Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie
Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie
1. Petrus ist nach Ausweis der Quellen der Kultname für Simon, den Sohn des Jonas, der in der Langform Johannes heißt, wie ihn auch das Johannesevangelium nennt. Simon ist dabei schon die griechische Form des hebräischen Symeon. Die Angaben über ihn beschreiben schon den Apostelfürsten, der er erst in der Zeit nach dem Tod Jesu geworden ist. So ist sicher, daß die Stelle Matthäus 16,13-20, die den Kultnamen als von Jesus geprägt und Petrus als den hervorragendsten Apostel erweisen soll, der von Gott begabt ist, erst sehr spät in die Tradition aufgenommen wurde. Er paßt auch sonst nicht gut in den Kontext, denn Jesus fragte die Jünger nicht nach ihrer Meinung, sondern danach, was die Leute dächten. Jesus gebraucht auch sonst als Anrede immer nur den Namen Simon. 2. Seine Wundertaten, Predigten, Totenerweckungen sind die typischen Topoi eines priesterlichen Kultheros mit göttlichen Vollmachten. Die neutestamentliche Mythologie schreibt ihm die Rolle des Kult- und Religionsstifters zu. Er gründet und sammelt eine Gemeinde und hat die Schlüsselgewalt für die Erde und den Himmel. Das sind die Topoi für jeden Priester eines antiken Mysterienkultes, der über Aufnahme oder Ablehnung eines Novizen entscheidet. 3. Auffällig sind die Angaben über die Verleugnung Jesu durch Petrus und seine Beschimpfung durch Jesus, die auch mit der dreimaligen Aufforderung „Weide meine Lämmer" aus dem Nachtragskapitel 21 des Johannesevangeliums nicht aufgehoben werden, weil auch sie den Simon als von Jesus autorisierten Kultheros erweisen wollen. Sie zeugen von dem Widerstand der konservativen judenchristlichen Gruppe in Jerusalem, die die Stellung des Petrus als Apostelfürst und Herr der Gemeinde Jesu nicht akzeptierte. 4. Von dem Märtyrertod des Petrus erzählen die biblischen Schriften nichts. Die Nachrichten darüber stammen aus frühen patristischen Angaben. 13.6 Paulus Saulus war der Sohn einer streng jüdischen Familie aus Tarsos in Kilikien und war im Gesetz der Väter unterrichtet und aufgezogen. Er war ein Eiferer für die Sache Gottes, wie er sie gelernt hatte, weshalb er auch diejenigen heftig verfolgte, die anderes glaubten als er. Einstmals reiste er nach Damaskus, um auch dort die Anhänger des hingerichteten Jesus von Nazareth vor Gericht zu bringen. Wie er um die Mittagsstunde schon die Stadt vor sich liegen sah, umleuchtete ihn plötzlich ein großes Licht vom Himmel, und er fiel zu Boden. Da hörte er, wie eine Stimme sagte: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Saul aber wußte nicht, wem diese Stimme gehörte, und fragte: Wer bist du, Herr? Und er hörte die 254
Antwort: Ich bin Jesus aus Nazareth, den du verfolgst. Stehe auf und gehe nach Damaskus, da wird man dir sagen, was du tun sollst. Saulus war durch den Feuerglanz erblindet, und so wurde er von seinen Begleitern nach Damaskus hineingeführt. Zu ihm kam Ananias; der hatte einen guten Ruf unter allen gesetzestreuen Juden und war aus dem heiligen Volke wie Saulus auch. Saulus war richtig am achten Tage beschnitten, ein Benjaminite und Pharisäer. Zugleich aber war er römischer Staatsbürger von Geburt an, weil sein Vater schon die römische Staatsbürgerschaft besessen hatte, weshalb er auch den lateinischen Namen Paulus trug. Ananias belehrte ihn nun, daß er diesem wunderbaren Ruf Jesu gehorchen müsse, und gab ihm sein Augenlicht zurück. Saulus reiste darauf zurück nach Jerusalem, und dort erschien ihm Jesus noch einmal, als er im Tempel betete. Er befahl ihm, Jerusalem zu verlassen und unter den nichtjüdischen Völkern zu lehren. Denn in Jerusalem, wo Saulus die Christen mit verfolgt hatte, konnte er nicht gut bleiben, zumal auch seine früheren Mitstreiter, die Pharisäer, ihm dann nachgestellt hätten. Und so zog Paulus nach Kleinasien. Er ernährte sich, wenn er sich in den Städten aufhielt, von seiner Hände Arbeit; er war ein Zeltmacher. So war er auch länger als ein Jahr in Antiochia. Dort fing man an, die Anhänger Jesu Christen zu nennen. Paulus und seine Begleiter wurden dann von dort vertrieben und zogen weiter. Unterwegs heilte Paulus auch Kranke; er mußte vor den Juden fliehen, die ihn zu töten versuchten. Er zog auch durch Kleinasien und kam bis nach Europa, lehrte in den Synagogen und trieb böse Geister aus, wurde in den Kerker geworfen und kam auf wunderbare Weise wieder frei. So gelangte er auch nach