Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie
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den Jerusalemer Kult zu hellenisieren. Antiochus gehörte zu den Seleukiden,<br />
den Nachfolgern des Seleukos auf dem Thron des Teilreiches Syrien, das aus<br />
dem Erbe von Alexanders Großreich neben dem ptolemäischen Ägypten <strong>die</strong><br />
geschichtliche Bewegung in den letzten Jahrh<strong>und</strong>erten v. u. Z. im Vorderen<br />
Orient vorantrieb. Er verbot bei Todesstrafe <strong>die</strong> Feier des Sabbats, der<br />
Beschneidung <strong>und</strong> den Besitz des Torahbuches, d. h. der fünf Bücher Mose,<br />
<strong>und</strong> errichtete im Dezember des Jahres 168 v. u. Z. auf dem Tempelplatz in<br />
Jerusalem einen Altar für den Zeus Olympikos, dem er auch den Tempel<br />
widmete. Die Zeit <strong>die</strong>ser Unterdrückung hat der Verfasser gekannt. In der<br />
Person des frevlerischen Königs Belsazar ist darum <strong>die</strong> Schilderung des<br />
Antiochus IV. zu sehen.<br />
4. Die für den <strong>Gott</strong> Daniels <strong>und</strong> seiner Gefährten <strong>und</strong> in den Nachtgesichten<br />
Daniels verwandten Begriffe lassen kaum Analogien zu älteren biblischen<br />
<strong>Gott</strong>esepitheta zu. Der „höchste <strong>Gott</strong>", <strong>Gott</strong> des Himmels, Hochbetagter, <strong>Gott</strong><br />
der <strong>Götter</strong>, Ewiglebender sind Epitheta, <strong>die</strong> eher an persische<br />
Königstitulaturen erinnern als an biblische <strong>Götter</strong>. Der in Begriffen der<br />
Jahwelehre gehaltene Abschnitt Kapitel 9,1-20 ist wesentlich jünger als das<br />
übrige Buch <strong>und</strong> ist (ähnlich wie andere, aber nicht in den Kanon<br />
aufgenommene Erweiterungen, <strong>die</strong> das Danielbuch in der griechischen<br />
Übersetzung, der Septuaginta, enthält) der sichtbarste Hinweis darauf, daß ein<br />
Jerusalemer Priester versucht hat, das sonst so jahwefremde Buch dem<br />
Gesamtkanon anzugleichen. Zu den Erweiterungen in der griechischen<br />
Übersetzung gehören <strong>die</strong> Geschichte von Susanna im Bade, dem Baal zu<br />
Babylon, dem Drachen von Babylon, das Gebet Asarjas <strong>und</strong> der Gesang der<br />
drei Männer im Feuerofen. Diese derb <strong>und</strong> drastisch antibabylonisch<br />
artikulierten Motive sind dem hebräisch-aramäischen Buche fremd, das eine<br />
wesentlich feinere Polemik gegen Babylon treibt. Der Hinweis auf <strong>die</strong> Bitte<br />
Daniels, ihm <strong>und</strong> seinen Gefährten aus kultischen Gründen zu erlauben, sich<br />
vegetarisch zu ernähren (Daniel l,8-16), mag zudem <strong>die</strong> Vermutung erhärten,<br />
daß der Verfasser vielleicht aus der persischen Religiosität hervorgegangen<br />
ist, da ja <strong>die</strong> Anhänger Zarathustras sehr auf <strong>die</strong> Reinerhaltung ihrer Seele<br />
<strong>und</strong> ihres Leibes bedacht waren <strong>und</strong> <strong>die</strong> vegetarische Ernährung bevorzugten.<br />
Der Umstand würde auch <strong>die</strong> <strong>Gott</strong>esbegriffe leicht erklären.<br />
5. Die Lehre von den sich ablösenden Weltreichen <strong>und</strong> dem zukünftigen<br />
Reiche des Heils <strong>und</strong> Glückes, das Menschengestalt hat, nicht tierförmig ist<br />
wie <strong>die</strong> vorangegangenen, ist typologisch von der alttestamentlichen Prophetie<br />
zu unterscheiden, <strong>die</strong> eine solche Zeitalterlehre nicht kennt. Sie stammt aus<br />
der persischen Tradition. Das Danielbuch ist eschatologisch motiviert. Es<br />
rechnet mit dem Kommen einer letzten Zeit, einer Nach-Zeit, <strong>die</strong> es aber nicht<br />
mehr konkret beschreiben kann, sondern deren Nahen durch Bilderreden<br />
angedeutet wird.<br />
Diese Bilderreden von der letzten Zeit werden Apokalypsen genannt. Das<br />
Buch Daniel ist einer der frühesten Zeugen für das Eindringen <strong>die</strong>ses<br />
religionsgeschichtlichen Topos in <strong>die</strong> biblische Religiosität. Die Lösung der<br />
geschichtlich wahrnehmbaren Krisen in Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft wird auf<br />
eine Nach-Zeit vertagt, sie wird transzen<strong>die</strong>rt. Die kleinen theokratischen<br />
Königtümer mit ihrer patriarchalischen Sozialstruktur zerbrachen. Im Gefolge<br />
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