Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

Nur prophetische Kritik wird nicht geahndet, weil sie im Namen des Großkönigs Jahwe geübt wird. Die eingetretene Divergenz von Gottesbild und institutionalisiertem Kultus ist aber die wesentliche Ursache für die unvergleichliche Entwicklung der alttestamentlichen Jahwemythologie geworden. Im Gottesbild entwirft der Fromme sich eine Welt, in der auch der König einem Herrn untergeordnet ist. In diesem Entwurf überwindet er subjektiv zugleich die vorfindliche Welt; indem er den König als höchste Instanz negiert, schafft er sich zugleich die subjektive Voraussetzung, der Geschichte einen Ausgang zu schaffen, eine Verlängerung, die ein anderes Gesicht tragen wird als die Gegenwart. Darin liegen Dauer und Vergänglichkeit dieser menschlichen Idee, die Wirklichkeit in ihrer Dialektik zu erfassen. 9.4 Salomo a. Schon zu Lebzeiten König Davids bestieg Salomo den Thron. Nach Davids Tod suchte und fand er bald Gründe und Vorwände, um die Gegner seines Vaters umzubringen. Und so ließ er seinen Halbbruder Adonia töten, auch den Feldhauptmann Joab und den reichen Simei aus Bachurim. Den Priester Abjathar verbannte er nach Anathot. Nachdem Salomo so seinen Thron gefestigt hatte, ehelichte er die Tochter des Pharaos aus Ägypten. Salomo opferte noch in Gibeon, weil das die vornehmste Opferstätte im Lande war. Dort erschien ihm eines Nachts im Traum Jahwe und stellte ihm frei, sich etwas zu wünschen. Salomo sagte zu Jahwe: Du wollest deinem Knechte ein aufmerksames Herz geben, daß er dein Volk regieren kann und zu unterscheiden weiß zwischen gut und böse. Das gefiel Jahwe sehr, und er sagte zu ihm: Weil du dir dieses erbeten hast und nicht ein langes Leben oder Reichtum oder den Tod deiner Feinde, so will ich dir ein weises und verständiges Herz geben. Aber auch das, worum du nicht gebeten hast, nämlich Reichtum, Ehre und daß dir keiner unter den Königen dein Leben lang gleichkommt, das sollst du auch erhalten. Und Salomos Weisheit nahm zu. So kamen auch einmal zwei Huren zu ihm, damit er Recht sprechen sollte. Beide hatten etwa zu gleicher Zeit einen Sohn geboren und wohnten in einem Hause. Der Sohn der einen war nach drei Tagen gestorben, weshalb seine Mütter noch in derselben Nacht heimlich die Kinder umgetauscht hatte. Die Mutter des lebenden Kindes hatte es aber am kommenden Morgen bemerkt und begehrte nun vom König ihr Recht, während die andere es 200

estritt. Salomo ließ ein Schwert holen, um das lebende Kind teilen zu lassen, damit jede Frau ein Teil hätte. Da rief die Mutter des lebenden Kindes: Gebt ihr das Kind, nur tötet es nicht. - Die andere bestand darauf, das Kind müsse geteilt werden. Daraufhin gab Salomo das Kind der rechten Mutter, die gebeten hatte, man solle das Kind am Leben lassen. Die Größe seines Reiches machte es erforderlich, daß Salomo das Reich in zwölf Vogteien ordnete. Er führte ein großes Hoflager. So besaß er viertausend Gespanne Rosse für seine Kriegswagen und noch Zwölftausend Reitpferde. Und jeder der Vögte hatte jährlich einen Monat lang für den Hof und die Garnisonen zu sorgen. Salomo herrschte aber über alle Königreiche zwischen Euphrat, Philistäa und Ägypten. Er hatte mit allen Nachbarn Frieden und erhielt von allen reiche Geschenke. Jeder in seinem Reiche konnte sicher wohnen, jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum. Elohim verlieh Salomo sehr viel Weisheit und Einsicht und reichen Geist. Seine Weisheit war größer als die Weisheit aller aus dem Osten und aus Ägypten. Und er redete dreitausend Sprüche, und von seinen Liedern zählte man eintausendfünf. Er redete über alle Bäume, über das Vieh, die Vögel und die anderen Lebewesen. Zu ihm kamen Leute aus allen Ländern, um seine Weisheit zu hören. Nach einiger Zeit baute Salomo dann den Tempel, wie Jahwe es David versprochen hatte. Dabei half ihm der König von Tyrus. Salomo zahlte für das Holz der Zedern vom Libanon und die anderen Baumaterialien mit Weizen und Öl. Für die Arbeiten ließ er Fronarbeiter ausheben. Sieben Jahre baute er am Tempel, während der Palastbau dreizehn Jahre dauerte. Als der Tempel fertig war, versammelte Salomo alle Häupter der Stämme, um die Bundeslade samt dem Zelt und allen Geräten aus der Davidstadt feierlich in den Tempel zu geleiten. Salomo aber dichtete den Weihespruch: Jahwe, der du gesagt hast, im Wolkendunkel zu wohnen, Nun habe ich ein Wohnhaus für dich gebaut, eine Stätte für ewige Zeiten zu deinem Wohnsitz. Damals trat Salomo an den König von Tyrus für den Tempelbau zwanzig Städte ab (die diesem jedoch nicht so recht gefielen). Vom Pharao hatte er als Mitgift für dessen Tochter die Lande um Gezer erhalten. Diese Stadt ließ er zur Festung ausbauen, wie auch noch andere Städte. Zu jener Zeit erhielt Salomo auch den Besuch der 201

