Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

Sinnbild der kulturbringenden Küstenvölker, ihr Anteil an der Fähigkeit des Menschen, vom Nomadendasein in die Ackerbaukultur überzuwechseln, zugleich aber wird sie verflucht. Jahwe muß über sie triumphieren, die Stämme Israels müssen über Kanaan siegen, müssen sie zertreten, auch wenn die gestiftete, unauslöschliche Feindschaft ihnen Fersenstiche einbringt. Nur so sollte dieser Satz von der Feindschaft verstanden werden. (Siehe auch 5,3.) 10. Kirchliches Dogma allerdings, das davon ausgeht, daß im Alten Testament schon der Christus des Neuen Testaments verkündet wird, hat hierin ein Protevangelium sehen wollen. Der von der Frau Geborene sei Christus, die Schlange aber der Teufel. Diese Deutung wird zwar schon in Offenbarung 12 angebahnt, hat aber streng genommen mit dem vorliegenden Mythos nichts zu tun, sondern ist schon Bestandteil christlicher Mythologie. 11. Durch die beigegebenen Glossen wird eine weitere Bedeutung des alten Mythos sichtbar. Er selbst rechtfertigte einmal noch die ältere matriarchalische Sozialstruktur, in der die Frau die aktive, kluge, entscheidende Rolle spielt: Der Mann verläßt ihretwegen Vater und Mutter und tritt in den Familienverband der Frau ein. Diese Funktion wird in der erweiterten Form des Mythos aufgehoben. Der Jahwist dreht die Aussage um: Die Frau wird trotz ihrer Beschwerden in der Schwangerschaft sich nach ihrem Manne sehnen, und er wird über sie herrschen, er wird ihr Herr und Besitzer und sie sein Eigentum sein. 12. Ursprünglich ist die Beurteilung der Sexualität in dem Mythos wie dieser selbst positiv. Nachdem die Menschen von dem Baum der Erkenntnis gegessen haben, erkennen sie ihre eigene körperliche Zweckmäßigkeit, die Sexualität. Der Erzähler berichtet ganz natürlich, wie sich seiner Meinung nach Liebende verhalten. Der Liebende versucht sich und die Geliebte vor den Augen möglicher Rivalen zu verbergen, und Jahwe ist für Adam, der nun weiß, was sinnvoll und sinnwidrig ist, ein Rivale. Für den jahwistischen Erzähler ist Jahwe ein Mann, auch wenn er ein Herr, ein mächtigerer König als David ist. Dieser scheute sich ja auch nicht, dem anderen Manne die Frau zu nehmen (siehe 2,3,g), und die Göttersöhne paarten sich nach der Vorstellung des Erzählers einstmals noch willkürlich mit den Menschentöchtern (vgl. 2,1,a). Den vorliegenden Mythos von der Erschaffung und Menschwerdung des Menschen „die Geschichte vom Sündenfall" zu nennen ist nur möglich, wenn man diese Geschichte umdeutet. Der Bewohner Judas deutete sich damit die Verhältnisse in der frühen Königszeit. Jahwe, der allmächtige Herr und König, sitzt wie ein König in seinem wunderschönen Garten, umgeben von allen Reichtümern der Welt, während der Bauer und seine Frau hart arbeiten müssen. Der schöne Garten - unser „Paradies" ist die griechische Bibelübersetzung von „Garten" - bleibt für den Bauern unzugänglich. Er hat natürlich Sehnsucht nach ihm, nach Schatten, nach Wasser, in der trockenen Hitze des Alltags. Aber er verzagt nicht, sondern hat ja seine passende Gehilfin, Eva, die Mutter der Lebenden. Mit ihr zeugt er viele Kinder, Gehilfen, die das Leben erträglich machen, wie im Fortgang der Geschichte erzählt wird. Der Tod ist für den Menschen des Alten Testaments keine Strafe. Deshalb ist bei dem Verbot Jahwes, nicht von dem Baum zu essen, der Androhung des 74

