Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

thule.italia.net
von thule.italia.net Mehr von diesem Publisher
30.12.2012 Aufrufe

dürfte ziemlich allgemeingültig für die Entstehung der altorientalischen Despotien gewesen sein. 3. Daß David neben Frauen auch Männer liebte, wie aus dem Kapitel über seine Freundschaft mit Jonathan hervorgeht, ist für den altorientalischen Erzähler kein anstößiges Thema, wie es ja auch sicher ist, daß es in Jerusalem neben der weiblichen auch eine männliche kultische Prostitution gegeben hat, deren Ausrottung vielleicht erst durch den König Josia erfolgt ist (siehe 6,5,1). Die Vielehe ist selbstverständlich. Die Streitigkeiten unter den verschiedenen Frauen in Davids Harem werden durch die Kinder ausgefochten. Die ersten Frauen Davids werden von ihm noch nicht gekauft, sind noch keine Ware, sondern sind umworbenes Symbol von Macht und Einfluß. Erst die Geschichte mit Bathseba zeigt, daß der etablierte König ein schrankenloser Despot ist. 4. Typisch ist auch, daß David nicht unwesentlich dazu beiträgt, daß alle Sauliden umgebracht werden. Die Legende will wissen, daß David nicht im Krieg gegen Saul gestanden hat, obwohl seine zahlreichen Begegnungen mit ihm das andererseits doch nahelegen. Sicher ist jedenfalls, daß David in der Schlacht gegen die Philister nicht auf der Seite Sauls stand. Das Ende der Davidsöhne zeigt zugleich, daß David dem Ränkespiel tatenlos zusieht, das seinen Sohn Salomo als einzigen Thronfolger übrigläßt. Die Überlieferung zeigt auch sehr deutlich, wie unter David die alten sozialen Stammesordnungen zerbrochen werden. Denn Joab ist am Ende der Regierungszeit Davids, nachdem er Amasa umbringen ließ, oberster Machthaber im Lande. Mit Amasa ist der judäische Heerbann als freie Leistung der wehrpflichtigen Männer Judas zusammengebrochen und mit ihm auch die Macht, durch die die einzelnen familiären Großverbände ihre Rechte gegen die erstarkende Zentralgewalt behaupten konnten. Dieser historische Fortschritt aber endete an den Grenzen der Nordstaaten, die es wagen konnten, David die Gefolgschaft aufzukündigen. 5. In der Thronfolgegeschichte wird historisch zutreffend erzählt, wie an die Stelle der freien Königswahl durch die Stammesältesten die Priester treten, die die Königswahl bestimmen. Die altorientalischen Despotien sind tatsächlich weithin Theokratien ähnlich dem alttestamentlichen Königtum gewesen. Die Priester erzogen die Thronfolger und bestimmten, wer König werden sollte. David war bei Samuel in Rama, und Salomo wurde von Nathan erzogen und auf den Thron mit Hilfe des Priesters Abjathar gesetzt. David wie alle Könige in Juda und Israel hatten ihre „Seher", ihre Propheten, die ihnen rieten; was der Gott Jahwe wollte, das geschah. 6. Die Erzähler aus den nördlichen Stammesteilen (siehe b) wissen zu erzählen, daß David durch Samuel zum König gesalbt wurde und nicht durch seine eigenen Leistungen sich zum Könige gemacht hat. Und sie wissen außerdem, daß Saul auch später noch im Besitz des Geistes Elohims gewesen ist, wie aus der Episode in Rama hervorgeht, als Saul auf der Suche nach David auch in Ekstase gerät. Für die Nachkommen der alten Kanaanäer ist es gar nicht anders denkbar. Sie erzählen auch, daß David nur deshalb den Nachstellungen Sauls entrinnen konnte, weil sein geliebter Jonathan ihn jedesmal warnte. Sie schreiben ihm keine große militärischen Heldentaten zu, 198

