Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

sehen. Aus dem Feuer aber redete er mit ihnen und verkündete ihnen sein Gesetz: Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten, dem Lande eurer Sklaverei, weggeführt hat. Du sollst neben mir keinen anderen Gott haben. Du sollst dir kein Gottesbild machen noch sonst irgendein Abbild von Himmlischem oder Irdischem oder Unterirdischem und sollst dich vor solchen auch nicht niederwerfen oder sie verehren, denn ich, dein Gott Jahwe, bin ein eifersüchtiger Gott, der die Verschuldung der Väter an den Kindern, Enkeln und Urenkeln derer ahndet, die mich hassen, der aber gnädig sein wird bis ins tausendste Glied denen, die mich lieben und meine Gebote halten. Du sollst den Namen deines Gottes Jahwe nicht frevlerisch gebrauchen, denn Jahwe wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen so mißbraucht. Achte darauf, daß du den Sabbat heilig hältst, wie dein Gott Jahwe befohlen hat. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle Geschäfte erledigen, aber am siebenten Tage, dem Sabbat zur Ehre deines Gottes Jahwe, sollst du keine Geschäfte machen, weder du noch dein Sohn, noch deine Tochter, weder dein Knecht noch deine Magd, weder dein Ochse noch dein Esel noch ein anderes deiner Tiere, noch der Fremde in deiner Familie, damit sie ruhen wie du. Denke daran, daß du selbst Knecht gewesen bist in Ägypten, woher dich Jahwe befreit hat. Darum sollst du den Sabbat feiern. Halte deinen Vater und deine Mutter in Ehren, wie dein Gott Jahwe dir befohlen hat. So wirst du lange leben, und es wird dir gut gehen in dem Lande, das dir dein Gott Jahwe geben wird. Du sollst nicht morden. Du sollst nicht ehebrechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst gegen deinen Nächsten kein falsches Zeugnis ablegen. Du sollst nicht die Ehefrau deines Nächsten begehren und auch keine Begierde nach dem Hause deines Nächsten, nach seinem Felde, seinen Leuten, seinem Vieh oder einem anderen Besitzgegenstand von ihm haben. Diese Worte und nichts weiter redete Jahwe mit lauter Stimme zu dem ganzen Volk vom Berge her in Feuer, Gewölk und Dunkelheit. Mose aber lehrte die Israelsöhne auf Geheiß Jahwes noch viele Satzungen und Rechte, die sie befolgen sollten. V. Mose 5-6,3. 140

1. Die deuteronomische Überlieferung geht auf die Tempelpriesterschaft in Jerusalem zurück, die im 7. Jahrhundert v. u. Z. versucht, die Institution des Königtums der davidischen Dynastie von Jerusalem zu retten, die nicht mehr in der Lage ist, das Land richtig zu lenken und zu verwalten. Die alten sozialen Ordnungen befinden sich wie die ökonomischen in voller Auflösung. Den neu entstandenen Großreichen an Euphrat und Nil mit ihrem staatlichen und ihrem ökonomischen Zentralismus waren die kleinen, nach außen abgeschlossenen Königtümer am Rande der Wüste nicht gewachsen. Darum wird mit dem Gesetz vom Horeb noch einmal der eifersüchtige Gott beschworen, der grausamste Rache an den Abtrünnigen nimmt. Das alte Idealbild der sozial ausgewogenen Clanordnung wird beschworen, um den Fortschritt aufzuhalten, der zum Großreich tendiert. Wie das Gesetz den Willen des abwesenden Königs vertritt, soll nun das Gesetz Jahwes die verlorengegangene Zentralgewalt ersetzen. Der Mythos vom Gesetz erhält die Funktion der Heroenlegende; wie einst Mose, der mythische Heros, alle Schwierigkeiten überwand, so soll nun das Gesetz die Rettung bringen. Deshalb soll das ganze Volk gehorsam sein und Verantwortung tragen. Die dem Untergang entgegentreibende Tempelkaste von Jerusalem will die Klassenunterschiede aufgehoben wissen, ohne sie wirklich aufzuheben. Das apodiktische Recht (erkennbar an der Formel „du sollst") soll die Brücke sein, um sich von der Verantwortung für die entstandene Notsituation zu befreien. 2. Über die historische Ausgangssituation hinaus ist dieser deuteronomische Dekalog religionsgeschichtlich ein unvergängliches Denkmal für die Entstehung der Monolatrie, der Verehrung nur eines einzigen Gottes; wobei man aber sehr wohl weiß, daß es auch andere Götter, andere Könige gibt; denn für den Monotheismus, d. h. die Lehre von der Vorstellung, daß es nur einen Gott gibt, bestanden im 7. Jahrhundert v. u. Z. in Jerusalem die schlechtesten Voraussetzungen. Der ausgesprochen soziale Aspekt des gesamten deuteronomischen Gesetzwerkes im V. Buch Mose findet seine Erklärung, wenn man bedenkt, wie sozialökonomisch zerrissen die Bevölkerung im Südreich Juda zu dieser Zeit war. 6.3 Am Ebal Als Josua mit den Israeliten den Jordan überschritten hatte, kamen sie zum Berge Ebal. Mose aber hatte ihnen gesagt: Wenn ihr den Jordan werdet überschritten haben, sollen sich Simeon, Levi, Juda, Issasar, Joseph und Benjamin auf den Berg Garizim stellen, um das Volk zu segnen. Aber die anderen, Rüben, Gad, Asser, Sebulon, Dan und Naphtali, sollen sich auf den Berg Ebal stellen, um den Fluch auszusprechen. Der Fluch sollte allen denen gelten, die ein fremdes Gottesbild verehrten oder ihre Eltern nicht ehrten, die die 141

