Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

Die Richter sind die sichtbaren Stammesautoritäten, die Garanten der Unabhängigkeit von Königtum und Tempelpriestertum also deren Opponenten. Obwohl ein biblisches Buch nach ihnen genannt wird, ist nun nicht mehr mit Sicherheit ihre wirkliche Funktion festzustellen. Entweder sind sie charismatische Heerführer oder aber Hüter und Deuter des Gottesrechtes, d. h. Schiedsmänner für die Anliegen, die den Gesamtverband betreffen. In den Stämmen sprechen jeweils die Ältesten Recht, wie aus den patriarchalischen Ordnungen und Gliederungen der Stämme im Buch Josua, Kapitel 7, Vers 16-18, hervorgeht. Die lockere Form der Einwanderung führt auch dazu, daß die Stämme auf friedlichem Weg einen Modus vivendi mit der kanaanäischen Bevölkerung finden. Sie nehmen an ihrem Wirtschaftsleben teil, übernehmen die traditionellen Ackerbaufeste und erküren die alten kanaanäischen Kultstätten zu eigenen. Mit Mühe haben sie sich aber z. B. vor allem der Angriffe der Kamelnomaden aus den Wüsten der arabischen Halbinsel, etwa der Midianiter, wie auch der Philister, der Seevölker, zu erwehren. In solchen Notzeiten ist der feste Stammesverband immer aktiv geworden. Die Israeliten sind sicher Kleinviehzüchternomaden gewesen. Die Kamelnomaden dagegen waren vor allem militärisch gut organisierte Stämme, die sich vorwiegend durch Handel und Kriegsdienst bei verschiedenen Königen ernährten. Die Philister sind etwa gleichzeitig mit den Israeliten in das Land eingedrungen. Sie kamen über das Meer, von Kreta, Zypern und Kleinasien, wo sie der dorischen Völkerwanderung ausgewichen sind- Sie kämpften wie die Israeliten um das Land, waren aber schon in Königtümern fest organisiert, während die Israeliten noch unabhängige Nomadenstämme blieben, bis auch sie sich einen König wählten. Die Berichte vom I. Buch Samuel, Kapitel 9-11, lassen vermuten, daß die Errichtung des Königtums in Israel die Folge eines militärischen Sieges einiger Stämme unter der Führung Sauls, eines Benjaminiten, über ostjordanische Wüstenstämme, die Ammoniter, war. Die Sage lehrt, daß Saul durch Betreiben des Gottesmannes Samuel zum König bestimmt wird. Die Proklamation erfolgt um 1000 v. u. Z. in Gilgal, einem alten kanaanäischen Heiligtum. Das Königtum Sauls ist ein Heereskönigtum, d. h., seine Funktion bleibt auf die militärische Leitung der Aktionen der Stämme gegen ihre Gegner beschränkt. 12

Saul ist ein erfolgreicher Heerführer gewesen, und nach der Sage stehen die Heldentaten seines Sohnes Jonathan den seinen nicht nach. Unter Saul ist es vermutlich gelungen, die Grenzen im Norden, Osten und Süden des Landes zu sichern. Darin scheinen die biblischen Berichte zu stimmen. Die Sicherung gegenüber dem aggressiven Westen, den Philistern, gelingt erst dem nächsten König in Israel, David. Die nur zweijährige Regierungszeit Sauls hat nicht ausgereicht, um aus dem losen Stämmeverband eine militärisch starke Despotie zu entwickeln. Die biblischen Berichte scheinen darin glaubwürdig, daß die Errichtung des Königtums auf den erbitterten Widerstand der alten Stammespriester stieß, denen zwar an der Sicherung ihrer Kultheiligtümer lag, nicht aber an der Institutionalisierung einer neuen Machtordnung wie der kanaanäischen Königtümer, in denen, wie sie sehen konnten, der König auch oberster Priester und Stellvertreter des Stadtgottes, ja Sohn dieser Götter und damit Gott selbst war. Deshalb intrigiert der alte Samuel gegen die Institution des Königtums unter Saul, das in einer Katastrophe endet: Israel wird von den Philistern geschlagen, und Saul und seine Söhne fallen durch Mörderhand. Vermutlich ist David mit Hilfe ebendieser Landpriester, die Saul stürzten, an die Macht gekommen, zunächst in Juda und Hebron. Sein Königtum ist ein Heereskönigtum, sein Aufstieg ist der eines orientalischen Despoten. Durch Bestechung, List, Tücke und gelegentlich durch Mord räumt er alle Rivalen aus dem Wege. Durch die Ehe mit einer Tochter Sauls erhebt er auch scheinlegitime Ansprüche auf den Thron Sauls, den er schließlich besteigt. Er verlegt aber den Sitz der Zentralgewalt, nachdem er zum König auch von Israel gewählt war, aus dem Norden in den Süden des Landes, in die erst von ihm eroberte Burg Jerusalem, und nimmt nun für sich die Rechte eines Königs und Hohenpriesters in Anspruch wie seine vorderasiatischen Kollegen, ohne jedoch in die Funktionen der lokalen Priesterkulte einzugreifen. Außenpolitisch ist er erfolgreich gewesen. Im Innern seines Landes kämpfte er gegen den Widerstand der alten konservativen Stammesfürsten. Es ist ihm nicht gelungen, die beiden Königtümer Israel und Juda, die in ihm durch Personalunion verbunden waren, zu einer nationalen Gruppe zu verschmelzen, wie es der Abschluß des Absalomaufstandes im II. Buch Samuel, Kapitel 20, zeigt. Zwar ist die Bundeslade in seine Residenz Jerusalem gebracht, einen alten kanaanäischen Kultort, aber die Priester, die sie bedienen, sind noch nicht allmächtig, denn nebenher bestehen die alten regionalen Kultorte mit ihrem 13

