Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

immer sehr reserviert zur Zentralgewalt in Jerusalem verhielten. Sie haben das erklärte Ziel, die Kriegslorbeeren nicht in die Krone des Königs von Jerusalem zu flechten, sondern sie um den Altar Jahwes zu winden. Zeitlich stammen sie etwa aus der Mitte des 10. Jahrhunderts v. u. Z. nach der Trennung der Reiche. 2. Das Gesetz vom heiligen Krieg ist nicht älter als das Königtum mit seinem stehenden Heer. Der Krieg wird ein heiliges Geschäft. Kurz vor dem Ende des Südreiches Juda, als niemand mehr den heiligen Krieg führen kann, wird in der Erinnerung an die vergangene Herrlichkeit von Propheten und Priestern der Kompromiß geschlossen, der auch das zweite Gesetz, das Deuteronomium (das ist das fünfte Buch Mose), genannt wird. Es gehört in die Mitte des 7. Jahrhunderts v. u. Z. 3. Das Gesetz von der Heiligung des Kriegers hat eine eindeutig politische Zwecksetzung: Der selbständige Nomadenstamm konnte sich noch ohne Gesetz schützen und verteidigen, der zum Wehrdienst gezogene Bauer bangt um seinen schutzlos zurückgelassenen Besitz, seine Frau. Das priesterliche Gesetz webt aber um die gesellschaftlichen Grundinteressen den Nimbus der Heiligkeit. Die Priester kämpfen mit diesem Gesetz gegen die alte kanaanäische Religiosität. In Kanaan wie im übrigen Alten Orient war die Funktion der Fruchtbarkeitsgottheit und der Todesgottheit immer in einer Person vereinigt. Im Schöpfungsbericht I. Mose 2-3 ist diese Doppelfunktion noch in der Rolle der Paradiesesfrucht erkennbar, denn diese bringt die Geschlechtslust und den Tod. Das priesterliche Gesetz soll die alten orientalischen Vorstellungen verdrängen, die der bäuerlichen Landbevölkerung durchaus vertraut sind, denn die alten kanaanäischen Götter üben den Geschlechtsverkehr aus, bevor sie in den Kampf ziehen, wie aus Ugarits Mythen hervorgeht. Die Göttin Anat sagt z. B. zu ihrem Krieger Itpn, bevor sie ihn in den Kampf schickt: „Sei willfährig, Itpn, und höre: ich stecke dich in Adlersgestalt in meinen Schoß, als Raubvogel in meine Scheide." 2.4 Der Stiergott a. Als Mose zu Jahwe auf den Sinai gestiegen war, um von ihm das Zehngebot zu empfangen, wurde dem Volk, das sich um den Berg gelagert hatte, die Zeit zu lang. In der Meinung, Mose werde nicht zurückkommen, bestürmten sie den Bruder des Mose, den Priester Aaron, ihnen einen Gott zu machen, der vor ihnen herziehe. Aaron willigte ein, und so sammelten sie im Lager Goldschmuck und gössen ein Stierbild, das sie singend und tanzend verehrten: „Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägypten weggeführt hat." Aber Mose zertrümmerte voller Zorn dies Götterbild, als er von dem Berge herabkam. II. Mose 32. 58

. Nach dem Tode des Königs Salomo trennte sich das Nordreich Israel von dem Südreich Juda. Jerobeam, der neue König des Nordreiches, wollte aber für seinen Staat eigene Kultstätten haben und ließ in Dan und Bethel, zwei alten Kultstätten in seinem Reiche, goldene Stierbilder aufstellen und verkünden: „Da ist deine Gottheit, Israel, die dich aus Ägypten hergeführt hat." Die Kultbilder wurden verehrt, bis nach der Niederlage des Landes 722 v. u. Z. die Sieger sie nach Assur als Geschenk für den Großkönig mitnahmen. Darüber herrschte im Lande unter den Priestern und dem Volke großes Klagen und Jammern. I. Könige 12; Hosea 10,5-6. 1. Beide Geschichten sind Zeugen für die Tatsache, daß die Zentralgewalt von Jerusalem die alten kanaanäischen Stämme unterwirft. Der elohistische Text geht i In von aus, daß Jahwes Symbol ein Stier ist, wie beim Gott El von Ugarit. Aber der jahwistische Text dominiert in allen Berichten und soll lehren, daß Jahwe kein Stier, sondern gestaltlos ist. Beide Geschichten gehen aber davon aus, daß es noch bis in das 8. Jahrhundert v. u. Z., wie aus der prophetischen Polemik des Hosea hervorgeht, in Israel Leute gegeben hat, die einen Stier als Verkörperung Jahwes ansehen. Damit befinden sie sich in völliger Übereinstimmung mit ihren unmittelbaren Nachbarn. In Ägypten wird der Mond als „brünstiger Stier" angerufen, in den Mythen von Ugarit wird der Götterpatriarch El „Gottstier" genannt: „Es möge ausrufen der Stier, El, sein Vater, der König, der ihn gezeugt!" Eis Sohn, Alijan Baal, erscheint ebenfalls als Stier der Göttin Anat und begattet sie, die ihm dann voll Freude mitteilt: „Ach! ein Stier wurde Baal geboren, ein Rind dem, der auf Wolken einherfährt! Es freute sich darüber Alijan Baal." Die Fülle der gefundenen Stierbilder auch in Mesopotamien läßt darum wie diese außerbiblischen mythologischen Texte nur den Schluß /u, daß die biblische Polemik gegen den Stierdienst auch im eigenen Lande begründet ist. Der Kampf gegen den Stiergott Jahwe für den gestaltlosen Gott Jahwe, wie ihn König und Priester von Jerusalem und ihre Gefolgsleute führen, gilt vor allem der in diesem Stierkult zutage tretenden Selbständigkeit von Stämmen und Volksteilen, die die eigenen Pläne durchkreuzt. Diejenigen, die Jahwe als Stier anbeten, dürfen keine wahren Freunde Jahwes sein, der sich nur in seinem Gesetze, wie es die Priester von Mose übernommen haben und hüten, offenbaren will. Jahwe soll nicht mehr unkontrolliert mit sexuell bestimmten orgiastischen Reigen verehrt werden, sondern im streng geregelten Opferkult, dessen Rituale von den Priestern in Jerusalem zelebriert werden müssen. Alle Texte belegen sehr anschaulich die Auseinandersetzung zwischen den ehemaligen Landbewohnern, den Kanaanitern, und den eingedrungenen Jahweverehrern. 59