Todes nicht die Bedeutung beizumessen, die die Theologie ihr gibt, die hier wie an dem Mythos in I. Mose l (siehe 1,1) Überlegungen über Gehorsam und Ungehorsam, über Sünde und Seligkeit und anderes mehr angestellt hat. Das große Vorbild für solche Mythendeutung hat Paulus im fünften Kapitel des Römerbriefes geliefert. Dazu läßt sich dieser Mythos in I. Mose 2-3 zwar gebrauchen, aber Sinn und Unsinn all solcher Spekulationen werden unter anderem sich prüfen lassen müssen an der gesicherten ursprünglichen Funktion des Mythos, der in seiner biblischen Gestalt keine konkreten Verbindungen zu anderen Mythen außer den angedeuteten zu Kanaans Küstenstädten aufweist. In der vorliegenden Form ist er ein vollgültiges Glied in der Kette altorientalischer Schöpfungsmythen, ein Zeugnis der schöpferischen Leistungen biblischer Mythologie. 3.2 Die Anfänge der menschlichen Kultur Das erste Kind, das Adam und Eva geboren wurde, war Kain. Und Kain zeugte mit seiner Frau den Henoch, für den er eine Stadt baute, die er nach dem Namen seines Sohnes benannte. Dem Henoch wurde Irad geboren, und Irad zeugte Mechujael, den Vater des Methusael. Methusael aber war der Vater Lamechs, der zwei Frauen hatte, Adah und Zilla. Adah gebar ihm den Jabal, der zum Stammvater der Zeltbewohner und Viehzüchter wurde. Sein Bruder Jubal wurde der Stammvater aller, die Zither und Schalmei spielen. Zilla gebar dem Lamech den Tubal-Kain, der Erz und Eisen bearbeiten konnte. Tubal-Kain hatte noch eine Schwester Naama. I. Mose 4,1.17-22. 1. Die zweite Hälfte des Verses l und der folgende Abschnitt gehören zu dem Mythos von der Ermordung Abels durch Kain (siehe 2,5,d), der wesentlich jünger als die Geschichte vom Stammbaum Kains ist, die die Mordepisode nicht kennt, sondern in Kain einen verehrungswürdigen Heros sieht. Der Text gehört zur alten Laienquelle, die die kenitischen Traditionen der südjudäischen Nomadenstämme wiedergibt. Diese Stämme, insbesondere die Kalebiter, standen zu Juda in einem Schutzvertragsverhältnis. Sie waren militärische Hilfstruppen Judas. Für ihren Hilfsdienst erhielten sie das Weiderecht. Sie gehörten aber nicht zum Reich, sondern waren souverän. 2. Wie in allen orientalischen Mythen wird die Entstehung der Kultur merkwürdig kurz und knapp erzählt. Darin unterscheidet sich orientalische von griechischer Mythologie. Der biblische Mythos von der Entstehung der menschlichen Kultur ist den Königslisten von Kis vergleichbar, die auch in Listenform mythologische Könige vor der Flut aufzählen, deren Namen deutlich die verschiedenen Berufe angeben: „Gaur" (der die Balken legt), „Gulla-Ni-da-ba-anna...-sikal" (der das göttliche Getreide zerreibt), „Pala-kina- 75

Sinnbild der kulturbringenden Küstenvölker, ihr Anteil an der Fähigkeit des<br />

Menschen, vom Nomadendasein in <strong>die</strong> Ackerbaukultur überzuwechseln,<br />

zugleich aber wird sie verflucht. Jahwe muß über sie triumphieren, <strong>die</strong><br />

Stämme Israels müssen über Kanaan siegen, müssen sie zertreten, auch<br />

wenn <strong>die</strong> gestiftete, unauslöschliche Feindschaft ihnen Fersenstiche einbringt.<br />

Nur so sollte <strong>die</strong>ser Satz von der Feindschaft verstanden werden. (Siehe auch<br />

5,3.)<br />

10. Kirchliches Dogma allerdings, das davon ausgeht, daß im Alten<br />

Testament schon der Christus des Neuen Testaments verkündet wird, hat<br />

hierin ein Protevangelium sehen wollen. Der von der Frau Geborene sei<br />

Christus, <strong>die</strong> Schlange aber der Teufel. Diese Deutung wird zwar schon in<br />

