Beltz, Walter - Gott und die Götter - Biblische Mythologie

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30.12.2012 Aufrufe

mir ist es gut ergangen. Geht hin zu meinem Vater und erzählt ihm von meiner hohen Würde in Ägypten und von allem, was ihr gehört habt, und bringt eilends meinen Vater hierher. Sie zogen heim, und als Israel den Bericht vernommen hatte, sagte er: Ich will hin und meinen Sohn Joseph sehen, bevor ich sterbe. Er sandte Juda voraus auf dem Wege nach Gosen. Joseph kam seinem Vater entgegen, und sie feierten ein gutes Wiedersehen. Joseph siedelte sie in Gosen an, weil sie sich als Schafhirten auswiesen und der Pharao dort welche benötigte. Israel starb in Gosen. Vor seinem Tode adoptierte er noch die Söhne Josephs, Ephraim und Manasse, für Rüben und Simeon, die verstoßen waren. Er segnete mit dem Erstgeburtssegen den jüngeren, Ephraim, und sagte: Manasse soll ein Volk und mächtig werden, aber sein jüngerer Bruder soll noch mächtiger werden als er, und seine Nachkommen sollen eine ganze Völkermenge werden. Und er starb. Da warf sich Joseph über ihn und hielt die Totenklage. Er ließ seinen Vater nach ägyptischer Art einbalsamieren und bestattete ihn in der Machpela bei Mamre in der Nähe von Hebron. Hierauf kehrte er zurück zu seinen Brüdern. Er starb in Ägypten im Alter von hundertzehn Jahren und wurde auch einbalsamiert und in ein Grab gelegt. I. Mose 30,24; 37,3-4.14.21.25-27.31-33; 39,1-3.6-23; 42,5; 43; 44; 45,4.13.28; 46,28-47,5; 48,9.13-14.17-19; 50. 1. Die ganze Josephsgeschichte ist eher eine Novelle von dem sagenhaften Schicksal eines Hirtenknaben aus Kanaan, der zum obersten Wesir des ägyptischen Pharao wird, als ein Mythos. Denn in der gesamten Erzählung tritt Jahwe überhaupt nicht auf. Die Josephsnovelle ist vermutlich nur in den Traditionskomplex aufgenommen, um den heros eponymos einer mittelpalästinensischen Stämmegruppe, Ephraim und Manasse, die erst sehr spät in die Zwölf-Amphiktyonie eingetreten sind, im Geschichtsschema unterzubringen. Sein Grab in Sichern (wohin er nach Josua 24,32 übergeführt wurde) ist sicher der Ausgangspunkt der Legendenbildung gewesen. 2. Die Josephsnovelle muß sehr festgefügt gewesen sein, denn die vorstehende jahwistische und die unten folgende elohistische Version sind sehr ähnlich. Ein Unterschied besteht aber z. B. in der Verratsszene. Beim jahwistischen Erzähler ist es Juda, der sich dafür einsetzt, daß Joseph am Leben bleibt, beim elohistischen ist es Rüben, der den Wortführer spielt. Hier stoßen die Traditionen von Süd und Nord aufeinander. Beide bemühen sich um die Sympathie der starken mittelpalästinensischen Stämme Ephraim und Manasse. Der jahwistische Erzähler legt zudem weniger Wert auf eine anschauliche Darstellung, während der elohistische Erzähler sehr ausführlich wird. Das Fehlen jeder Gottesrede oder Theophanie vor Joseph muß darauf 106

zurückgeführt werden, daß Joseph überhaupt ursprünglich nicht zum Jahwekult gehört hat. b. Als Joseph jung war, hütete er mit seinen Brüdern die Schafe. Und er erzählte ihnen auch, was er träumte. Einmal erzählte er folgenden Traum: Er war mit seinen Brüdern auf dem Felde beim Garbenbinden. Da richtete sich plötzlich seine Garbe auf, und die Garben der Brüder stellten sich um sie herum und verbeugten sich vor ihr. - Darauf sprachen seine Brüder zu ihm: Willst du etwa über uns herrschen und König über uns werden? - Danach erzählte er ihnen einen anderen Traum: Er sah die Sonne und den Mond und elf Sterne, die warfen sich vor ihm nieder. - Dafür schalt ihn sein Vater und sagte: Sollen etwa ich und deine Mutter und deine Brüder dich verehren? - Der Vater konnte die Träume nicht vergessen, und die Brüder haßten ihn deshalb. Und als er eines Tages zu ihnen aufs Feld kam, beschlossen sie, ihn zu töten. Aber Rüben sagte zu ihnen: Das wollen wir nicht tun, sondern wir werfen ihn dort in die leere Zisterne. Er hatte vor, den Joseph wieder herauszuholen und seinem Vater zurückzubringen. Danach kamen midianitische Händler vorbei, die zogen Joseph heraus und nahmen ihn mit nach Ägypten. Als Rüben zurückkam, war Joseph nicht mehr da. Da war er ganz verzweifelt und sagte: Was soll nun werden? Jakob trauerte aber noch lange Zeit. Die Midianiter verkauften Joseph in Ägypten an Potiphar, den Anführer der Leibwächter Pharaos. Der überließ Joseph sein ganzes Eigentum und ließ ihn tun und machen, was er wollte. Einige Zeit später wurden der Mundschenk des Pharao und der Bäcker in das Gefängnis im Hause Potiphars geworfen, und Jopseph hatte sich um sie zu kümmern, denn er war der Oberste unter den Knechten Potiphars. Als Joseph nun einmal morgens zu ihnen kam, waren sie sehr bekümmert, denn sie hatten geträumt, wußten aber ihre Träume nicht zu deuten. Joseph deutete sie ihnen, und sie gingen in Erfüllung. Zwei Jahre später träumte der Pharao von sieben mageren Kühen, die nach sieben fetten Kühen aus dem Nil stiegen und die fetten Kühe fraßen. Danach träumte ihm von sieben dürren Ähren auf einem Halm, die sieben dicke Ähren eines Halmes auffraßen. Als niemand ihm den Traum deuten konnte, erinnerte sich der Mundschenk an Joseph, und Joseph kam und deutete Pharao den Traum: Zuerst werden sieben Überflußjahre kommen und danach 107