Athen und verkündete den Epikuräern und Stoikern die Botschaft von Christus; er predigte in Korinth, Ephesus und Troas. In Ephesus empörte sich die Bevölkerung gegen ihn, weil sie mit Recht fürchtete, daß der Kult ihrer Stadtgöttin Diana erlöschen würde, wenn Paulus weiter predigte. Als er nach weiteren Reisen sich wieder in Jerusalem aufhielt, ergriffen ihn die Juden und klagten ihn des Aufruhrs an. Saulus berief sich vor dem römischen Statthalter Festus auf sein römisches Bürgerrecht und den Kaiser und wurde deshalb nach fast dreijähriger Haft in die Hauptstadt des Reiches geschickt. Auf der Reise dorthin vollbrachte er auch noch große Wundertaten im Namen Jesu. In Rom durfte er in einer eigenen Wohnung leben, um auf sein Urteil vom Kaiser zu warten. Er wurde nur von einem Soldaten bewacht und hatte viel 255
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1. Petrus ist nach Ausweis der Quellen der Kultname für Simon, den Sohn<br />
des Jonas, der in der Langform Johannes heißt, wie ihn auch das<br />
Johannesevangelium nennt. Simon ist dabei schon <strong>die</strong> griechische Form des<br />
hebräischen Symeon. Die Angaben über ihn beschreiben schon den<br />
Apostelfürsten, der er erst in der Zeit nach dem Tod Jesu geworden ist. So ist<br />
sicher, daß <strong>die</strong> Stelle Matthäus 16,13-20, <strong>die</strong> den Kultnamen als von Jesus<br />
geprägt <strong>und</strong> Petrus als den hervorragendsten Apostel erweisen soll, der von<br />
<strong>Gott</strong> begabt ist, erst sehr spät in <strong>die</strong> Tradition aufgenommen wurde. Er paßt<br />
auch sonst nicht gut in den Kontext, denn Jesus fragte <strong>die</strong> Jünger nicht nach<br />
ihrer Meinung, sondern danach, was <strong>die</strong> Leute dächten. Jesus gebraucht auch<br />
sonst als Anrede immer nur den Namen Simon.<br />
2. Seine W<strong>und</strong>ertaten, Predigten, Totenerweckungen sind <strong>die</strong> typischen<br />
Topoi eines priesterlichen Kultheros mit göttlichen Vollmachten. Die<br />
neutestamentliche <strong>Mythologie</strong> schreibt ihm <strong>die</strong> Rolle des Kult- <strong>und</strong><br />
Religionsstifters zu. Er gründet <strong>und</strong> sammelt eine Gemeinde <strong>und</strong> hat <strong>die</strong><br />
Schlüsselgewalt für <strong>die</strong> Erde <strong>und</strong> den Himmel. Das sind <strong>die</strong> Topoi für jeden<br />
Priester eines antiken Mysterienkultes, der über Aufnahme oder Ablehnung<br />
eines Novizen entscheidet.<br />
3. Auffällig sind <strong>die</strong> Angaben über <strong>die</strong> Verleugnung Jesu durch Petrus <strong>und</strong><br />
seine Beschimpfung durch Jesus, <strong>die</strong> auch mit der dreimaligen Aufforderung<br />
„Weide meine Lämmer" aus dem Nachtragskapitel 21 des<br />
Johannesevangeliums nicht aufgehoben werden, weil auch sie den Simon als<br />
von Jesus autorisierten Kultheros erweisen wollen. Sie zeugen von dem<br />
Widerstand der konservativen judenchristlichen Gruppe in Jerusalem, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
Stellung des Petrus als Apostelfürst <strong>und</strong> Herr der Gemeinde Jesu nicht<br />
akzeptierte.<br />
4. Von dem Märtyrertod des Petrus erzählen <strong>die</strong> biblischen Schriften nichts.<br />
Die Nachrichten darüber stammen aus frühen patristischen Angaben.<br />
13.6 Paulus<br />
Saulus war der Sohn einer streng jüdischen Familie aus Tarsos in<br />
Kilikien <strong>und</strong> war im Gesetz der Väter unterrichtet <strong>und</strong> aufgezogen.<br />
Er war ein Eiferer für <strong>die</strong> Sache <strong>Gott</strong>es, wie er sie gelernt hatte,<br />
weshalb er auch <strong>die</strong>jenigen heftig verfolgte, <strong>die</strong> anderes glaubten<br />
als er. Einstmals reiste er nach Damaskus, um auch dort <strong>die</strong><br />
Anhänger des hingerichteten Jesus von Nazareth vor Gericht zu<br />
bringen. Wie er um <strong>die</strong> Mittagsst<strong>und</strong>e schon <strong>die</strong> Stadt vor sich<br />
liegen sah, umleuchtete ihn plötzlich ein großes Licht vom Himmel,<br />
<strong>und</strong> er fiel zu Boden. Da hörte er, wie eine Stimme sagte: Saul,<br />
Saul, warum verfolgst du mich? Saul aber wußte nicht, wem <strong>die</strong>se<br />
Stimme gehörte, <strong>und</strong> fragte: Wer bist du, Herr? Und er hörte <strong>die</strong><br />
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