Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

„sinnvoll und sinnlos" vorzuziehen ist. Christliche Mythologie hat in diesem Begriffspaar innerhalb ihrer Lehre von der Erbsünde die Grundlage einer Ethik gesucht. Der Mythos aber handelt zunächst von dem Wesen Gottes, der als Schöpfer der Welt sein Urteil über sein Werk nicht in ethischen Prädikaten (gut und böse) formuliert, sondern in einem sachlich zu verstehenden Gutachten. Nur zu vermuten ist, daß alle anderen Bäume des Gartens, wenn nicht an einen zweiten besonderen Baum (vgl. 3,1,2) gedacht werden darf, Früchte tragen, die dem Menschen, wenn er sie ißt, ein ewiges Leben gewähren. Der Mensch soll fortan nämlich nur noch die Kräuter vom Felde essen. Der Erzähler hat also sicher an den mythologisch eindeutigen Lebensbaum gedacht. 4. Die Sentenz (nach „... denn sie ist vom Manne genommen"): „Deshalb verläßt der Mann seinen Vater und seine Mutter und hängt an seiner Frau, und beide werden ein Fleisch", ist hier ebenfalls ausgelassen. Sie gehört auch sprachlich nicht zum Mythos. Sie ist für die Zeit denkbar, die hierin eine Begründung für die Ehe nach matriarchalischen Vorstellungen sehen wollte. 5. Die hier benutzte hebräische Vokabel für „klug" kann „nackt" und „klug" bedeuten. Adam und seine Frau waren nackt, wie aus dem Fortgang des Mythos hervorgeht. Nun gilt die Schlange ja auch als nacktes Tier, weil sie weder Haare noch Federn hat. Die Anknüpfung an das Vorhergegangene „nackt" bei Adam und Eva könnte nahelegen, hier auch die Nacktheit der Schlange zu betonen, wenn nicht die geläufige Übersetzung „klug" besser den ursprünglich positiven Sinn des Mythos wiedergeben würde. Der Satz: „Da nannte Adam seine Frau Hawa, denn sie wurde die Mutter aller Lebenden", ist an das Ende des Mythos gestellt, weil er in seinem Sentenzcharakter die Erzählung unterbricht, die wie alle originären orientalischen Mythen keine Sentenz gehabt hat. (Sprachwissenschaftlich ist die biblische Etymologie Hawa = „Mutter aller Lebenden" unhaltbar.) 6. Wenn hier im Gegensatz zur herkömmlichen Meinung trotz des Artikels vor Adam immer dieses Wort als Name wiedergegeben wird und nicht die Bedeutung „Mensch", so geschieht das, um den Charakter des Mythos zu unterstreichen. Der hebräische Erzähler weckt natürlich bei seinen Zuhörern die Assoziation vom „Menschen" Adam zur „Erde", weshalb man bei einer Übertragung des Namens Adam und des Begriffes Mensch das Wort „der Irdische" gebrauchen müßte. 7. Der Mythos von der Entstehung der Menschen war ursprünglich ein elohistischer Text. Er ist kein Mythos von der Erschaffung der Welt, denn die Welt interessiert den Gott Elohim eigentlich nicht so sehr. Er ist der Gärtner des Kulturlandes und darauf bedacht, daß die Ordnung in ihm erhalten bleibt. Darum sorgt er sich vor allem um den Menschen. Deshalb wird die Erschaffung des Menschen so ausführlich geschildert, ganz im Gegensatz zu dem Bericht der priesterlichen Tradition (siehe 1,1) über die Erschaffung der Welt. In seiner vorliegenden Form ist der Mythos aber schon von den königstreuen Theologen in Jerusalem formuliert. Um den Einfluß der alten oppositionellen Priester Kanaans, die noch vor allem im Norden unter den eingewanderten Stämmen Israels wirkten, zurückzudrängen, wird nun behauptet, die 72

