Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

thule.italia.net
von thule.italia.net Mehr von diesem Publisher
30.12.2012 Aufrufe

2.5 Der Fruchtbarkeitsgott a. Elohim hatte die Erde als einen wunderbaren Garten geschaffen, in dem alles wohlgeordnet war. Als er aber bemerkte, daß die Menschen sich nicht seiner Ordnung beugten, sondern selbständig und eigenwillig miteinander und mit der Erde umgingen, beschloß er, die Menschen von der Erde zu vertilgen. Nur Noah und seine Familie sollten übrigbleiben, weshalb er ihm befahl, sich einen Kasten zu bauen, wasserfest und mit vielen Kammern, um von allen Lebewesen, allen Samen und aller Nahrung mitzunehmen, so daß nach der großen Flutkatastrophe die Welt wieder bewohnbar würde (vgl. 3,3,b). Nach Abtrocknen der Erde ließ Elohim den Noah wieder aus dem Kasten mit allen herausgehen und segnete sie mit dem Wunsche: Seid fruchtbar und mehret euch und bevölkert die Erde! Der Mensch erhielt von ihm die Erlaubnis, auch Fleisch zu essen, wenn er beim Schlachten des Tieres dessen Blut ausgießt. Im Blut befand sich nämlich die Seele, das Leben, das sich Elohim vorbehält. I. Mose 8-9. 1. Der elohistische Text, ein alter Schöpfungsbericht, weist deutlich den Eingriff des priesterlichen Redaktors aus dem 5. Jahrhundert v. u. Z. auf. Der Priester hat nämlich durch die Einbeziehung der Flutkatastrophe den Mythos gesprengt. Der Tradition der alten kanaanäischen Ackerbaubevölkerung entsprechend wird Elohim als guter Gärtner beschrieben. Elohim ist wie der El von Ugarit „der Gütige, El, der Gemütvolle". Er erregt sich mehr über die Unordnung in seinem Garten, im Lande Kanaan, als über die Menschen, die diese Unordnung verursachten, nämlich offensichtlich die Beduinen, die Israeliten aus der arabischen Halbinsel, und die Seevölker, die Phönizier und Griechen aus dem 12. Jahrhundert v. u. Z. Elohim redet darum wie ein Bauer zu Bauern: Seid fruchtbar und vermehrt euch und bevölkert die Erde, d. h. bearbeitet sie. Der Bauer darf auch Fleisch essen, wenn er nur beim Schlachten das Blut auf die Erde gießt und damit zeigt, daß er Elohims Ordnung respektiert, indem er ihm das Blut, das Leben gibt. Das Opfer der Menschen ist vollgültig. Der Mensch braucht dazu weder Tempel noch Altar, weder Priester noch Liturgie. Damit opponiert er gegen den Anspruch der Priester aus Jerusalem. Der elohistische Bericht ist vermutlich von den priesterlichen Redaktoren durchgelassen worden, weil ein Fruchtbarkeitsgott Elohim mit seinem absoluten Vermehrungsbefehl (Elohim bestimmt, ob Frauen Kinder gebären oder nicht - I. Samuel 1,5-6) in der Zeit der Depression der Kultgemeinde außerordentlich bedeutungsvoll wird. 60

. Nachdem Sara dem Abraham in hohem Alter noch einen Sohn geboren hatte, wollte Elohim den Abraham prüfen und verlangte von ihm, seinen Sohn Isaak zu opfern. Abraham gehorchte und rüstete sich für die Reise und das Opfer aus, wie Elohim es von ihm gefordert hatte. Drei Tage zog er durch das Land, bis er die Kultstätte erreichte, die ihm Elohim vorgeschrieben hatte. Und Abraham richtete die Opferstätte her. Als Abraham das Opfermesser erhoben hatte, um dem Gebot Elohims zu gehorchen, griff auf einmal Jahwe ein, der durch seinen Engel Abraham daran hinderte, das Opfer zu vollziehen. Er nahm Abrahams Partei und verbürgte sich für ihn und befahl, an der Stelle Isaaks ein Schaf zu opfern. Abraham zog mit Kind und Knechten zurück und wohnte fortan in Beerseba. (Siehe auch 4.1.b.) I. Mose 12,1-19. 1. In der jahwistischen Geschichte von Isaaks Opferung spiegelt sich uralter Mythos wider. Die Opferung der männlichen Erstgeburt war nicht nur bei den biblischen Völkern (II. Mose 13,12-13; II. Mose 22,29-30), sondern auch bei Moabitern und Phöniziern üblich. Hierin leben alte matriarchalische Überlieferungen fort. Abraham kennt diese offensichtlich und ist bereit, sie zu befolgen. Aber der Gott Jahwe, Vertreter einer neueren, der patriarchalischen Ordnung, verfügt die Auslösung der menschlichen männlichen Erstgeburt. Die Geschichte von diesem wunderbaren Eingriff Jahwes in die Rechte und Herrschaft Elohims, die die Opferung der menschlichen männlichen Erstgeburt aufhebt, war offensichtlich nicht weit verbreitet, denn der Erzähler von II. Mose 13 hat sie nicht gekannt. Er gibt als Erklärung dafür, daß die männliche Erstgeburt beim Menschen nicht geopfert, sondern ausgelöst werden soll, an, daß dieses geschehe, um zu bezeugen, daß Jahwe die Israeliten mit starker Hand aus Ägypten herausgeführt hat. Dabei ist sicher, daß der alte Jahwe vordem auch die menschliche Erstgeburt männlichen Geschlechts für sich gefordert hat und wohl auch erhielt, wie aus dem Namen der Opferstätte Isaaks (Morija - „Gott erwählt") hervorzugehen scheint. 2. Fromme Lesart hat in dieser Geschichte immer die Glaubensprüfung Abrahams und das gnädige Eingreifen Jahwes betont und gemeint, darin die Pointe des Mythos zu sehen. Der ursprüngliche Mythos schildert aber den Kampf zwischen zwei Göttern, in dem Jahwe, Vertreter des fortschrittlicheren Patriarchats, gewinnt. Das ist genau orientalische Mythologie. In Ugarit überwindet Alijan Baal den alten El und tritt seine Nachfolge an, in Babylon überwindet Marduk Ea und Anu, in Hellas überwindet Zeus den Kronos. 3. Der Mythos von der Opferung Isaaks und der Sühneopferkraft des vergossenen Blutes erhält in der christlichen Mythologie noch einmal große Bedeutung, als die ersten Christen versuchten, dem Tod Jesu eine sinnvolle Deutung zu geben und die Opferung Isaaks mit dem Kreuzestod des Jesus von Nazareth zu vergleichen (Matthäus 26,28; 20,28; Hebräer 9,20-28; siehe auch 13.1). 61

