Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie
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1. Die geschichtlichen Überlieferungen aus den Tempelbauberichten sind<br />
glaubwürdig. Der Tempel Jerusalems ist vergleichbar mit denen von Tyrus <strong>und</strong><br />
Sidon, den phönizischen Metropolen Vorderasiens, <strong>die</strong> vom Typ her den<br />
ägyptischen Tempelanlagen ähnlicher sind als den assyrischen oder<br />
babylonischen. Die Überlieferung ist an Jerusalem <strong>und</strong> seine Priesterschaft<br />
geb<strong>und</strong>en. Wenn der Tempel dennoch in der prophetischen Literatur<br />
hervortritt, dann ist es sicher, daß <strong>die</strong> Propheten aus den priesterlichen<br />
Kreisen Judas kommen.<br />
2. Die detaillierte Beschreibung des Tempels <strong>und</strong> des Palastes in Jerusalem<br />
einschließlich des Inventars, auch <strong>die</strong> Darstellung der merkantilen<br />
Gepflogenheiten Salomos (siehe 9,4) geben ziemlich zutreffend das Bild eines<br />
vorderorientalischen theokratischen Königtums wieder <strong>und</strong> zeigen, wie eng <strong>die</strong><br />
Kultur der Königreiche miteinander verschmolzen ist. Dieselben Künstler <strong>und</strong><br />
Handwerker arbeiten in Tyrus wie in Sidon wie in Jerusalem. Sie bringen ihre<br />
Formen <strong>und</strong> Bildelemente mit. Rinder, Löwen, Cheruben, Lämmer <strong>und</strong><br />
Fruchtmotive dringen zwanglos in das Motivarsenal der israelitischen Kunst<br />
ein. Keiner der Erzähler verdächtigt Salomo deshalb der Abgötterei, denn<br />
Jahwe selber hat <strong>die</strong>ses prächtige Haus angenommen. Von dessen<br />
Größenordnung kann man sich leicht ein Bild machen, wenn man bedenkt,<br />
daß eine Elle etwa 45 cm beträgt.<br />
Das Bilderverbot ist hier nicht angewendet worden. Dem Erzähler geht es<br />
zudem sicher darum, nachzuweisen, daß es viele andere Bilder im Tempel<br />
gegeben hat, aber kein Jahwebild. Die religionsgeschichtliche Entwicklung von<br />
dem Stiergott Jahwe zu dem gestaltlosen Jahwe ist dem Erzähler offenbar<br />
nicht bewußt gewesen.<br />
Das Opferzeremonial, das sehr genau im II. <strong>und</strong> III. Buch Mose festgelegt ist,<br />
entspricht etwa den auch sonst im Alten Orient üblich gewesenen Opfern.<br />
3. Von den Tempeln ist nichts mehr erhalten geblieben, abgesehen von dem<br />
Tempelplatz des Herodes (20 v. u. Z.): Der heilige Felsen unter dem<br />
Felsendom, der islamischen Moschee Rubbet es sachra auf dem Tempelplatz,<br />
wird vermutlich der Mittelpunkt des Tempelbaues gewesen sein. Nach der<br />
<strong>Mythologie</strong> des Islam soll der Prophet Muhammad an <strong>die</strong>ser Stelle zum<br />
Himmel aufgefahren sein. Kalif Abd-al-Malik (637-691) errichtete den<br />
Felsendom zu Ehren der Himmelfahrt Muhammads.<br />
4. Der Tempelplatz ist nur für <strong>die</strong> jüdische <strong>und</strong> islamische <strong>Mythologie</strong> von<br />
Bedeutung. Die christliche <strong>Mythologie</strong> ist mehr an der übrigen Stadt Jerusalem<br />
interessiert, in der wesentliche Begebenheiten der christlichen <strong>Mythologie</strong><br />
angesiedelt wurden. Bei ihr rückt der Tempel in der eschatologischen<br />
Erwartung aus dem Mittelpunkt des Interesses, an seine Stelle tritt das Bild<br />
<strong>Gott</strong>es oder das Bild des frommen Volkes selber, wenn etwa I. Korinther 3,16-<br />
17 <strong>die</strong> Christen als <strong>Gott</strong>es Tempel bezeichnet werden.<br />
5. Einmalig in der Religionsgeschichte ist <strong>die</strong> Bindung Jahwes durch <strong>die</strong><br />
Jerusalemer Priesterschaft an ein Tempelhaus <strong>und</strong> <strong>die</strong> ethisch-moralische<br />
Gesetzgebung, <strong>die</strong> der Erzähler als zusammengehörig ansieht (siehe 6,5).<br />
Während sonst in der Antike <strong>die</strong> <strong>Götter</strong> mehrere Häuser besitzen, legt Jahwe<br />
Wert darauf, für alle Zeit nur ein Haus zu haben, in Jerusalem, wohin Jahwe<br />
immer wieder zurückkehrt, auch wenn er es zeitweilig verlassen hat <strong>und</strong> sein<br />
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