Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

thule.italia.net
von thule.italia.net Mehr von diesem Publisher
30.12.2012 Aufrufe

c. Nachdem Mose die Zippora geehelicht hatte, gebar sie ihm zunächst einen Sohn. Als sie nun unterwegs mit ihren Herden waren, geschah es, daß bei einer Nachtrast Jahwe auf ihn stieß und ihn töten wollte. Da nahm Zippora einen scharfen Stein, schnitt damit die Vorhaut ihres Sohnes ab und berührte damit seine Schamteile und sagte dabei: du bist mein Blutbräutigam. Und er ließ von ihm ab. II. Mose 4,24-26a. 1. Die kurze Episode von Moses Ehefrau Zippora ist von allen Übersetzern stets mit vielen Zusätzen und Erklärungen versehen worden, um ihr einen Sinn zu geben. Da in diesen beiden Versen nur einmal Jahwe als Subjekt masculini generis auftritt, sind die männlichen Personalpronomina folglich entweder sinngemäß auf ihn oder auf den Sohn zu beziehen. Von Mose selber ist abzusehen, weil von ihm unmittelbar vorher auch nicht die Rede ist, wohl aber von dem erstgeborenen Sohne des Pharao, der offensichtlich dem Erzähler an dieser Stelle das Stichwort bietet, hier die Erzählung einzufügen. Es kann also nur gemeint gewesen sein, daß Jahwe sich des erstgeborenen Sohnes von Mose bemächtigen will, weil ihm die männliche Erstgeburt zusteht. Zippora, die Mutter, nimmt die Beschneidung ihres Sohnes, ein altes matriarchalisches Relikt, vor und berührt damit die Schamteile des Jahwe. Nur das ergibt einen Sinn, wenn sie dabei die Eheformel „du bist mein Blutbräutigam" ausspricht. Denn sie führt damit das Kind des Mose in eine Ehe mit Jahwe ein, es wird Kind Jahwes. Das Vollopfer des Jungen wird durch die Opferung eines Teiles des Penis abgelöst. Der biblische Redaktor hat diesen Sinn noch gewußt, wenn er hinzufügt: „Damals sagte sie ,Blutbräutigam' wegen der Beschneidung." Fromme Scheu hat an dem Anthropomorphismus Jahwes immer Anstoß genommen und durch Zwischenfügen des Namens von Mose die Anstößigkeit von Jahwes Schamteilen beheben wollen, obwohl alte biblische Mythologie auch sonst vor Anthropomorphismen Jahwes nicht zurückschreckt, wie aus I. Mose 32 (Jakobs Kampf mit Jahwe) hervorgeht (siehe 4,3,d). 2. Der ursprüngliche Mythos an dieser Stelle ist unmißverständlich ein Hinweis darauf, daß Jahwe, als alter Gott der Fruchtbarkeit, Anspruch auf die männliche Erstgeburt erhebt. Der kretischen oder phönizischen Allgöttin wurden ursprünglich noch die Knaben geopfert, nachdem die Priesterinnen mit ihnen den kultischen Beischlaf, die Heilige Hochzeit, vollzogen hatten. Zu solchen alten Vorstellungen gehört die Geschichte, daß Zippora mit dem kindlichen Penisteil die göttlichen Schamteile berührt und sagt, „du bist mein Blutbräutigam". 62

d. Nachdem Eva dem Adam den Kain geboren hatte, sagte sie: Ich habe einen Mann empfangen, nämlich Jahwe. Hierauf gebar sie als zweiten seinen Bruder Abel. Abel wurde ein Schafhirt, Kain aber ein Bauer. Und als beide größer geworden waren, opferten sie Jahwe. Kain opferte Ackerfrüchte, Abel Erstgeborene seiner Herde. Jahwe aber wandte sich dem Opfer des Abel zu, während er das Opfer des Kain verschmähte. Darüber ward Kain böse und erschlug den Abel draußen auf dem Felde im Streit. Jahwe aber kam darüber her und fragte den Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Kain aber antwortete: Ich weiß es nicht. Soll ich etwa meines Bruders Hüter sein? Die Antwort Jahwes war ein Fluch: Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Erdboden her. Darum sollst du verflucht sein! Wenn du versuchen solltest, Ackerbau zu betreiben, wird dir der Boden keinen Ertrag bringen. Nirgends auf dieser Erde sollst du eine bleibende Heimat finden! Aber niemand soll dich totschlagen dürfen, denn ich werde an einem solchen Totschläger siebenfache Vergeltung üben. - Und Kain zog vom Angesicht Jahwes hinweg in das Fluchtland östlich von Eden. I. Mose 4,1-16. 1. Der Mythos von Kain und Abel ist erst in zweiter Linie ein Mythos vom Brudermord. Ursprünglich war es ein Mythos vom Mord an einem Göttersohn. In dieser Geschichte, die zur Laienquelle gehört, tritt Eva als die alte heilige Königin auf, die mit der göttlichen Urmutter identifiziert wird. Eva hat nämlich beim zweiten Sohn einen Mann empfangen, der Jahwe selber ist. Und aus ihrer Vereinigung entspringt der Knabe Abel, dem sich im Mythos folgerichtig Jahwe zuwendet. Den Mörder seines Sohnes verurteilt Jahwe dann zu der grausamsten Strafe, die Menschen ersinnen können. Kain wird zu lebenslänglicher Flüchtlingsschaft verurteilt, die kein Mensch durch einen Gnadentod beenden darf, ohne selber dafür siebenfache Vergeltung zu erhalten. Nur frommen Gemütern ist es ein Greuel, daß Jahwe wirklich ein Geschlechtswesen gewesen sein soll, obwohl sie wissen, daß Göttersöhne auch geschlechtlichen Umgang mit Menschentöchtern haben (I. Mose 6,1-4; vgl. 2,1,a). Schon die alten Bibelübersetzungen haben deshalb an dem eindeutigen Wortlaut Anstoß genommen und sich mit Übersetzungsschwierigkeiten und unklarem Bedeutungsgehalt des Verbums „empfangen" an dieser Stelle um den wahren Sachverhalt herumzudrücken versucht. Ihnen sind auch jüngere Kommentatoren gefolgt. Durch sie ist der Eindruck entstanden, als sei der Mythos von Kain und Abel eine Geschichte vom Frevel des Brudermordes. Diesen Charakter als moralische Fabel erhält der Mythos aber erst durch eine Sündenlehre, die ihm ursprünglich fremd ist. 2. Der Mythos vom Streit zwischen Kain und Abel kennzeichnet vielmehr - und darin ist er den Streitigkeiten zwischen Pelias und Neleus, Eteokles und Polyneikes, Herakles und Iphikles, Romulus und Remus und anderen 63

