Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

1. Dieser alte elohistische Text bietet die Kultsage für das nördliche Heiligtum Bethel. Die priesterliche Redaktion hat durch die Einfügung der Landverheißung der Geschichte eine neue, nicht kanaanäische Wendung gegeben. 2. Die Boten Gottes, Engel nach dem griechischen Lehnwort im Lateinischen bei uns, hatten nach der alten Vorstellung keine Flügel. Sie mußten für den Weg vom Himmel zur Erde und zurück eine Leiter benutzen. Geflügelte Fabelwesen wurden sie in der biblischen Mythologie erst nach dem babylonischen Exil. Wenn die I. Chronik 21,16 sagt, daß der Engel Jahwes, der Pestengel, vor David erscheint, „zwischen Himmel und Erde stehend", und wenn die Seraphen und Cheruben ihre Gestalten durch Flügel verhüllen, so ist sicher, daß diese mythologischen Bilder aus dem Zweistromland stammen. Die außerbiblische religiöse Literatur des Judentums hat sehr gerne und ausführlich sich mit der Engellehre beschäftigt, die auch auf das Christentum übergegangen ist. Nach dem „Testament Adams" ist die unterste Ordnung der Engel bestimmt, für die einzelnen Menschen zu sorgen. Die zweite Ordnung ist die der Erzengel (zu ihnen zählte die Kirche Gabriel, Michael und Raphael), die dritte ist die der Fürstentümer, über Wolken und Wetter, die vierte Ordnung ist die der Mächte, die für die Gestirne und Zeitabläufe sorgen müssen, die fünfte Ordnung, die Kräfte, sind die Ranglisten für die Dämonen und anderen nichtjüdischen Götter, die sechste Ordnung ist die der Herrschaften, die die Könige und das politische Leben der Völker zu verantworten haben. Die anderen Ordnungen, zu denen die Throne, Seraphen, Cheruben gehören, üben den himmlischen Throndienst aus. Die Engellehren spiegeln das System der gesellschaftlichen Verhältnisse in den hellenistischen Weltreichen wider. 3. In der christlichen Mythologie sind die Engel im Himmel um Gottes Thron versammelt. Jeder Mensch hat dort seinen Engel, der für ihn sorgt (Matthäus 18,10), der ihn auch auf der Erde vertreten kann (Apostelgeschichte 12,15). Auch die Völkerengel wohnen eigentlich im Himmel (Daniel 10). Es gehört zum Mythos von der Göttlichkeit Jesu, daß sich nach seiner Geburt der Himmel öffnet und die Engel auf die Erde kommen. Sie grüßen Jesus mit dem Friedensgruß (Lukas 2,13-15). e. Und der Prophet Micha sah Jahwe auf dem Throne sitzen, neben ihm stand das ganze Heer der himmlischen Kräfte, als er Gericht hielt: Es galt, jemanden zu finden, der den König Ahab ins Verderben stürzen sollte. Da trat aus den Reihen des himmlischen Hofstaates der Ruach, der Geist (siehe 1,1 und 1,1,1), hervor und übernahm den Auftrag. Er nahm die Gestalt eines Lügengeistes an und verwirrte die königlichen Ratgeber. Und Ahab fiel. I. Könige 22,19-40. 66

f. Nachdem David sein Reich nach außen abgesichert hatte, ließ er sein Volk zählen, um für die Festsetzung der Steuern und Abgaben die notwendigen Angaben zu erhalten. Da brach aber die Pest im Lande aus, die David sich unter den von Jahwe wegen der Volkszählung angedrohten Strafen als die sinnvollste ausgesucht hatte. Als aber der Engel Jahwes, nachdem er das Land mit der Pest geschlagen hatte, seine Hand ausstreckte, auch Jerusalem zu verderben, reute es Jahwe plötzlich, und er ließ die Seuche abklingen. II. Samuel 24; 1. Chronik 21. 1. Der Text gehört zur jahwistischen Tradition des Nordreiches, in der auch die großen Propheten leben. Die Volkszählung durch die Offiziere läßt den Zweck der Zählung erkennen. Sie dient der Truppenaushebung und der Besteuerung durch die königliche Zentralgewalt. Dagegen erhebt sich der Protest der Priester und Stammesältesten, die hierin einen Eingriff in ihre Rechte und Privilegien sehen. Sie haben natürlich Jahwe auf ihrer Seite. Der König David erscheint deshalb in einem merkwürdigen Zwielicht. Zunächst opfert er lieber der Pest so viel Menschen, wie sie an drei Tagen schlagen kann, dann aber schlägt er Jahwe vor, doch lieber sein Leben zu nehmen. - Aber sein Prophet Gad nimmt von ihm zur Besänftigung Jahwes lieber die Stiftung eines neuen Heiligtums mit Opferaltar an. g. Im Todesjahr des Königs Usia hatte Jesaja eine Vision. Ersah Jahwe auf einem hohen, erhabenen Thron sitzen, der den Tempel ausfüllte. Seraphe schwebten über ihm; jeder hatte sechs Flügel: Zwei bedeckten sein Gesicht, zwei seine Füße, mit zweien flog er. Und einer rief dem anderen zu: Heilig, heilig, heilig ist Jahwe der Heerscharen! Die ganze Erde ist mit seiner Herrlichkeit angefüllt! - Einer der Seraphe flog zu Jesaja mit einem glühenden Stein, den er mit der Zange vom Altar genommen hatte; damit berührte er Jesajas Mund und half ihm damit, die Stimme Jahwes zu hören, zu gehorchen und die Rede Jahwes dem Volke Israel weiterzusagen. Jesaja 6,1-8. 1. Die Vision des Jesaja wird etwa in das Jahr 740 v. u. Z. datiert. Der Prophet übersteigert die königliche Herrlichkeit Jerusalems zu einer unbeschreiblichen Herrlichkeit Jahwes. Die Seraphen, die den Thron umgeben, sind Schlangenwesen. Jahwe schickt sie gelegentlich, um sein Volk am Leben zu strafen (IV. Mose 21,6). Religionsgeschichtlich gehören die Schlangengöttinnen zum Matriarchat. Schlangenwesen als Begleitung von männlichen Göttern zeigen an, daß sie in das Patriarchat nur als dienstbare Wesen hinübergelangt sind. Der Engelchor des „Heilig, heilig, heilig" verhüllt 67

