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94 Heinz-Lother Barth seu duo rivuli, quibus nobis verbum Dei transmittitur? Si problema mutuae relationis inter Scripturam et Traditionem systematice consideramus, omnino approbandum est quod omnes veritates cognitae ex Traditione essent in aliqua veritate scripturistica vel insinuatae, vel adumbratae, vel fundatae vel aliquo alio modo contentae… Si vero problema nostrum criteriologice consideramus, tunc videtur multis Patribus inter catholicos non posse esse discussionem de hac re, scilicet isti Patres firmiter tenent non omnes veritates in S. Scriptura contentas esse. Quod valet non solummodo de canone sacrarum litterarum, sed etiam de aliis quibusdam veritatibus, quae tantummodo per sacram Traditionem nobis innotescunt.« 171 Jene gewisse materiale Insuffizienz der Schrift, die eben trotz allem zweifellos noch bleibt, jedenfalls nach den soeben genannten Kriterien, wurde von Papst Pius XII. noch einmal in sei ner En zy klika »Huma ni gene ris« vom 12. Aug. 1950, zu mindest implizit, ver fochten, wenn er dort von den »bei den Quel len der von Gott geoffenbarten Lehre« (»uterque doctrinae di vinitus revelatae fons«, DH 3886) sprach. Dieser Begriff wurde traditionell von der katholischen Kirche verwendet, auf dem II. Vatikanum aber um des Ökumenismus willen bewußt fallengelassen, was den Protest konservativer Konzilsväter herausforderte; so z.B. bei Bischof A. Carli, der nicht ohne Grund in der Redeweise von den zwei Quellen geradezu ein Feldzeichen und Unterscheidungsmerkmal zwischen Katholiken und Protestanten sah. 172 Der Konzilsperitus Heribert Schauf wies zur Zeit des II. Vatikanums und in Zusammenhang mit den dortigen Dis kussionen noch einmal die Berechtigung einer solchen Unterscheidung ausführlich nach, und zwar aus den kirchlichen Kate chismen 173 , wogegen Theologen wie Geiselmann 174 und andere an- 171 Zitat nach: Schauf, Annuarium a. O. 453 f. 172 Siehe A. Buckenmaier, »Schrift und Tradition« seit dem Vatikanum II, 272. 173 Heribert Schauf, Die Lehre der Kirche über Schrift und Tradition in den Katechismen, Essen 1963. In der gemischten Kommissionssitzung vom 23. Februar 1962, die mit der Abfassung eines Textes zu Schrift und Tradition betraut war, stützte sich Schauf auf seine Forschungen und zog daraus zu Recht folgenden Schluß: »Die Katechismen sind von den Bischöfen approbiert. Manchmal haben sie nicht nur amtliches Gewicht, sondern werden vorgelegt zum Gebrauch, bisweilen sogar ausschließlich, im Unterricht für die Jugend und für das katholische Volk. Es handelt sich also um einen hervorragenden Akt des ordentlichen Lehramtes der Bischöfe. Wenn in diesem Fall die Katechismen einem Irrtum unterlägen, wo sie mit solcher Einmütigkeit über sehr lange Zeit deutlich und energisch lehren, ist es aus mit dem ordentlichen Lehramt der Bischöfe, nicht nur der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart und Zukunft, ist es aus mit der Autorität der Katechismen, auch in der Zukunft. Die Bischöfe selbst hätten die Gläubigen und das katholische Volk positiv in einen unüberwindlichen Irrtum geführt.« (Text zitiert nach Schaufs deutscher Übersetzung seiner lateinischen Stellungnahme in: Glaube im Prozeß – Für Karl Rahner, 71 f.) 174 Geiselmann reagierte teilweise sehr unsachlich und polemisch auf Schaufs Ausführungen (Zur neuesten Kontroverse über die Heilige Schrift und die Tradition, ThQ 144/1964, 31-

Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung gingen. 175 Selbst mehrere Regionalsynoden hatten im 16. Jahrhundert, und zwar sowohl vor als auch nach Trient, eine entsprechende Differenzierung vorgenommen. Auf diese Tatsache hatte Schauf nicht nur in seinem Buch in aller Klarheit aufmerksam gemacht 176 , sondern sie auch in seinem Appell an den Papst, die traditionelle Lehre in den Texten des II. Vatikanums nicht übergehen zu lassen, deutlich erwähnt. 177 Bezeichnenderweise schrieben noch die deutschen Bischöfe kurz vom dem II. Vatikanum in ihrem berühmt gewordenen, da sehr klug angelegten sog. »Grünen Katechismus«: »Nicht alle Wahrheiten, die Gott geoffenbart hat, sind in der Heiligen Schrift aufgeschrieben. Manche wurden von den Aposteln nur gepredigt und sind dann von 68, zu Schauf 65 ff.). Mit Recht wertete Joseph Ratzinger diesen abermaligen Versuch Geiselmanns, seine Hypothese zu rechtfertigen, als »temperamentvolle Ausfälle, die man nicht mehr als einen sachfördernden Beitrag bezeichnen kann.« (Ein Versuch zur Frage des Traditionsbegriffs, 125 Anm. 1). Ein zentraler Vorwurf Geiselmanns gegen Schauf lautete, er habe die formgeschichtlichen und redaktionsgeschichtlichen Untersuchungen zur Heiligen Schrift nicht berücksichtigt; denn diese zeigten ja, daß die Evangelien der schriftliche Niederschlag lebendiger Überlieferung der Worte und Taten Jesu seien, man könne folglich mündliche und schriftliche Tradition gar nicht im traditionellen Sinn unterscheiden. Gegen diese Beobachtung ist prinzipiell so lange nichts einzuwenden, als DV 19 des II. Vatikanums berücksichtigt wird: Die Evangelien sind, kurz gefaßt, historisch zuverlässig und nicht das Produkt späterer Gemeindearbeit! Aber Geiselmanns Feststellung macht doch die mündliche apostolische Tradition keineswegs überflüssig. Denn es wurde eben nicht alles der Schriftlichkeit anvertraut! Und insofern ist die alte Kontroverse keineswegs überholt und veraltet. 175 Vgl. Verf., »Wer heilig ist, trete hinzu; wer es nicht ist, tue Buße!« (Teil II), UVK 25,4/1995, 233 mit Anm. 209. Selbst wenn man annehmen wollte, daß Schaufs Arbeit die eine oder andere Schwäche bezüglich des verwendeten Materials aufweist, wie W. Kasper und J. Ratzinger in ihren Rezensionen zu dokumentieren versuchten (Buckenmaier, »Schrift und Tradition« seit dem Vatikanum II, 205 f., erwähnt diese Kritik), behalten seine Ausführungen auf jeden Fall ihren großen Wert als umfangreiche Materialsammlung, durch die klar wird, wie die Kirche bzw. wichtige ihrer Vertreter nach dem Tridentinum gedacht und gelehrt haben. Und da kann sich das ganze Corpus mysticum Christi in einer wichtigen fundamentaltheologischen Frage ja wohl nicht Jahrhunderte lang geirrt haben! Schauf selbst bemerkt zu jenen Besprechungen: »Wenn J. Ratzinger in seinem in Anm. 1 zitierten Kommentar S. 499 Anm. 6 seine Besprechung zu meinem Buch über die Lehre der Katechismen (ThRv 60 [1964] 217- 224) zitiert, so vermisse ich die Zitation meiner Gegenstellungnahme ›Zur Lehre der Katechismen über Schrift und Tradition‹ (Aachen 1964), in der diese Kritik als unzulänglich, ja in den entscheidenden Punkten als völlig verfehlt zurückgewiesen wird. Ebd. 18-22 auch eine Stellungnahme zu W. Kasper, Schrift und Tradition, eine Quaestio disputata, in: ThPQ 112 (1964) 205-214.« (Schauf, Glaube im Prozeß – Für Karl Rahner, 78 Anm. 6) 176 Schauf, Die Lehre der Kirche über Schrift und Tradition in den Katechismen, 188-192; 208. 177 H. Schauf, Zur Dogmatischen Konstitution »Dei Verbum« über die göttliche Offenbarung Nr. 9, Annuarium Historiae Conciliorum 16/1984, 442. 95

