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Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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unten noch keine Erde entstanden waren, war nur Apsu da, der Uranfängliche,<br />

<strong>und</strong> Tiamat, das Urwasser, deren Wasser sich miteinander vermischten." Um<br />

den Unterschied klarzumachen, hat der biblische Autor bewußt <strong>die</strong> Überschrift<br />

gewählt: Zuerst hat Elohim den Himmel <strong>und</strong> <strong>die</strong> Erde gemacht. Aber im<br />

Fortgang der Erzählung kommt er nicht umhin, analog zum babylonischen<br />

Epos fortzufahren: <strong>die</strong> Welt war wüst <strong>und</strong> leer (tohu wa bohu), <strong>und</strong> Finsternis<br />

lag über dem Urmeer, d. h. wie Apsu über der Tiamat, sie befruchtend. Der<br />

eigentliche Bericht über <strong>die</strong> Schöpfungshandlung Elohims beginnt erst mit der<br />

Erschaffung des Lichtes. Sein Schöpfungshandeln ist also ursprünglich keine<br />

creatio ex nihilo, keine Schöpfung aus dem Nichts, sondern <strong>die</strong> Welt ist schon<br />

vorhanden, gestaltlos zwar, aber vorgegeben. „Die Welt war wüst <strong>und</strong> leer",<br />

muß es heißen, obwohl der Hebräer für Erde als Gegensatz /u Himmel<br />

<strong>die</strong>selbe Vokabel benutzt. Darin ist er dem Babylonier gefolgt. Er<br />

unterscheidet sich aber von <strong>die</strong>sem durch eine farblosere Schilderung. Der<br />

Babylonier läßt zunächst aus der Vereinigung von Apsu <strong>und</strong> Tiamat <strong>die</strong> <strong>Götter</strong><br />

entstehen, unter denen bald ein Streit entbrennt. In einer Schlacht bezwingt<br />

dann Marduk <strong>die</strong> Urmutter Tiamat, <strong>die</strong> den Tod ihres Gatten Apsu an seinem<br />

Mörder Marduk rächen will. „Mit wütenden Winden füllte er ihren Bauch, so<br />

daß sich ihr Leib aufblähte. Da ließ Marduk dann seinen Pfeil niedersausen,<br />

zertrümmerte ihren Bauch, spaltete ihren Leib quer, durchschnitt ihr Inneres<br />

<strong>und</strong> setzte eine Hälfte von ihr als Himmel, <strong>die</strong> andere als Erde", beide durch<br />

eine Sperre getrennt, deren Wächter drauf achten müssen, daß das Wasser<br />

nicht auf <strong>die</strong> Erde dringt. Dann schafft Marduk den Mondgott, den Sonnengott<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> übrige Welt. Aus i lern Partner der Tiamat, Kingu, macht Marduk dann<br />

<strong>die</strong> Menschen, damit sie zukünftig den <strong>Götter</strong>n <strong>die</strong>nen. Der Babylonier<br />

rechtfertigt <strong>die</strong> theokratische Gesellschaftsordnung. Land <strong>und</strong> Leute sind<br />

Eigentum der <strong>Götter</strong>, vertreten in i lern göttlichen König, den Priestern Eas,<br />

Marduks <strong>und</strong> Istars. Züge <strong>die</strong>ses Schöpfertums, das auf einer<br />

gemeinsemitischen Vorstellung beruht, brechen auch in dem biblischen<br />

Mythos noch durch. Beim Babylonier schwängert Marduk <strong>die</strong> Tiamat durch<br />

Winde, im biblischen Mythos schwängert <strong>die</strong> Ruach Elohims <strong>die</strong> Wasser. Das<br />

hebräische Wort Ruach bezeichnet nämlich sowohl den Geist wie auch den<br />

Wind, <strong>und</strong> das Verb, das auch mit schweben übersetzt wird, meint „hin- <strong>und</strong><br />

herbewegen, berühren". Im Syrischen bedeutet <strong>die</strong>selbe Vokabel auch<br />

„brüten". Aber <strong>die</strong> archaische Umgebung stellt sicher, daß eine Tätigkeit<br />

gemeint sein muß, <strong>die</strong> beim Koitus ausgeübt wird. Marduk schafft <strong>die</strong><br />

Menschen aus dem göttlichen Kingu; Elohim, so ist zu vermuten, schafft sie<br />

aus sich selber. Beide Mythen bezeugen, daß der Mensch göttlicher Natur ist.<br />

Ein Unterschied besteht aber in der Bestimmung der Menschen: Der<br />

Babylonier sieht in ihm den Diener der <strong>Götter</strong>, der biblische Autor den<br />

göttergleichen Herrn der Welt.<br />

2. Die Besonderheit des priesterlichen Berichts liegt ferner in der Anwendung<br />

des Wochenschemas auf <strong>die</strong> Schöpfung, womit er zu einer Ätiologie über den<br />

Sabbat wird: Der arbeitsfreie siebente Wochentag soll von den Israeliten<br />

geheiligt werden, weil Elohim an ihm geruht hat.<br />

Stilistisch wird der biblische Bericht vor allem durch das stereotype<br />

Schöpfungswort Elohims, das dem jeweiligen Schöpfungsakt vorausgeht,<br />

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