Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

sogenannte Herrenmahl auch den Charakter eines Sakramentes, einer göttlichen Gnadengabe. Die Darbietung von Brot und Wein - nunmehr von göttlichem Leib und göttlichem Blut - im Abendmahlssakrament machte die Institutionalisierung von Priestern nötig. Die Kirche wurde ferner nach dem Schema der Reichsverwaltung mit ihrer Gliederung in Präfekturen, Diözesen und Provinzen organisiert. Sie wurde eine ökonomisch starke Kraft, nachdem sie sich in der Synode von Konstantinopel 381 durch das Dogma von der Wesensgleichheit auch des Heiligen Geistes mit Gottvater und Gottsohn die geistliche und göttliche Vollmacht zuerkannt hatte; in der ununterbrochenen Sukzession der Geistlichen seit den Aposteln glaubte man ja die Gewähr zu haben, daß der Heilige Geist, der den ersten Aposteln zuteil geworden war, auch auf die Bischöfe und Priester vererbt worden sei. Nunmehr war die Erlangung des ewigen Heiles, der Unsterblichkeit, an die Teilnahme an den kirchlichen Sakramenten gebunden, die die individuelle Vergottung bewirkte. Heilige und Märtyrer erhielten deshalb nach ihrem Tode und auch schon zu ihren Lebzeiten göttliche Kräfte zugesprochen. Sie ersetzten die zahllosen, inzwischen aufgehobenen regionalen alten Kultheroen und Götter, deren Opfer nun der Kirche zufielen. Das Christentum und die Kirchen in den ersten drei Jahrhunderten waren von der neutestamentlichen Ausgangsposition, der Erwartung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, so weit entfernt und mit einer aus der Spätantike stammenden individuellen Heilslehre so eng verbunden, daß sie für die Reichseinigung unter Konstantin dem Großen die geeigneten Partner abgaben. Seit dem 3. Jahrhundert wurde es üblich, daß Bischöfe und Priester nicht mehr durch Arbeit ihr Brot verdienten, sondern von den Gemeinden und Diözesen versorgt wurden. Zudem kam man durch die kaiserlichen Rechte in der Kirchenverwaltung nicht umhin, Bischöfe vornehmlich aus reichen und wohlhabenden Familien zu wählen, die dann auch bei ihrem Ableben ihren Besitz an die Gemeinden vererbten. Zumindest nach dem Ausgang des 4. Jahrhunderts mußten sie nämlich ehelos leben. Die Ehelosigkeit der Priester war schon in der vorchristlichen Antike verbreitet. Man glaubte nämlich, daß der Beischlaf kultunfähig mache. Solange nun das Opfer und die Zelebration des Kultes sich auf wenige Tage oder Feste im Jahr beschränkte, konnten durch bestimmte Heiligungsgesetze die Priester sich wieder in den kultfähigen Stand der Reinheit bringen. Aber die Einführung des täglichen Meßopfers in der christlichen Kirche verhindert seit dem 11. Jahrhundert endgültig diesen Ausweg. Die ursprünglich freiwillige und gleichberechtigte Teilnahme am christlichen Gemeindeleben wich zusehends einer streng hierarchisch gegliederten und gesetzesmäßig geregelten Ordnung. Die Klassenordnung des Kaiserreiches spiegelte sich in den Kirchenordnungen und den Dogmen wider, den der Heiligen Schrift gleichzuachtenden Lehrsätzen der Kirche, die häufig von den Kaisern veranlaßt wurden. Der gottgleiche Christus rückte in die Thron- und Herrschaftsgemeinschaft mit seinem Vater auf. Er wurde selber, weil er auch wesenseins mit seinem Vater sein mußte, dargestellt als Pantokrator, als Weltenherrscher, umgeben von Engeln, Heiligen und Märtyrern und der Wolke der Zeugen sowie dem sichtbar gewordenen Heiligen Geist. Jesus, der einstmals gelehrt hatte: „Gebt dem Kaiser, was dem 272

