Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie
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allerdings, daß der Dichter auf eine Sagengestalt aus jenem Gebiet<br />
zurückgreift, denn er siedelt im Kapitel 1,1 Hiob im Land Us an: Nach der<br />
priesterlichen Überlieferung gehört Us zu Aram, Sohn des Noahsohnes Sem<br />
(I. Mose 10,21-23), während <strong>die</strong> jahwistische Überlieferung weiß, daß Us ein<br />
Sohn Nahors, des Bruders von Abraham, war (I. Mose 22,21), der als<br />
Stammvater der Aramäer gilt. Es ist darum wahrscheinlich, daß der Stoff aus<br />
ostjordanischem Gebiet stammt <strong>und</strong> mit dem Vordringen der Edomiter in das<br />
durch Nebukadnezar von Judäern entvölkerte Gebiet <strong>und</strong> in <strong>die</strong> Sagenwelt<br />
Judas eingedrungen ist.<br />
3. Der Text des vorliegenden Buches trägt durchgängig <strong>die</strong> Handschrift eines<br />
Dichters, abgesehen von den Kapiteln 32-37 <strong>und</strong> einigen kleineren Passagen,<br />
wozu auch das Kapitel 28 zu zählen ist, das als Kapitel über <strong>die</strong> Weisheit - nur<br />
Jahwe weiß den Weg zu ihr - an <strong>die</strong>ser Stelle <strong>die</strong> Handlung stört, ebenso wie<br />
<strong>die</strong> Reden Elihus, Kapitel 32-37, der ganz unvorbereitet in der Erzählung<br />
auftritt, vier Reden hält, wobei er Hiob nicht zu Worte kommen läßt, <strong>und</strong><br />
ebenso spurlos wieder verschwindet. Seine Reden haben das Ziel, Hiobs<br />
Anklagen gegen Jahwe zurückzuweisen. Elihu lehrt, daß Jahwe Leid schicke,<br />
um <strong>die</strong> Menschen zu prüfen, zu erziehen. Er sei nicht ungerecht, denn als der<br />
oberste Regent der Welt ist er <strong>die</strong> Gerechtigkeit selbst. Da der Leser <strong>die</strong><br />
Rahmenhandlung kennt <strong>und</strong> weiß, wie Hiob in <strong>die</strong> mißliche Lage gekommen<br />
ist, erweisen sich <strong>die</strong> Reden Elihus als ein Versuch, <strong>die</strong> von Hiob angetastete<br />
Ehre Jahwes zu retten. Sie sind offensichtlich <strong>die</strong> gelehrte Abhandlung eines<br />
sprachgewaltigen Priesters, der sich <strong>die</strong> Aufgabe gestellt hat, das<br />
aufrührerische Element im Buche Hiob zu neutralisieren.<br />
4. Das Hauptproblem des Buches ist nämlich <strong>die</strong> Auseinandersetzung des<br />
gerechten Menschen mit seinem ungerechten Herrn oder <strong>Gott</strong>. Die Personen<br />
Herr, Jahwe, Satan sind <strong>die</strong> tra<strong>die</strong>rten Namen für <strong>die</strong> in der Welt des Erzählers<br />
im 4. Jahrh<strong>und</strong>ert v. u. Z. vorfindlichen Situationen, daß Könige <strong>und</strong> Despoten<br />
<strong>und</strong> deren Statthalter in Ausübung ihres Rechtes andere Menschen ihrer<br />
Rechte, Besitztümer, Ehre, Kinder <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit berauben. So wie in einer<br />
Spiellaune der Großkönig dem Statthalter konze<strong>die</strong>rt, eine getreue Provinz<br />
auszubeuten, so konze<strong>die</strong>rt Jahwe dem Satan, seine Behauptung zu<br />
beweisen. Der gerechte Großkönig, der sonst unsichtbar <strong>und</strong> seinen<br />
Untertanen nur vom Hörensagen bekannt ist, erscheint dann allerdings zum<br />
Ende <strong>und</strong> richtet alles wieder auf, was sein Statthalter zerstört hat. Aber <strong>die</strong><br />
eigentliche Bedeutung des Epos liegt darin, daß Hiob <strong>die</strong> Auffassung, daß der<br />
unter Ungerechtigkeiten leidende Mensch den Glauben an seine Unschuld<br />
nicht verlieren, sondern vielmehr an <strong>die</strong> Wiederherstellung von Unschuld <strong>und</strong><br />
gutem Ruf glauben soll, nicht von vornherein hat, sondern sie sich erst erwirbt.<br />
Die Hiobsnovelle, <strong>die</strong> dem Dichter vorlag, hat sicher so ausgesehen, daß<br />
Jahwe den Hiob reichlich für seine Glaubenstreue belohnt. Nachdem Hiob<br />
bekannt hat, daß er den Namen des Jahwe-Königs auch dann loben wird,<br />
wenn Jahwe ihm alles genommen hat, kann <strong>die</strong>ser ihm alles doppelt<br />
zurückgeben. Der Unterschied des Hiobbuches zu der Novelle liegt darin, daß<br />
der Dichter an Hiob durch <strong>die</strong> Auseinandersetzung mit seinen Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />
mit Jahwe selbst den Prozeß darstellt, wie der Mensch seine Differenzen mit<br />
der ihn beherrschenden Macht austrägt. Das einfache <strong>und</strong> landläufige Schema<br />
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