mir ist es gut ergangen. Geht hin zu meinem Vater <strong>und</strong> erzählt ihm<br />

von meiner hohen Würde in Ägypten <strong>und</strong> von allem, was ihr gehört<br />

habt, <strong>und</strong> bringt eilends meinen Vater hierher.<br />

Sie zogen heim, <strong>und</strong> als Israel den Bericht vernommen hatte,<br />

sagte er: Ich will hin <strong>und</strong> meinen Sohn Joseph sehen, bevor ich<br />

sterbe. Er sandte Juda voraus auf dem Wege nach Gosen. Joseph<br />

kam seinem Vater entgegen, <strong>und</strong> sie feierten ein gutes<br />

Wiedersehen. Joseph siedelte sie in Gosen an, weil sie sich als<br />

Schafhirten auswiesen <strong>und</strong> der Pharao dort welche benötigte. Israel<br />

starb in Gosen. Vor seinem Tode adoptierte er noch <strong>die</strong> Söhne<br />

Josephs, Ephraim <strong>und</strong> Manasse, für Rüben <strong>und</strong> Simeon, <strong>die</strong><br />

verstoßen waren. Er segnete mit dem Erstgeburtssegen den<br />

jüngeren, Ephraim, <strong>und</strong> sagte: Manasse soll ein Volk <strong>und</strong> mächtig<br />

werden, aber sein jüngerer Bruder soll noch mächtiger werden als<br />

er, <strong>und</strong> seine Nachkommen sollen eine ganze Völkermenge<br />

werden.<br />

Und er starb. Da warf sich Joseph über ihn <strong>und</strong> hielt <strong>die</strong><br />

Totenklage. Er ließ seinen Vater nach ägyptischer Art<br />

einbalsamieren <strong>und</strong> bestattete ihn in der Machpela bei Mamre in der<br />

Nähe von Hebron. Hierauf kehrte er zurück zu seinen Brüdern. Er<br />

starb in Ägypten im Alter von h<strong>und</strong>ertzehn Jahren <strong>und</strong> wurde auch<br />

einbalsamiert <strong>und</strong> in ein Grab gelegt.<br />

I. Mose 30,24; 37,3-4.14.21.25-27.31-33; 39,1-3.6-23; 42,5; 43; 44;<br />

45,4.13.28; 46,28-47,5; 48,9.13-14.17-19; 50.<br />

1. Die ganze Josephsgeschichte ist eher eine Novelle von dem sagenhaften<br />

Schicksal eines Hirtenknaben aus Kanaan, der zum obersten Wesir des<br />

ägyptischen Pharao wird, als ein Mythos. Denn in der gesamten Erzählung tritt<br />

Jahwe überhaupt nicht auf. Die Josephsnovelle ist vermutlich nur in den<br />

Traditionskomplex aufgenommen, um den heros eponymos einer<br />

mittelpalästinensischen Stämmegruppe, Ephraim <strong>und</strong> Manasse, <strong>die</strong> erst sehr<br />

spät in <strong>die</strong> Zwölf-Amphiktyonie eingetreten sind, im Geschichtsschema<br />

unterzubringen. Sein Grab in Sichern (wohin er nach Josua 24,32 übergeführt<br />

wurde) ist sicher der Ausgangspunkt der Legendenbildung gewesen.<br />

2. Die Josephsnovelle muß sehr festgefügt gewesen sein, denn <strong>die</strong><br />

vorstehende jahwistische <strong>und</strong> <strong>die</strong> unten folgende elohistische Version sind<br />

sehr ähnlich. Ein Unterschied besteht aber z. B. in der Verratsszene. Beim<br />

jahwistischen Erzähler ist es Juda, der sich dafür einsetzt, daß Joseph am<br />

Leben bleibt, beim elohistischen ist es Rüben, der den Wortführer spielt. Hier<br />

stoßen <strong>die</strong> Traditionen von Süd <strong>und</strong> Nord aufeinander. Beide bemühen sich<br />

um <strong>die</strong> Sympathie der starken mittelpalästinensischen Stämme Ephraim <strong>und</strong><br />

Manasse. Der jahwistische Erzähler legt zudem weniger Wert auf eine<br />

anschauliche Darstellung, während der elohistische Erzähler sehr ausführlich<br />

wird. Das Fehlen jeder <strong>Gott</strong>esrede oder Theophanie vor Joseph muß darauf<br />

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