Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

1. Der Name eines Propheten Jona, Sohn des Amitthai aus Gath-Hepher, ist aus II. Könige 14,25 bekannt. Er soll unter dem gottlosen König Jerobeam II. von Israel (784-744) das Land mit Jahwe ausgesöhnt haben. Aber die Verbindung der obigen Geschichte mit seiner Person ist eine Fiktion. Die Geschichte ist vermutlich im 3. Jahrhundert v. u. Z. konzipiert und wegen der Verdienste des Propheten Jona diesem zugeschrieben worden. 2. Der märchenhafte Zuschnitt der Erzählung mutet wie Seemannsgarn an, um so mehr, als das Mythologem, das Verschlungenwerden durch den Fisch, nur in drei kurzen Sätzen beschrieben wird. Babylonier, Ägypter, Assyrer und Phönizier erzählen es ausführlicher. Dort erhält der vom Fisch verschlungene Mensch eine neue Existenz. Jona aber bleibt der alte Zweifler. Drei Tage ist auch in Babylon die Frist der götterlosen Zeit vor dem Neujahrsfest. Diese kargen mythologischen Elemente sind charakteristisch für die hebräische Poesie. Der orientalische Mythos wird in der Jonageschichte entwertet; der Fisch hat nur die Aufgabe, Jona wieder an die Küste Palästinas zurückzubringen. 3. Die Geschichte soll dem Israel des 3. Jahrhunderts v. u. Z. durch das Beispiel des großen, schon längst verstorbenen Propheten Jona lehren, daß Jahwe seine Feinde nicht ausrottet. Ninive ist die Chiffre für Persien und vielleicht auch das Großreich Alexanders von Mazedonien. Israels Glaube an den Gott der Rache wird korrigiert. An die Stelle der Vergeltung soll die Vergebung treten, weil auch eine fremde Welt Buße tun und das Wohlgefallen Jahwes erringen kann. Christliche Ikonographie hat das Bild des Jona, der drei Tage im Bauch des Fisches weilt, als alttestamentliche Vorwegnahme der Höllenfahrt Christi gedeutet. 188

9 Die Königslegenden 9.1 Abimelech Nach dem Tode des Richters Gideon-Jerubbaal ging Abimelech, einer seiner siebzig Söhne, nach Sichern, wo die Brüder seiner Mutter wohnten. Dort verschaffte er sich den nötigen Beistand, um alle seine Brüder zu ermorden und allein König zu sein. Das gelang ihm auch, und er herrschte drei Jahre über Israel. Die Einwohner Sichems gingen aber dazu über, Wegelagerer zu dingen, die die Straßen des Königs unsicher machten. Unter ihnen waren Gaal und seine Bundesgenossen die angesehensten. Gaal schürte auch den Widerstand der Einwohner Sichems gegen Abimelech. Der königliche Vogt Sichems, Sebul, hinterbrachte dies dem Abimelech; darauf schlug Abimelech den Gaal und die Bürger in Sichern, die alle im Tempel des Bundesgottes Schutz gesucht hatten. Alle Einwohner ließ er töten; die Stadt wurde geschleift. Danach zog er auch gegen die Burg von Tebez. Aber sie konnte er nicht erobern, denn in der Mitte der Stadt befand sich ein fester Turm, auf den sich die Einwohner geflüchtet hatten. Als Abimelech nun an den Turm trat, um das Tor in Brand zu stecken, warf eine Frau vom Dach einen Mahlstein auf ihn, der ihm den Schädel zerschmetterte. Er hatte nur noch so viel Kraft, seinem Diener zu befehlen, ihn zu töten, damit es nicht heißen sollte: ein Weib hat ihn getötet. Als die Israeliten hörten, daß Abimelech tot war, lief der Heerbann auseinander, und alle gingen nach Hause. So vergalt Elohim die Freveltaten Abimelechs und der Sichemiten. Richter 9,1-6.25-57. 1. Der Text stammt aus der frühen Königszeit und ist sicher nicht in Jerusalem tradiert, sondern in den nördlichen Siedlungsgebieten. Dafür spricht, daß der Gott Elohim die Verantwortung für den Untergang Abimelechs und der Stadt Sichern übernimmt; es spricht auch dafür die antiroyalistische Grundtendenz der Sage. Das Königtum Salomos ist den Bewohnern der Nordstämme so suspekt wie das Königtum Abimelechs. 2. Ferner ist der Untergang des Stadtgottes von Sichern, der ein Baal berit, d. h. ein Bundesgott ist, ein untrügliches Merkmal für den antijudäischen Charakter der Überlieferung. Die Israeliten hatten den Gedanken von dem Bund zwischen sich und ihrem Gott, der dem Bund zwischen sich und ihrem erkorenen Anführer ähnlich war, mit nach Kanaan gebracht. In Sichern und 189