Saul ist ein erfolgreicher Heerführer gewesen, <strong>und</strong> nach der Sage<br />

stehen <strong>die</strong> Heldentaten seines Sohnes Jonathan den seinen nicht<br />

nach. Unter Saul ist es vermutlich gelungen, <strong>die</strong> Grenzen im<br />

Norden, Osten <strong>und</strong> Süden des Landes zu sichern. Darin scheinen<br />

<strong>die</strong> biblischen Berichte zu stimmen. Die Sicherung gegenüber dem<br />

aggressiven Westen, den Philistern, gelingt erst dem nächsten<br />

König in Israel, David. Die nur zweijährige Regierungszeit Sauls hat<br />

nicht ausgereicht, um aus dem losen Stämmeverband eine<br />

militärisch starke Despotie zu entwickeln. Die biblischen Berichte<br />

scheinen darin glaubwürdig, daß <strong>die</strong> Errichtung des Königtums auf<br />

den erbitterten Widerstand der alten Stammespriester stieß, denen<br />

zwar an der Sicherung ihrer Kultheiligtümer lag, nicht aber an der<br />

Institutionalisierung einer neuen Machtordnung wie der<br />

kanaanäischen Königtümer, in denen, wie sie sehen konnten, der<br />

König auch oberster Priester <strong>und</strong> Stellvertreter des Stadtgottes, ja<br />

Sohn <strong>die</strong>ser <strong>Götter</strong> <strong>und</strong> damit <strong>Gott</strong> selbst war. Deshalb intrigiert der<br />

alte Samuel gegen <strong>die</strong> Institution des Königtums unter Saul, das in<br />

einer Katastrophe endet: Israel wird von den Philistern geschlagen,<br />

<strong>und</strong> Saul <strong>und</strong> seine Söhne fallen durch Mörderhand.<br />

Vermutlich ist David mit Hilfe eben<strong>die</strong>ser Landpriester, <strong>die</strong> Saul<br />

stürzten, an <strong>die</strong> Macht gekommen, zunächst in Juda <strong>und</strong> Hebron.<br />

Sein Königtum ist ein Heereskönigtum, sein Aufstieg ist der eines<br />

orientalischen Despoten. Durch Bestechung, List, Tücke <strong>und</strong><br />

gelegentlich durch Mord räumt er alle Rivalen aus dem Wege.<br />

Durch <strong>die</strong> Ehe mit einer Tochter Sauls erhebt er auch scheinlegitime<br />

Ansprüche auf den Thron Sauls, den er schließlich besteigt. Er<br />

verlegt aber den Sitz der Zentralgewalt, nachdem er zum König<br />

auch von Israel gewählt war, aus dem Norden in den Süden des<br />

Landes, in <strong>die</strong> erst von ihm eroberte Burg Jerusalem, <strong>und</strong> nimmt<br />

nun für sich <strong>die</strong> Rechte eines Königs <strong>und</strong> Hohenpriesters in<br />

Anspruch wie seine vorderasiatischen Kollegen, ohne jedoch in <strong>die</strong><br />

Funktionen der lokalen Priesterkulte einzugreifen. Außenpolitisch ist<br />

er erfolgreich gewesen. Im Innern seines Landes kämpfte er gegen<br />

den Widerstand der alten konservativen Stammesfürsten. Es ist ihm<br />

nicht gelungen, <strong>die</strong> beiden Königtümer Israel <strong>und</strong> Juda, <strong>die</strong> in ihm<br />

durch Personalunion verb<strong>und</strong>en waren, zu einer nationalen Gruppe<br />

zu verschmelzen, wie es der Abschluß des Absalomaufstandes im<br />

II. Buch Samuel, Kapitel 20, zeigt. Zwar ist <strong>die</strong> B<strong>und</strong>eslade in seine<br />

Residenz Jerusalem gebracht, einen alten kanaanäischen Kultort,<br />

aber <strong>die</strong> Priester, <strong>die</strong> sie be<strong>die</strong>nen, sind noch nicht allmächtig, denn<br />

nebenher bestehen <strong>die</strong> alten regionalen Kultorte mit ihrem<br />

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