Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie
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daß Rom <strong>und</strong> das römische Reich keinen ewigen Bestand haben werden. Er<br />
kündigt den Untergang an, obwohl Rom noch auf dem Höhepunkt seiner<br />
Macht steht, als das Buch im zweiten Drittel des 1. Jahrh<strong>und</strong>erts u. Z.<br />
geschrieben wird.<br />
6. Das Tausendjährige Friedensreich ist für <strong>die</strong> Apokalypse <strong>die</strong> Frist, <strong>die</strong> den<br />
Völkern noch gegeben wird, um sich unter der Herrschaft der Märtyrer<br />
Christus anzuschließen. Die Zahl 1000 für ein Weltzeitalter stammt aus der<br />
iranischen Tradition. Sie ist aber in der Offenbarung des Johannes nicht mehr<br />
als Glied einer Kette von Weltzeitaltern gedacht, sondern <strong>die</strong> einmalige Zeit<br />
des Reiches, in dem <strong>die</strong> Kirche zusammen mit Christus kämpft, bis <strong>die</strong><br />
Umschöpfung von Himmel <strong>und</strong> Erde beginnt. Die Zahl 1.000 ist keine absolute<br />
Zahl, sondern <strong>die</strong> Chiffre für einen unendlich langen Zeitraum. Die<br />
chiliastischen Spekulationen von Sektierern aller christlichen Konfessionen<br />
haben hier ihren Ausgang genommen.<br />
7. Die neue Erde, der neue Himmel, das neue Jerusalem mit seinen neuen<br />
Menschen ist <strong>die</strong> Krönung der Visionen des Johannes. In ihr lebten <strong>die</strong><br />
Hoffnungen des Dritten Jesaja auf. Der Dichter versucht das Para<strong>die</strong>s wieder<br />
aufzuschließen, das im Mythos von Adam <strong>und</strong> Eva als für alle Menschen<br />
zukünftig verschlossen erscheint. Die sinnfällige Beschreibung des Lebens in<br />
der neuen Stadt, <strong>die</strong> irgendwo im Jenseitigen lokalisiert wird, ist der Versuch,<br />
<strong>die</strong> Welt als Welt aufzuheben. Die Verfolgung durch <strong>die</strong> Römer <strong>und</strong> <strong>die</strong> Leiden<br />
der von Rom unterjochten Völker setzten das verlorene Para<strong>die</strong>s für den<br />
Ausweg. Im neuen Jerusalem gibt es ewiges Leben <strong>und</strong> ewige Freiheit; ewige<br />
Freiheit bedeutet ewige Herrschaft. Der Dichter sieht keine Möglichkeit mehr<br />
zu einer Weltverbesserung, sondern nur noch eine Möglichkeit zum<br />
Überleben: <strong>die</strong> Neuschöpfung. Die Erwartung einer neuen Welt hat kosmische<br />
Dimensionen. Es wird weder Sonne noch Mond, noch den Unterschied<br />
zwischen Nacht <strong>und</strong> Tag geben. Der Mensch wird auch ein anderer sein. Er<br />
wird nicht mehr frei sein, sondern in allem <strong>Gott</strong> gehorsam sein.<br />
8. Die Stellung der Offenbarung des Johannes am Ende der Bibel ist nicht<br />
unbeabsichtigt. Sie zeigt den Standort der christlichen <strong>Mythologie</strong> an. Durch<br />
eines Menschen Sünde (Römer 5,12-21) kamen Tod <strong>und</strong> Elend in <strong>die</strong> Welt,<br />
durch einen Menschen <strong>die</strong> Befreiung davon <strong>und</strong> <strong>die</strong> Aufhebung der<br />
Geschichte seit Adams Eintritt in <strong>die</strong> Welt. Die Offenbarung des Johannes ist<br />
das Buch von dem Austritt des Menschen <strong>und</strong> seines <strong>Gott</strong>es aus <strong>die</strong>ser Welt<br />
<strong>und</strong> dem Übergang in eine andere. Dabei unterscheidet sich <strong>die</strong> Offenbarung<br />
von den etwa gleichzeitig entstehenden gnostischen Erlösungslehren nur in<br />
einem, aber entscheidenden Punkt. Sie weist das erlösende Handeln allein<br />
<strong>Gott</strong> <strong>und</strong> seinem Gesandten zu, während <strong>die</strong> Gnostiker glauben, daß sie durch<br />
<strong>die</strong> Gnosis, das Wissen um göttliche Geheimnisse, das zu ihnen kommt, <strong>die</strong><br />
Erlösung erhalten.<br />
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