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Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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1. Die elohistische Mosegeschichte beschreibt Mose zwar auch als den<br />

großen Heerführer, mehr noch aber als den, der eine sinnvolle, demokratische<br />

Ordnung mit der Einführung der Stammesältesten geschaffen hat. Die<br />

Selbständigkeit der einzelnen Gruppen ist ein Gebot Moses. Damit bezieht <strong>die</strong><br />

elohistische Tradition eine oppositionelle Haltung zu dem Zentralismus<br />

Jerusalems.<br />

Die zweite Besonderheit des elohistischen Berichts erklärt sich aus der<br />

geschichtlichen Vergangenheit der Tradenten, <strong>die</strong> ausführlich beschreiben,<br />

wie das heldenhafte Volk der jerusalemischen Könige in der<br />

Wüstenwanderungszeit verzagte. Der kulturlandgewohnte Bauer rühmt sich<br />

seiner Überlegenheit.<br />

Eine weitere Besonderheit liegt in der Abwertung des Priesters Aaron. Aaron<br />

ist der Inbegriff des Abfalls. Aaron, eigentlich nur Sprachrohr Moses, der<br />

selber ein <strong>Gott</strong> genannt wird, verführt das Volk zum Stiergottes<strong>die</strong>nst <strong>und</strong><br />

empört sich gegen Mose. Das ist offene Polemik gegen <strong>die</strong> Priesterschaft<br />

Jerusalems im Dienste des Königs.<br />

2. Die elohistische Tradition offenbart aber auch den mythologischen Ort der<br />

Mosegeschichte. Der Name Mosis ist ägyptischer Herkunft <strong>und</strong> bezeichnet in<br />

den ägyptischen Königsnamen den von einem „<strong>Gott</strong> Geborenen", wie etwa<br />

Ramses der vom <strong>Gott</strong>e Ra (der Sonne) Geborene heißt, wie Thutmose auch.<br />

Dieser König Mosis gehört nach Kadesch, einem alten Heiligtum mit sakraler<br />

Rechtsprechung, einer Oase im Nordosten der Sinaihalbinsel. Kadesch<br />

scheint immer in engem Kontakt zu dem Berg-, Wetter- <strong>und</strong> Kriegsgott des<br />

Sinai gestanden zu haben. War der Sinai <strong>die</strong> Mitte einer Amphiktyonie für<br />

Leviten, Keniter, Kalebiter <strong>und</strong> Josephiten im Sommer, so war es Kadesch<br />

vermutlich für <strong>die</strong>selben Nomadenvölker im Winter. Der <strong>Gott</strong> Jahwe von Sinai<br />

gehört zu der Schlange von Kadesch, <strong>die</strong> Mose erhöht, um sein Volk am<br />

Leben zu lassen. Mose ist der Stellvertreter, der Hohepriester des <strong>Gott</strong>es, der<br />

schließlich doch alle Macht an sich reißt. Die Bindung der Schlange an Jahwe<br />

rückt ihn typologisch in <strong>die</strong> Nähe des Apollo, der auch ein Orakelgott ist. Wie<br />

Mose gibt er weise Sprüche von sich <strong>und</strong> heilt Menschen. (Siehe 5,3.)<br />

3. Wahrscheinlich haben hebräische Nomadenstämme das Heiligtum<br />

Kadesch überfallen <strong>und</strong> erobert <strong>und</strong> <strong>die</strong> ortsansässige Göttin in<br />

Schlangengestalt - das deutet auf ihre Funktion als chronische Erdgöttin wie<br />

Hera, Persephone oder <strong>die</strong> ägyptische Herrin von Buto hin - getötet. Eine<br />

Schlangengöttin war auch <strong>die</strong> Pythia von Delphi, <strong>die</strong> Orakelgeberin. Und wie<br />

der griechische Priester Apollos Funktion in Delphi wahrnahm, nachdem<br />

Apollo den Python getötet hatte, so tritt Mose in <strong>die</strong>se Funktion von Kadesch<br />

ein.<br />

Im Ägyptischen ist <strong>die</strong> Uräusschlange als Symbol der heiligen Königin von<br />

Buto schließlich Deutungszeichen für alle Göttinnennamen <strong>und</strong> schließlich<br />

Deutungszeichen für „Göttin" schlechthin geworden. Die Urfehde zwischen der<br />

Apophisschlange <strong>und</strong> dem Sonnengott Ra allerdings kennt <strong>die</strong> elohistische<br />

Tradition: Sie teilt <strong>die</strong> Macht zwischen Sinai <strong>und</strong> Kadesch.<br />

4. Die eingedrungenen Nomaden, <strong>die</strong> Hebräer, wie sie <strong>die</strong> elohistische<br />

Quelle nennt, werden deutlich als Diebe <strong>und</strong> Wortbrüchige dargestellt,<br />

während <strong>die</strong> Ägypter wohlwollend beurteilt werden. Man fühlt mit ihnen <strong>und</strong><br />

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