Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

Gabriel gesagt hatte. Am achten Tag nach der Geburt, da das Kind seinen Namen erhalten sollte, konnte Zacharias wieder reden und pries Gott mit einem Liede, in dem er von seinem Sohn sagte, er wird ein Prophet des Allerhöchsten heißen und vor dem Herrn hergehen, um ihm den Weg zu bereiten. Das Kind wuchs im Verborgenen heran, bis es durch ein Wort des Herrn aus der Wüste gerufen wurde. Und Johannes predigte mit den Worten der Propheten vom Kommen des göttlichen Erlösers, dessen Kommen er schon begrüßt hatte, als er noch im Mutterleib verborgen war. Denn als Maria während ihrer Schwangerschaft seine Mutter Elisabeth besucht hatte, hatte er schon vor Freuden im Leibe seiner Mutter gestrampelt; Elisabeth hatte darauf einen Lobgesang auf die Freundlichkeit Gottes angestimmt. (Siehe auch 13,2,b.) Nach dem göttlichen Ruf an ihn zog Johannes zum Jordan und predigte dort und taufte die Leute. Bekleidet war er mit einem Gewand aus Kamelhaar, und seine Speise waren Heuschrecken und wilder Honig. Er predigte, daß er nur mit Wasser taufe, nach ihm werde ein Stärkerer kommen, der mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen wird. Streng verfuhr er mit Pharisäern und Sadduzäern, milde aber mit den armen Leuten, Zöllnern und Soldaten. Zu ihm kam auch Jesus, um sich von ihm taufen zu lassen, und Johannes taufte ihn, obwohl er wußte, daß eher er von Jesus getauft werden müßte, und verkündete allen Leuten, Jesus sei das Opferlamm Gottes, das die Sünden der Welt wegnimmt. Er lehrte, daß Jesus mit dem Heiligen Geist tauft, und bezeugte, daß er der Sohn Gottes ist. Johannes wurde mit Elia verglichen, wie es auch Jesus dann tat. Johannes predigte nach dem Auftreten Jesu weiter Buße und Umkehr. Dabei weckte er auch den Unwillen der Königin Herodias und des Königs Herodes, die er beide der Blutschande bezichtigte, und sie ließen ihn einkerkern. Im Gefängnis hörte er von dem Wirken Jesu und ließ ihn durch eigene Anhänger fragen, ob er der Verheißene sei. Johannes wurde später im Gefängnis auf Herodes' Befehl enthauptet. Die Tochter der Herodias nämlich, Salome, tanzte am Geburtstag des Herodes während eines Gastmahls vor dem König und gefiel ihm so, daß er ihr jeden Wunsch zu erfüllen versprach. Sie aber erbat sich auf Anstiften der Mutter, daß ihr sogleich auf einer Schüssel das Haupt des Johannes gegeben werde. Nach Johannes' Tod lehrte Jesus auch weiter, daß Elia schon gekommen sei, das Nahen des Gottesreiches anzukündigen. 250