Menschen habe Jahwe erschaffen. Er ist der heilige König, der in seinem Garten lustwandelt, während die Menschen fronen müssen. Das Goldene Zeitalter des El ist vorüber, in dem die Menschen nach der Vorstellung des Mythos ohne Sorge und Furcht lebten und arbeiten. Für sie war der Tod noch ebensowenig ein Schrecken wie der Schlaf. Das ist unwiderruflich vorbei. Jahwe verlangt Gehorsam und Arbeit. 8. Der jahwistische Mythos handelt nur von der Erschaffung des ersten Menschenpaares. Die summarische Einleitung soll anzeigen, daß der Mensch da war, bevor noch irgend etwas auf der Welt war. Der erste Mensch heißt Adam, weil er aus der Ackererde, dem Schwemmland in den Flußniederungen des Orients (hebr. „adamah"), geformt wurde. Auch die Frau ist Mensch, denn sie stammt aus dem Adam, der fortan Begriff für Mann bleibt. Jahwe erschafft beide. Der ursprüngliche Mythos war positiv aufgebaut. Adam und Eva sollen den Paradiesgarten stellvertretend leiten. Adam erhält das göttliche Recht, den Tieren ihre Namen zu geben. Er ist ein Herr, und Hawa, seine Frau, eine Herrin. Sie trägt den Namen der phönizischen Schlangengöttin, die auch sonst in der Mythologie als Mutter der Menschen bezeugt ist. Im Aramäischen und Syrischen heißt die Schlange z. B. häwja. Diese Koinzidenz ist wichtig für das Verständnis des Mythos. Denn der ursprüngliche Mythos beurteilt das Verlangen der Frau, klug zu werden, positiv. Und Elohim sieht ohne Gram ein, daß der Mensch gottgleich geworden ist. Er überträgt ihm fortan nicht mehr die Verwaltung des Gottesgartens, sondern die Erde. Der Mensch verliert aber die Unsterblichkeit, die er durch den Genuß der Früchte der Bäume im Paradies besessen hatte, denn alle Bäume im Paradies verleihen die Unsterblichkeit; diese Vorstellung ist heute noch im Islam lebendig. 9. Adam und seine Frau waren zur Arbeit geschaffen. Die Arbeit hat in der mythischen Form negative Bedeutung. Ihren fatalistischen Akzent erhält sie aber erst durch die theologischen Sätze, die als Sprüche Jahwes über Frau und Mann angegeben werden. Nur die Schlange wird verflucht, „weil sie das getan hat". Der Spruch über sie wird mit der Fluchformel (hebr. „Arur") eingeleitet. Die jahwistischen Bestimmungsformeln über Mann und Frau machen den alten Mythos von der Erschaffung des ersten göttlichen Menschenpaares nun zu einer ätiologischen Sage, die erklären soll, warum das Tagewerk des Bauern und die Schwangerschaft der Frauen anstrengende Arbeit sind. Sie markieren den religiösen Stand der jahwistischen Tradition, die unter der Regierung Salomos das Los der fronenden Bauern erklären will und dem biblischen Mythos diese Form gibt. Der Fluch über die Schlange hat zudem noch einen realen Sinn. Der tradierte Mythos, in dem der vorurteilsfreie Leser die positive Rolle der Schlange bei der Menschwerdung des Menschen entdecken konnte, lebt im 10. Jahrhundert v. u. Z. noch, und die alten orientalischen Schlangenkulte sind noch lebendig. Die Erzählung von der „ehernen Schlange" in IV. Mose 21 spiegelt den Brauch in Kanaan wider, Schlangen zu verehren. Auch Athena war ursprünglich eine kretischmykenische Schlangengöttin und galt in Kreta als Mutter des Lebens. Durch diese politische Bezugnahme erhält der Mythos eine doppelbödige Funktion, seinen politisch-religiösen Doppelsinn: zugestanden wird der Schlange, 73

„sinnvoll <strong>und</strong> sinnlos" vorzuziehen ist. Christliche <strong>Mythologie</strong> hat in <strong>die</strong>sem<br />

Begriffspaar innerhalb ihrer Lehre von der Erbsünde <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage einer Ethik<br />

gesucht. Der Mythos aber handelt zunächst von dem Wesen <strong>Gott</strong>es, der als<br />

Schöpfer der Welt sein Urteil über sein Werk nicht in ethischen Prädikaten (gut<br />

<strong>und</strong> böse) formuliert, sondern in einem sachlich zu verstehenden Gutachten.<br />