denn sie wünschen sich einen friedfertigen König, der Sinn und Zeit hat für die Liebe, für den Kultus, der seinen Rivalen schont und am Leben läßt. Ihr Wunschbild unterscheidet sich darum wesentlich von dem der Bewohner in den südlichen Randgebieten Judas und Jerusalems: 7. Für diese (siehe c) kann die Geschichte Davids nur mit einer großen Schlacht beginnen und enden. Und so übertragen sie die Heldentat des Elchanan ben Jair aus Bethlehem, der in der Schlacht bei Gob den Philister Goliath aus Gath erschlug (II. Samuel 21,19), auf David und schmücken sie zudem noch beträchtlich aus. Der Hirtenjunge schlägt mit der Steinschleuder ein Heer in die Flucht. Für sie ist David der große Held, der seine Gegner nicht schont, weder die im Lande noch die außer Landes. Der heimtückische Mord an den Sauliden, an Amasa, an Absalom, erscheint gerecht. Jahwe selbst rät zu der Volkszählung, die die Grundlage für die Einführung einer neuen Wehrordnung ist. Sie sehen auch im Fortbestand der davidischen Dynastie kein Problem. Für sie ist es eine unbezweifelbare Offenbarung Jahwes, daß der Thron Davids für immer bestehenbleibt. Sie sind die Parteigänger der neuen Sozialordnung der theokratischen Despotie mit erblicher Thronfolge. Der zukünftige Tempelstaat wirft seine Schatten voraus. Die Kriegsbeute wird nicht mehr unter die Wehrleute geteilt, sondern dem königlichen Tempelschatz zugeführt. Fortan gilt der Name Jahwes, wie ihn Priester und Propheten vertreten, mehr als der Wille der versammelten Ältesten des Volkes. Sie zählen darum auch nicht mehr die Ruhmestaten der Stämme, sondern die Ruhmestaten der Helden Davids, das sind seine königlichen Söldnertruppen. 8. Die Geschichtsschreibung über David ist vermutlich zur Regierungszeit seines Nachfolgers Salomo abgeschlossen gewesen. Sie erfolgt nach feststehendem Topos. Der junge, unbescholtene Knabe wird durch göttliche Führung auf die Höhe seines Ruhmes geführt. Der göttliche Großkönig Jahwe fördert ihn nach besten Kräften. Er ist ihm Vater und der König ihm Sohn, wie Jahwe es für den Thronfolger verheißt. Davids Größe erscheint als Wirksamkeit Jahwes, ein Tadel am König würde sofort zum Tadel an dessen göttlichem Vater Jahwe. Das Gericht über den König steht nun aber nicht mehr dem Volke zu, sondern Jahwe allein. Denn nur der Großkönig kann den Unterkönig, und dieser den Statthalter, tadeln, verurteilen und richten. Und als die Nordstämme in Verkennung der veränderten geschichtlichen Situation abfallen wollen, werden sie mit Gewalt wieder zum Gehorsam gebracht. Es ist darum zunächst auch nur hymnischer Stil, wenn dem regierenden Königshause ewige Dauer verheißen wird, und noch keine Aussage über eine eschatologische oder messianische Vorstellung. Erst jüdische und christliche Lehre hat gemeint, aus dieser Weissagung ein Gleichnis für kommende Zeiten machen zu müssen und den transzendenten Heilsbringer aus Davids Stamm hervorgehen zu lassen, wie es im Stammbaum Jesu, Matthäus l, steht. 9. Religionshistorisch schließen die Königsmythologien, die den König als Gottessohn darstellen, die Epoche ab, in der die Zentralisation der Wirtschaft, Kultur und Verteidigung um Tempel und Palast in Jerusalem vollzogen ist. Die sozial und politisch benachteiligte Land- und Stadtbevölkerung, die sich als Eigentum eines Tempelkönigs vorfindet, kann ihren Unmut nicht mehr artikulieren. Kritik am König und an seiner Politik ist Sünde gegen den Gott. 199

denn sie wünschen sich einen friedfertigen König, der Sinn <strong>und</strong> Zeit hat für <strong>die</strong><br />

Liebe, für den Kultus, der seinen Rivalen schont <strong>und</strong> am Leben läßt. Ihr<br />

Wunschbild unterscheidet sich darum wesentlich von dem der Bewohner in<br />

den südlichen Randgebieten Judas <strong>und</strong> Jerusalems:<br />

7. Für <strong>die</strong>se (siehe c) kann <strong>die</strong> Geschichte Davids nur mit einer großen<br />

Schlacht beginnen <strong>und</strong> enden. Und so übertragen sie <strong>die</strong> Heldentat des<br />

