Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie
Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie
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Der Mythos ist dort zu Hause, wo <strong>die</strong> Welt nicht logisch erklärt<br />
wird. Die Fülle der biblischen <strong>Mythologie</strong> stammt zwar aus der<br />
vorliterarischen Kulturstufe Israels <strong>und</strong> Judas, dem Zeitraum vor der<br />
Bildung des Königtums <strong>und</strong> der Zentralgewalt, aber ihre Lebenskraft<br />
hat sie in der fortbestehenden menschlichen Eigenschaft gef<strong>und</strong>en,<br />
auch außerlogisch <strong>und</strong> unwissenschaftlich Natur, Geschichte <strong>und</strong><br />
Gesellschaft in Gestalt der Poesie zur Kenntnis zu nehmen. Die<br />
gesellschaftliche Gr<strong>und</strong>struktur der biblischen <strong>Mythologie</strong>, <strong>die</strong><br />
Abhängigkeit des Menschen von seinen heiligen Vätern, den<br />
heiligen Königen, den <strong>Götter</strong>n, wurde nie verändert. Veränderlich ist<br />
immer das jeweilige <strong>Gott</strong>esbild. Diese Veränderungen, richtiger<br />
gesagt, Verschiedenheiten, sind ihrerseits abhängig von der<br />
gesellschaftlichen Entwicklung der Gruppen, <strong>die</strong> hinter den Texten<br />
stehen. So sehen wir heute einen Hirtengott gleichberechtigt neben<br />
dem Kriegsgott, einen Fruchtbarkeitsgott neben dem<br />
Gesetzgebergott, einen Nationalgott neben einem Weltgott. Die<br />
<strong>Götter</strong>familie - Väter, Söhne, Mütter - trägt unter sich <strong>die</strong> Kämpfe<br />
aus, <strong>die</strong> auf der Erde stattfinden. Der Vatergott Jahwe entthront <strong>die</strong><br />
mütterliche Himmelskönigin, <strong>und</strong> der gütige Elohim sieht voller<br />
Ärger, wie in ihrem Streit Nomaden <strong>und</strong> Seevölker sein schönes<br />
Land verheeren. Die neubegonnene Herrschaftszeit Jahwes nach<br />
der Flut, als Israel nach der Meerwanderung Kanaan erobert hat,<br />
bleibt nicht lange friedlich, denn Jahwe rächt sich an seinen<br />
abtrünnigen Kindern. Wie Zeus <strong>die</strong> rebellischen Söhne Poseidon<br />
<strong>und</strong> Apollo in <strong>die</strong> Sklaverei nach Troja schickt, schickt Jahwe sein<br />
Volk nach Babylon. Aber <strong>die</strong> Priester der Israeliten in der<br />
babylonischen Gefangenschaft verkünden, daß ihr <strong>Gott</strong> der<br />
Weltschöpfer ist, der alle Menschen dazu geschaffen habe, <strong>die</strong> Welt<br />
zu beherrschen. Als sie noch im eigenen Lande saßen <strong>und</strong> unter<br />
dem eigenen König litten, hatten <strong>die</strong>selben Priester gepredigt, daß<br />
der Mensch, der Bauer, ein Knecht sei, <strong>und</strong> <strong>Gott</strong> sei ein König.<br />
Nachdem sie aber Tempel <strong>und</strong> Unabhängigkeit verloren hatten,<br />
lehrten sie nun, ihr <strong>Gott</strong> sei ein heiliger <strong>Gott</strong>, absolut unsichtbar,<br />
wohnhaft in der Transzendenz, <strong>und</strong> seine Auserwählten sollen sich<br />
auch heiligen, in strenger ethischer <strong>und</strong> moralischer Absonderung<br />
von der Welt. Als sie dann im 2. Jahrh<strong>und</strong>ert v. u. Z. auch noch<br />
ökonomisch <strong>und</strong> soziologisch entrechtet <strong>und</strong> entmachtet werden,<br />
vertrösten sie sich mit der Hoffnung, daß ihr <strong>Gott</strong> einstmals eine<br />
neue Welt schaffen wird, mit neuen Menschen. Dazu wird er dann<br />
seinen Knecht, den Messias, schicken, der das neue Reich, das<br />
<strong>Götter</strong>reich, schaffen wird. Bis dahin aber sollen <strong>die</strong> Frommen sich<br />
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