Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

sich bald allerseits beliebt gemacht. Im siebenten Jahre des Königs wurde die Hochzeit und Krönung gefeiert. Mardochai gelang es bald darauf, eine Verschwörung gegen den König aufzudecken und sie der Esther anzuzeigen. So konnte sie Ahasveros das Leben und den Thron retten. Die beiden Kämmerer, die den Aufstand geplant hatten, wurden gehenkt. An ihrer Stelle ernannte der König den Agagiter Haman zum Oberkämmerer, der damit Anspruch auf fußfällige Verehrung hatte. Nur Mardochai beugte seine Knie nicht vor ihm, weil er Jude war. Darüber geriet Haman in Zorn und beschloß, alle Juden im Lande ausrotten zu lassen. Er erlangte die Zustimmung des Königs, weil er ihm gesagt hatte, daß er das Vermögen dieses Volkes für die Krone einziehen werde. Das große Blutbad sollte im ganzen Reich an einem Tage, am 13. Adar, geschehen. Eilboten brachten den Befehl sofort in alle Provinzen. Als Mardochai das hörte, bewegte er Esther, sich für die Juden beim König einzusetzen, und Esther lud darauf für den nächsten Abend den König mit Haman zu einem Gastmahl ein, auf dem der König alle ihre Bitten erfüllen wollte. Haman hatte nun auf den Rat seiner Frau hin geplant, Mardochai noch vor dem 13. Adar umzubringen. Zu diesem Zwecke ließ er schon einen großen Galgen errichten. Da wurde er in der Frühe des nächsten Tages zum König gerufen; der hatte die Nacht nicht schlafen können und sich deshalb aus der Chronik der Könige von Medien und Persien vorlesen lassen; dabei war er wieder an Mardochais Hilfe bei der Entdeckung jener Verschwörung erinnert worden und hatte nun beschlossen, Mardochai deswegen zu ehren. Er fragte den Haman, wie man einen verdienstvollen Mann ehren könne. Haman, der glaubte, er sei gemeint, schlug vor, den Mann auf des Königs Roß in königlichem Gewande durch die Stadt führen zu lassen. Da befahl der König ihm, den Mardochai so zu ehren. Noch am selben Abend wurde Haman dann bei dem Gastmahl zum Tode am Galgen verurteilt, als der König durch Esther erfuhr, was Haman mit Mardochai vorhatte, und auch noch sehen mußte, wie Haman in unziemlicher Form bei Esther um sein Leben bat. Mardochai wurde über das Haus Hamans gesetzt und trug den Siegelring des Königs wie vor ihm Haman. Um nun das Unheil von den Juden abzuwenden, ließ der König einen neuen Befehl im Reiche verbreiten, der den Juden erlaubte, am 13. Adar sich gegen ihre Feinde zu verteidigen und alle Gegner, einschließlich der Frauen und Kinder, zu töten. Daraufhin wurden viele vor Angst auch Juden. Und so rechneten an jenem Tage die 224

Juden grausam mit ihren Gegnern ab. Die königliche Verwaltung unterstützte dabei die Juden. In Susa durften sie auch am 14. Adar ihre Feinde morden. Deren Eigentum jedoch rührten sie nicht an. Am 14. und 15. Adar feierten sie auf Vorschlag Mardochais das Purimfest, zum Zeichen des Sieges über ihre Feinde. Die Königin Esther machte diese Vorschrift Mardochais zum bleibenden Gesetz. Und Mardochai, Ahasveros und Esther standen in hohem Ansehen bei den Juden und allen Einwohnern des Landes. Esther 1,1-9,19; 10,1-3. 1. Das Buch Esther ist eine Legende. Die Angabe der Namen des persischen Königs Ahasveros, in der griechischen Übersetzung Artaxerxes, ist sowenig historisch wie Mardochai, Haman oder Esther und Vasti. Das Buch der persischen Königschronik ist eine Erfindung. In keiner persischen Chronik tauchen diese Namen auf. Denkbar ist allerdings, daß ein König die Gelegenheit nicht versäumt hat, durch einen Pogrom seine Kassen aufzufüllen, und daß es ihm gleichgültig gewesen ist, wer umgebracht werden sollte. Diese Erfahrung ist gemeinorientalisch. 2. Schauerlich ist die Erzählung als Kultlegende für das Purimfest, das im Judentum heute noch gefeiert wird. Historisch glaubwürdig ist sie nicht. Ein hebräisches Wort „Pur" in einer Bedeutung von „Los", „Orakel", wie im Buch Esther angegeben, gibt es nicht. Der Ursprung von Fest und Name liegt nach wie vor im Dunkel. Es besteht nur die Möglichkeit, eine Kombination der Geschichte von dem jüdischen Feldherrn Nikanor mit der Mardochaigeschichte anzunehmen, die durch die beieinanderliegenden Gedenktage im Kalender zustande kam. Es kann sein, daß dieses Fest in einer Gruppe des Judentums verankert war und von diesen mit in den biblischen Kanon eingebracht wurde, obwohl in der ganzen Erzählung der Name oder Begriff Gottes fehlt. Die Aufnahme in den Kanon ist also nur über den kultischen Festkalender möglich geworden, zu dessen Erklärung von einem Redaktor des 1. Jahrhunderts v. u. Z. vermutlich der Einschub zur Stiftung des Purimfestes, Kapitel 9,20-32, gemacht wurde. 3. Das Buch selber ist vermutlich in der vorliegenden Form im ersten Drittel des 1. Jahrhunderts v. u. Z. entstanden. Der Verfasser hat sicher keine klare Vorstellung mehr vom Perserreich haben können und auch sicher nicht mehr gewußt, daß in der Legende, die er verwandt hat, ein alter Mythos verborgen war. Der Mythos handelte von dem Kampf zwischen dem babylonischen Gott Marduk (das ist hier der Jude Mardochai) und dem elamitischen Gott Humman (der Kämmerer Haman), in dem Marduk siegte, wie auch die babylonische Göttin Istar (das ist Esther) die elamitische Göttin Waschti (die Königin Vasti) verdrängte, während der König Ahasveros Symbol für das von Marduk umworbene Land Babylon-Assur-Medien gewesen sein muß. Aus diesem Mythos hat der Erzähler durch die Beifügung zeitgenössischen Kolorits, wie etwa die genaue Beschreibung der Brautzeremonie, der Ausfertigung der königlichen Befehle und der Hofetikette zeigen, eine historische Erzählung gemacht. Wenn der Dichter die Zugehörigkeit Esthers 225