1. Die deuteronomische Überlieferung geht auf <strong>die</strong> Tempelpriesterschaft in<br />

Jerusalem zurück, <strong>die</strong> im 7. Jahrh<strong>und</strong>ert v. u. Z. versucht, <strong>die</strong> Institution des<br />

Königtums der davidischen Dynastie von Jerusalem zu retten, <strong>die</strong> nicht mehr<br />

in der Lage ist, das Land richtig zu lenken <strong>und</strong> zu verwalten. Die alten sozialen<br />

Ordnungen befinden sich wie <strong>die</strong> ökonomischen in voller Auflösung. Den neu<br />

entstandenen Großreichen an Euphrat <strong>und</strong> Nil mit ihrem staatlichen <strong>und</strong> ihrem<br />

ökonomischen Zentralismus waren <strong>die</strong> kleinen, nach außen abgeschlossenen<br />

Königtümer am Rande der Wüste nicht gewachsen.<br />

Darum wird mit dem Gesetz vom Horeb noch einmal der eifersüchtige <strong>Gott</strong><br />

beschworen, der grausamste Rache an den Abtrünnigen nimmt. Das alte<br />

Idealbild der sozial ausgewogenen Clanordnung wird beschworen, um den<br />

Fortschritt aufzuhalten, der zum Großreich ten<strong>die</strong>rt. Wie das Gesetz den<br />

Willen des abwesenden Königs vertritt, soll nun das Gesetz Jahwes <strong>die</strong><br />

verlorengegangene Zentralgewalt ersetzen. Der Mythos vom Gesetz erhält <strong>die</strong><br />

Funktion der Heroenlegende; wie einst Mose, der mythische Heros, alle<br />

Schwierigkeiten überwand, so soll nun das Gesetz <strong>die</strong> Rettung bringen.<br />

Deshalb soll das ganze Volk gehorsam sein <strong>und</strong> Verantwortung tragen. Die<br />

dem Untergang entgegentreibende Tempelkaste von Jerusalem will <strong>die</strong><br />

Klassenunterschiede aufgehoben wissen, ohne sie wirklich aufzuheben. Das<br />

apodiktische Recht (erkennbar an der Formel „du sollst") soll <strong>die</strong> Brücke sein,<br />

um sich von der Verantwortung für <strong>die</strong> entstandene Notsituation zu befreien.<br />

2. Über <strong>die</strong> historische Ausgangssituation hinaus ist <strong>die</strong>ser deuteronomische<br />

Dekalog religionsgeschichtlich ein unvergängliches Denkmal für <strong>die</strong><br />

Entstehung der Monolatrie, der Verehrung nur eines einzigen <strong>Gott</strong>es; wobei<br />

man aber sehr wohl weiß, daß es auch andere <strong>Götter</strong>, andere Könige gibt;<br />

denn für den Monotheismus, d. h. <strong>die</strong> Lehre von der Vorstellung, daß es nur<br />

einen <strong>Gott</strong> gibt, bestanden im 7. Jahrh<strong>und</strong>ert v. u. Z. in Jerusalem <strong>die</strong><br />

schlechtesten Voraussetzungen.<br />

Der ausgesprochen soziale Aspekt des gesamten deuteronomischen<br />

Gesetzwerkes im V. Buch Mose findet seine Erklärung, wenn man bedenkt,<br />

wie sozialökonomisch zerrissen <strong>die</strong> Bevölkerung im Südreich Juda zu <strong>die</strong>ser<br />

Zeit war.<br />

6.3 Am Ebal<br />

Als Josua mit den Israeliten den Jordan überschritten hatte, kamen<br />

sie zum Berge Ebal. Mose aber hatte ihnen gesagt: Wenn ihr den<br />

Jordan werdet überschritten haben, sollen sich Simeon, Levi, Juda,<br />

Issasar, Joseph <strong>und</strong> Benjamin auf den Berg Garizim stellen, um das<br />

Volk zu segnen. Aber <strong>die</strong> anderen, Rüben, Gad, Asser, Sebulon,<br />

Dan <strong>und</strong> Naphtali, sollen sich auf den Berg Ebal stellen, um den<br />

Fluch auszusprechen. Der Fluch sollte allen denen gelten, <strong>die</strong> ein<br />

fremdes <strong>Gott</strong>esbild verehrten oder ihre Eltern nicht ehrten, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

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