Offenbarung 12 angebahnt, hat aber streng genommen mit dem vorliegenden<br />

Mythos nichts zu tun, sondern ist schon Bestandteil christlicher <strong>Mythologie</strong>.<br />

11. Durch <strong>die</strong> beigegebenen Glossen wird eine weitere Bedeutung des alten<br />

Mythos sichtbar. Er selbst rechtfertigte einmal noch <strong>die</strong> ältere matriarchalische<br />

Sozialstruktur, in der <strong>die</strong> Frau <strong>die</strong> aktive, kluge, entscheidende Rolle spielt:<br />

Der Mann verläßt ihretwegen Vater <strong>und</strong> Mutter <strong>und</strong> tritt in den<br />

Familienverband der Frau ein. Diese Funktion wird in der erweiterten Form<br />

des Mythos aufgehoben. Der Jahwist dreht <strong>die</strong> Aussage um: Die Frau wird<br />

trotz ihrer Beschwerden in der Schwangerschaft sich nach ihrem Manne<br />

sehnen, <strong>und</strong> er wird über sie herrschen, er wird ihr Herr <strong>und</strong> Besitzer <strong>und</strong> sie<br />

sein Eigentum sein.<br />

12. Ursprünglich ist <strong>die</strong> Beurteilung der Sexualität in dem Mythos wie <strong>die</strong>ser<br />

selbst positiv. Nachdem <strong>die</strong> Menschen von dem Baum der Erkenntnis<br />

gegessen haben, erkennen sie ihre eigene körperliche Zweckmäßigkeit, <strong>die</strong><br />

Sexualität. Der Erzähler berichtet ganz natürlich, wie sich seiner Meinung nach<br />

Liebende verhalten. Der Liebende versucht sich <strong>und</strong> <strong>die</strong> Geliebte vor den<br />

Augen möglicher Rivalen zu verbergen, <strong>und</strong> Jahwe ist für Adam, der nun weiß,<br />

was sinnvoll <strong>und</strong> sinnwidrig ist, ein Rivale. Für den jahwistischen Erzähler ist<br />

Jahwe ein Mann, auch wenn er ein Herr, ein mächtigerer König als David ist.<br />

Dieser scheute sich ja auch nicht, dem anderen Manne <strong>die</strong> Frau zu nehmen<br />

(siehe 2,3,g), <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Götter</strong>söhne paarten sich nach der Vorstellung des<br />

Erzählers einstmals noch willkürlich mit den Menschentöchtern (vgl. 2,1,a).<br />

Den vorliegenden Mythos von der Erschaffung <strong>und</strong> Menschwerdung des<br />

Menschen „<strong>die</strong> Geschichte vom Sündenfall" zu nennen ist nur möglich, wenn<br />

man <strong>die</strong>se Geschichte umdeutet. Der Bewohner Judas deutete sich damit <strong>die</strong><br />

Verhältnisse in der frühen Königszeit. Jahwe, der allmächtige Herr <strong>und</strong> König,<br />

sitzt wie ein König in seinem w<strong>und</strong>erschönen Garten, umgeben von allen<br />

Reichtümern der Welt, während der Bauer <strong>und</strong> seine Frau hart arbeiten<br />

müssen. Der schöne Garten - unser „Para<strong>die</strong>s" ist <strong>die</strong> griechische<br />

Bibelübersetzung von „Garten" - bleibt für den Bauern unzugänglich. Er hat<br />

natürlich Sehnsucht nach ihm, nach Schatten, nach Wasser, in der trockenen<br />

Hitze des Alltags. Aber er verzagt nicht, sondern hat ja seine passende<br />

Gehilfin, Eva, <strong>die</strong> Mutter der Lebenden. Mit ihr zeugt er viele Kinder, Gehilfen,<br />

<strong>die</strong> das Leben erträglich machen, wie im Fortgang der Geschichte erzählt wird.<br />

Der Tod ist für den Menschen des Alten Testaments keine Strafe. Deshalb ist<br />

bei dem Verbot Jahwes, nicht von dem Baum zu essen, der Androhung des<br />

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