Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

Die Frau antwortete der Schlange: Wir dürfen von den Früchten der Bäume im Garten essen; nur von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Elohim gesagt, esset nicht davon und rühret ihn auch nicht an, damit ihr nicht sterbet. Da sprach die Schlange zur Frau: Sterben werdet ihr nicht, denn Elohim weiß, daß in dem Augenblick, wenn ihr davon esset, euch die Augen geöffnet werden und ihr wie Elohim sein werdet. Ihr werdet erkennen, was sinnvoll und sinnlos ist. Und die Frau erkannte, daß es sinnvoll wäre, von dem Baume zu essen, denn es erschien ihr erstrebenswert und begehrenswert, klug zu werden. Und sie nahm von seiner Frucht undund gab auch ihrem Manne, der dabei war, und er aß. Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren. Sie banden Feigenblätter zusammen und machten sich Lendenschurze. Da hörten sie die Stimme Jahwe Elohims, der im Garten spazieren ging, als der Abendwind kam. Und Adam verbarg sich mit seiner Frau vor den Augen Jahwe Elohims unter den Bäumen des Gartens. Da rief Jahwe Elohim den Adam und fragte: Wo bist du? - Und er antwortete: Ich habe deine Stimme im Garten gehör t und fürchtete mich und verbarg mich, weil ich nackt bin. Da sagte er: Wer hat dich wissen lassen, daß du nackt bist? Oder hast du etwa selbst von dem Baume gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe? - Aber Adam sagte: Die Frau, welche du mir gegeben hast, hat mir von dem Baume zu essen gegeben. Da sagte Jahwe Elohim zur Frau: Was hast du getan? Die Frau aber sagte: Die Schlange verführte mich, zu essen. Da sagte Jahwe Elohim zur Schlange: Weil du das getan hast, sei verflucht vor allem Vieh und vor allen Tieren des Feldes. Auf deinem Bauche sollst du kriechen, und Ackererde sollst du fressen dein Leben lang! Und ich werde Feindschaft zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachwuchs und ihrem Nachwuchs setzen. Er wird dir den Kopf zertreten, du wirst seine Fersen zerstechen. Zur Frau sagte er: Ich will dir mit Schwangerschaften viel Beschwernis schaffen. Mit Anstrengungen wirst du Kinder gebären und doch nach deinem Manne begehren, der über dich herrschen wird. Und zu Adam sagte er: Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört hast und hast von dem Baume gegessen, von dem ich dir verboten hatte zu essen, sei der Ackerboden um deinetwillen verurteilt: Du sollst dich dein Leben lang mit Anstrengung ernähren, Dornen und Disteln werden für dich auf ihm wachsen, und du sollst das Kraut des Feldes essen. Im Schweiße deines Angesichtes sollst du Brot essen, bis du zur Ackererde 70

zurückkehrst, denn davon bist du genommen. Denn du bist Ackererde, und zu Ackererde sollst du wieder werden. Dann machte Jahwe Elohim dem Adam und seiner Frau Röcke von Fell und bekleidete sie. Und Jahwe Elohim sagte: Nun ist Adam wie einer von uns geworden, denn er weiß, was sinnvoll und sinnlos ist. Nun aber soll er nicht mehr seine Hand ausstrecken und von dem Baume des Lebens nehmen, essen und ewig leben. Und Jahwe Elohim schickte ihn fort aus dem Garten Eden, damit er den Ackerboden bearbeite, woher er genommen war. Er vertrieb ihn, und östlich vom Garten Eden ließ er die Cheruben sich lagern und die Flamme des lohenden Schwertes, um den Weg zum Baume des Lebens zu bewachen. Da nannte Adam seine Frau Hawa (Eva), denn sie wurde die Mutter aller Lebenden. I. Mose 2,4-3,24. 1. Hier stehen einmalig in der Bibel zwei Gottesnamen nebeneinander. Ursprünglich war der Gottesname sicher Elohim, wie noch aus der Unterhaltung zwischen Schlange und Frau hervorgeht. Spätere Fromme haben dann gemeint, den Namen in den Gattungsbegriff umdeuten zu können, indem sie den Gottesnamen Jahwe dazusetzten. Gemeinhin nimmt die Forschung zwar an, daß der Text ursprünglich jahwistisch sei, sie kann aber bis heute nur mit Hilfskonstruktionen erklären, warum der Jahwenamen an den vorgenannten Stellen fehlt. Wir haben die beiden Gottesnamen nebeneinander stehengelassen, um zu zeigen, welche Entwicklungsphasen ein Mythos durchlaufen kann, der sicher ursprünglich einmal ein elohistischer Mythos war. 2. Der hier aus dem Bibeltext weggelassene Nachsatz im Mythos (nach „Und aus der Erde ließ Jahwe Elohim alle Bäume wachsen ..."): „und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Sinnvollen und Sinnlosen", ist eine redaktionelle Glosse, die die Pointe des Mythos vorwegnimmt. Ebenso ist die geographische Beschreibung des Paradieses zwischen den Flüssen Pison, Gihon, Hiddekel und Phrat (I. Mose 2,10-14, es sollen damit die Flüsse Indus, Nil, Tigris und Euphrat gemeint sein) eine redaktionelle Erweiterung, weshalb sie hier ausgelassen ist. Diese mythische Geographie, von der noch einige Namen in der mythischen Völkertafel von I. Mose 10 wieder auftauchen, hat starke Berührungspunkte mit der Anschauung der Babylonier, die glaubten, daß die Welt eine oblonge Scheibe sei, umgeben von vier Strömen, die allen erträumbaren Reichtum und alles Wünschenswerte an Natur umschließen. Innerhalb des Mythos stören sie nur den Fortgang der Erzählung. 3. „Der Baum mitten im Garten" ist richtiger als herkömmlich „Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen". Der theologische Redaktor hat das Geheimnis des Baumes schon hier enthüllen wollen, um zu verhindern, daß erst die Schlange dem Menschen die wahren Eigenschaften des Baumes offenbart. Im übrigen sind „gut und böse" nur schwache Deutungsversuche der Kenntnisse Jahwe Elohims über die ganze Welt, weshalb die Übersetzung 71