Elchanan ben Jair aus Bethlehem, der in der Schlacht bei Gob den Philister<br />

Goliath aus Gath erschlug (II. Samuel 21,19), auf David <strong>und</strong> schmücken sie<br />

zudem noch beträchtlich aus. Der Hirtenjunge schlägt mit der Steinschleuder<br />

ein Heer in <strong>die</strong> Flucht. Für sie ist David der große Held, der seine Gegner nicht<br />

schont, weder <strong>die</strong> im Lande noch <strong>die</strong> außer Landes. Der heimtückische Mord<br />

an den Sauliden, an Amasa, an Absalom, erscheint gerecht. Jahwe selbst rät<br />

zu der Volkszählung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage für <strong>die</strong> Einführung einer neuen<br />

Wehrordnung ist. Sie sehen auch im Fortbestand der davidischen Dynastie<br />

kein Problem. Für sie ist es eine unbezweifelbare Offenbarung Jahwes, daß<br />

der Thron Davids für immer bestehenbleibt. Sie sind <strong>die</strong> Parteigänger der<br />

neuen Sozialordnung der theokratischen Despotie mit erblicher Thronfolge.<br />

Der zukünftige Tempelstaat wirft seine Schatten voraus. Die Kriegsbeute wird<br />

nicht mehr unter <strong>die</strong> Wehrleute geteilt, sondern dem königlichen Tempelschatz<br />

zugeführt. Fortan gilt der Name Jahwes, wie ihn Priester <strong>und</strong> Propheten<br />

vertreten, mehr als der Wille der versammelten Ältesten des Volkes. Sie<br />

zählen darum auch nicht mehr <strong>die</strong> Ruhmestaten der Stämme, sondern <strong>die</strong><br />

Ruhmestaten der Helden Davids, das sind seine königlichen Söldnertruppen.<br />

8. Die Geschichtsschreibung über David ist vermutlich zur Regierungszeit<br />

seines Nachfolgers Salomo abgeschlossen gewesen. Sie erfolgt nach<br />

feststehendem Topos. Der junge, unbescholtene Knabe wird durch göttliche<br />

Führung auf <strong>die</strong> Höhe seines Ruhmes geführt. Der göttliche Großkönig Jahwe<br />

fördert ihn nach besten Kräften. Er ist ihm Vater <strong>und</strong> der König ihm Sohn, wie<br />

Jahwe es für den Thronfolger verheißt. Davids Größe erscheint als<br />

Wirksamkeit Jahwes, ein Tadel am König würde sofort zum Tadel an dessen<br />

göttlichem Vater Jahwe. Das Gericht über den König steht nun aber nicht<br />

mehr dem Volke zu, sondern Jahwe allein. Denn nur der Großkönig kann den<br />

Unterkönig, <strong>und</strong> <strong>die</strong>ser den Statthalter, tadeln, verurteilen <strong>und</strong> richten. Und als<br />

<strong>die</strong> Nordstämme in Verkennung der veränderten geschichtlichen Situation<br />

abfallen wollen, werden sie mit Gewalt wieder zum Gehorsam gebracht.<br />

Es ist darum zunächst auch nur hymnischer Stil, wenn dem regierenden<br />

Königshause ewige Dauer verheißen wird, <strong>und</strong> noch keine Aussage über eine<br />

eschatologische oder messianische Vorstellung. Erst jüdische <strong>und</strong> christliche<br />

Lehre hat gemeint, aus <strong>die</strong>ser Weissagung ein Gleichnis für kommende Zeiten<br />

machen zu müssen <strong>und</strong> den transzendenten Heilsbringer aus Davids Stamm<br />

hervorgehen zu lassen, wie es im Stammbaum Jesu, Matthäus l, steht.<br />

9. Religionshistorisch schließen <strong>die</strong> Königsmythologien, <strong>die</strong> den König als<br />

<strong>Gott</strong>essohn darstellen, <strong>die</strong> Epoche ab, in der <strong>die</strong> Zentralisation der Wirtschaft,<br />

Kultur <strong>und</strong> Verteidigung um Tempel <strong>und</strong> Palast in Jerusalem vollzogen ist. Die<br />

sozial <strong>und</strong> politisch benachteiligte Land- <strong>und</strong> Stadtbevölkerung, <strong>die</strong> sich als<br />

Eigentum eines Tempelkönigs vorfindet, kann ihren Unmut nicht mehr<br />

artikulieren. Kritik am König <strong>und</strong> an seiner Politik ist Sünde gegen den <strong>Gott</strong>.<br />

199

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!