ S Max i scheint] [ S‘ t i zu gewinnen]
Bewege α<br />
• Die Bewegung der NP Max von ihrer d-strukturellen Subjektposition des<br />
eingebetteten Satzes in die Subjektposition des Matrixsatzes wird<br />
1. ermöglicht durch das so genannte Theta-Kriterium, ein grammatisches Prinzip der<br />
Rektions- <strong>und</strong> Bindungstheorie<br />
Theta-Kriterium<br />
Jedes Argument erhält genau eine Theta-Rolle <strong>und</strong> jede Theta-Rolle wird genau einem<br />
Argument zugewiesen<br />
2. erzwungen durch den Kasusfilter, ein weiteres grammatisches Prinzip der Rektions- <strong>und</strong><br />
Bindungstheorie<br />
Kasusfilter<br />
Jede NP ist ungrammatisch, die keinen Kasus zugwiesen bekommt<br />
• Die Subjektposition des Matrixsatzes erhält vom Verb scheinen keine Theta-Rolle;<br />
daher kann die Subjekt-NP Max dahin bewegt werden, ohne eine zweite Theta-<br />
Rolle zu bekommen
-Θ<br />
+NOM<br />
•Lexikon<br />
•PS-Regeln bzw. X-bar-Theorie<br />
+NOM<br />
Θ1 -NOM<br />
Max<br />
-NOM<br />
Max i<br />
-Θ<br />
+NOM<br />
+NOM<br />
Θ1 -NOM<br />
ti Max<br />
-NOM
Bewege α<br />
• Die Subjektposition des Matrixsatzes erhält vom Verb scheinen keine Theta-Rolle;<br />
daher kann die Subjekt-NP Max dahin bewegt werden, ohne eine zweite Theta-<br />
Rolle zu erhalten<br />
� Denn die Subjekt-NP Max hat in ihrer d-strukturellen Position bereits vom Verb<br />
gewinnen eine Theta-Rolle erhalten<br />
• Die Subjektposition des eingebetteten Satzes erhält vom Verb gewinnen keinen<br />
Nominativ, da das Verb infinit ist; dort würde eine Subjekt-NP keinen Kasus<br />
erhalten<br />
• Die Subjektposition des Matrixsatzes erhält hingegen vom Verb scheint den<br />
Nominativ, da das Verb finit ist<br />
� Der Kasusfilter wird dadurch ‚gerettet‘, dass die Subjekt-NP Max in die<br />
Subjektposition des Matrixsatzes bewegt wird