Kaiser gehört", wurde nun als Christus zum Herrn über den Kaiser gesetzt. Theodosius, der mit seinem Edikt der Kirche erst zur Macht verholfen hatte, mußte es sich schon fünf Jahre später durch den Bischof Ambrosius von Mailand gefallen lassen, öffentlich in den Bann getan zu werden, bis er Buße getan und bereut hatte. Die Mutter Jesu, Maria, die Frau des Zimmermannes Joseph, war nun nicht mehr nur eine gewöhnliche Mutter, sondern nach den Festlegungen des Konzils von Chalcedon auch Christusgebärende und Mutter eines Gottes, der man göttliche Ehren nicht vorenthalten durfte. Und weil sie doch den Heiland und Erlöser geboren hatte, war sie auch mittelbar an der Erlösung der Welt beteiligt. So wuchsen ihr in Titeln wie „Miterlöserin", „Mittlerin aller Gnaden" „schmerzenreiche Mutter" auch Ehren zu, die sie in eine Reihe mit den „großen Müttern" Diana von Ephesus oder der Göttin Isis rückten, bis schließlich im Jahre 1950 durch Papst Pius XII. als Dogma festgelegt wurde, daß Maria wie Christus auch „gen Himmel gefahren ist" und nun zur Rechten ihres Sohnes thront. Diese Entwicklung der christlichen Mythologie in den späteren Jahrhunderten nach Abschluß des neutestamentlichen Kanons kann hier nicht ausführlich dargestellt, sondern nur angedeutet werden. Aus dem Apostel Petrus, dem verheirateten Fischer vom See Genezareth, wurde in der kirchengeschichtlichen Entwicklung der Stellvertreter Christi und erste Bischof von Rom und für die römische Kirche damit auch der erste Papst. Dem gleichfalls in Rom als Märtyrer hingerichteten Paulus widerfuhr solche Ehre nicht. Er war durch sein weitverbreitetes Schrifttum einer solchen Legendenbildung und Mythopoetik gegenüber abgesichert. Der schriftstellerisch nicht so belastete Petrus war dafür das bessere Modell. Das ganze Mittelalter webte noch an diesem kirchlichen Bilderteppich. Allerdings vollzog sich die Entwicklung der oströmischen Kirche, die sich selber als die orthodoxe, d. h. rechtgläubige Kirche verstand, seit der Trennung von der weströmischen Kirche im Jahre 1054 nach eigenen Gesetzen. Die frühbürgerliche Reformation in Deutschland nach 1517 hatte auf diese Entwicklung nur einen bescheidenen Einfluß. Sie griff auf die biblische Mythologie zurück, um ihre Ziele durchzusetzen. Der revolutionäre Gehalt des Lutherchorals „Ein feste Burg ist unser Gott", der zum Kampflied der Reformation wurde, lag z. B. darin, daß wie in der literarischen Vorlage (Psalm 46) die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in ihrer Endgültigkeit angefochten wurden. Die festen Burgen und die guten Waffen des feudalen Mittelalters - die Bildhaftigkeit des Psalms entsprach durchaus der Gesellschaftssymbolik des 16. Jahrhunderts - wurden hier ideell außer Kraft gesetzt. Die mythischen Begriffe „Gott", „sein Wort", „der rechte Mann, den er hat selbst erkoren", ersetzten das weithin noch unklare Programm der neuen gesellschaftlichen Kräfte. Die alttestamentlichen Gottesstreiter galten den aufständischen Bauern als Vorbilder; in den radikalen Forderungen der Propheten sahen sie ihre eigenen Forderungen schon vorweggenommen und göttlich autorisiert. Ihre Sache war ihnen Gottes Sache. Die Revolution der Bauern wurde gemeinsam von protestantischen und katholischen Reichsständen unterdrückt. Ihre Ziele lebten nur in einzelnen 273

Kaiser gehört", wurde nun als Christus zum Herrn über den Kaiser gesetzt.<br />

Theodosius, der mit seinem Edikt der Kirche erst zur Macht verholfen hatte,<br />

mußte es sich schon fünf Jahre später durch den Bischof Ambrosius von<br />

Mailand gefallen lassen, öffentlich in den Bann getan zu werden, bis er Buße<br />

getan <strong>und</strong> bereut hatte.<br />

Die Mutter Jesu, Maria, <strong>die</strong> Frau des Zimmermannes Joseph, war nun nicht<br />

mehr nur eine gewöhnliche Mutter, sondern nach den Festlegungen des<br />

Konzils von Chalcedon auch Christusgebärende <strong>und</strong> Mutter eines <strong>Gott</strong>es, der<br />

man göttliche Ehren nicht vorenthalten durfte. Und weil sie doch den Heiland<br />