Nur zu vermuten ist, daß alle anderen Bäume des Gartens, wenn nicht an<br />

einen zweiten besonderen Baum (vgl. 3,1,2) gedacht werden darf, Früchte<br />

tragen, <strong>die</strong> dem Menschen, wenn er sie ißt, ein ewiges Leben gewähren. Der<br />

Mensch soll fortan nämlich nur noch <strong>die</strong> Kräuter vom Felde essen. Der<br />

Erzähler hat also sicher an den mythologisch eindeutigen Lebensbaum<br />

gedacht.<br />

4. Die Sentenz (nach „... denn sie ist vom Manne genommen"): „Deshalb<br />

verläßt der Mann seinen Vater <strong>und</strong> seine Mutter <strong>und</strong> hängt an seiner Frau, <strong>und</strong><br />

beide werden ein Fleisch", ist hier ebenfalls ausgelassen. Sie gehört auch<br />

sprachlich nicht zum Mythos. Sie ist für <strong>die</strong> Zeit denkbar, <strong>die</strong> hierin eine<br />

Begründung für <strong>die</strong> Ehe nach matriarchalischen Vorstellungen sehen wollte.<br />

5. Die hier benutzte hebräische Vokabel für „klug" kann „nackt" <strong>und</strong> „klug"<br />

bedeuten. Adam <strong>und</strong> seine Frau waren nackt, wie aus dem Fortgang des<br />

Mythos hervorgeht. Nun gilt <strong>die</strong> Schlange ja auch als nacktes Tier, weil sie<br />

weder Haare noch Federn hat. Die Anknüpfung an das Vorhergegangene<br />

„nackt" bei Adam <strong>und</strong> Eva könnte nahelegen, hier auch <strong>die</strong> Nacktheit der<br />

Schlange zu betonen, wenn nicht <strong>die</strong> geläufige Übersetzung „klug" besser den<br />

ursprünglich positiven Sinn des Mythos wiedergeben würde. Der Satz: „Da<br />

nannte Adam seine Frau Hawa, denn sie wurde <strong>die</strong> Mutter aller Lebenden", ist<br />

an das Ende des Mythos gestellt, weil er in seinem Sentenzcharakter <strong>die</strong><br />

Erzählung unterbricht, <strong>die</strong> wie alle originären orientalischen Mythen keine<br />

Sentenz gehabt hat. (Sprachwissenschaftlich ist <strong>die</strong> biblische Etymologie<br />

Hawa = „Mutter aller Lebenden" unhaltbar.)<br />

6. Wenn hier im Gegensatz zur herkömmlichen Meinung trotz des Artikels<br />

vor Adam immer <strong>die</strong>ses Wort als Name wiedergegeben wird <strong>und</strong> nicht <strong>die</strong><br />

Bedeutung „Mensch", so geschieht das, um den Charakter des Mythos zu<br />

unterstreichen. Der hebräische Erzähler weckt natürlich bei seinen Zuhörern<br />

<strong>die</strong> Assoziation vom „Menschen" Adam zur „Erde", weshalb man bei einer<br />

Übertragung des Namens Adam <strong>und</strong> des Begriffes Mensch das Wort „der<br />

Irdische" gebrauchen müßte.<br />

7. Der Mythos von der Entstehung der Menschen war ursprünglich ein<br />

elohistischer Text. Er ist kein Mythos von der Erschaffung der Welt, denn <strong>die</strong><br />

Welt interessiert den <strong>Gott</strong> Elohim eigentlich nicht so sehr. Er ist der Gärtner<br />

des Kulturlandes <strong>und</strong> darauf bedacht, daß <strong>die</strong> Ordnung in ihm erhalten bleibt.<br />

Darum sorgt er sich vor allem um den Menschen. Deshalb wird <strong>die</strong><br />

Erschaffung des Menschen so ausführlich geschildert, ganz im Gegensatz zu<br />

dem Bericht der priesterlichen Tradition (siehe 1,1) über <strong>die</strong> Erschaffung der<br />

Welt.<br />

In seiner vorliegenden Form ist der Mythos aber schon von den königstreuen<br />

Theologen in Jerusalem formuliert. Um den Einfluß der alten oppositionellen<br />

Priester Kanaans, <strong>die</strong> noch vor allem im Norden unter den eingewanderten<br />

Stämmen Israels wirkten, zurückzudrängen, wird nun behauptet, <strong>die</strong><br />

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