Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

sieben Hungerjahre. Und er gab Pharao den Rat, dafür zu sorgen, daß reichlich Vorrat in den Überflußjahren eingesammelt wird, und zwar sollte der „Fünfte" erhoben werden, um für die Hungerjahre gerüstet zu sein. Der Pharao hörte auf ihn und ernannte ihn zum obersten Wesir mit unbeschränkten Herrschaftsbefugnissen. Er gab ihm aber die Aseneth, die Tochter des Priesters Potiphera, zur Frau. Und Aseneth gebar ihm zwei Söhne, Ephraim und Manasse. Joseph regierte das Land mit Weisheit. Er sammelte beizeiten und hatte reichliche Vorräte für Ägypten wie für alle Welt angesammelt und verkaufte sie, als die Hungersnot in der Welt groß ward. Es kamen auch die Brüder Josephs aus Kanaan. Joseph erkannte sie sofort; er mußte an seine Träume denken und fuhr sie hart an. Er verdächtigte sie als Kundschafter und ließ sie einsperren. Sie durften aber nach drei Tagen heimreisen, nachdem sie versprochen hatten, den Benjamin zu Joseph zu bringen, der zu Hause geblieben war. Als Geisel behielt Joseph den Simeon zurück. Sie erhielten auch Getreide, soviel sie bezahlen konnten. Aber Joseph hatte angeordnet, ihnen das Geld wieder in die Säcke zu stecken. Als die Söhne ihrem Vater Jakob Josephs Forderung mitteilten, weigerte er sich zunächst, Benjamin reisen zu lassen. Aber der Hunger zwang ihn, der Forderung nachzugeben. Rüben bot seine Söhne dem Vater als Unterpfand an für das Leben Benjamins, und so ließ Jakob sie ziehen. In Ägypten gab Joseph sich ihnen zu erkennen und lud sie ein, bei ihm zu bleiben und im Lande Gosen zu wohnen, wohin auch Jakob kommen sollte. Und Pharao hörte, daß die Brüder Josephs gekommen waren. Er beschenkte sie reichlich, gab ihnen auch Lasttiere und Wagen, damit sie Jakob, ihre Frauen und Kinder, ihre ganze Habe nach Gosen holten. So kam Jakob nach Ägypten, und Joseph versorgte seinen Vater und seine Brüder und die ganze Familie seines Vaters mit Brotkorn. Durch die kluge Vorratswirtschaft verfügte allein Joseph im Namen des Pharao über das Getreide. Bereits nach dem dritten Hungerjahr war alles Geld in den Kassen des Pharao. Im vierten Jahr mußten die Bauern für Brot ihre Herden an den Pharao verkaufen, im fünften Jahr ihre Äcker, im sechsten Hungerjahr ihre Freiheit. Sie waren leibeigen geworden. Nur die Priester konnte Joseph nicht antasten, denn sie lebten auf Kosten Pharaos. Deshalb behielten sie ihre Ländereien und Herden. Aber alles andere gehörte fortan Pharao. Und die Bauern mußten seitdem stetig ein Fünftel ihrer Ernte an Pharao abführen. 108