Die Frau antwortete der Schlange: Wir dürfen von den Früchten der<br />

Bäume im Garten essen; nur von den Früchten des Baumes mitten<br />

im Garten hat Elohim gesagt, esset nicht davon <strong>und</strong> rühret ihn auch<br />

nicht an, damit ihr nicht sterbet. Da sprach <strong>die</strong> Schlange zur Frau:<br />

Sterben werdet ihr nicht, denn Elohim weiß, daß in dem Augenblick,<br />

wenn ihr davon esset, euch <strong>die</strong> Augen geöffnet werden <strong>und</strong> ihr wie<br />

Elohim sein werdet. Ihr werdet erkennen, was sinnvoll <strong>und</strong> sinnlos<br />

ist. Und <strong>die</strong> Frau erkannte, daß es sinnvoll wäre, von dem Baume<br />

zu essen, denn es erschien ihr erstrebenswert <strong>und</strong> begehrenswert,<br />

klug zu werden. Und sie nahm von seiner Frucht <strong>und</strong> aß <strong>und</strong> gab<br />

auch ihrem Manne, der dabei war, <strong>und</strong> er aß. Da gingen beiden <strong>die</strong><br />

Augen auf, <strong>und</strong> sie erkannten, daß sie nackt waren. Sie banden<br />

Feigenblätter zusammen <strong>und</strong> machten sich Lendenschurze.<br />

Da hörten sie <strong>die</strong> Stimme Jahwe Elohims, der im Garten spazieren<br />

ging, als der Abendwind kam. Und Adam verbarg sich mit seiner<br />

Frau vor den Augen Jahwe Elohims unter den Bäumen des<br />

Gartens. Da rief Jahwe Elohim den Adam <strong>und</strong> fragte: Wo bist du? -<br />

Und er antwortete: Ich habe deine Stimme im Garten gehör t <strong>und</strong><br />

fürchtete mich <strong>und</strong> verbarg mich, weil ich nackt bin. Da sagte er:<br />

Wer hat dich wissen lassen, daß du nackt bist? Oder hast du etwa<br />

selbst von dem Baume gegessen, von dem zu essen ich dir<br />

verboten habe? - Aber Adam sagte: Die Frau, welche du mir<br />

gegeben hast, hat mir von dem Baume zu essen gegeben. Da<br />

sagte Jahwe Elohim zur Frau: Was hast du getan? Die Frau aber<br />

sagte: Die Schlange verführte mich, zu essen. Da sagte Jahwe<br />

Elohim zur Schlange: Weil du das getan hast, sei verflucht vor allem<br />

Vieh <strong>und</strong> vor allen Tieren des Feldes. Auf deinem Bauche sollst du<br />

kriechen, <strong>und</strong> Ackererde sollst du fressen dein Leben lang! Und ich<br />

werde Feindschaft zwischen dir <strong>und</strong> der Frau, zwischen deinem<br />

Nachwuchs <strong>und</strong> ihrem Nachwuchs setzen. Er wird dir den Kopf<br />

zertreten, du wirst seine Fersen zerstechen. Zur Frau sagte er: Ich<br />

will dir mit Schwangerschaften viel Beschwernis schaffen. Mit<br />

Anstrengungen wirst du Kinder gebären <strong>und</strong> doch nach deinem<br />

Manne begehren, der über dich herrschen wird.<br />

Und zu Adam sagte er: Weil du auf <strong>die</strong> Stimme deiner Frau gehört<br />

hast <strong>und</strong> hast von dem Baume gegessen, von dem ich dir verboten<br />

hatte zu essen, sei der Ackerboden um deinetwillen verurteilt: Du<br />

sollst dich dein Leben lang mit Anstrengung<br />

ernähren, Dornen <strong>und</strong> Disteln werden für dich auf ihm wachsen,<br />

<strong>und</strong> du sollst das Kraut des Feldes essen. Im Schweiße deines<br />

Angesichtes sollst du Brot essen, bis du zur Ackererde<br />

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