Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie
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37,35; Ezechiel 16; 34; Micha 4,1-3; Offenbarung 21,2-10.<br />
1. Jerusalem (d. i. „Stadt des Friedens") ist heute noch der heilige Ort für<br />
Juden, Christen <strong>und</strong> auch für Muslime, <strong>die</strong> den Ort el Quds, „<strong>die</strong> Heilige",<br />
nennen; gemeint ist dabei <strong>die</strong> ganze Stadt. Diese Bedeutung ist Jerusalem<br />
durch seine Geschichte zugewachsen. Die Stadt Davids <strong>und</strong> <strong>die</strong> Residenz der<br />
Könige von Juda wird stärker noch als das Staatsvolk Juda zum Symbol <strong>und</strong><br />
zur Chiffre für das <strong>Gott</strong>esvolk Jahwes, Elohims <strong>und</strong> Allahs, nachdem Jahwe<br />
den Tempel Salomos als seine Wohnstatt angenommen hat. Der persische<br />
Titel für <strong>Gott</strong> als „Herrn des Himmels" tritt seit II. Chronik 36,23 <strong>und</strong> Esra 1,2 u.<br />
ö. im biblischen Sprachgebrauch auf. In <strong>die</strong>ser Übernahme wird eine der<br />
Assimilationsformen des antiken Judentums sichtbar. Diese Praxis teilte es mit<br />
den orientalischen Völkern, <strong>die</strong> öfter den höchsten <strong>Gott</strong> des Siegers mit ihrem<br />
eigenen höchsten <strong>Gott</strong> identifizierten.<br />
2. Die historischen Angaben der Bibel dürften hier im allgemeinen zutreffend<br />
sein: Daß Jerusalem älter ist als <strong>die</strong> israelitische Geschichte, geht aus den<br />
Amarna-Texten hervor, <strong>die</strong> für das 14. Jahrh<strong>und</strong>ert v. u. Z. einen König<br />
Abdihipa von Urusalim nennen. Es mag an der Stadt gelegen haben, daß <strong>die</strong><br />
eindringenden Stämme der Israeliten sie erst so spät erobert haben. Sicher ist,<br />
daß der Burghügel mit seinem alten Namen Zion, den David zu einer Festung<br />
machte, zunächst außerhalb der Stadt lag <strong>und</strong> erst durch <strong>die</strong><br />
Stadterweiterungen unter Salomo <strong>und</strong> den Herodianern in <strong>die</strong> Stadt<br />
eingeschlossen wurde. David führte <strong>die</strong> Lade zunächst auf seine Burg. Die<br />
spätere Vorliebe, den Namen Zion für Jerusalem zu verwenden, hängt mit der<br />
prophetischen Intention zusammen, zuungunsten des Tempels <strong>die</strong> alte<br />
Stammesfrömmigkeit der nomadisierenden Väter wieder zu beleben. Wenn<br />
der Prophet Sacharja (Kapitel 9) <strong>die</strong> Einwohnerschaft Jerusalems als Tochter<br />
Zions anredet, so nimmt er bewußt Bezug auf <strong>die</strong> soziologischen Verhältnisse<br />
der Frühzeit <strong>und</strong> nicht auf <strong>die</strong> kultische Institution der späten Königszeit.<br />
3. Die Stadt selbst wurde durch den Salomonischen Tempel anziehender als<br />
durch <strong>die</strong> königliche Residenz. Spätestens seit der Kultreform des Königs<br />
Josia erstarkte sie zusehends <strong>und</strong> hat auch <strong>die</strong> verschiedenen Plünderungen<br />
<strong>und</strong> Brandschatzungen bis zu der endgültigen Zerstörung durch <strong>die</strong> Römer<br />
immer wieder überw<strong>und</strong>en. Ihre Lebenskraft beruhte auf der Einmaligkeit des<br />
Tempels, zu dessen jährlich dreimaligem Besuch der gläubige Jude<br />
verpflichtet war. Durch den Tempelbetrieb lebte <strong>die</strong> Stadt. Wie jeder antike<br />
Tempel, in Griechenland, Rom oder Babylon, birgt er, geschützt durch starke<br />
Mauern, in seinen Räumen Warenlager, Bank, Staats- <strong>und</strong> Tempelschatz. Die<br />
eschatologischen Prophezeiungen haben nicht zuletzt <strong>die</strong>se Lebenskraft der<br />
Stadt als Motiv für <strong>die</strong> Überlebenschancen des <strong>Gott</strong>esvolkes gewählt <strong>und</strong><br />
daraus abgeleitet, daß Jahwe seiner Stadt <strong>die</strong> Treue<br />
halten <strong>und</strong> am Ende der Zeiten von Jerusalem aus das neue Weltzeitalter<br />
des Friedens <strong>und</strong> der Gerechtigkeit eröffnen werde. Es versteht sich von<br />
selbst, daß <strong>die</strong>se priesterliche Lehre von den Einwohnern Jerusalems lebhaft<br />
begrüßt <strong>und</strong> unterstützt wurde, weil sie ihre Existenz in allen politischen Wirren<br />
ideologisch sicherte.<br />
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