30.12.2012 Aufrufe

Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

3. Es muß als gesichert gelten, daß Saul (der Name bedeutet „der<br />

Erbetene") eine historische Gestalt gewesen ist, auch wenn dafür keine<br />

eindeutigen außerbiblischen Belege beizubringen sind. Historische<br />

Anhaltspunkte bieten sicher <strong>die</strong> Feldzüge gegen <strong>die</strong> Nachbarvölker. Da solche<br />

Feldzüge (Razzien) aber keineswegs selten waren, ist jeder Versuch zum<br />

Scheitern verurteilt, für Saul eine genaue Zeitangabe zu finden. Sicher ist, daß<br />

er etwa um 1000 v. u. Z. gelebt haben muß.<br />

4. Abgesehen von <strong>die</strong>sem Lokalkolorit, das den Späteren den König vertraut<br />

machen soll, ist <strong>die</strong> Geschichte von Saul ein aufschlußreiches Modell für <strong>die</strong><br />

mythologische Vorstellung des göttlichen Großkönigs Jahwe. Als nämlich der<br />

Unterkönig Saul <strong>die</strong> Gebote Jahwes übertritt, wird er gestraft. Der Prophet<br />

Samuel (siehe 8,1) übt <strong>die</strong> Funktion des göttlichen Stellvertreters aus. Das<br />

Prophetentum ist aus dem alten kanaanäischen Priestertum hervorgegangen,<br />

wie es noch deutlich an den theophoren Namen der großen Propheten<br />

Samuel, Elia <strong>und</strong> Elisa zu sehen ist, wo <strong>die</strong> Silbe El auf Elohim, den Vertreter<br />

der alten kanaanäischen <strong>Götter</strong>, deutet.<br />

Die ekstatische Prophetengruppe, <strong>die</strong> Samuel kennt <strong>und</strong> in <strong>die</strong> Saul gerät, ist<br />

darum sicher auch aus solchen ehemaligen kanaanäischen <strong>und</strong><br />

kleinasiatischen Gruppen hervorgegangen, wie sie etwa in den<br />

bacchanalischen Dionysosgruppen, den Istarmysterien oder später den<br />

islamischen Derwischgruppen lebten.<br />

5. Denn es ist sicher nicht zufällig, daß nach der Legende Saul <strong>die</strong> Eselinnen<br />

seines Vaters suchen muß. Eselohren auf einem Rohrzepter waren das<br />

Symbol der herrschenden <strong>Götter</strong> Ägyptens; der ägyptische <strong>Gott</strong> Set hatte<br />

Eselsgestalt. Die Esel waren auch dem <strong>Gott</strong>e Dionysos heilig, der nach der<br />

Legende zwei Esel unter <strong>die</strong> Sterne setzte. Dionysos gilt als Sohn der Semele,<br />

der rücksichtslos seinen Platz an der olympischen <strong>Götter</strong>tafel erringt, indem er<br />

<strong>die</strong> bescheidene Hestia verdrängt. Die Teilnahme an seinem Kult bewirkt<br />

vollkommene Seligkeit. Die Teilnehmer verwandeln sich in andere Menschen.<br />

Dieses weissagt Samuel auch dem Saul <strong>und</strong> rät ihm ausdrücklich, sich der<br />

ekstatischen Prophetengruppe anzuschließen.<br />

6. Für den jerusalemischen Erzähler liegt in <strong>die</strong>sem Bericht sicher schon <strong>die</strong><br />

Ursache für den Abfall Sauls. Samuel wird noch als <strong>Gott</strong>esmann dargestellt,<br />

der Prophet, Priester <strong>und</strong> Seher ist. Seine Aufgaben in Zuph sind noch <strong>die</strong> des<br />

vorisraelitischen Kultbeamten. Das weiß <strong>die</strong> Tradition noch: „Denn früher<br />

sagte man in Israel, wenn man Elohim befragen wollte: Laßt uns zum Seher<br />

gehen! - Früher hießen <strong>die</strong> nämlich Seher, <strong>die</strong> heule Propheten genannt<br />

werden" (Kapitel 9,9).<br />

Die Krankheit Sauls, „ein böser Geist Elohims", ist vermutlich Bestandteil der<br />

judäischen Polemik gegen Saul, der nach wie vor den Praktiken der<br />

ekstatischen Prophetengruppen anhing.<br />

7. Der elohistische Erzähler, der <strong>die</strong> Interessen der ehemaligen<br />

Landesbewohner vertritt, erzählt auch <strong>die</strong> Episode bei der Frau von Endor. Für<br />

ihn ist der Besuch des Königs nichts Außergewöhnliches. Bedeutsam ist nur,<br />

daß er Jahwe als eifernden Herrn <strong>und</strong> Großkönig darstellt, dessen Unmut nur<br />

durch das Opfer der Sauliden <strong>und</strong> großer Teile des Heeres gestillt werden<br />

kann.<br />

193

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!