c. Nachdem Mose <strong>die</strong> Zippora geehelicht hatte, gebar sie ihm<br />

zunächst einen Sohn. Als sie nun unterwegs mit ihren Herden<br />

waren, geschah es, daß bei einer Nachtrast Jahwe auf ihn stieß <strong>und</strong><br />

ihn töten wollte. Da nahm Zippora einen scharfen Stein, schnitt<br />

damit <strong>die</strong> Vorhaut ihres Sohnes ab <strong>und</strong> berührte damit seine<br />

Schamteile <strong>und</strong> sagte dabei: du bist mein Blutbräutigam. Und er ließ<br />

von ihm ab.<br />

II. Mose 4,24-26a.<br />

1. Die kurze Episode von Moses Ehefrau Zippora ist von allen Übersetzern<br />

stets mit vielen Zusätzen <strong>und</strong> Erklärungen versehen worden, um ihr einen<br />

Sinn zu geben. Da in <strong>die</strong>sen beiden Versen nur einmal Jahwe als Subjekt<br />

masculini generis auftritt, sind <strong>die</strong> männlichen Personalpronomina folglich<br />

entweder sinngemäß auf ihn oder auf den Sohn zu beziehen. Von Mose selber<br />

ist abzusehen, weil von ihm unmittelbar vorher auch nicht <strong>die</strong> Rede ist, wohl<br />

aber von dem erstgeborenen Sohne des Pharao, der offensichtlich dem<br />

Erzähler an <strong>die</strong>ser Stelle das Stichwort bietet, hier <strong>die</strong> Erzählung einzufügen.<br />

Es kann also nur gemeint gewesen sein, daß Jahwe sich des erstgeborenen<br />

Sohnes von Mose bemächtigen will, weil ihm <strong>die</strong> männliche Erstgeburt<br />

zusteht. Zippora, <strong>die</strong> Mutter, nimmt <strong>die</strong> Beschneidung ihres Sohnes, ein altes<br />

matriarchalisches Relikt, vor <strong>und</strong> berührt damit <strong>die</strong> Schamteile des Jahwe. Nur<br />

das ergibt einen Sinn, wenn sie dabei <strong>die</strong> Eheformel „du bist mein<br />

Blutbräutigam" ausspricht. Denn sie führt damit das Kind des Mose in eine<br />

Ehe mit Jahwe ein, es wird Kind Jahwes. Das Vollopfer des Jungen wird durch<br />

<strong>die</strong> Opferung eines Teiles des Penis abgelöst. Der biblische Redaktor hat<br />

<strong>die</strong>sen Sinn noch gewußt, wenn er hinzufügt: „Damals sagte sie<br />

,Blutbräutigam' wegen der Beschneidung." Fromme Scheu hat an dem<br />

Anthropomorphismus Jahwes immer Anstoß genommen <strong>und</strong> durch<br />

Zwischenfügen des Namens von Mose <strong>die</strong> Anstößigkeit von Jahwes<br />

Schamteilen beheben wollen, obwohl alte biblische <strong>Mythologie</strong> auch sonst vor<br />

Anthropomorphismen Jahwes nicht zurückschreckt, wie aus I. Mose 32<br />

(Jakobs Kampf mit Jahwe) hervorgeht (siehe 4,3,d).<br />

2. Der ursprüngliche Mythos an <strong>die</strong>ser Stelle ist unmißverständlich ein<br />

Hinweis darauf, daß Jahwe, als alter <strong>Gott</strong> der Fruchtbarkeit, Anspruch auf <strong>die</strong><br />

männliche Erstgeburt erhebt. Der kretischen oder phönizischen Allgöttin<br />

wurden ursprünglich noch <strong>die</strong> Knaben geopfert, nachdem <strong>die</strong> Priesterinnen mit<br />

ihnen den kultischen Beischlaf, <strong>die</strong> Heilige Hochzeit, vollzogen hatten. Zu<br />

solchen alten Vorstellungen gehört <strong>die</strong> Geschichte, daß Zippora mit dem<br />

kindlichen Penisteil <strong>die</strong> göttlichen Schamteile berührt <strong>und</strong> sagt, „du bist mein<br />

Blutbräutigam".<br />

62

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!