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Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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den Kreisen seiner Anhänger wurde nach seinem Tode <strong>die</strong>se Erwartung dann,<br />

als sie sich nicht erfüllte, bestritten <strong>und</strong> durch <strong>die</strong> alttestamentliche Tradition<br />

ersetzt, <strong>die</strong> eine Neuschaffung der Welt nach einer erneuten Ankunft des<br />

Messias als Weltenrichter <strong>und</strong> Heiland durch Jahwe erhoffte. In <strong>die</strong>se<br />

Erwartung war bis zur Zeit Jesu aus der jüdischen Apokalyptik schon viel<br />

mythologisches Gut eingesickert. Dazu gehört das Mythologem vom<br />

Endkampf zwischen den Mächten des Lichtes <strong>und</strong> der Finsternis <strong>und</strong> dem<br />

Endgericht des göttlichen Gesandten. Die Zeit wird nicht mehr als<br />

zirkulierender Periodenwechsel verstanden, sondern als lineare Geschichte.<br />

Das Denken in der Vorstellung von den zwei Äonen, <strong>die</strong>sem <strong>und</strong> einem<br />

zukünftigen, deutet dabei <strong>die</strong> Äonen nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich<br />

<strong>und</strong> führt deshalb zur Aufhebung des alten Äon. Diese primitive Dialektik<br />

beherrscht <strong>die</strong> ganze biblische Eschatologie.<br />

Die sogenannten „Apokalypsen" in Markus 13 <strong>und</strong> Matthäus 24 sind nicht<br />

Bestandteil der ursprünglichen Lehre Jesu gewesen, sondern ihm von seinen<br />

Anhängern in den M<strong>und</strong> gelegt worden, um das Rätsel der Verzögerung von<br />

Christi Wiederkunft, der Parusie, noch in seine Lehre zu verlegen.<br />

3. Die Bestandteile des Mythos vom Kommen eines neuen Himmels <strong>und</strong><br />

einer neuen Erde sind schon in der alttestamentlichen Apokalyptik angelegt.<br />

Die vier Tiere, <strong>die</strong> den Untergang der Welt bewirken, stehen schon bei Daniel<br />

7 (siehe 11,3); bei Ezechiel (siehe 8.6) tragen Löwe, Adler, Stier <strong>und</strong> Mensch<br />

auch schon den Thronwagen Jahwes. Die Engel als himmlische Heerscharen<br />

bereichern auch schon <strong>die</strong> mythischen Bilder der Propheten. Der thronende<br />

Alte bei Daniel ist offensichtlich neben der offiziellen Amtsfrömmigkeit, <strong>die</strong> den<br />

nichtgestaltigen Jahwe verkündet, eine so beliebte Objektivierung einer<br />

<strong>Gott</strong>esvorstellung gewesen, daß Johannes sie aufnehmen konnte.<br />

4. Das Lamm in der Apokalypse des Johannes ist eindeutig Jesus. Er wird<br />

erst durch <strong>die</strong> himmlische Versammlung zum göttlichen Heros gemacht. Die<br />

Schilderung <strong>die</strong>ser Szene spiegelt den realen geschichtlichen Vorgang wider.<br />

Aus dem Menschen Jesus wird der göttliche Mitregent. Die Stimme von dem<br />

göttlichen Thron bestätigt <strong>die</strong> Dignität des Lammes <strong>und</strong> erhebt es zu sich.<br />

Darauf betet <strong>die</strong> ganze Hofversammlung das Lamm an wie vordem nur den<br />

Allmächtigen selber. Nun erst kann Christus das Weltregiment antreten. Sein<br />

Regiment ist zunächst grausam. Es bedeutet <strong>die</strong> langsame Vernichtung der<br />

ganzen Welt, von der nur <strong>die</strong> Auserwählten ausgenommen sind. Diese werden<br />

in das himmlische Jerusalem gerettet. Die Mythologeme sind dabei auch<br />

wieder der alttestamentlichen Prophetie (siehe etwa Ezechiel 38) entlehnt. Nur<br />

werden sie völlig umgedeutet.<br />

5. Die Himmelskönigin ist ursprünglich sicher nicht Maria, <strong>die</strong> Mutter Jesu,<br />

sondern stellt eher <strong>die</strong> Stadt Jerusalem dar. Es war ja antikem Denken<br />

geläufig, <strong>die</strong> Stadt als Mutter ihrer Bürger darzustellen, wie ja auch <strong>die</strong> alten<br />

Stadtgöttinnen als <strong>die</strong> ehemaligen heiligen Königinnen wirklich einmal auch<br />

<strong>die</strong> großen Mütter waren. Die zwölf Sterne in ihrer Krone deuten auf <strong>die</strong> zwölf<br />

Stämme Israels hin. Das andere Weib, <strong>die</strong> große Hure Babylon, ist <strong>die</strong> Chiffre<br />

für Rom, wie sie auch sonst in der apostolischen Literatur beschrieben wird.<br />

Die sieben Schreckenszeiten sind analog den sieben Plagen konzipiert, <strong>die</strong><br />

Jahwe über Ägypten kommen ließ. Der Dichter der Offenbarung setzt voraus,<br />

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