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Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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handeln würde, von denen hier nicht geredet wird. Letztendlich ist<br />

eine biblische <strong>Mythologie</strong> auch keine Darstellung der Geschichte<br />

des frommen „<strong>Gott</strong>esvolkes".<br />

Eine biblische <strong>Mythologie</strong> wird sich also nur den Texten<br />

zuwenden, <strong>die</strong> als in sich abgeschlossene Mythen in der Bibel<br />

Auskunft geben über das w<strong>und</strong>erbare Handeln eines <strong>Gott</strong>es an der<br />

Welt <strong>und</strong> an Menschen. Sie wird von Bildern reden, <strong>die</strong> von der<br />

Erschaffung der Welt erzählen, von großen <strong>und</strong> kleinen W<strong>und</strong>ern,<br />

von <strong>Götter</strong>n, Engeln, Menschen, von Zeit <strong>und</strong> von Nach-Zeit, der<br />

„Ewigkeit". <strong>Biblische</strong> <strong>Mythologie</strong> wird einen weiten Bogen schlagen<br />

müssen, der viele Völker, Zeiten <strong>und</strong> Räume überspannt. Dabei<br />

erscheint dann der eine <strong>Gott</strong> nur noch wie ein faszinierender<br />

Bühnenvorhang, hinter dem <strong>die</strong> vielen <strong>Götter</strong> handeln <strong>und</strong> agieren,<br />

mit denen <strong>die</strong> einzelnen Stämme <strong>und</strong> Völker einst lebten. Der<br />

biblische Mythos, Gestalt gewordenes Volks- <strong>und</strong> Einzelerlebnis von<br />

menschlicher Umwelt in allen Dimensionen, ist deshalb wie jeder<br />

antike Mythos heute mögliches Modell für das ursprüngliche<br />

Zusammenschauen von Begriff (oder Vorstellung) <strong>und</strong> Bild, wie es<br />

Lessing im „Laokoon" beschwören wollte. Die biblischen Mythen<br />

selbst, so dargestellt <strong>und</strong> dergestalt ihrer religiösen Funktion, <strong>die</strong><br />

heute nur noch eine falsche sein könnte, entb<strong>und</strong>en, sind dann<br />

nicht nur <strong>die</strong> Schlüssel zum Verständnis großer Teile europäischer<br />

Kultur- <strong>und</strong> Geistesgeschichte, sondern selbständiges, farbenfrohes<br />

Feld im Garten der alten orientalischen Welt.<br />

Im Titel des Buches bezeichnet <strong>die</strong> Kopula „<strong>und</strong>" genau den<br />

Standort des Verfassers, der zwischen der Behauptung von der<br />

Existenz eines einzigen <strong>Gott</strong>es <strong>und</strong> der Behauptung der Existenz<br />

vieler <strong>Götter</strong> das Schifflein der biblischen <strong>Mythologie</strong><br />

hindurchsteuern muß. Es ist <strong>die</strong> Meerenge zwischen der das alles<br />

zerstörende Wasser ausspeienden Charybdis <strong>und</strong> der<br />

sechsköpfigen menschenfressenden Skylla. Als Odysseus <strong>die</strong>se<br />

Meerenge passierte, opferte er lieber sechs seiner Gefährten, als<br />

mit allen unterzugehen. Der biblische König David gar opferte gleich<br />

Tausende seines Volkes der Pest, um selber am Leben zu bleiben.<br />

Wenn nun das Schifflein der biblischen <strong>Mythologie</strong> so nahe am<br />

Felsen der Skylla, der vielköpfigen <strong>Gott</strong>heit, vorbeisteuert, so möge<br />

der Leser bedenken, daß allein <strong>die</strong> Skylla Odysseus am Leben ließ<br />

<strong>und</strong> auch <strong>die</strong> biblische <strong>Mythologie</strong> nur am Leben erhält.<br />

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