Nach dem Tode Jakobs fürchteten die Brüder Josephs, daß Joseph ihnen ihre Sünden heimzahlen könnte, und sie warfen sich ihm zu Füßen. Er aber machte sie zu freien Menschen, denn er wollte nicht, daß seine Brüder Leibeigene wären, und sorgte für sie in Ägypten, solange er lebte. Er ließ aber seine Brüder schwören, daß sie bei der Auswanderung seine sterblichen Überreste mitnehmen sollten. l. Mose 37,2.5-11.19-20.28.34; 39,6; 40,1.6-23; 41; 42; 45,1.3.5-9.10b-26; 47,12-13; 50,15-25. 1. Die elohistische Josephsgeschichte kennt im Gegensatz zur jahwistischen nur eine Prüfung der Jakobssöhne. Ferner ist in ihr Rüben derjenige, der sich um Joseph bemüht und der die Gruppe anführt. Endlich ist der elohistische Erzähler sehr ägyptenfreundlich und sehr gut über die ägyptischen Verhältnisse informiert. Die Geschichte der Entstehung der pharaonischen Herrschaft und ihrer Sozialstruktur durch die schonungslose Ausbeutung der ökonomisch Schwächeren in der Krise, die den Armen immer ärmer, den Reichen nur reicher macht, ist in ihrer klassischen Kürze beispielhaft für den Charakter der orientalischen Despotien. Der elohistische Erzähler schildert das ausführlich. Darin wird seine antijerusalemische Opposition sichtbar, denn dort thront ein König aus dem Stamme Benjamin, dem Liebling Josephs, mit ähnlichen Ambitionen. 2. Eine Besonderheit der elohistischen Version ist das Schema von Traum- Weissagung und Wirklichkeits-Erfüllung. Mit diesem formalen Mittel rückt der Erzähler die Heldennovelle in die Nähe des Mythos. Nun ist es Elohim, der das alles so wunderbar gelenkt und die Fäden gezogen hat, und Joseph ist ein gutes Werkzeug. Er wurde zwar in die Leibeigenschaft verkauft, war aber bald der oberste Diener seines Herrn. Joseph war nie wegen des Verdachts auf Ehebruch im Gefängnis, sondern er war dort Aufseher. Der Erzähler läßt keinen Verdacht gegen Joseph aufkommen. Joseph ist ein grundgütiger Mensch, das Vorbild für jeden königlichen Beamten. 3. Der elohistische Erzähler stammt aus den nördlichen Gebieten Palästinas, in denen die alten lokalen Traditionen lebendiger waren als im Süden. Deshalb hat er auch den Namen der Frau des Joseph tradiert, der zugleich den mythologischen Ort der Josephsgeschichten angibt. Die Frau des Joseph heißt nämlich Aseneth, d. h. zur Göttin Neith gehörig. Neith war die Göttin von Sais in Unterägypten und ursprünglich eine Kriegsgöttin und auch Totengöttin, die die Toten auf ihrer Wanderung beschützt. Platon und Plutarch haben sie mit Athena gleichgestellt. Neith ist die Urgöttin des ägyptischen Neuen Reiches, eine Göttin wie die kleinasiatische Anatha, die aus Ugarits Mythen bekannte Anat, die den ermordeten Baal zum Leben erweckt. 4. Damit greift der elohistische Erzähler eines seiner Lieblingsmotive auf, nämlich die Darstellung der Welt als einer wohlgeordneten Harmonie. Die alten kanaanäischen Völker und die Ägypter und das Haus Josephs können gut und in Frieden zusammen leben. Sie können miteinander handeln und sich helfen. Der elohistische Erzähler verabscheut den Krieg. Er ist pazifistisch. 109

Nach dem Tode Jakobs fürchteten <strong>die</strong> Brüder Josephs, daß<br />

Joseph ihnen ihre Sünden heimzahlen könnte, <strong>und</strong> sie warfen sich<br />

ihm zu Füßen. Er aber machte sie zu freien Menschen, denn er<br />

wollte nicht, daß seine Brüder Leibeigene wären, <strong>und</strong> sorgte für sie<br />

in Ägypten, solange er lebte. Er ließ aber seine Brüder schwören,<br />

daß sie bei der Auswanderung seine sterblichen Überreste<br />

mitnehmen sollten.<br />

l. Mose 37,2.5-11.19-20.28.34; 39,6; 40,1.6-23; 41; 42; 45,1.3.5-9.10b-26;<br />

47,12-13; 50,15-25.<br />

1. Die elohistische Josephsgeschichte kennt im Gegensatz zur jahwistischen<br />

nur eine Prüfung der Jakobssöhne. Ferner ist in ihr Rüben derjenige, der sich<br />

um Joseph bemüht <strong>und</strong> der <strong>die</strong> Gruppe anführt. Endlich ist der elohistische<br />

