Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

thule.italia.net
von thule.italia.net Mehr von diesem Publisher
30.12.2012 Aufrufe

das Fürstenamt. Unter dieser Bedingung sagte er zu. Und der Geist Jahwes kam über ihn, und Jephta schlug die Ammoniter. Jephta schlug auch die Ephraimiten, die sich gegen ihn empört hatten, und ließ nach dieser Schlacht die Jordanfurten besetzen und dabei alle Ephraimiten töten: Die Ephraimiten konnten nämlich „Schibboleth" (d. i. „Strom") nur „sibboleth" aussprechen. Daran wurden sie erkannt, wenn sie über die Furten wollten. Nun hatte Jephta vor der Schlacht ein Gelübde getan: Wenn ich als Sieger wohlbehalten zurückkommen sollte, werde ich dasjenige Jahwe als Brandopfer darbringen, was mir als erstes aus der Tür meines Hauses entgegenkommt. Als Jephta nach Hause kam, da trat ihm seine Tochter, sein einziges Kind, entgegen. Darüber war er tief betroffen. Aber die Tochter mahnte ihn, sein Gelübde einzuhalten. Nachdem sie zwei Monate getrauert hatte, kehrte sie zu Jephta zurück, und er vollzog an ihr das Gelübde, das er Jahwe gegeben hatte. Seitdem trauern in jedem Jahre die Töchter Israels vier Tage lang um die Tochter Jephtas. Er aber regierte dann noch sechs Jahre in Mizpa. Richter 10,17-18; 11,1-11.29.33; 12,1-6; 11,12-28.30-32.34-40. 1. Die Heldengeschichte Jephtas ist wie die Geschichte der anderen sogenannten „großen Richter" ursprünglich eine kanaanäische Heldensage gewesen. Jephta war ein König, residierte in Tob und wurde zum Wahlkönig von Gilead gemacht, nachdem er dieses Land von dem Druck der Ammoniter, Moabiter und Ephraimiten befreit hat. Gilead ist zwar ein Landschaftsname, wird aber auf einen mythischen Ahnherrn zurückgeführt. Daher ist auch ziemlich sicher, daß Jephta von Hause aus kein „Richter in Israel" gewesen ist. Die Institution „Richter in Israel" ist schon Bestandteil der Bundesgründung von Sichern gewesen. Vermutlich waren die Richter die Rechtswalter des Bundesrechtes, wie es in Sichern beschworen war. Die sogenannten „kleinen Richter" (Richter 10,1-5; 12,8-9) waren sicher solche Sprecher. Die bei ihnen genannten Zahlen ihrer Amtsjahre sind vertrauenerweckend. In Assur waren die limus Beamte, die eine vergleichsweise ähnliche Aufgabe hatten. Die sogenannten „großen Richter" sind samt und sonders, wie Jephta, Gideon und Simson zeigen, kanaanäische Helden gewesen. 2. Die Geschichte Jephtas weist mit der Davidgeschichte gewisse Ähnlichkeiten auf. Jephta und David sind beide Anführer von Banden gewesen, mit deren Hilfe sie sich einen Thron eroberten. Beide waren Exulanten. Das beiden Helden Gemeinsame ist ein bestimmter, allgemeingültiger topos: Der Held bahnt sich seinen Weg zur Macht mit Meuterern und Rebellen, die sich in die Wüstengebiete zurückziehen mußten, um den Schergen ihrer Gerichte zu entgehen. 3. Die Historizität Jephtas ist nicht sicher. Der Name läßt eher auf eine mythische Person schließen. Jephta bedeutet nämlich „er befreit". Vermutlich 162

ist deshalb die Person mythologischen Charakters und die Geschichte von Jahwes Zuwendung zu ihm, mit der er alle seine Siege erringt, nur der Versuch frommer Israeliten im 10. Jahrhundert, diese alte kanaanäische Heldengestalt in die Tradition der Stämme einzugliedern. Dadurch hat Jephta die ursprüngliche geschichtsätiologische Funktion verloren, die in ihm den Befreier sieht. Seine Tat ist sicher die Befreiung eines kleinen kanaanäischen Stadtkönigtums, etwa Mizpa oder auch Gilead, aus der Dienstbarkeit eines größeren Reiches, wie etwa Moab, gewesen. 4. Der elohistische Erzähler betont im Gegensatz wieder zu dem südjudäischen Erzähler der Heldengeschichte, wie Jephta erst einmal versucht, durch Verhandlungen zu einem gütlichen Ausgang des Streites zu kommen. Ferner erzählt er die kultätiologische Anekdote von dem Opfer der Tochter durch den Vater. Die Sitte des Menschenopfers ist für den Erzähler nichts Außergewöhnliches. Jephta vollzieht das Opfer, ohne daß Jahwe eingreift wie bei Abrahams Opfer (I. Mose 22) oder Artemis bei der Opferung der Iphigenie in Aulis. Iphigenie sollte geopfert werden, um Poseidon günstig zu stimmen für die Flotte der Griechen, Jephtas Tochter für das Schlachtenglück des Vaters. Das analoge mythologische Schema birgt den Schlüssel zum Verständnis des Mythos. Die Opferung eines Mädchens befreit von der Vorherrschaft der großen Mutter und heiligen Königin. Jephta flieht die Heimat und das alte matrilineare Erbrecht (Richter 11,2) und kehrt als Sieger mit neuem Recht zurück. Die matrilineare Erbfolge wird durch die Opferung seiner einzigen Tochter ausgeschlossen. Das alte Recht lebt nur noch als mißverstandenes Fest im Ritus fort, wie die Anmerkung von der Trauer der Töchter Israels zeigt. 7.9 Simson In Zorea lebte zu der Zeit, als die Philister noch sehr mächtig im Lande waren, Manoah aus dem Hause Dan. Ihm wurde nach langer Kinderlosigkeit von seiner Frau ein Sohn geboren, den sie Simson nannte. Ihr war nämlich ein Engel Jahwes erschienen und hatte ihr geweissagt, daß sie einen Sohn gebären würde. Zugleich hatte er ihr befohlen, fortan keinen Wein zu trinken und auch keine unreinen Speisen zu essen und ihrem Sohn auch nie die Haare zu schneiden; denn dieser sollte ein Gottgeweihter sein. Die Frau hatte das ihrem Mann erzählt, und Manoah hatte dasselbe Orakel von dem Engel Jahwes noch einmal gehört. Da brachten sie Jahwe ein Ziegenböckchen als Brandopfer dar, und der Engel Jahwes fuhr in der Opferflamme hinweg. 163