2.5 Der Fruchtbarkeitsgott<br />

a. Elohim hatte <strong>die</strong> Erde als einen w<strong>und</strong>erbaren Garten<br />

geschaffen, in dem alles wohlgeordnet war. Als er aber bemerkte,<br />

daß <strong>die</strong> Menschen sich nicht seiner Ordnung beugten, sondern<br />

selbständig <strong>und</strong> eigenwillig miteinander <strong>und</strong> mit der Erde umgingen,<br />

beschloß er, <strong>die</strong> Menschen von der Erde zu vertilgen. Nur Noah <strong>und</strong><br />

seine Familie sollten übrigbleiben, weshalb er ihm befahl, sich einen<br />

Kasten zu bauen, wasserfest <strong>und</strong> mit vielen Kammern, um von allen<br />

Lebewesen, allen Samen <strong>und</strong> aller Nahrung mitzunehmen, so daß<br />

nach der großen Flutkatastrophe <strong>die</strong> Welt wieder bewohnbar würde<br />

(vgl. 3,3,b). Nach Abtrocknen der Erde ließ Elohim den Noah wieder<br />

aus dem Kasten mit allen herausgehen <strong>und</strong> segnete sie mit dem<br />

Wunsche: Seid fruchtbar <strong>und</strong> mehret euch <strong>und</strong> bevölkert <strong>die</strong> Erde!<br />

Der Mensch erhielt von ihm <strong>die</strong> Erlaubnis, auch Fleisch zu essen,<br />

wenn er beim Schlachten des Tieres dessen Blut ausgießt. Im Blut<br />

befand sich nämlich <strong>die</strong> Seele, das Leben, das sich Elohim<br />

vorbehält.<br />

I. Mose 8-9.<br />

1. Der elohistische Text, ein alter Schöpfungsbericht, weist deutlich den<br />

Eingriff des priesterlichen Redaktors aus dem 5. Jahrh<strong>und</strong>ert v. u. Z. auf. Der<br />

Priester hat nämlich durch <strong>die</strong> Einbeziehung der Flutkatastrophe den Mythos<br />

gesprengt. Der Tradition der alten kanaanäischen Ackerbaubevölkerung<br />

entsprechend wird Elohim als guter Gärtner beschrieben. Elohim ist wie der El<br />

von Ugarit „der Gütige, El, der Gemütvolle". Er erregt sich mehr über <strong>die</strong><br />

Unordnung in seinem Garten, im Lande Kanaan, als über <strong>die</strong> Menschen, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong>se Unordnung verursachten, nämlich offensichtlich <strong>die</strong> Beduinen, <strong>die</strong><br />

Israeliten aus der arabischen Halbinsel, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Seevölker, <strong>die</strong> Phönizier <strong>und</strong><br />

Griechen aus dem 12. Jahrh<strong>und</strong>ert v. u. Z. Elohim redet darum wie ein Bauer<br />

zu Bauern: Seid fruchtbar <strong>und</strong> vermehrt euch <strong>und</strong> bevölkert <strong>die</strong> Erde, d. h.<br />

bearbeitet sie. Der Bauer darf auch Fleisch essen, wenn er nur beim<br />

Schlachten das Blut auf <strong>die</strong> Erde gießt <strong>und</strong> damit zeigt, daß er Elohims<br />

Ordnung respektiert, indem er ihm das Blut, das Leben gibt. Das Opfer der<br />

Menschen ist vollgültig. Der Mensch braucht dazu weder Tempel noch Altar,<br />

weder Priester noch Liturgie. Damit opponiert er gegen den Anspruch der<br />

Priester aus Jerusalem.<br />

Der elohistische Bericht ist vermutlich von den priesterlichen Redaktoren<br />

durchgelassen worden, weil ein Fruchtbarkeitsgott Elohim mit seinem<br />

absoluten Vermehrungsbefehl (Elohim bestimmt, ob Frauen Kinder gebären<br />

oder nicht - I. Samuel 1,5-6) in der Zeit der Depression der Kultgemeinde<br />

außerordentlich bedeutungsvoll wird.<br />

60

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!