Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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tropft - das ist der Nektar -, und von der Milch der wild lebenden Schafe und Ziegen. Das Motiv deutet auf die matriarchalische Gesellschaftsform: die Bienenkönigin ist das Symbol für die große heilige Mutter und Königin. Für die nomadisierenden israelitischen Stämme war das Kulturland Kanaan noch vollgültig das Gelobte Land, das von Milch und Honig fließt. In der Jahrhunderte späteren mythologischen Sprache wird in diesem Bilde die Sehnsucht nach dem verlorengegangenen „Goldenen Zeitalter" lebendig, das ja schon immer eine retrospektive Utopie war. 6.5 Zu Jerusalem Als König Josia von Jerusalem und Juda achtzehn Jahre regiert hatte, ließ er den Tempel restaurieren. Dabei traf es sich, daß der Priester Hilkia im Tempel ein Buch fand, das das Gesetz Jahwes enthielt. Der Priester gab es dem obersten Schreiber Saphan, der davon dem König erzählte. Josia ließ sich das Buch vorlesen. Beim Zuhören geriet er außer sich, denn die Vorschriften des Gesetzes und die Wirklichkeit im Lande deckten sich nicht. Der König erbat deshalb von dem Priester ein Orakel Jahwes für die Zukunft. Hilkia wandte sich an die Prophetin Hulda, die im zweiten Bezirk von Jerusalem wohnte und mit dem königlichen Kleiderhüter verheiratet war. Diese weissagte Land und Stadt den Untergang, weil sie von Jahwe abgefallen waren, doch sollte Josia wegen seiner Reue den Untergang nicht erleben, sondern vorher sterben. Josia hörte das und versammelte die Ältesten aus Juda und Jerusalem und erneuerte mit ihnen den Bund mit Jahwe, wie es in dem gefundenen Buch beschrieben war. Danach befahl er, daß alle fremden Götter und Kultstätten in Jerusalem und auf den Höhen im ganzen Lande zerstört werden sollten. Übrigbleiben sollte nur der Tempel in Jerusalem. Aus diesem Tempel aber wurde auch Baal und die Göttin Asera verbannt und ihr Bild zerstört. Josia vertrieb die Priester, die den Sternen, dem Heere des Himmels, dienten, die Sonnen- und Mondgötter. Ebenso vertrieb er die Hurer und Dirnen der Istar und zerstörte das Molochheiligtum im Tale Hinnom. Alle im Lande verstreuten Heiligtümer der Feldgötter ließ er entweihen. Ebenso die Götter Kamos und Milkom. In seinem Eifer drang er auch über die Landesgrenze bis nach Bethel und Samaria vor und zerstörte dort die Heiligtümer und Altäre, auf denen er ihre Priester schlachten ließ, um die Kultstätten für ewige Zeiten zu entweihen. 144

Und dazu ordnete der König Josia an, daß fortan das Passahfest gemäß dem Buch des Gesetzes gefeiert werde. Das war das erstemal, daß zu Ehren Jahwes ein solches Passah in Jerusalem gefeiert wurde. Ebenso befahl er, alle Totenbeschwörer, Zeichendeuter, die Hausgötter, die Stammesgötter und alle anderen Gottesbilder im Lande auszurotten. Einen solch gottesfürchtigen König hat es bis dahin und auch später nicht in Israel gegeben. Er fiel dann im Kriege gegen Necho von Ägypten. II. Könige 22-23. 1. Die Sage von dem großen König Josia und seiner Kultreform (622 v. u. Z.) stammt aus der deuteronomischen Tradition Jerusalems. Die Sage ist die Erklärung für die Besonderheit eines rigoros monolatristisch geformten Gesetzbuches. Es ist sicher, daß weite Partien des V. Buches Mose aus dieser Zeit stammen. Sie spiegeln das Interesse der erneut stark gewordenen Zentralgewalt und ihrer Priesterschaft wider, alle kultischen Rechte, die mit großen ökonomischen Vorteilen verbunden waren, auf Jerusalem zu konzentrieren. Dem dient das „neue Gesetz", das plötzlich gefunden wird, als man den Tempel restauriert. Es vereinigt in sich, wie das V. Mosebuch zeigt, ein vollständiges Corpus juris. Bis zu dieser Kultreform bestand in Jerusalem noch kein für alle Stämme verbindlicher Festkalender mit einheitlichem Ritual. Der wird jetzt durch königliches Dekret festgelegt. Ebenfalls waren bis zu dieser Reformation fremde Götter, fremde Kulte und die Überreste der ehemaligen Volksfrömmigkeit in Gestalt der Totenbeschwörer und Zeichendeuter lebendig. Ihre Ausrottung bedeutete, daß der königlichen Zentralgewalt nunmehr alle Zuwendungen zuflössen, die bisher in fremden, auch landfremden, Kultorganisationen versickerten. Dieser ökonomische Aderlaß - denn die Kultorganisationen waren gleichzeitig autarke Wirtschaftseinheiten, weil jeder Tempel Ländereien und Werkstätten besaß - hörte auf. Die Jerusalemer Stadtbevölkerung und die königliche Priesterschaft errangen mit dem neuen Gesetz für sich das absolute Handelsmonopol. So wichtig dieser Schritt für die Stabilisierung der Zentralgewalt Josias auch war, trieb er doch das Land dem Untergang entgegen. Denn die nun entrechteten und entmachteten Bevölkerungsteile ließen sich in die aufnahmebereiten Arme der Großstaaten Ägypten und Babylon fallen, von denen sie sich eine Bestätigung ihrer früheren Privilegien erhofften. 2. Die einzelnen Angaben im Bericht zeigen zuverlässig, wie vielfältig die mythologische Umwelt in Israel und Juda lebte. Asera und ihr Mann Baal sind die vorderasiatischen Fruchtbarkeitsgötter Istar und Tammuz (in Ugarits Mythen Astart und Alijan Baal). Kamos und Milkom sind syrophönizische und moabitische Götter, Stadtgötter und Kriegsgötter zugleich. Ziemlich sicher ist, daß mit den Sonnengöttern und Sonnenrossen der vorderasiatische Sonnengott Samas, mit dem Mondgott Sin der babylonische Gott gemeint sind. Diese Götter sind vermutlich im Gefolge der lebhaften Beziehungen zwischen den Großreichen an Euphrat und Nil über die Landbrücke Palästina 145

