Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie
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3. Es muß als gesichert gelten, daß Saul (der Name bedeutet „der<br />
Erbetene") eine historische Gestalt gewesen ist, auch wenn dafür keine<br />
eindeutigen außerbiblischen Belege beizubringen sind. Historische<br />
Anhaltspunkte bieten sicher <strong>die</strong> Feldzüge gegen <strong>die</strong> Nachbarvölker. Da solche<br />
Feldzüge (Razzien) aber keineswegs selten waren, ist jeder Versuch zum<br />
Scheitern verurteilt, für Saul eine genaue Zeitangabe zu finden. Sicher ist, daß<br />
er etwa um 1000 v. u. Z. gelebt haben muß.<br />
4. Abgesehen von <strong>die</strong>sem Lokalkolorit, das den Späteren den König vertraut<br />
machen soll, ist <strong>die</strong> Geschichte von Saul ein aufschlußreiches Modell für <strong>die</strong><br />
mythologische Vorstellung des göttlichen Großkönigs Jahwe. Als nämlich der<br />
Unterkönig Saul <strong>die</strong> Gebote Jahwes übertritt, wird er gestraft. Der Prophet<br />
Samuel (siehe 8,1) übt <strong>die</strong> Funktion des göttlichen Stellvertreters aus. Das<br />
Prophetentum ist aus dem alten kanaanäischen Priestertum hervorgegangen,<br />
wie es noch deutlich an den theophoren Namen der großen Propheten<br />
Samuel, Elia <strong>und</strong> Elisa zu sehen ist, wo <strong>die</strong> Silbe El auf Elohim, den Vertreter<br />
der alten kanaanäischen <strong>Götter</strong>, deutet.<br />
Die ekstatische Prophetengruppe, <strong>die</strong> Samuel kennt <strong>und</strong> in <strong>die</strong> Saul gerät, ist<br />
darum sicher auch aus solchen ehemaligen kanaanäischen <strong>und</strong><br />
kleinasiatischen Gruppen hervorgegangen, wie sie etwa in den<br />
bacchanalischen Dionysosgruppen, den Istarmysterien oder später den<br />
islamischen Derwischgruppen lebten.<br />
5. Denn es ist sicher nicht zufällig, daß nach der Legende Saul <strong>die</strong> Eselinnen<br />
seines Vaters suchen muß. Eselohren auf einem Rohrzepter waren das<br />
Symbol der herrschenden <strong>Götter</strong> Ägyptens; der ägyptische <strong>Gott</strong> Set hatte<br />
Eselsgestalt. Die Esel waren auch dem <strong>Gott</strong>e Dionysos heilig, der nach der<br />
Legende zwei Esel unter <strong>die</strong> Sterne setzte. Dionysos gilt als Sohn der Semele,<br />
der rücksichtslos seinen Platz an der olympischen <strong>Götter</strong>tafel erringt, indem er<br />
<strong>die</strong> bescheidene Hestia verdrängt. Die Teilnahme an seinem Kult bewirkt<br />
vollkommene Seligkeit. Die Teilnehmer verwandeln sich in andere Menschen.<br />
Dieses weissagt Samuel auch dem Saul <strong>und</strong> rät ihm ausdrücklich, sich der<br />
ekstatischen Prophetengruppe anzuschließen.<br />
6. Für den jerusalemischen Erzähler liegt in <strong>die</strong>sem Bericht sicher schon <strong>die</strong><br />
Ursache für den Abfall Sauls. Samuel wird noch als <strong>Gott</strong>esmann dargestellt,<br />
der Prophet, Priester <strong>und</strong> Seher ist. Seine Aufgaben in Zuph sind noch <strong>die</strong> des<br />
vorisraelitischen Kultbeamten. Das weiß <strong>die</strong> Tradition noch: „Denn früher<br />
sagte man in Israel, wenn man Elohim befragen wollte: Laßt uns zum Seher<br />
gehen! - Früher hießen <strong>die</strong> nämlich Seher, <strong>die</strong> heule Propheten genannt<br />
werden" (Kapitel 9,9).<br />
Die Krankheit Sauls, „ein böser Geist Elohims", ist vermutlich Bestandteil der<br />
judäischen Polemik gegen Saul, der nach wie vor den Praktiken der<br />
ekstatischen Prophetengruppen anhing.<br />
7. Der elohistische Erzähler, der <strong>die</strong> Interessen der ehemaligen<br />
Landesbewohner vertritt, erzählt auch <strong>die</strong> Episode bei der Frau von Endor. Für<br />
ihn ist der Besuch des Königs nichts Außergewöhnliches. Bedeutsam ist nur,<br />
daß er Jahwe als eifernden Herrn <strong>und</strong> Großkönig darstellt, dessen Unmut nur<br />
durch das Opfer der Sauliden <strong>und</strong> großer Teile des Heeres gestillt werden<br />
kann.<br />
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