immer sehr reserviert zur Zentralgewalt in Jerusalem verhielten. Sie haben<br />

das erklärte Ziel, <strong>die</strong> Kriegslorbeeren nicht in <strong>die</strong> Krone des Königs von<br />

Jerusalem zu flechten, sondern sie um den Altar Jahwes zu winden. Zeitlich<br />

stammen sie etwa aus der Mitte des 10. Jahrh<strong>und</strong>erts v. u. Z. nach der<br />

Trennung der Reiche.<br />

2. Das Gesetz vom heiligen Krieg ist nicht älter als das Königtum mit seinem<br />

stehenden Heer. Der Krieg wird ein heiliges Geschäft. Kurz vor dem Ende des<br />

Südreiches Juda, als niemand mehr den heiligen Krieg führen kann, wird in<br />

der Erinnerung an <strong>die</strong> vergangene Herrlichkeit von Propheten <strong>und</strong> Priestern<br />

der Kompromiß geschlossen, der auch das zweite Gesetz, das<br />

Deuteronomium (das ist das fünfte Buch Mose), genannt wird. Es gehört in <strong>die</strong><br />

Mitte des 7. Jahrh<strong>und</strong>erts v. u. Z.<br />

3. Das Gesetz von der Heiligung des Kriegers hat eine eindeutig politische<br />

Zwecksetzung: Der selbständige Nomadenstamm konnte sich noch ohne<br />

Gesetz schützen <strong>und</strong> verteidigen, der zum Wehr<strong>die</strong>nst gezogene Bauer bangt<br />

um seinen schutzlos zurückgelassenen Besitz, seine Frau. Das priesterliche<br />

Gesetz webt aber um <strong>die</strong> gesellschaftlichen Gr<strong>und</strong>interessen den Nimbus der<br />

Heiligkeit. Die Priester kämpfen mit <strong>die</strong>sem Gesetz gegen <strong>die</strong> alte<br />

kanaanäische Religiosität. In Kanaan wie im übrigen Alten Orient war <strong>die</strong><br />

Funktion der Fruchtbarkeitsgottheit <strong>und</strong> der Todesgottheit immer in einer<br />

Person vereinigt. Im Schöpfungsbericht I. Mose 2-3 ist <strong>die</strong>se Doppelfunktion<br />

noch in der Rolle der Para<strong>die</strong>sesfrucht erkennbar, denn <strong>die</strong>se bringt <strong>die</strong><br />

Geschlechtslust <strong>und</strong> den Tod.<br />

Das priesterliche Gesetz soll <strong>die</strong> alten orientalischen Vorstellungen<br />

verdrängen, <strong>die</strong> der bäuerlichen Landbevölkerung durchaus vertraut sind,<br />

denn <strong>die</strong> alten kanaanäischen <strong>Götter</strong> üben den Geschlechtsverkehr aus, bevor<br />

sie in den Kampf ziehen, wie aus Ugarits Mythen hervorgeht. Die Göttin Anat<br />

sagt z. B. zu ihrem Krieger Itpn, bevor sie ihn in den Kampf schickt: „Sei<br />

willfährig, Itpn, <strong>und</strong> höre: ich stecke dich in Adlersgestalt in meinen Schoß, als<br />

Raubvogel in meine Scheide."<br />

2.4 Der Stiergott<br />

a. Als Mose zu Jahwe auf den Sinai gestiegen war, um von ihm<br />

das Zehngebot zu empfangen, wurde dem Volk, das sich um den<br />

Berg gelagert hatte, <strong>die</strong> Zeit zu lang. In der Meinung, Mose werde<br />

nicht zurückkommen, bestürmten sie den Bruder des Mose, den<br />

Priester Aaron, ihnen einen <strong>Gott</strong> zu machen, der vor ihnen herziehe.<br />

Aaron willigte ein, <strong>und</strong> so sammelten sie im Lager Goldschmuck<br />

<strong>und</strong> gössen ein Stierbild, das sie singend <strong>und</strong> tanzend verehrten:<br />

„Das ist dein <strong>Gott</strong>, Israel, der dich aus Ägypten weggeführt hat."<br />

Aber Mose zertrümmerte voller Zorn <strong>die</strong>s <strong>Götter</strong>bild, als er von dem<br />

Berge herabkam.<br />

II. Mose 32.<br />

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