<strong>und</strong> Erlöser geboren hatte, war sie auch mittelbar an der Erlösung der Welt<br />

beteiligt. So wuchsen ihr in Titeln wie „Miterlöserin", „Mittlerin aller Gnaden"<br />

„schmerzenreiche Mutter" auch Ehren zu, <strong>die</strong> sie in eine Reihe mit den<br />

„großen Müttern" Diana von Ephesus oder der Göttin Isis rückten, bis<br />

schließlich im Jahre 1950 durch Papst Pius XII. als Dogma festgelegt wurde,<br />

daß Maria wie Christus auch „gen Himmel gefahren ist" <strong>und</strong> nun zur Rechten<br />

ihres Sohnes thront.<br />

Diese Entwicklung der christlichen <strong>Mythologie</strong> in den späteren Jahrh<strong>und</strong>erten<br />

nach Abschluß des neutestamentlichen Kanons kann hier nicht ausführlich<br />

dargestellt, sondern nur angedeutet werden. Aus dem Apostel Petrus, dem<br />

verheirateten Fischer vom See Genezareth, wurde in der<br />

kirchengeschichtlichen Entwicklung der Stellvertreter Christi <strong>und</strong> erste Bischof<br />

von Rom <strong>und</strong> für <strong>die</strong> römische Kirche damit auch der erste Papst. Dem<br />

gleichfalls in Rom als Märtyrer hingerichteten Paulus widerfuhr solche Ehre<br />

nicht. Er war durch sein weitverbreitetes Schrifttum einer solchen<br />

Legendenbildung <strong>und</strong> Mythopoetik gegenüber abgesichert. Der<br />

schriftstellerisch nicht so belastete Petrus war dafür das bessere Modell. Das<br />

ganze Mittelalter webte noch an <strong>die</strong>sem kirchlichen Bilderteppich. Allerdings<br />

vollzog sich <strong>die</strong> Entwicklung der oströmischen Kirche, <strong>die</strong> sich selber als <strong>die</strong><br />

orthodoxe, d. h. rechtgläubige Kirche verstand, seit der Trennung von der<br />

weströmischen Kirche im Jahre 1054 nach eigenen Gesetzen.<br />

Die frühbürgerliche Reformation in Deutschland nach 1517 hatte auf <strong>die</strong>se<br />

Entwicklung nur einen bescheidenen Einfluß. Sie griff auf <strong>die</strong> biblische<br />

<strong>Mythologie</strong> zurück, um ihre Ziele durchzusetzen. Der revolutionäre Gehalt des<br />

Lutherchorals „Ein feste Burg ist unser <strong>Gott</strong>", der zum Kampflied der<br />

Reformation wurde, lag z. B. darin, daß wie in der literarischen Vorlage (Psalm<br />

46) <strong>die</strong> bestehenden gesellschaftlichen <strong>und</strong> politischen Verhältnisse in ihrer<br />

Endgültigkeit angefochten wurden. Die festen Burgen <strong>und</strong> <strong>die</strong> guten Waffen<br />

des feudalen Mittelalters - <strong>die</strong> Bildhaftigkeit des Psalms entsprach durchaus<br />

der Gesellschaftssymbolik des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts - wurden hier ideell außer<br />

Kraft gesetzt. Die mythischen Begriffe „<strong>Gott</strong>", „sein Wort", „der rechte Mann,<br />

den er hat selbst erkoren", ersetzten das weithin noch unklare Programm der<br />

neuen gesellschaftlichen Kräfte. Die alttestamentlichen <strong>Gott</strong>esstreiter galten<br />

den aufständischen Bauern als Vorbilder; in den radikalen Forderungen der<br />

Propheten sahen sie ihre eigenen Forderungen schon vorweggenommen <strong>und</strong><br />

göttlich autorisiert. Ihre Sache war ihnen <strong>Gott</strong>es Sache.<br />

Die Revolution der Bauern wurde gemeinsam von protestantischen <strong>und</strong><br />

katholischen Reichsständen unterdrückt. Ihre Ziele lebten nur in einzelnen<br />

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