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Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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erhebt nun mit der ungewöhnlichen Hervorhebung Sems Anspruch auf eine<br />

Sonderstellung für das Volk Israel, das ja gerade zu seiner Zeit als<br />

babylonische oder persische Untertanen sich auf einem Tiefpunkt seines<br />

politischen Selbstbewußtseins befindet.<br />

d. Noah war Bauer <strong>und</strong> pflanzte als erster Weinreben an.<br />

Einstmals war er trunken von dem frischen Wein <strong>und</strong> schlief<br />

nackend in seinem Zelte. Sein Sohn Harn, der Vater Kanaans, kam<br />

zufällig hinein <strong>und</strong> sah ihn so. Er ging dann hinaus <strong>und</strong> erzählte es<br />

seinen Brüdern Sem <strong>und</strong> Japhet. Diese aber gingen rückwärts<br />

hinein in das Zelt <strong>und</strong> deckten ihren Vater zu, ohne ihn anzusehen.<br />

Als nun Noah von seinem Rausche aufgewacht war, erfuhr er, was<br />

ihm sein jüngster Sohn angetan hatte. Da verfluchte er ihn <strong>und</strong><br />

bestimmte ihn zum Knecht seiner Brüder Sem <strong>und</strong> Japhet. Sem<br />

aber wurde von Noah bevorzugt mit dem Segen Jahwes belehnt.<br />

Denn Japhet darf wohl weiten Raum haben, soll aber im Zelte<br />

seines Bruders Sem wohnen.<br />

I. Mose 9,20-27.<br />

1. Im Gegensatz zu den jahwistischen <strong>und</strong> priesterlichen Mythen über <strong>die</strong><br />

Verteilung der Menschen auf der Welt legt der Mythos der Laienquelle keinen<br />

Wert auf <strong>die</strong> Flutgeschichte <strong>und</strong> eine detaillierte Völkerliste. Wenn er <strong>die</strong><br />

Geschichte von der Trunkenheit Noahs erzählt, dann tut er es, weil es für ihn<br />

ein anderes Prinzip der Unterschiede zwischen den Völkern gibt. Kanaan<br />

gehört sicher zu den Weinbauern, aber Sem wohnt im Zelt, <strong>und</strong> Japhet,<br />

dessen Namen hier erklärt wird (das hebräische Verb für „weiten Raum<br />

geben" hat denselben Konsonantenbestand wie der Name Japhet), soll bei<br />

ihm Gastfre<strong>und</strong>schaft haben. Die Welt besteht für den Vertreter der<br />

Laienquelle aus Ackerbauern (hier Weinbauern) <strong>und</strong> Herdenbesitzern, wobei<br />

der Erzähler sich zu den letzteren zählt. Der Beruf des Bauern wird abfällig<br />

geschildert, aber der des Nomaden steht unter dem besonderen Segen<br />

Jahwes. Die Bauern gelten als Knechte der Nomaden.<br />

2. Historisch begründet wird <strong>die</strong>ser alte Mythos durch <strong>die</strong> Tatsache, daß <strong>die</strong><br />

Israeliten (Sem) <strong>und</strong> <strong>die</strong> Philister (Kanaan), <strong>die</strong> von Kreta kamen, sich beide in<br />

den Besitz des Landes Kanaan teilten, wobei der Erzähler aber für sich<br />

beansprucht, eigentlicher Haupterbe zu sein. Es ist sicher, daß <strong>die</strong> Philister,<br />

von der dorischen Völkerwanderung vor sich hergeschoben, um 1200 v .u. Z.<br />

von der Küste Kleinasiens ins Landesinnere vorgedrungen sind. Dabei stießen<br />

sie auf <strong>die</strong> gleichzeitig von Osten einsickernden nomadischen Israeliten. Der<br />

Mythos geht davon aus, daß sich <strong>die</strong> Einwandernden auf Kosten der<br />

Landesbewohner einigen. Von einer alle Völker gleichmäßig berührenden<br />

Segensbereitschaft Jahwes weiß der Text nichts, sondern er behauptet<br />

vielmehr <strong>die</strong> Einmaligkeit <strong>und</strong> Besonderheit Sems (als Bezeichnung für Israel<br />

nur hier verwandt).<br />

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