9 Die Königslegenden<br />

9.1 Abimelech<br />

Nach dem Tode des Richters Gideon-Jerubbaal ging Abimelech,<br />

einer seiner siebzig Söhne, nach Sichern, wo <strong>die</strong> Brüder seiner<br />

Mutter wohnten. Dort verschaffte er sich den nötigen Beistand, um<br />

alle seine Brüder zu ermorden <strong>und</strong> allein König zu sein. Das gelang<br />

ihm auch, <strong>und</strong> er herrschte drei Jahre über Israel. Die Einwohner<br />

Sichems gingen aber dazu über, Wegelagerer zu dingen, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Straßen des Königs unsicher machten. Unter ihnen waren Gaal <strong>und</strong><br />

seine B<strong>und</strong>esgenossen <strong>die</strong> angesehensten. Gaal schürte auch den<br />

Widerstand der Einwohner Sichems gegen Abimelech. Der<br />

königliche Vogt Sichems, Sebul, hinterbrachte <strong>die</strong>s dem Abimelech;<br />

darauf schlug Abimelech den Gaal <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bürger in Sichern, <strong>die</strong><br />

alle im Tempel des B<strong>und</strong>esgottes Schutz gesucht hatten. Alle<br />

Einwohner ließ er töten; <strong>die</strong> Stadt wurde geschleift. Danach zog er<br />

auch gegen <strong>die</strong> Burg von Tebez. Aber sie konnte er nicht erobern,<br />

denn in der Mitte der Stadt befand sich ein fester Turm, auf den sich<br />

<strong>die</strong> Einwohner geflüchtet hatten. Als Abimelech nun an den Turm<br />

trat, um das Tor in Brand zu stecken, warf eine Frau vom Dach<br />

einen Mahlstein auf ihn, der ihm den Schädel zerschmetterte. Er<br />

hatte nur noch so viel Kraft, seinem Diener zu befehlen, ihn zu<br />

töten, damit es nicht heißen sollte: ein Weib hat ihn getötet. Als <strong>die</strong><br />

Israeliten hörten, daß Abimelech tot war, lief der Heerbann<br />

auseinander, <strong>und</strong> alle gingen nach Hause. So vergalt Elohim <strong>die</strong><br />

Freveltaten Abimelechs <strong>und</strong> der Sichemiten.<br />

Richter 9,1-6.25-57.<br />

1. Der Text stammt aus der frühen Königszeit <strong>und</strong> ist sicher nicht in<br />

Jerusalem tra<strong>die</strong>rt, sondern in den nördlichen Siedlungsgebieten. Dafür<br />

spricht, daß der <strong>Gott</strong> Elohim <strong>die</strong> Verantwortung für den Untergang Abimelechs<br />

<strong>und</strong> der Stadt Sichern übernimmt; es spricht auch dafür <strong>die</strong> antiroyalistische<br />

Gr<strong>und</strong>tendenz der Sage. Das Königtum Salomos ist den Bewohnern der<br />

Nordstämme so suspekt wie das Königtum Abimelechs.<br />

2. Ferner ist der Untergang des Stadtgottes von Sichern, der ein Baal berit,<br />

d. h. ein B<strong>und</strong>esgott ist, ein untrügliches Merkmal für den antijudäischen<br />

Charakter der Überlieferung. Die Israeliten hatten den Gedanken von dem<br />

B<strong>und</strong> zwischen sich <strong>und</strong> ihrem <strong>Gott</strong>, der dem B<strong>und</strong> zwischen sich <strong>und</strong> ihrem<br />

erkorenen Anführer ähnlich war, mit nach Kanaan gebracht. In Sichern <strong>und</strong><br />

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