30.12.2012 Aufrufe

Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

1. Die geschichtlichen Überlieferungen aus den Tempelbauberichten sind<br />

glaubwürdig. Der Tempel Jerusalems ist vergleichbar mit denen von Tyrus <strong>und</strong><br />

Sidon, den phönizischen Metropolen Vorderasiens, <strong>die</strong> vom Typ her den<br />

ägyptischen Tempelanlagen ähnlicher sind als den assyrischen oder<br />

babylonischen. Die Überlieferung ist an Jerusalem <strong>und</strong> seine Priesterschaft<br />

geb<strong>und</strong>en. Wenn der Tempel dennoch in der prophetischen Literatur<br />

hervortritt, dann ist es sicher, daß <strong>die</strong> Propheten aus den priesterlichen<br />

Kreisen Judas kommen.<br />

2. Die detaillierte Beschreibung des Tempels <strong>und</strong> des Palastes in Jerusalem<br />

einschließlich des Inventars, auch <strong>die</strong> Darstellung der merkantilen<br />

Gepflogenheiten Salomos (siehe 9,4) geben ziemlich zutreffend das Bild eines<br />

vorderorientalischen theokratischen Königtums wieder <strong>und</strong> zeigen, wie eng <strong>die</strong><br />

Kultur der Königreiche miteinander verschmolzen ist. Dieselben Künstler <strong>und</strong><br />

Handwerker arbeiten in Tyrus wie in Sidon wie in Jerusalem. Sie bringen ihre<br />

Formen <strong>und</strong> Bildelemente mit. Rinder, Löwen, Cheruben, Lämmer <strong>und</strong><br />

Fruchtmotive dringen zwanglos in das Motivarsenal der israelitischen Kunst<br />

ein. Keiner der Erzähler verdächtigt Salomo deshalb der Abgötterei, denn<br />

Jahwe selber hat <strong>die</strong>ses prächtige Haus angenommen. Von dessen<br />

Größenordnung kann man sich leicht ein Bild machen, wenn man bedenkt,<br />

daß eine Elle etwa 45 cm beträgt.<br />

Das Bilderverbot ist hier nicht angewendet worden. Dem Erzähler geht es<br />

zudem sicher darum, nachzuweisen, daß es viele andere Bilder im Tempel<br />

gegeben hat, aber kein Jahwebild. Die religionsgeschichtliche Entwicklung von<br />

dem Stiergott Jahwe zu dem gestaltlosen Jahwe ist dem Erzähler offenbar<br />

nicht bewußt gewesen.<br />

Das Opferzeremonial, das sehr genau im II. <strong>und</strong> III. Buch Mose festgelegt ist,<br />

entspricht etwa den auch sonst im Alten Orient üblich gewesenen Opfern.<br />

3. Von den Tempeln ist nichts mehr erhalten geblieben, abgesehen von dem<br />

Tempelplatz des Herodes (20 v. u. Z.): Der heilige Felsen unter dem<br />

Felsendom, der islamischen Moschee Rubbet es sachra auf dem Tempelplatz,<br />

wird vermutlich der Mittelpunkt des Tempelbaues gewesen sein. Nach der<br />

<strong>Mythologie</strong> des Islam soll der Prophet Muhammad an <strong>die</strong>ser Stelle zum<br />

Himmel aufgefahren sein. Kalif Abd-al-Malik (637-691) errichtete den<br />

Felsendom zu Ehren der Himmelfahrt Muhammads.<br />

4. Der Tempelplatz ist nur für <strong>die</strong> jüdische <strong>und</strong> islamische <strong>Mythologie</strong> von<br />

Bedeutung. Die christliche <strong>Mythologie</strong> ist mehr an der übrigen Stadt Jerusalem<br />

interessiert, in der wesentliche Begebenheiten der christlichen <strong>Mythologie</strong><br />

angesiedelt wurden. Bei ihr rückt der Tempel in der eschatologischen<br />

Erwartung aus dem Mittelpunkt des Interesses, an seine Stelle tritt das Bild<br />

<strong>Gott</strong>es oder das Bild des frommen Volkes selber, wenn etwa I. Korinther 3,16-<br />

17 <strong>die</strong> Christen als <strong>Gott</strong>es Tempel bezeichnet werden.<br />

5. Einmalig in der Religionsgeschichte ist <strong>die</strong> Bindung Jahwes durch <strong>die</strong><br />

Jerusalemer Priesterschaft an ein Tempelhaus <strong>und</strong> <strong>die</strong> ethisch-moralische<br />

Gesetzgebung, <strong>die</strong> der Erzähler als zusammengehörig ansieht (siehe 6,5).<br />

Während sonst in der Antike <strong>die</strong> <strong>Götter</strong> mehrere Häuser besitzen, legt Jahwe<br />

Wert darauf, für alle Zeit nur ein Haus zu haben, in Jerusalem, wohin Jahwe<br />

immer wieder zurückkehrt, auch wenn er es zeitweilig verlassen hat <strong>und</strong> sein<br />

218

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!