Erzähler sehr ägyptenfre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> sehr gut über <strong>die</strong> ägyptischen<br />

Verhältnisse informiert. Die Geschichte der Entstehung der pharaonischen<br />

Herrschaft <strong>und</strong> ihrer Sozialstruktur durch <strong>die</strong> schonungslose Ausbeutung der<br />

ökonomisch Schwächeren in der Krise, <strong>die</strong> den Armen immer ärmer, den<br />

Reichen nur reicher macht, ist in ihrer klassischen Kürze beispielhaft für den<br />

Charakter der orientalischen Despotien. Der elohistische Erzähler schildert<br />

das ausführlich. Darin wird seine antijerusalemische Opposition sichtbar, denn<br />

dort thront ein König aus dem Stamme Benjamin, dem Liebling Josephs, mit<br />

ähnlichen Ambitionen.<br />

2. Eine Besonderheit der elohistischen Version ist das Schema von Traum-<br />

Weissagung <strong>und</strong> Wirklichkeits-Erfüllung. Mit <strong>die</strong>sem formalen Mittel rückt der<br />

Erzähler <strong>die</strong> Heldennovelle in <strong>die</strong> Nähe des Mythos. Nun ist es Elohim, der<br />

das alles so w<strong>und</strong>erbar gelenkt <strong>und</strong> <strong>die</strong> Fäden gezogen hat, <strong>und</strong> Joseph ist ein<br />

gutes Werkzeug. Er wurde zwar in <strong>die</strong> Leibeigenschaft verkauft, war aber bald<br />

der oberste Diener seines Herrn. Joseph war nie wegen des Verdachts auf<br />

Ehebruch im Gefängnis, sondern er war dort Aufseher. Der Erzähler läßt<br />

keinen Verdacht gegen Joseph aufkommen. Joseph ist ein gr<strong>und</strong>gütiger<br />

Mensch, das Vorbild für jeden königlichen Beamten.<br />

3. Der elohistische Erzähler stammt aus den nördlichen Gebieten Palästinas,<br />

in denen <strong>die</strong> alten lokalen Traditionen lebendiger waren als im Süden. Deshalb<br />

hat er auch den Namen der Frau des Joseph tra<strong>die</strong>rt, der zugleich den<br />

mythologischen Ort der Josephsgeschichten angibt. Die Frau des Joseph<br />

heißt nämlich Aseneth, d. h. zur Göttin Neith gehörig. Neith war <strong>die</strong> Göttin von<br />

Sais in Unterägypten <strong>und</strong> ursprünglich eine Kriegsgöttin <strong>und</strong> auch Totengöttin,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Toten auf ihrer Wanderung beschützt. Platon <strong>und</strong> Plutarch haben sie<br />

mit Athena gleichgestellt. Neith ist <strong>die</strong> Urgöttin des ägyptischen Neuen<br />

Reiches, eine Göttin wie <strong>die</strong> kleinasiatische Anatha, <strong>die</strong> aus Ugarits Mythen<br />

bekannte Anat, <strong>die</strong> den ermordeten Baal zum Leben erweckt.<br />

4. Damit greift der elohistische Erzähler eines seiner Lieblingsmotive auf,<br />

nämlich <strong>die</strong> Darstellung der Welt als einer wohlgeordneten Harmonie. Die<br />

alten kanaanäischen Völker <strong>und</strong> <strong>die</strong> Ägypter <strong>und</strong> das Haus Josephs können<br />

gut <strong>und</strong> in Frieden zusammen leben. Sie können miteinander handeln <strong>und</strong> sich<br />

helfen. Der elohistische Erzähler verabscheut den Krieg. Er ist pazifistisch.<br />

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