Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie
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1. Jeremia - der Name bedeutet etwa „Jahwe erhöht" - ist vermutlich eine<br />
geschichtliche Person gewesen. In dem nach ihm benannten Buche sind so<br />
viele historische Reminiszenzen enthalten, daß das vermutet werden darf.<br />
Seine Wirksamkeit erstreckte sich etwa auf <strong>die</strong> Jahre 626-580 v. u. Z. Sein<br />
Vater war vermutlich in Anathot Priester <strong>und</strong> dort nach der Kultreform durch<br />
Josia 624 v. u. Z. brotlos geworden. Das Familienvermögen muß so stattlich<br />
gewesen sein, daß auch Jeremia davon noch leben konnte.<br />
2. Seine priesterliche Herkunft ist vermutlich der Gr<strong>und</strong> für seine Zustimmung<br />
zu der Kultreform <strong>und</strong> zu der neuen Gesetzgebung durch <strong>die</strong> Priester von<br />
Jerusalem, zu denen Jeremia wohl gehört haben muß. Darüber kann seine<br />
antipriesterliche Polemik nicht hinwegtäuschen. Jeremia greift nicht Tempel,<br />
Priester- <strong>und</strong> Königtum als solche an, sondern nur ihre würde- <strong>und</strong><br />
charakterlosen Vertreter, <strong>die</strong> für ihn <strong>die</strong> Hauptursache des gottgewollten<br />
Zerfalls des Landes sind.<br />
3. Eindeutig ergreift er Partei für den König von Babylon. Er nennt<br />
Nebukadnezar den „Knecht Jahwes". Sein Bestreben, Jerusalem <strong>und</strong> Juda<br />
aus ihrer verkehrten politischen Haltung, <strong>die</strong> sich gegen Babylon richtete, zu<br />
befreien <strong>und</strong> zu einer friedfertigen <strong>und</strong> wohlwollenden Neutralität zu bewegen,<br />
läßt sich vermutlich aus seiner Herkunft erklären. Die Landbevölkerung sah<br />
ihre Interessen unter den Königen Jerusalems mehr gefährdet als unter einem<br />
babylonischen König.<br />
4. Die Sprache des Jeremiabuches zeigt nicht nur <strong>die</strong> literarische Begabung<br />
des Verfassers, sondern auch seine eigene religiöse Haltung: Anders als <strong>die</strong><br />
Jerusalemer Theologen redet er davon, daß Jahwe ganz unmittelbar <strong>und</strong><br />
direkt mit ihm, dem Menschen Jeremia, umgeht <strong>und</strong> redet. Jahwe tritt häufig in<br />
den Erzählungen als handelnde Person auf, <strong>die</strong> sich einer bildhaften Sprache<br />
be<strong>die</strong>nt, wie sie den Orient auszeichnet. Jahwe ist Weltenschöpfer,<br />
Weltenlenker, Schmied, Bauer, Töpfer, Vater, Mutter, Richter, Priester oder<br />
Arzt. Die von Jeremia verwandten Mythologeme sind bildhaft <strong>und</strong> leicht<br />
eingängig.<br />
5. Jahwe ist Eheherr seiner Braut Israel (Kapitel 2-3), <strong>und</strong> Israel ist zugleich<br />
sein Sohn, Erbe, Lieblingskind (3,4; 3,19; 31,20). Dabei ist nicht zu übersehen,<br />
daß <strong>die</strong>se Begriffe nicht nur Bilder für eine andersgeartete Wirklichkeit,<br />
sondern Mythologeme sind, wie sie dem aus der alten orientalischen<br />
Frömmigkeit Kommenden geläufig sind. Wenn Gudea von Lagas <strong>die</strong> Göttin<br />
Ninlil als Mutter anredet, Enlil der Vater des sumerischen Königs ist oder der<br />
Mondgott Sin als „Vater der <strong>Götter</strong> <strong>und</strong> Menschen'' in Babylon angerufen wird,<br />
dann verbirgt sich darin immer noch <strong>die</strong> Erinnerung an den einstmaligen<br />
heiligen König, der auf Erden wandelte <strong>und</strong> regierte <strong>und</strong> <strong>Gott</strong> genannt wurde.<br />
Darin macht Israel keine Ausnahme.<br />
Der Anthropomorphismus Jahwes als Bild des heiligen Königs ist auch <strong>die</strong><br />
Erklärung für das Motiv der Ehe zwischen Jahwe <strong>und</strong> Israel. Man hat gemeint,<br />
<strong>die</strong> Sammlung der Liebeslieder im sogenannten „Hohenlied Salomos" als<br />
Ritual der heiligen Hochzeit zwischen König <strong>und</strong> Priesterin sehen zu sollen,<br />
wobei <strong>die</strong> Priesterin das. Land <strong>und</strong> seine Bewohner vertritt. Diese Vorstellung<br />
steht sicher nicht hinter dem Hohenlied als Motiv einer Ehe zwischen Jahwe<br />
<strong>und</strong> Israel, wohl aber ist sie in der Volksfrömmigkeit verbreitet gewesen. Das<br />
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