Nur prophetische Kritik wird nicht geahndet, weil sie im Namen des<br />

Großkönigs Jahwe geübt wird.<br />

Die eingetretene Divergenz von <strong>Gott</strong>esbild <strong>und</strong> institutionalisiertem Kultus ist<br />

aber <strong>die</strong> wesentliche Ursache für <strong>die</strong> unvergleichliche Entwicklung der<br />

alttestamentlichen Jahwemythologie geworden. Im <strong>Gott</strong>esbild entwirft der<br />

Fromme sich eine Welt, in der auch der König einem Herrn untergeordnet ist.<br />

In <strong>die</strong>sem Entwurf überwindet er subjektiv zugleich <strong>die</strong> vorfindliche Welt;<br />

indem er den König als höchste Instanz negiert, schafft er sich zugleich <strong>die</strong><br />

subjektive Voraussetzung, der Geschichte einen Ausgang zu schaffen, eine<br />

Verlängerung, <strong>die</strong> ein anderes Gesicht tragen wird als <strong>die</strong> Gegenwart. Darin<br />

liegen Dauer <strong>und</strong> Vergänglichkeit <strong>die</strong>ser menschlichen Idee, <strong>die</strong> Wirklichkeit in<br />

ihrer Dialektik zu erfassen.<br />

9.4 Salomo<br />

a. Schon zu Lebzeiten König Davids bestieg Salomo den Thron.<br />

Nach Davids Tod suchte <strong>und</strong> fand er bald Gründe <strong>und</strong> Vorwände,<br />

um <strong>die</strong> Gegner seines Vaters umzubringen. Und so ließ er seinen<br />

Halbbruder Adonia töten, auch den Feldhauptmann Joab <strong>und</strong> den<br />

reichen Simei aus Bachurim. Den Priester Abjathar verbannte er<br />

nach Anathot. Nachdem Salomo so seinen Thron gefestigt hatte,<br />

ehelichte er <strong>die</strong> Tochter des Pharaos aus Ägypten.<br />

Salomo opferte noch in Gibeon, weil das <strong>die</strong> vornehmste<br />

Opferstätte im Lande war. Dort erschien ihm eines Nachts im Traum<br />

Jahwe <strong>und</strong> stellte ihm frei, sich etwas zu wünschen. Salomo sagte<br />

zu Jahwe: Du wollest deinem Knechte ein aufmerksames Herz<br />

geben, daß er dein Volk regieren kann <strong>und</strong> zu unterscheiden weiß<br />

zwischen gut <strong>und</strong> böse. Das gefiel Jahwe sehr, <strong>und</strong> er sagte zu ihm:<br />

Weil du dir <strong>die</strong>ses erbeten hast <strong>und</strong> nicht ein langes Leben oder<br />

Reichtum oder den Tod deiner Feinde, so will ich dir ein weises <strong>und</strong><br />

verständiges Herz geben. Aber auch das, worum du nicht gebeten<br />

hast, nämlich Reichtum, Ehre <strong>und</strong> daß dir keiner unter den Königen<br />

dein Leben lang gleichkommt, das sollst du auch erhalten. Und<br />

Salomos Weisheit nahm zu.<br />

So kamen auch einmal zwei Huren zu ihm, damit er Recht<br />

sprechen sollte. Beide hatten etwa zu gleicher Zeit einen Sohn<br />

geboren <strong>und</strong> wohnten in einem Hause. Der Sohn der einen war<br />

nach drei Tagen gestorben, weshalb seine Mütter noch in derselben<br />

Nacht heimlich <strong>die</strong> Kinder umgetauscht hatte. Die Mutter des<br />

lebenden Kindes hatte es aber am kommenden Morgen bemerkt<br />

<strong>und</strong> begehrte nun vom König ihr Recht, während <strong>die</strong> andere es<br />

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