ist deshalb <strong>die</strong> Person mythologischen Charakters <strong>und</strong> <strong>die</strong> Geschichte von<br />

Jahwes Zuwendung zu ihm, mit der er alle seine Siege erringt, nur der<br />

Versuch frommer Israeliten im 10. Jahrh<strong>und</strong>ert, <strong>die</strong>se alte kanaanäische<br />

Heldengestalt in <strong>die</strong> Tradition der Stämme einzugliedern. Dadurch hat Jephta<br />

<strong>die</strong> ursprüngliche geschichtsätiologische Funktion verloren, <strong>die</strong> in ihm den<br />

Befreier sieht. Seine Tat ist sicher <strong>die</strong> Befreiung eines kleinen kanaanäischen<br />

Stadtkönigtums, etwa Mizpa oder auch Gilead, aus der Dienstbarkeit eines<br />

größeren Reiches, wie etwa Moab, gewesen.<br />

4. Der elohistische Erzähler betont im Gegensatz wieder zu dem<br />

südjudäischen Erzähler der Heldengeschichte, wie Jephta erst einmal<br />

versucht, durch Verhandlungen zu einem gütlichen Ausgang des Streites zu<br />

kommen. Ferner erzählt er <strong>die</strong> kultätiologische Anekdote von dem Opfer der<br />

Tochter durch den Vater. Die Sitte des Menschenopfers ist für den Erzähler<br />

nichts Außergewöhnliches. Jephta vollzieht das Opfer, ohne daß Jahwe<br />

eingreift wie bei Abrahams Opfer (I. Mose 22) oder Artemis bei der Opferung<br />

der Iphigenie in Aulis. Iphigenie sollte geopfert werden, um Poseidon günstig<br />

zu stimmen für <strong>die</strong> Flotte der Griechen, Jephtas Tochter für das<br />

Schlachtenglück des Vaters. Das analoge mythologische Schema birgt den<br />

Schlüssel zum Verständnis des Mythos. Die Opferung eines Mädchens befreit<br />

von der Vorherrschaft der großen Mutter <strong>und</strong> heiligen Königin. Jephta flieht <strong>die</strong><br />

Heimat <strong>und</strong> das alte matrilineare Erbrecht (Richter 11,2) <strong>und</strong> kehrt als Sieger<br />

mit neuem Recht zurück. Die matrilineare Erbfolge wird durch <strong>die</strong> Opferung<br />

seiner einzigen Tochter ausgeschlossen. Das alte Recht lebt nur noch als<br />

mißverstandenes Fest im Ritus fort, wie <strong>die</strong> Anmerkung von der Trauer der<br />

Töchter Israels zeigt.<br />

7.9 Simson<br />

In Zorea lebte zu der Zeit, als <strong>die</strong> Philister noch sehr mächtig im<br />

Lande waren, Manoah aus dem Hause Dan. Ihm wurde nach langer<br />

Kinderlosigkeit von seiner Frau ein Sohn geboren, den sie Simson<br />

nannte.<br />

Ihr war nämlich ein Engel Jahwes erschienen <strong>und</strong> hatte ihr<br />

geweissagt, daß sie einen Sohn gebären würde. Zugleich hatte er<br />

ihr befohlen, fortan keinen Wein zu trinken <strong>und</strong> auch keine unreinen<br />

Speisen zu essen <strong>und</strong> ihrem Sohn auch nie <strong>die</strong> Haare zu<br />

schneiden; denn <strong>die</strong>ser sollte ein <strong>Gott</strong>geweihter sein. Die Frau hatte<br />

das ihrem Mann erzählt, <strong>und</strong> Manoah hatte dasselbe Orakel von<br />

dem Engel Jahwes noch einmal gehört. Da brachten sie Jahwe ein<br />

Ziegenböckchen als Brandopfer dar, <strong>und</strong> der Engel Jahwes fuhr in<br />

der Opferflamme hinweg.<br />

163

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!