Juden grausam mit ihren Gegnern ab. Die königliche Verwaltung<br />

unterstützte dabei <strong>die</strong> Juden. In Susa durften sie auch am 14. Adar<br />

ihre Feinde morden. Deren Eigentum jedoch rührten sie nicht an.<br />

Am 14. <strong>und</strong> 15. Adar feierten sie auf Vorschlag Mardochais das<br />

Purimfest, zum Zeichen des Sieges über ihre Feinde. Die Königin<br />

Esther machte <strong>die</strong>se Vorschrift Mardochais zum bleibenden Gesetz.<br />

Und Mardochai, Ahasveros <strong>und</strong> Esther standen in hohem Ansehen<br />

bei den Juden <strong>und</strong> allen Einwohnern des Landes.<br />

Esther 1,1-9,19; 10,1-3.<br />

1. Das Buch Esther ist eine Legende. Die Angabe der Namen des<br />

persischen Königs Ahasveros, in der griechischen Übersetzung Artaxerxes, ist<br />

sowenig historisch wie Mardochai, Haman oder Esther <strong>und</strong> Vasti. Das Buch<br />

der persischen Königschronik ist eine Erfindung. In keiner persischen Chronik<br />

tauchen <strong>die</strong>se Namen auf. Denkbar ist allerdings, daß ein König <strong>die</strong><br />

Gelegenheit nicht versäumt hat, durch einen Pogrom seine Kassen<br />

aufzufüllen, <strong>und</strong> daß es ihm gleichgültig gewesen ist, wer umgebracht werden<br />

sollte. Diese Erfahrung ist gemeinorientalisch.<br />

2. Schauerlich ist <strong>die</strong> Erzählung als Kultlegende für das Purimfest, das im<br />

Judentum heute noch gefeiert wird. Historisch glaubwürdig ist sie nicht. Ein<br />

hebräisches Wort „Pur" in einer Bedeutung von „Los", „Orakel", wie im Buch<br />

Esther angegeben, gibt es nicht. Der Ursprung von Fest <strong>und</strong> Name liegt nach<br />

wie vor im Dunkel. Es besteht nur <strong>die</strong> Möglichkeit, eine Kombination der<br />

Geschichte von dem jüdischen Feldherrn Nikanor mit der<br />

Mardochaigeschichte anzunehmen, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> beieinanderliegenden<br />

Gedenktage im Kalender zustande kam. Es kann sein, daß <strong>die</strong>ses Fest in<br />

einer Gruppe des Judentums verankert war <strong>und</strong> von <strong>die</strong>sen mit in den<br />

biblischen Kanon eingebracht wurde, obwohl in der ganzen Erzählung der<br />

Name oder Begriff <strong>Gott</strong>es fehlt. Die Aufnahme in den Kanon ist also nur über<br />

den kultischen Festkalender möglich geworden, zu dessen Erklärung von<br />

einem Redaktor des 1. Jahrh<strong>und</strong>erts v. u. Z. vermutlich der Einschub zur<br />

Stiftung des Purimfestes, Kapitel 9,20-32, gemacht wurde.<br />

3. Das Buch selber ist vermutlich in der vorliegenden Form im ersten Drittel<br />

des 1. Jahrh<strong>und</strong>erts v. u. Z. entstanden. Der Verfasser hat sicher keine klare<br />

Vorstellung mehr vom Perserreich haben können <strong>und</strong> auch sicher nicht mehr<br />

gewußt, daß in der Legende, <strong>die</strong> er verwandt hat, ein alter Mythos verborgen<br />

war. Der Mythos handelte von dem Kampf zwischen dem babylonischen <strong>Gott</strong><br />

Marduk (das ist hier der Jude Mardochai) <strong>und</strong> dem elamitischen <strong>Gott</strong> Humman<br />

(der Kämmerer Haman), in dem Marduk siegte, wie auch <strong>die</strong> babylonische<br />

Göttin Istar (das ist Esther) <strong>die</strong> elamitische Göttin Waschti (<strong>die</strong> Königin Vasti)<br />

verdrängte, während der König Ahasveros Symbol für das von Marduk<br />

umworbene Land Babylon-Assur-Me<strong>die</strong>n gewesen sein muß.<br />

Aus <strong>die</strong>sem Mythos hat der Erzähler durch <strong>die</strong> Beifügung zeitgenössischen<br />

Kolorits, wie etwa <strong>die</strong> genaue Beschreibung der Brautzeremonie, der<br />

Ausfertigung der königlichen Befehle <strong>und</strong> der Hofetikette zeigen, eine<br />

historische Erzählung gemacht. Wenn der Dichter <strong>die</strong> Zugehörigkeit Esthers<br />

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