Und dazu ordnete der König Josia an, daß fortan das Passahfest<br />

gemäß dem Buch des Gesetzes gefeiert werde. Das war das<br />

erstemal, daß zu Ehren Jahwes ein solches Passah in Jerusalem<br />

gefeiert wurde. Ebenso befahl er, alle Totenbeschwörer,<br />

Zeichendeuter, <strong>die</strong> Hausgötter, <strong>die</strong> Stammesgötter <strong>und</strong> alle anderen<br />

<strong>Gott</strong>esbilder im Lande auszurotten.<br />

Einen solch gottesfürchtigen König hat es bis dahin <strong>und</strong> auch<br />

später nicht in Israel gegeben. Er fiel dann im Kriege gegen Necho<br />

von Ägypten.<br />

II. Könige 22-23.<br />

1. Die Sage von dem großen König Josia <strong>und</strong> seiner Kultreform (622 v. u. Z.)<br />

stammt aus der deuteronomischen Tradition Jerusalems. Die Sage ist <strong>die</strong><br />

Erklärung für <strong>die</strong> Besonderheit eines rigoros monolatristisch geformten<br />

Gesetzbuches. Es ist sicher, daß weite Partien des V. Buches Mose aus<br />

<strong>die</strong>ser Zeit stammen. Sie spiegeln das Interesse der erneut stark gewordenen<br />

Zentralgewalt <strong>und</strong> ihrer Priesterschaft wider, alle kultischen Rechte, <strong>die</strong> mit<br />

großen ökonomischen Vorteilen verb<strong>und</strong>en waren, auf Jerusalem zu<br />

konzentrieren. Dem <strong>die</strong>nt das „neue Gesetz", das plötzlich gef<strong>und</strong>en wird, als<br />

man den Tempel restauriert. Es vereinigt in sich, wie das V. Mosebuch zeigt,<br />

ein vollständiges Corpus juris. Bis zu <strong>die</strong>ser Kultreform bestand in Jerusalem<br />

noch kein für alle Stämme verbindlicher Festkalender mit einheitlichem Ritual.<br />

Der wird jetzt durch königliches Dekret festgelegt. Ebenfalls waren bis zu<br />

<strong>die</strong>ser Reformation fremde <strong>Götter</strong>, fremde Kulte <strong>und</strong> <strong>die</strong> Überreste der<br />

ehemaligen Volksfrömmigkeit in Gestalt der Totenbeschwörer <strong>und</strong><br />

Zeichendeuter lebendig. Ihre Ausrottung bedeutete, daß der königlichen<br />

Zentralgewalt nunmehr alle Zuwendungen zuflössen, <strong>die</strong> bisher in fremden,<br />

auch landfremden, Kultorganisationen versickerten. Dieser ökonomische<br />

Aderlaß - denn <strong>die</strong> Kultorganisationen waren gleichzeitig autarke<br />

Wirtschaftseinheiten, weil jeder Tempel Ländereien <strong>und</strong> Werkstätten besaß -<br />

hörte auf. Die Jerusalemer Stadtbevölkerung <strong>und</strong> <strong>die</strong> königliche Priesterschaft<br />

errangen mit dem neuen Gesetz für sich das absolute Handelsmonopol. So<br />

wichtig <strong>die</strong>ser Schritt für <strong>die</strong> Stabilisierung der Zentralgewalt Josias auch war,<br />

trieb er doch das Land dem Untergang entgegen. Denn <strong>die</strong> nun entrechteten<br />

<strong>und</strong> entmachteten Bevölkerungsteile ließen sich in <strong>die</strong> aufnahmebereiten<br />

Arme der Großstaaten Ägypten <strong>und</strong> Babylon fallen, von denen sie sich eine<br />

Bestätigung ihrer früheren Privilegien erhofften.<br />

2. Die einzelnen Angaben im Bericht zeigen zuverlässig, wie vielfältig <strong>die</strong><br />

mythologische Umwelt in Israel <strong>und</strong> Juda lebte. Asera <strong>und</strong> ihr Mann Baal sind<br />

<strong>die</strong> vorderasiatischen Fruchtbarkeitsgötter Istar <strong>und</strong> Tammuz (in Ugarits<br />

Mythen Astart <strong>und</strong> Alijan Baal). Kamos <strong>und</strong> Milkom sind syrophönizische <strong>und</strong><br />

moabitische <strong>Götter</strong>, Stadtgötter <strong>und</strong> Kriegsgötter zugleich. Ziemlich sicher ist,<br />

daß mit den Sonnengöttern <strong>und</strong> Sonnenrossen der vorderasiatische<br />

Sonnengott Samas, mit dem Mondgott Sin der babylonische <strong>Gott</strong> gemeint<br />

sind. Diese <strong>Götter</strong> sind vermutlich im Gefolge der lebhaften Beziehungen<br />

zwischen den Großreichen an Euphrat <strong>und</strong> Nil über <strong>die</strong> Landbrücke Palästina<br />

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