Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie
Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie
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Tag ist für den Menschen zur Arbeit bestimmt, <strong>die</strong> Nacht zur Ruhe.<br />
Du läßt Leben anfangen <strong>und</strong> beenden <strong>und</strong> läßt <strong>die</strong> Lebewesen<br />
wieder zu Staub werden.<br />
Psalm 104.<br />
1. Der Text stammt sicher aus der priesterlichen Tradition. In der kultischen<br />
Praxis von Jerusalem sind <strong>die</strong> Schöpferprädikationen Jahwes verankert<br />
gewesen, so wie sie auch Bestandteile der alten kanaanäischen Kultlyrik sind,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> eindringenden Nomadenstämme vorfanden. Die von Jahwe<br />
geschaffene Welt ist darin frei von Krieg <strong>und</strong> Fluch. Die Arbeit des Menschen<br />
ist eingebettet in den harmonischen Ablauf der Natur. Der Mensch ist<br />
Bestandteil des Kosmos wie <strong>die</strong> Vögel <strong>und</strong> Tiere. Ein Abfall der Schöpfung<br />
von <strong>Gott</strong> ist ihm unbekannt. Der Tod <strong>und</strong> <strong>die</strong> natürliche Erneuerung der Welt<br />
werden als Selbstverständlichkeit hingenommen.<br />
Andere, gleichzeitige biblische Lieder, <strong>die</strong> Jahwe als den Schöpfer preisen,<br />
zum l eil mit gleichen Redewendungen, sind noch Psalm 19,1-7; 24,1-2;<br />
136,5-9 <strong>und</strong> l hob 38-39.<br />
2. Der vorliegende Hymnus weist überraschende Ähnlichkeiten mit<br />
außerbiblischen Hymnen auf, wie z.B. mit dem Sonnenhymnus des Pharaos<br />
Amenophis IV., der in den Amarna-Texten gef<strong>und</strong>en wurde. Amenophis IV.<br />
(1377-1358 v .u. Z.) nannte sich auch Echnaton nach seinem Versuch, den<br />
vergeistigten Sonnengott Aton an <strong>die</strong> Stelle des alten <strong>Gott</strong>es Amun zu setzen.<br />
Er gründete als neue Hauptstadt Amarna, zwischen Memphis <strong>und</strong> Theben,<br />
scheiterte aber am Widerstand der alten Priesterdynastien. Nach seinem Tode<br />
verfiel Amarna sehr schnell. In den Trümmern der Residenz wurde neben der<br />
Büste seiner Frau Nofretete <strong>und</strong> zahlreichen Literaturdenkmälern <strong>und</strong><br />
Korrespondenzen auch der Sonnenhymnus gef<strong>und</strong>en, in dem es<br />
beispielsweise heißt: „Du erscheinst schön im Horizont des Himmels, <strong>die</strong><br />
lebende Sonnenscheibe (Aton), <strong>die</strong> zuerst lebte ... Du ihm schön, du bist groß<br />
... du bist hoch erhaben über der Erde. Die Erde wird hell, wenn du im<br />
Horizont aufgehst <strong>und</strong> als Sonnenscheibe des Tages leuchtest... Alles Vieh<br />
freut sich seiner Futterkräuter. Die Bäume <strong>und</strong> Kräuter grünen, <strong>die</strong> Vogel<br />
fliegen aus ihren Nestern, ihre Flügel preisen dich ... Du schufst <strong>die</strong> Erde nach<br />
deinem Wunsche, indem du allein warst, mit Menschen, Herdentieren <strong>und</strong><br />
Kleinvieh ..." usw.<br />
Dieser Hymnus steht in enger Beziehung zu dem Schöpfungsbericht des<br />
Priesters (siehe 1,1), nach dem Elohim auch, indem er allein ist, etwas<br />
wünscht, <strong>und</strong> es entsteht, so wie hier in den Amarna-Texten von Aton gesagt<br />
wird. Das ist schon hohe priesterliche Abstraktion. Die Vermittlung der<br />
ägyptischen Hymnenliteratur an <strong>die</strong> Priester von Jerusalem ist sicher durch <strong>die</strong><br />
religiöse Literatur der Kanaanäer erfolgt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Israeliten bei ihrer<br />
Einwanderung vorfinden. Eine direkte Abhängigkeit des Jahwekultes von<br />
Ägypten liegt sicher nicht vor, auch wenn <strong>die</strong> Hypothese immer noch<br />
wiederholt wird, daß <strong>die</strong> Flucht der Israeliten aus Ägypten mit der Verfolgung<br />
der Anhänger des Echnaton zusammenhängt. Die Ähnlichkeit der biblischen<br />
Priesterliteratur mit der gleichzeitigen kanaanäischen legt es vielmehr nahe,<br />
anzunehmen, daß mit der Übernahme der Kultur auch <strong>die</strong> Literatur<br />
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