Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

Todesurteil zu erwirken. Sie beschuldigten Jesus des Hochverrats, indem sie vor Pilatus angaben, Jesus habe gesagt, er sei der König der Juden. Pilatus ließ sich von dem einmütigen Willen des Volkes bestimmen, ihn zum Tode am Kreuz zu verurteilen. Vorher sollte er zur Peitschenstrafe geführt werden. Die Kriegsknechte trieben dabei ihren Spott mit ihm. Danach erst führten sie ihn auf den Richtplatz Golgatha. Mit ihm kreuzigten sie auch noch zwei Mörder. Als sein Verbrechen war auf der Tafel über seinem Kopf angegeben: Jesus aus Nazareth, der König der Juden. Als er am Kreuz hing, verspotteten ihn alle, die vorübergingen. Als er aber unter lautem Schrei verstarb, verfinsterte sich die Sonne, die Erde erbebte, und viele Tote stiegen aus ihren geborstenen Gräbern. Und der Tempelvorhang zerriß von oben bis unten in zwei Teile. Der römische Wachhauptmann aber, der alles mit angesehen hatte, sagte: Dieser Mensch ist sicher Gottes Sohn gewesen. Am Abend wurde Jesus dann in einem Felsengrab beigesetzt, das sich sein Anhänger Joseph von Arimathia hatte aushauen lassen. Das Grab wurde versiegelt und von römischen Soldaten bewacht. Als aber der Sabbat um war und die neue Woche anbrach, kamen Maria Magdalena, dazu Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome zum Grabe, um den Leichnam zu salben. Da war das Grab schon geöffnet und leer. Ein Engel des Herrn saß dort und sagte ihnen, sie sollten hingehen und den Jüngern sagen, Jesus sei von den Toten auferstanden und schon nach Galiläa vorausgegangen, dorthin sollten die Jünger ihm folgen. Die Frauen gingen sofort zu den Jüngern, aber niemand glaubte ihnen, bis Jesus selbst sich ihnen zeigte. Dann aber gingen sie alle nach Galiläa auf einen Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Dort beauftragte er sie, hinzugehen und alle Völker zu lehren und die zu taufen, die glauben würden. Nachdem er mit ihnen so geredet hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel und gesetzt zur rechten Hand Gottes. Die Jünger aber gingen hin und erzählten überall, Jesus sei für die Sünder in der Welt am Kreuz gestorben, er sei in die Welt gekommen, die Sünder selig zu machen. Bald werde er auf den Wolken des Himmels zum Endgericht wiederkommen wie ihn auch eine Wolke "weggenommen hat, als er noch einmal mit den Jüngern redete. Dann aber werde er einen neuen Himmel und eine neue Erde heraufführen. (Siehe auch 13.2; 13,3; 41.) Hebräer 1,1-2; Johannesevangelium 1,1-4; Philipper 2,6-11; Galater 4,4; 242

Matthäus 1,18-25; Lukas 2,1-10; Matthäus 2,1-23; Markus 1-16; Römer 5,8; I. Timotheus 1,15; Offenbarung 1,7; Apostelgeschichte 1,9. 1. Der biblische Christus ist nicht der historische Jesus, von dem die Forschung nach Albert Schweitzers „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung" weiß, daß sie sich ihm mit den vorhandenen Quellen nur annähern, nie aber ihn konkret erfassen kann. Die biblischen Christuszeugnisse sind Mythos. Der Mythos stellt das Leben, Sterben und Auferstehen eines Göttersohnes vor, dem die historische Person des Zimmermannssohnes Jesus aus Nazareth einige, wenn auch bedeutungsvolle, legendäre Züge geliehen hat. Auf Grund der biblischen und außerbiblischen Quellen können nur zwei Tatsachen als historisch gesichert gelten: Jesus wirkte als Prediger in Galiläa und starb am Galgenkreuz in Jerusalem. Das den ersten drei (sogenannten synoptischen) Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas) gemeinsame und für das Johannesevangelium besondere Schema der Reisen Jesu durch Palästina ist dichterischer Rahmen und Gerüst, um die zahllosen überlieferten Reden und Worte Jesu irgendwo im Geschichtlichen zu verankern. Es kann vermutet werden, daß die Angabe von Markus 3,32 über die Geschwister Jesu auch zu historischem Gut gehört. 2. Die vorstehende Skizze des Mythos von Jesus Christus, dem Messias, ist der Versuch, eine möglichst allgemeingültige Version des christlichen Grundmythos zu geben, der aber dann bei den einzelnen neutestamentlichen Schriftstellern Besonderheiten aufweist, die durch die sozialökonomische Herkunft und Bindung der Autoren bedingt sind, die zudem auch noch in verschiedenen Gebieten des römischen Reiches und zu verschiedenen Zeiten lebten. So ist z. B. das Markusevangelium sicher vor der Zerstörung Jerusalems in Jerusalem entstanden. Der Verfasser hat sicher deshalb die Hälfte seines Werkes mit dem Bericht über die Wirksamkeit Jesu in Jerusalem bestritten. Vielleicht war er ein Augenzeuge, wie man aus der Angabe in Kapitel 14,51-52 hat folgern wollen. Das Markusevangelium setzt jedenfalls noch keine weit entwickelte christliche Mythologie voraus. Seine theologische Sprödigkeit hat die Theologie dann so gedeutet, als wäre das theologische Programm des Markus die Darstellung des „Herrengeheimnisses", das darin liegen soll, daß Jesus sich nicht als Gottessohn offenbart. Hingegen ist das Matthäusevangelium sicher erst nach der Zerstörung Jerusalems entstanden. Es setzt eine selbstbewußte Gemeinde Jesu voraus, die sich mit dem Judentum auseinandersetzt. Jesus ist hier erwiesenermaßen der Davidsohn. Der Verfasser ist vermutlich in einer Bevölkerungsschicht beheimatet gewesen, die begütert war und das Heil in einer innerlichen Wandlung angesichts des nahenden eschatologischen Gerichtes sah. Diese Gruppe war nicht an einer weltweiten Missionierung interessiert, sondern an der Rettung der „verlorenen Schafe" aus dem Hause Israel. Ganz anders denkt der nichtjüdische Verfasser des Lukasevangeliums. Bei ihm sind die Drohworte gegen Juda und Jerusalem nicht mehr nur als prophetische Zornausbrüche zu verstehen, sondern auch als Vorwürfe für eine engherzige Beschränktheit. Lukas denkt römisch. Das Heil der Welt ist 243