Lukas 1,5-25.57-80; 3,1-18; 1,39-55; Markus 1,4-8; Matthäus 3,1-12; Johannes 1,6-8.15.19-34; Markus 6,14-29; Matthäus 11,1-15; Markus 9,11-13. 1. Johannes der Täufer ist sicher eine historische Person gewesen. Die außerbiblischen Angaben über ihn legen diese Annahme nahe. Legendär ist jedenfalls die Geburtsgeschichte. Sie ist offensichtlich in Anlehnung an die Geburtsgeschichte des Propheten Samuel (siehe 8,1) konzipiert und hatte die Aufgabe, das Verhältnis zwischen ihm und Jesus festzulegen. Zu diesen legendären mythologischen Stoffen gehört auch die Taufgeschichte Jesu, die erst spät in das Jesusbild eingeflossen sein muß. Dadurch wird auch die Widersprüchlichkeit zwischen Matthäus 11, wo Johannes sich bei Jesus erkundigt, ob er der Verheißene sei, und Matthäus 3 verständlich, wo Johannes bei der Taufe Jesu diesen als Gottessohn erkennt. 2. Das jetzt erkennbare Verhältnis zwischen Jesus und Johannes wird durch den alttestamentlich begründeten theologischen Mythos beschrieben, wonach der Prophet Elia (siehe 8,2,7) kommen wird, bevor das Reich Gottes anbricht. Ursprünglich werden aber Jesus und Johannes gleichbedeutend gewesen sein. Beide waren Prediger eines anbrechenden Gottesreiches, die um sich zahlreiche Jünger scharten. Nach dem Tode des Johannes sind seine Jünger offenbar zu Jesus übergelaufen und haben ihre Erfahrungen mitgebracht. Jesus siegt über Johannes. 3. Durch die Entdeckung der Bibliothek der Gemeinschaft von Qumran unweit des Toten Meeres im Jahre 1947 ist der Hintergrund deutlicher geworden, auf dem Jesus und Johannes lehrten. Die Bibliothek gehörte zu einer essenisch-jüdischen Sekte, die sich vom Tempel in Jerusalem getrennt hatte und in diesem Kloster von ca. 130 v. u. Z. bis 68 u. Z. bestand. Sie lebten nach einer strengen Ordensregel in völliger Gütergemeinschaft und bemühten sich, ein kultfreies, aber streng gesetzliches und ethisch normiertes Gemeinschaftsleben zu führen. Sie erwarteten die baldige Ankunft des Messias und verstanden sich als die Söhne des Lichtes im Kampf gegen die Söhne der Finsternis, zu denen sie vorwiegend die Priesterschaft in Jerusalem zählten. Die apokryphe Literatur war in Qumran offensichtlich als heilige Literatur anerkannt, wie aus den gefundenen Texten hervorgeht. Es ist durchaus denkbar, daß Johannes diese Frömmigkeit gekannt hat. Ganz sicher teilt er die Taufpraxis und das Taufverständnis mit ihnen. Durch die Taufe wird der Mensch gereinigt und geheiligt für die Aufnahme in die Reihe der Söhne des Lichts. 4. Da Jesus offenbar nie getauft hat, integrierten die ersten Generationen nach seinem Tode mit den Johannesjüngern auch die Taufe in ihre Lehre. Die Taufe mit dem Heiligen Geist, die nach Johannes Jesus vorbehalten bleiben sollte, war für die Gemeinschaft von Qumran allerdings schon Bestandteil des göttlichen Gerichts und Kennzeichen des neuen Äon. Darum gehört auch der Schluß von Matthäus 28 mit dem Taufbefehl und die „Ausgießung des Heiligen Geistes" (Apostelgeschichte 2,1-13) zu den Bestandteilen des Mythos von Jesus als dem Gottessohn, der die Menschen schon in das neue Reich geführt hat. Deshalb wird dann die Wassertaufe mit der Geisttaufe kombiniert 251

Lukas 1,5-25.57-80; 3,1-18; 1,39-55; Markus 1,4-8; Matthäus 3,1-12;<br />

Johannes 1,6-8.15.19-34; Markus 6,14-29; Matthäus 11,1-15;<br />

Markus 9,11-13.<br />

1. Johannes der Täufer ist sicher eine historische Person gewesen. Die<br />

außerbiblischen Angaben über ihn legen <strong>die</strong>se Annahme nahe. Legendär ist<br />

jedenfalls <strong>die</strong> Geburtsgeschichte. Sie ist offensichtlich in Anlehnung an <strong>die</strong><br />

Geburtsgeschichte des Propheten Samuel (siehe 8,1) konzipiert <strong>und</strong> hatte <strong>die</strong><br />

Aufgabe, das Verhältnis zwischen ihm <strong>und</strong> Jesus festzulegen. Zu <strong>die</strong>sen<br />

legendären mythologischen Stoffen gehört auch <strong>die</strong> Taufgeschichte Jesu, <strong>die</strong><br />

erst spät in das Jesusbild eingeflossen sein muß. Dadurch wird auch <strong>die</strong><br />

Widersprüchlichkeit zwischen Matthäus 11, wo Johannes sich bei Jesus<br />

erk<strong>und</strong>igt, ob er der Verheißene sei, <strong>und</strong> Matthäus 3 verständlich, wo<br />