f. Nachdem David sein Reich nach außen abgesichert hatte, ließ<br />

er sein Volk zählen, um für <strong>die</strong> Festsetzung der Steuern <strong>und</strong><br />

Abgaben <strong>die</strong> notwendigen Angaben zu erhalten. Da brach aber <strong>die</strong><br />

Pest im Lande aus, <strong>die</strong> David sich unter den von Jahwe wegen der<br />

Volkszählung angedrohten Strafen als <strong>die</strong> sinnvollste ausgesucht<br />

hatte. Als aber der Engel Jahwes, nachdem er das Land mit der<br />

Pest geschlagen hatte, seine Hand ausstreckte, auch Jerusalem zu<br />

verderben, reute es Jahwe plötzlich, <strong>und</strong> er ließ <strong>die</strong> Seuche<br />

abklingen.<br />

II. Samuel 24; 1. Chronik 21.<br />

1. Der Text gehört zur jahwistischen Tradition des Nordreiches, in der auch<br />

<strong>die</strong> großen Propheten leben. Die Volkszählung durch <strong>die</strong> Offiziere läßt den<br />

Zweck der Zählung erkennen. Sie <strong>die</strong>nt der Truppenaushebung <strong>und</strong> der<br />

Besteuerung durch <strong>die</strong> königliche Zentralgewalt. Dagegen erhebt sich der<br />

Protest der Priester <strong>und</strong> Stammesältesten, <strong>die</strong> hierin einen Eingriff in ihre<br />

Rechte <strong>und</strong> Privilegien sehen. Sie haben natürlich Jahwe auf ihrer Seite. Der<br />

König David erscheint deshalb in einem merkwürdigen Zwielicht. Zunächst<br />

opfert er lieber der Pest so viel Menschen, wie sie an drei Tagen schlagen<br />

kann, dann aber schlägt er Jahwe vor, doch lieber sein Leben zu nehmen. -<br />

Aber sein Prophet Gad nimmt von ihm zur Besänftigung Jahwes lieber <strong>die</strong><br />

Stiftung eines neuen Heiligtums mit Opferaltar an.<br />

g. Im Todesjahr des Königs Usia hatte Jesaja eine Vision. Ersah<br />

Jahwe auf einem hohen, erhabenen Thron sitzen, der den Tempel<br />

ausfüllte. Seraphe schwebten über ihm; jeder hatte sechs Flügel:<br />

Zwei bedeckten sein Gesicht, zwei seine Füße, mit zweien flog er.<br />

Und einer rief dem anderen zu: Heilig, heilig, heilig ist Jahwe der<br />

Heerscharen! Die ganze Erde ist mit seiner Herrlichkeit angefüllt! -<br />

Einer der Seraphe flog zu Jesaja mit einem glühenden Stein, den er<br />

mit der Zange vom Altar genommen hatte; damit berührte er<br />

Jesajas M<strong>und</strong> <strong>und</strong> half ihm damit, <strong>die</strong> Stimme Jahwes zu hören, zu<br />

gehorchen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Rede Jahwes dem Volke Israel weiterzusagen.<br />

Jesaja 6,1-8.<br />

1. Die Vision des Jesaja wird etwa in das Jahr 740 v. u. Z. datiert. Der<br />

Prophet übersteigert <strong>die</strong> königliche Herrlichkeit Jerusalems zu einer<br />

unbeschreiblichen Herrlichkeit Jahwes. Die Seraphen, <strong>die</strong> den Thron<br />

umgeben, sind Schlangenwesen. Jahwe schickt sie gelegentlich, um sein Volk<br />

am Leben zu strafen (IV. Mose 21,6). Religionsgeschichtlich gehören <strong>die</strong><br />

Schlangengöttinnen zum Matriarchat. Schlangenwesen als Begleitung von<br />

männlichen <strong>Götter</strong>n zeigen an, daß sie in das Patriarchat nur als <strong>die</strong>nstbare<br />

Wesen hinübergelangt sind. Der Engelchor des „Heilig, heilig, heilig" verhüllt<br />

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