94 Heinz-Lother Barth<br />

seu duo rivuli, quibus nobis verbum Dei transmittitur? Si problema mutuae relationis<br />

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vel adumbratae, vel fundatae vel aliquo alio modo contentae… Si vero problema<br />

nostrum criteriologice consideramus, tunc videtur multis Patribus inter catholicos non<br />

posse esse discussionem de hac re, scilicet isti Patres firmiter tenent non omnes veritates in<br />

S. Scriptura contentas esse. Quod valet non solummodo de canone sacrarum litterarum,<br />

sed etiam de aliis quibusdam veritatibus, quae tantummodo per sacram Traditionem nobis<br />

innotescunt.« 171<br />

Jene gewisse materiale Insuffizienz der Schrift, die eben trotz allem zweifellos noch bleibt,<br />

jedenfalls nach den soeben genannten Kriterien, wurde von Papst Pius XII. noch einmal<br />

in sei ner En zy klika »Huma ni gene ris« vom 1<strong>2.</strong> Aug. 1950, zu mindest implizit,<br />

ver fochten, wenn er dort von den »bei den Quel len der von Gott geoffenbarten Lehre«<br />

(»uterque doctrinae di vinitus revelatae fons«, DH 3886) sprach. Dieser Begriff wurde<br />

traditionell von der katholischen Kirche verwendet, auf dem II. Vatikanum aber um des<br />

Ökumenismus willen bewußt fallengelassen, was den Protest konservativer Konzilsväter<br />

herausforderte; so z.B. bei Bischof A. Carli, der nicht ohne Grund in der Redeweise<br />

von den zwei Quellen geradezu ein Feldzeichen und Unterscheidungsmerkmal zwischen<br />

Katholiken und Protestanten sah. 172 Der Konzilsperitus Heribert Schauf wies zur<br />

Zeit des II. Vatikanums und in Zusammenhang mit den dortigen Dis kussionen noch<br />

einmal die Berechtigung einer solchen Unterscheidung ausführlich nach, und zwar aus<br />

den kirchlichen Kate chismen 173 , wogegen Theologen wie Geiselmann 174 und andere an-<br />

171 Zitat nach: Schauf, Annuarium a. O. 453 f.<br />

172 Siehe A. Buckenmaier, »Schrift und Tradition« seit dem Vatikanum II, 27<strong>2.</strong><br />

173 Heribert Schauf, Die Lehre der Kirche über Schrift und Tradition in den Katechismen, Essen<br />

1963. In der gemischten Kommissionssitzung vom 23. Februar 1962, die mit der Abfassung<br />

eines Textes zu Schrift und Tradition betraut war, stützte sich Schauf auf seine Forschungen<br />

und zog daraus zu Recht folgenden Schluß: »Die Katechismen sind von den Bischöfen approbiert.<br />

Manchmal haben sie nicht nur amtliches Gewicht, sondern werden vorgelegt zum<br />

Gebrauch, bisweilen sogar ausschließlich, im Unterricht für die Jugend und für das katholische<br />

Volk. Es handelt sich also um einen hervorragenden Akt des ordentlichen Lehramtes<br />

der Bischöfe. Wenn in diesem Fall die Katechismen einem Irrtum unterlägen, wo sie mit<br />

solcher Einmütigkeit über sehr lange Zeit deutlich und energisch lehren, ist es aus mit dem<br />

ordentlichen Lehramt der Bischöfe, nicht nur der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart<br />

und Zukunft, ist es aus mit der Autorität der Katechismen, auch in der Zukunft. Die Bischöfe<br />

selbst hätten die Gläubigen und das katholische Volk positiv in einen unüberwindlichen<br />

Irrtum geführt.« (Text zitiert nach Schaufs deutscher Übersetzung seiner lateinischen<br />

Stellungnahme in: Glaube im Prozeß – Für Karl Rahner, 71 f.)<br />

174 Geiselmann reagierte teilweise sehr unsachlich und polemisch auf Schaufs Ausführungen<br />

(Zur neuesten Kontroverse über die Heilige Schrift und die Tradition, ThQ 144/1964, 31-

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