Johannes bei der Taufe Jesu <strong>die</strong>sen als <strong>Gott</strong>essohn erkennt.<br />

2. Das jetzt erkennbare Verhältnis zwischen Jesus <strong>und</strong> Johannes wird durch<br />

den alttestamentlich begründeten theologischen Mythos beschrieben, wonach<br />

der Prophet Elia (siehe 8,2,7) kommen wird, bevor das Reich <strong>Gott</strong>es anbricht.<br />

Ursprünglich werden aber Jesus <strong>und</strong> Johannes gleichbedeutend gewesen<br />

sein. Beide waren Prediger eines anbrechenden <strong>Gott</strong>esreiches, <strong>die</strong> um sich<br />

zahlreiche Jünger scharten. Nach dem Tode des Johannes sind seine Jünger<br />

offenbar zu Jesus übergelaufen <strong>und</strong> haben ihre Erfahrungen mitgebracht.<br />

Jesus siegt über Johannes.<br />

3. Durch <strong>die</strong> Entdeckung der Bibliothek der Gemeinschaft von Qumran<br />

unweit des Toten Meeres im Jahre 1947 ist der Hintergr<strong>und</strong> deutlicher<br />

geworden, auf dem Jesus <strong>und</strong> Johannes lehrten. Die Bibliothek gehörte zu<br />

einer essenisch-jüdischen Sekte, <strong>die</strong> sich vom Tempel in Jerusalem getrennt<br />

hatte <strong>und</strong> in <strong>die</strong>sem Kloster von ca. 130 v. u. Z. bis 68 u. Z. bestand. Sie<br />

lebten nach einer strengen Ordensregel in völliger Gütergemeinschaft <strong>und</strong><br />

bemühten sich, ein kultfreies, aber streng gesetzliches <strong>und</strong> ethisch normiertes<br />

Gemeinschaftsleben zu führen. Sie erwarteten <strong>die</strong> baldige Ankunft des<br />

Messias <strong>und</strong> verstanden sich als <strong>die</strong> Söhne des Lichtes im Kampf gegen <strong>die</strong><br />

Söhne der Finsternis, zu denen sie vorwiegend <strong>die</strong> Priesterschaft in Jerusalem<br />

zählten. Die apokryphe Literatur war in Qumran offensichtlich als heilige<br />

Literatur anerkannt, wie aus den gef<strong>und</strong>enen Texten hervorgeht. Es ist<br />

durchaus denkbar, daß Johannes <strong>die</strong>se Frömmigkeit gekannt hat. Ganz sicher<br />

teilt er <strong>die</strong> Taufpraxis <strong>und</strong> das Taufverständnis mit ihnen. Durch <strong>die</strong> Taufe wird<br />

der Mensch gereinigt <strong>und</strong> geheiligt für <strong>die</strong> Aufnahme in <strong>die</strong> Reihe der Söhne<br />

des Lichts.<br />

4. Da Jesus offenbar nie getauft hat, integrierten <strong>die</strong> ersten Generationen<br />

nach seinem Tode mit den Johannesjüngern auch <strong>die</strong> Taufe in ihre Lehre. Die<br />

Taufe mit dem Heiligen Geist, <strong>die</strong> nach Johannes Jesus vorbehalten bleiben<br />

sollte, war für <strong>die</strong> Gemeinschaft von Qumran allerdings schon Bestandteil des<br />

göttlichen Gerichts <strong>und</strong> Kennzeichen des neuen Äon. Darum gehört auch der<br />

Schluß von Matthäus 28 mit dem Taufbefehl <strong>und</strong> <strong>die</strong> „Ausgießung des<br />

Heiligen Geistes" (Apostelgeschichte 2,1-13) zu den Bestandteilen des Mythos<br />

von Jesus als dem <strong>Gott</strong>essohn, der <strong>die</strong> Menschen schon in das neue Reich<br />

geführt hat. Deshalb wird dann <strong>die</strong> Wassertaufe mit der Geisttaufe kombiniert<br />

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