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Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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d. Nachdem Eva dem Adam den Kain geboren hatte, sagte sie: Ich<br />

habe einen Mann empfangen, nämlich Jahwe. Hierauf gebar sie als<br />

zweiten seinen Bruder Abel. Abel wurde ein Schafhirt, Kain aber ein<br />

Bauer. Und als beide größer geworden waren, opferten sie Jahwe.<br />

Kain opferte Ackerfrüchte, Abel Erstgeborene seiner Herde. Jahwe<br />

aber wandte sich dem Opfer des Abel zu, während er das Opfer des<br />

Kain verschmähte. Darüber ward Kain böse <strong>und</strong> erschlug den Abel<br />

draußen auf dem Felde im Streit. Jahwe aber kam darüber her <strong>und</strong><br />

fragte den Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Kain aber antwortete: Ich<br />

weiß es nicht. Soll ich etwa meines Bruders Hüter sein? Die Antwort<br />

Jahwes war ein Fluch: Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom<br />

Erdboden her. Darum sollst du verflucht sein! Wenn du versuchen<br />

solltest, Ackerbau zu betreiben, wird dir der Boden keinen Ertrag<br />

bringen. Nirgends auf <strong>die</strong>ser Erde sollst du eine bleibende Heimat<br />

finden! Aber niemand soll dich totschlagen dürfen, denn ich werde<br />

an einem solchen Totschläger siebenfache Vergeltung üben. - Und<br />

Kain zog vom Angesicht Jahwes hinweg in das Fluchtland östlich<br />

von Eden.<br />

I. Mose 4,1-16.<br />

1. Der Mythos von Kain <strong>und</strong> Abel ist erst in zweiter Linie ein Mythos vom<br />

Brudermord. Ursprünglich war es ein Mythos vom Mord an einem <strong>Götter</strong>sohn.<br />

In <strong>die</strong>ser Geschichte, <strong>die</strong> zur Laienquelle gehört, tritt Eva als <strong>die</strong> alte heilige<br />

Königin auf, <strong>die</strong> mit der göttlichen Urmutter identifiziert wird. Eva hat nämlich<br />

beim zweiten Sohn einen Mann empfangen, der Jahwe selber ist. Und aus<br />

ihrer Vereinigung entspringt der Knabe Abel, dem sich im Mythos folgerichtig<br />

Jahwe zuwendet. Den Mörder seines Sohnes verurteilt Jahwe dann zu der<br />

grausamsten Strafe, <strong>die</strong> Menschen ersinnen können. Kain wird zu<br />

lebenslänglicher Flüchtlingsschaft verurteilt, <strong>die</strong> kein Mensch durch einen<br />

Gnadentod beenden darf, ohne selber dafür siebenfache Vergeltung zu<br />

erhalten.<br />

Nur frommen Gemütern ist es ein Greuel, daß Jahwe wirklich ein<br />

Geschlechtswesen gewesen sein soll, obwohl sie wissen, daß <strong>Götter</strong>söhne<br />

auch geschlechtlichen Umgang mit Menschentöchtern haben (I. Mose 6,1-4;<br />

vgl. 2,1,a). Schon <strong>die</strong> alten Bibelübersetzungen haben deshalb an dem<br />

eindeutigen Wortlaut Anstoß genommen <strong>und</strong> sich mit<br />

Übersetzungsschwierigkeiten <strong>und</strong> unklarem Bedeutungsgehalt des Verbums<br />

„empfangen" an <strong>die</strong>ser Stelle um den wahren Sachverhalt herumzudrücken<br />

versucht. Ihnen sind auch jüngere Kommentatoren gefolgt. Durch sie ist der<br />

Eindruck entstanden, als sei der Mythos von Kain <strong>und</strong> Abel eine Geschichte<br />

vom Frevel des Brudermordes. Diesen Charakter als moralische Fabel erhält<br />

der Mythos aber erst durch eine Sündenlehre, <strong>die</strong> ihm ursprünglich fremd ist.<br />

2. Der Mythos vom Streit zwischen Kain <strong>und</strong> Abel kennzeichnet vielmehr -<br />

<strong>und</strong> darin ist er den Streitigkeiten zwischen Pelias <strong>und</strong> Neleus, Eteokles <strong>und</strong><br />

Polyneikes, Herakles <strong>und</strong> Iphikles, Romulus <strong>und</strong> Remus <strong>und</strong> anderen<br />

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