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Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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nicht, aber Jahwe sagte ihm, daß er ihrem Drängen nachgeben<br />

solle. Und so salbte Samuel den Saul zum König, nachdem er dem<br />

Volk noch in einer Rede alle Untugenden eines Königs geschildert<br />

hatte. Er aber war bald unzufrieden mit Saul <strong>und</strong> dessen Taten, <strong>und</strong><br />

er salbte deshalb mit Jahwes Hilfe den David zum König, während<br />

Saul noch lebte. Als Samuel dann starb, versammelte sich ganz<br />

Israel <strong>und</strong> betrauerte ihn; er wurde bei Rama begraben.<br />

I. Samuel 1; 2,18-21; 3,1-18; 2,27-36; 3,19-21; 4; 7,7-17; 8; 10,1-8;<br />

15,10-30; 16; 25,1.<br />

1. Samuel ist eine mythische Gestalt. Seine w<strong>und</strong>erbare Geburtsgeschichte<br />

kennzeichnet ihn als Heros. Seine überragende Bedeutung als gerechter<br />

Richter, Prophet <strong>und</strong> Priester hat dazu geführt, daß unter seinem Namen <strong>die</strong><br />

Königsgeschichten von Saul <strong>und</strong> David erzählt werden (I. <strong>und</strong> II. Buch<br />

Samuel), obwohl von ihm nur in den ersten Kapiteln ausführlicher gehandelt<br />

wird.<br />

2. Sicher ist, daß Samuel seine mythologische Bedeutung in der Verbindung<br />

mit dem Kultort Silo erhalten hat, an dem <strong>die</strong> B<strong>und</strong>eslade, das Palladium des<br />

Zwölf-Stämme-B<strong>und</strong>es, stationiert gewesen sein muß (siehe 7,1). Von dort ist<br />

ihm auch seine Rolle als Stifter von Sauls Heereskönigtum bei Mizpa<br />

zugeflossen, dessen Traditionen in offenem Widerspruch zu den Interessen<br />

des davidischen Jerusalems standen.<br />

3. Daher kommt, daß Samuel einerseits als Vertreter einer königsfeindlichen<br />

Partei (z. B. I. Samuel 8; 10,19-27) gilt, ihm andererseits auch ausgesprochen<br />

königsfre<strong>und</strong>liche Berichte (9,1-10; 16) zugeschrieben werden. Die<br />

königsfre<strong>und</strong>lichen Reden sind dabei kein Widerspruch zu den<br />

königsfeindlichen. Aus beiden geht hervor, daß Samuel der Kronzeuge für das<br />

Wahlkönigtum ist, wie es vor allem von den Nordstämmen geübt wurde, das<br />

natürlich im Gegensatz zu der erblichen Despotie der Davididen in Jerusalem<br />

steht.<br />

4. Diese Samueltradition konnte <strong>die</strong> priesterliche Endredaktion nur<br />

passieren, weil das Judentum im 6. Jahrh<strong>und</strong>ert v. u. Z. vor allem interessiert<br />

war, sich nicht als politisch-nationale Größe herauszustellen, sondern als<br />

fromme Kultgemeinde zu gelten, <strong>die</strong> den Normen des persischen Reiches<br />

entsprach. Die nördliche, israelitische Überlieferung von Samuel als einem<br />

Streiter gegen König Saul, der <strong>die</strong> alten Kultordnungen politischen Interessen<br />

unterordnete, entsprach <strong>die</strong>sen Normen.<br />

5. Mythologisch ist Samuel ein Heros, der etwa dem griechischen Theseus<br />

vergleichbar ist. (Theseus bedeutet etwa: „göttliches Pfand".) Theseus gilt als<br />

gesetzestreuer Herrscher, der <strong>die</strong> zwölf attischen Kultgemeinden verband,<br />

indem er ihnen zwar versprach, <strong>die</strong> Monarchie abzuschaffen, <strong>die</strong>se aber<br />

tatsächlich dadurch errichtete - wenn man Plutarch glauben darf -, daß er sich<br />

zum Oberkomman<strong>die</strong>renden ernannte. Theseus steht auch wie Samuel auf<br />

der Schwelle zwischen mythischem <strong>und</strong> historischem Geschichtsbewußtsein,<br />

ist auch göttlicher wie menschlicher Natur wie der Heros Samuel.<br />

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