Matthäus 1,18-25; Lukas 2,1-10; Matthäus 2,1-23; Markus 1-16; Römer 5,8;<br />

I. Timotheus 1,15; Offenbarung 1,7; Apostelgeschichte 1,9.<br />

1. Der biblische Christus ist nicht der historische Jesus, von dem <strong>die</strong><br />

Forschung nach Albert Schweitzers „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung"<br />

weiß, daß sie sich ihm mit den vorhandenen Quellen nur annähern, nie aber<br />

ihn konkret erfassen kann. Die biblischen Christuszeugnisse sind Mythos. Der<br />

Mythos stellt das Leben, Sterben <strong>und</strong> Auferstehen eines <strong>Götter</strong>sohnes vor,<br />

dem <strong>die</strong> historische Person des Zimmermannssohnes Jesus aus Nazareth<br />

einige, wenn auch bedeutungsvolle, legendäre Züge geliehen hat. Auf Gr<strong>und</strong><br />

der biblischen <strong>und</strong> außerbiblischen Quellen können nur zwei Tatsachen als<br />

historisch gesichert gelten: Jesus wirkte als Prediger in Galiläa <strong>und</strong> starb am<br />

Galgenkreuz in Jerusalem. Das den ersten drei (sogenannten synoptischen)<br />

Evangelien (Matthäus, Markus <strong>und</strong> Lukas) gemeinsame <strong>und</strong> für das<br />

Johannesevangelium besondere Schema der Reisen Jesu durch Palästina ist<br />

dichterischer Rahmen <strong>und</strong> Gerüst, um <strong>die</strong> zahllosen überlieferten Reden <strong>und</strong><br />

Worte Jesu irgendwo im Geschichtlichen zu verankern. Es kann vermutet<br />

werden, daß <strong>die</strong> Angabe von Markus 3,32 über <strong>die</strong> Geschwister Jesu auch zu<br />

historischem Gut gehört.<br />

2. Die vorstehende Skizze des Mythos von Jesus Christus, dem Messias, ist<br />

der Versuch, eine möglichst allgemeingültige Version des christlichen<br />

Gr<strong>und</strong>mythos zu geben, der aber dann bei den einzelnen neutestamentlichen<br />

Schriftstellern Besonderheiten aufweist, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> sozialökonomische<br />

Herkunft <strong>und</strong> Bindung der Autoren bedingt sind, <strong>die</strong> zudem auch noch in<br />

verschiedenen Gebieten des römischen Reiches <strong>und</strong> zu verschiedenen Zeiten<br />

lebten.<br />

So ist z. B. das Markusevangelium sicher vor der Zerstörung Jerusalems in<br />

Jerusalem entstanden. Der Verfasser hat sicher deshalb <strong>die</strong> Hälfte seines<br />

Werkes mit dem Bericht über <strong>die</strong> Wirksamkeit Jesu in Jerusalem bestritten.<br />

Vielleicht war er ein Augenzeuge, wie man aus der Angabe in Kapitel 14,51-52<br />

hat folgern wollen. Das Markusevangelium setzt jedenfalls noch keine weit<br />

entwickelte christliche <strong>Mythologie</strong> voraus. Seine theologische Sprödigkeit hat<br />

<strong>die</strong> Theologie dann so gedeutet, als wäre das theologische Programm des<br />

Markus <strong>die</strong> Darstellung des „Herrengeheimnisses", das darin liegen soll, daß<br />

Jesus sich nicht als <strong>Gott</strong>essohn offenbart.<br />

Hingegen ist das Matthäusevangelium sicher erst nach der Zerstörung<br />

Jerusalems entstanden. Es setzt eine selbstbewußte Gemeinde Jesu voraus,<br />

<strong>die</strong> sich mit dem Judentum auseinandersetzt. Jesus ist hier erwiesenermaßen<br />

der Davidsohn. Der Verfasser ist vermutlich in einer Bevölkerungsschicht<br />

beheimatet gewesen, <strong>die</strong> begütert war <strong>und</strong> das Heil in einer innerlichen<br />

Wandlung angesichts des nahenden eschatologischen Gerichtes sah. Diese<br />

Gruppe war nicht an einer weltweiten Missionierung interessiert, sondern an<br />

der Rettung der „verlorenen Schafe" aus dem Hause Israel.<br />

Ganz anders denkt der nichtjüdische Verfasser des Lukasevangeliums. Bei<br />

ihm sind <strong>die</strong> Drohworte gegen Juda <strong>und</strong> Jerusalem nicht mehr nur als<br />

prophetische Zornausbrüche zu verstehen, sondern auch als Vorwürfe für eine<br />

engherzige Beschränktheit. Lukas denkt römisch. Das Heil der Welt ist<br />

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